Urteil des FG Saarland vom 11.03.2008

FG Saarbrücken: tod, unterbrechung, vollmacht, form, aufwand, vergütung, hauptsache, prozessvertretung

FG Saarbrücken Beschluß vom 11.3.2008, 2 KO 1643/07
Anwendung von BRAGO und RVG bei der Kostenfestsetzung - Begründung einer "neuen
Angelegenheit" bei Fortführung des unterbrochenen Verfahrens
Leitsätze
Von einer Erledigung ist nicht zu sprechen, wenn ein gerichtliches Verfahren –in welcher
Konstellation auch immer- nach mehr als zwei Jahren seinen Fortgang erfährt. Es handelt
sich dann immer noch um „dieselbe Angelegenheit“. Insoweit kann ein Bevollmächtigten
keinen neuen Gebührenanspruch geltend machen.
Tatbestand
I. Die Erinnerungsführer sind die Kinder und Erben des am ... März 2002 verstorbenen C. C
hatte am 13. Juli 2001 durch seine jetzigen Bevollmächtigten Klage erhoben. Diese
umfasste die Einkommensteuer der Jahre 1985 bis 1987 sowie 1989 bis 1991. Die Klage
war mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2001 begründet worden (Bl. 26 ff.).
Nachdem durch den Tod von C das Verfahren unterbrochen worden war (Beschluss vom
15. April 2002, Bl. 59), beantragte der Erinnerungsgegner mit Schriftsatz vom 6.
Dezember 2004 (Bl. 65) die Aufnahme des Verfahrens, nachdem ihm die früheren
Bevollmächtigten von C mitgeteilt hatten, der Erinnerungsführer A beabsichtige die
Fortführung des Verfahrens (Bl. 73). Das Finanzgericht nahm das Verfahren wieder auf
und informierte hierüber den Erinnerungsführer A (Bl. 76). Dieser wiederum ließ über die
früheren Bevollmächtigten von C mitteilen, er führe den Rechtsstreit fort (Bl. 77). Die
früheren Bevollmächtigten von C blieben „ “ (Bl. 77). Mit
Schriftsatz vom 3. Februar 2005 teilten die Bevollmächtigten des Erinnerungsführers A
mit, ihre Vollmacht beziehe sich auch auf die Erinnerungsführerin B (Bl. 81). Für diese
reichten sie am 21. März 2005 Vollmacht ein (Bl. 86). In der Folge kam es zu weiterem
Schriftsatzaustausch (Bl. 88 ff.), wobei beide Seiten betonten, das jeweils gegnerische
Vorbringen enthalte „ “ (Bl. 88) bzw. „ “
(Bl. 98).
Am 5. September 2006 fand die mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen die
Erinnerungsführer die Klage hinsichtlich des Streitjahres 1991 zurücknahmen (Bl. 122).
Nachdem sich der Erinnerungsgegner verpflichtet hatte, für die verbleibenden Streitjahre
die Bescheide aufzuheben, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der
Hauptsache für erledigt (Bl. 122). Die Kosten des Rechtsstreits wurden diesbezüglich durch
Beschluss vom 5. September 2006 dem Erinnerungsgegner auferlegt (Bl. 125).
Nachdem durch Beschluss vom 10. Januar 2007 der Streitwert hinsichtlich dieses
Verfahrensteiles auf 4.062,72 Euro festgesetzt worden war (Bl. 146), beantragten die
Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 17. August 2007 (Bl. 153) die Festsetzung von
Kosten i.H. von insgesamt 995,11 Euro. Dabei gründeten sie ihren Antrag auf die
Regelungen des RVG. Am 16. Oktober 2007 (Bl. 164) ergänzten die Erinnerungsführer
ihren Kostenfestsetzungsantrag dahingehend, dass sie zwischen den
Verfahrensabschnitten „Klage für C“ und „Klage der Erben“ unterschieden. Sie machten
geltend, aus § 13 Abs. 5 i.V. mit § 15 Abs. 5 RVG lasse sich ableiten, dass ein neuer
Auftrag erteilt worden sei, der gesondert abgerechnet werden könne.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. November 2007 (Bl. 169) lehnte der
Kostenbeamte des Finanzgerichts die Anwendung des RVG ab, da das Verfahren im Jahre
2001 begonnen worden sei. Nach der Verfahrensunterbrechung sei der Rechtsstreit ohne
geändertes Prüfprogramm, lediglich unter einem neuen Geschäftszeichen, fortgeführt
worden. Die erstattungsfähigen Aufwendungen wurden auf 759,46 Euro festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss legten die Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 28. November
2007 Erinnerung ein (Bl. 173), mit der sie sinngemäß beantragen, den
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16. Oktober 2007 dahingehend abzuändern, dass
erstattungsfähige Aufwendungen von 1.295,43 Euro (statt 759,46 Euro) anerkannt
werden.
Die Erinnerungsführer machen geltend (Bl. 173 f., 180), die RVG-Regelungen kämen zur
Anwendung. Danach handele es sich um zwei selbständig abrechenbare Angelegenheiten.
Der Erinnerungsgegner beantragt sinngemäß (Bl. 181), die Erinnerung als unbegründet
zurückzuweisen.
Er verweist darauf, dass nach der Unterbrechung des Verfahrens infolge des Todes von C
kein neues, selbständig abrechenbares Verfahren eingeleitet worden sei.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Erinnerung hat keinen Erfolg. Der Kostenbeamte hat zu Recht die
Kostenfestsetzung nach den Regelungen der BRAGO durchgeführt.
1.
Gerichtskosten auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder
Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Nach § 139 Abs. 3 Satz 1
FGO sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der
nach den Vorschriften des StBerG zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist,
stets erstattungsfähig. Im vorliegenden Fall sind die Bevollmächtigten des Klägers
Rechtsanwälte und mithin nach § 3 Nr. 1 StBerG unbeschränkt zur geschäftsmäßigen
Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
Die Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten (Vergütung) regeln sich nach Maßgabe
des § 61 Abs. 1 RVG auch nach Inkrafttreten des seit 1. Juli 2004 geltenden RVG weiterhin
nach der BRAGO, „wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im
Sinne des § 15 vor dem 1. Juli 2004 erteilt …worden ist“. § 15 RVG enthält unter der
Überschrift „Abgeltungsbereich der Gebühren“ verschiedene Regelungen, u.a. die des § 15
Abs. 5 Satz 2 RVG, wonach dann, wenn ein früherer Antrag seit mehr als zwei
Kalenderjahren erledigt ist, die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit gilt. Hier entfallen
die im RVG bestimmten Anrechnungen von Gebühren.
2. Im Streitfall sieht der Senat keine Möglichkeit, der Erinnerung stattzugeben. Der
Kostenbeamte hat zu Recht die Regelungen der BRAGO zur Anwendung gebracht, da es
sich bei der Prozessvertretung im Sinne des § 61 Abs. 1 RVG insgesamt um „dieselbe
Angelegenheit“ (vgl. auch § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG) gehandelt hat.
Hierfür spricht insbesondere, dass sich am ursprünglichen Prüfauftrag (Untersuchung der
Rechtmäßigkeit der Einkommensteuersteuerbescheide 1985 bis 1987 und 1989 bis 1991)
nichts geändert hatte. Erinnerungsführer und Erinnerungsgegner haben vielmehr nach
Aufnahme des Verfahrens und Austausch von Schriftsätzen übereinstimmend erklärt, diese
Schriftsätze enthielten keinen neuen (Sach-) Vortrag (Bl. 88, 98). Insoweit beinhaltet zwar
die Unterbrechung des Verfahrens -wie hier durch den Tod eines Beteiligten- einen
Einschnitt, der aber nicht ohne Weiteres bei Fortführung des Verfahrens eine „neue
Angelegenheit“ begründet. Dies gilt unabhängig davon, dass etwa Madert (in:
Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, Komm., 16. Aufl., Anm. 55) die
Auffassung vertritt, die Angelegenheit bleibe (generell) dieselbe, wenn an die Stelle des
Auftraggebers dessen Gesamtrechtsnachfolger träten. Ob dies immer so zu sehen ist oder
ob eine andere Betrachtung greift, wenn sich das Streitprogramm ändert und sich damit
auch der Aufwand eines Prozessvertreters erhöht, kann hier dahin stehen, da– wie
erwähnt- nach Aufnahme des Verfahrens kein neuer, zusätzlicher Streitstoff hinzukam, sich
vielmehr der frühere Streit in unveränderter Form, wenn auch jetzt mit veränderter
Formation auf der Klägerseite, fortsetzte. Insoweit können die Erinnerungsführer auch die
Regelung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG nicht für sich heranziehen, da sie voraussetzt, dass
die frühere Angelegenheit seit mehr als zwei Jahren erledigt gewesen sein muss. Von einer
Erledigung ist indessen nicht zu sprechen, wenn ein gerichtliches Verfahren –in welcher
Konstellation auch immer- (erst) nach mehr als zwei Jahren seinen Fortgang erfährt. Es
handelt sich dann immer noch um „dieselbe Angelegenheit“.
Insgesamt war den Bevollmächtigten im Sinne von § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG „der
unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem 1.
Juli 2004 erteilt worden“, so dass die Regelungen der BRAGO (und nicht die des RVG) bei
der Kostenfestsetzung zur Anwendung kommen. Hiervon geht auch der angefochten
Kostenfestsetzungsbeschluss aus. Demzufolge war die Erinnerung zurückzuweisen.
3. Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei, da das GKG einen
Gebührentatbestand für das Erinnerungsverfahren nicht vorsieht.
Die Entscheidung ergeht nach § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar.