Urteil des FG Saarland vom 17.03.2005

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FG Saarbrücken Beschluß vom 17.3.2005, 1 V 53/05
Zurechnung von ausländischem Stiftungsvermögen bei fehlendem Nachweis eines
Treuhandverhältnisses und zwischenzeitlicher Festsetzungsverjährung
Leitsätze
Weigert sich der als Treuhänder einer Liechtensteiner Stiftung auftretenden
Steuerpflichtige, die Treugeber zu benennen, so sind ihm das Stiftungsvermögen und die
hieraus fließenden Einkünfte zuzurechnen. Steht fest, dass die Stiftung bereits aufgelöst
worden ist, so setzt sich diese Einkünftezurechnung fort, soweit der (frühere) Treuhänder
nicht den Nachweis erbringt, wohin das Stiftungsvermögen geflossen ist.
Tatbestand
I. Der Antragsteller erzielte in den Streitjahren 1993 bis 2003 als Bediensteter der
Landeszentralbank in Rheinland-Pfalz und im Saarland Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit. Er streitet im anhängigen Verfahren mit dem Antragsgegner über die Zurechnung
von Kapitalvermögen sowie der hieraus erzielten Einkünfte.
Der Staatsanwaltschaft Bochum wurde vor einigen Jahren eine CD-ROM übermittelt, die
Angaben zu diversen Stiftungen im Fürstentum Liechtenstein enthielt, welche von dem
dort ansässigen Treuhandbüro B gegründet worden waren. Ermittlungen der
Steuerfahndung Bochum ergaben in der Folge, dass der Antragsteller Anfang der 80-er
Jahre in Vaduz/Liechtenstein die C-Stiftung gegründet hatte. Im November 1988 war die
Stiftung wieder aufgelöst worden. Der Antragsteller gab an, er sei insoweit als Treuhänder
für dritte Personen tätig geworden. Er machte weder Angaben zur Person der Treugeber
noch zur Höhe des Treuhandvermögens (Steufa, Bl. 6). Der Antragsgegner gelangte in
Übereinstimmung und nach Anhörung des Zeugen X (Rbh, Bl. 27 f.) mit der
Steuerfahndung zu der Auffassung, es seien dem Antragsteller zuzurechnendes
Kapitalvermögen sowie hieraus fließende Zinseinkünfte zu schätzen.
Der Antragsgegner erließ dementsprechend am 20. Oktober 2004 geänderte
Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1993 bis 2003 sowie am 23. Dezember
2004 erstmalige Vermögensteuerbescheide auf die Stichtage 1. Januar 1993 und 1995.
Hinsichtlich der Einkommensteuer berücksichtigte der Antragsgegner weitere
Feststellungen der Steuerfahndung im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
(Rbh, Bl. 30 f.), hinsichtlich derer jedoch nach wie vor Aussetzung der Vollziehung gewährt
ist (Rbh, Bl. 83 f.).
Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller Einsprüche ein (Rbh, Bl. 1, 112), über die
noch nicht entschieden ist. Die insgesamt für die Einkommensteuer gewährte Aussetzung
der Vollziehung (Rbh, Bl. 12 f.) hat der Antragsgegner am 13. Januar 2005 auf die
streitigen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt (Rbh, Bl.83 f.). Einen auf die
Vermögensteuerbescheide bezogenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat der
Antragsgegner am 31. Januar 2005 zurückgewiesen (Rbh, Bl. 115).
Am 21. Februar 2005 wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht. Er beantragt
sinngemäß (Bl. 2),
die Einkommensteuerbescheide 1993 bis 2003 vom 20. Oktober
2004 sowie die Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1993
und 1995 vom 23. Dezember 2004 insoweit bis einen Monat nach
Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung von der Vollziehung
auszusetzen, als ihm darin aus der C-Stiftung Kapitalvermögen und
dementsprechende Einkünfte aus Kapitalvermögen zugerechnet
worden sind.
Der Antragsteller macht geltend (Bl. 2 ff.), der Antragsgegner verhalte sich
widersprüchlich. Einerseits betrachte er das vom Antragsteller in die C-Stiftung
eingebrachte Vermögen als Treuhandvermögen. Andererseits rechne er das Vermögen der
zwischenzeitlich aufgelösten Stiftung dem Antragsteller als eigenes Vermögen zu. Es gäbe
jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nach Auflösung der Stiftung im November 1988
der Antragsteller weiterhin als Treuhänder oder in anderer Weise bezogen auf das ihm
zugerechnete Vermögen tätig geworden sei. Im Übrigen bestreitet der Antragsteller die
Höhe der Schätzungen unter Hinweis auf eine Bestätigung eines Y vom 4. Februar 2005
(Bl. 28), wonach das Stiftungskapital der C-Stiftung nicht 3 Mio. DM, wie von der
Steuerfahndung angenommen (Bl. 22), sondern nur 30.000 Franken betragen habe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als
unbegründet zurückzuweisen.
Der Antragsgegner trägt vor, es lasse sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller auch
nach Auflösung der C-Stiftung über die angelegten Gelder in anderer Form weiter verfügt
habe und ihm deshalb entsprechende Einkünfte aus Kapitalvermögen zugeflossen seien.
Der Antragsteller sei gehalten, einen anderen Sachverhalt glaubhaft zu machen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist nach §§ 69 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1
FGO zulässig; er ist jedoch nicht begründet.
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung
für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 2 FGO).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat bisher immer
angeschlossen hat, bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines
angefochtenen Steuerbescheides dann, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass
neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die
Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder
Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der
Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes
sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht
nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (BFH - Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B
21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).
Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt nach der Rechtsprechung
des BFH vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen
würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder
gut zumachen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen
gefährdet wäre. Der Steuerpflichtige muss substantiiert darlegen, dass diese
Voraussetzungen in seinem Fall erfüllt sind. Derartiges ist im Streitfall nicht geschehen.
2. Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
streitigen Bescheide.
2.1. Rechtsgrundlagen
Nach § 88 AO ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Der
Steuerpflichtige ist zur Mitwirkung bei der Sachverhaltsermittlung verpflichtet (§ 90 AO). Im
Normalfall kann die Finanzbehörde von einem Sachverhalt erst dann als gegeben
ausgehen, wenn sie von dessen Existenz überzeugt ist. Verletzt jedoch der Steuerpflichtige
seine Mitwirkungspflicht und legt er dem Finanzamt Tatsachen, die ausschließlich oder
überwiegend seiner Wissens- und Einflusssphäre zugehören, nicht offen, so reduziert sich in
entsprechendem Maße die Ermittlungspflicht der Behörde. Sie kann dann von der Existenz
bestimmter Tatsachen auch unter Zugrundelegung eines geringeren als des sonst üblichen
Grades an Überzeugung ausgehen (BFH, Urteil vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BStBl. II
1989, 462). Soweit die Finanzbehörde aufgrund des auf diese Weise festgestellten
Sachverhalts die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie
diese unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu schätzen (§ 162 Abs. 1
AO). Eine Schätzung ist insbesondere dann vorzunehmen, wenn der Steuerpflichtige über
seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft
verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 AO).
Nach § 90 Abs. 2 AO haben die Beteiligten den Sachverhalt aufzuklären und die
erforderlichen Beweismittel zu beschaffen, wenn es sich um Vorgänge außerhalb des
Geltungsbereichs der Abgabenordnung handelt. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten
gemäß § 90 Abs. 2 AO, so kann das Finanzamt zum Nachteil des Steuerpflichtigen von
einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des
Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts eine
gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Das gilt insbesondere, wenn er die Erhebung
vorhandener Beweise nicht ermöglicht bzw. verhindert, vorhandene Beweismittel einer
Verwertung entzieht oder es pflichtwidrig unterlässt, eine Beweismöglichkeit zu schaffen.
Schätzungen müssen in sich schlüssig sein, ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich
vernünftig und möglich sein (BFH, Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl. II
1986, 226).
Nach § 159 Abs. 1 AO muss derjenige, der behauptet, Rechte, die auf seinen Namen
lauten, nur als Treuhänder inne zu haben, nachweisen, wem die Rechte oder Sachen
gehören. Andernfalls sind sie ihm regelmäßig zuzurechnen. Zur Vermeidung von
Beweisschwierigkeiten und der sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen für den Fiskus
ist die Lösung des Gesetzes angemessen, von dem das Treuhandverhältnis behauptenden
Steuerpflichtigen, der die Möglichkeit eines leichteren Nachweises der in seiner Sphäre
wurzelnden Vorgänge hat, den Nachweis der Treuhandschaft zu fordern (Finanzgericht
Baden-Württemberg, Urteil vom 5. April 2001, 6 K 475/98, juris; zur Schätzung von
Kapitaleinkünften s. auch Finanzgericht Köln, Urteil vom 21. Juni 1996, 3 K 1001/91, EFG
1997, 537; Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 27. Mai 2003, 1 K 252/01, EFG
2003; Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 4. November 2004, 11 K 2702/02 E, EFG
2005, 246).
2.2. Anwendung im Streitfall
Der Senat geht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Betrachtung
davon aus, dass der Antragsgegner aufgrund der Mitwirkungsverweigerung bei der
Sachverhaltsaufklärung berechtigt war, die Besteuerungsgrundlagen in dieser Höhe zu
schätzen.
Der Antragsgegner konnte aufgrund der unstreitigen Gegebenheiten in den 80-er Jahren,
nämlich der Gründung der C-Stiftung, von dem Antragsteller Angaben zur Verwendung der
angelegten Gelder nach der Auflösung der Stiftung verlangen. Insoweit konnte der
Antragsgegner aufgrund der Regelung in § 159 AO und der Weigerung des Antragstellers,
die Treugeber zu benennen, das Stiftungsvermögen und die hieraus fließenden Einkünfte
dem Antragsteller zurechnen. Die zwischenzeitlich für diese Jahre eingetretene
Festsetzungsverjährung (§§ 169 ff. AO) verhindert einen solche Zurechnungsvorgang nicht.
Sie steht lediglich der Festsetzung der entsprechenden Steuern entgegen.
Die Zurechnung des (vormaligen) Stiftungsvermögens hat Auswirkungen in den streitigen
Zeitraum insoweit, als der Antragsgegner vom Antragsteller einen Nachweis darüber
verlangen konnte, wie dieser über das Stiftungsvermögen nach November 1988 verfügt
hat. Da der Antragsteller die diesbezüglich erforderliche Mitwirkung verweigert hat und dem
Antragsgegner infolge der Auslandsbelegenheit weitere Nachforschungen zumindest
erschwert sind, war dies der einzige Weg, eine Grundlage für eine zutreffende Besteuerung
in den Streitjahren zu erlangen. Es war dem Antragsteller ohne Weiteres -auch ohne
Einschaltung des Treuhandbüros in Liechtenstein- möglich, die Entwicklung des
Stiftungsvermögens nach Auflösung der C-Stiftung im Jahre 1988 darzustellen. So kann es
zwar sein, dass das Geld an die Treugeber zurück geflossen ist. Gleichermaßen möglich ist
jedoch die weitere Anlage in einer neuen Stiftung oder aber die sonstige Anlage im Ausland,
um so das Vermögen bzw. die Erträge des Vermögens dem inländischen Fiskus
vorzuenthalten.
Die Mitwirkungsverweigerung des Antragstellers berechtigte den Antragsgegner zu einer
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen.
Der Antragsteller verweist dem gegenüber auf die "Bestätigung" des Y, dem ehemaligen
Stiftungsrat, der C-Stiftung, der angibt, die Stiftung sei mit lediglich 30.000 CHF gegründet
worden (Bl. 28).
Der Senat hält bei summarischer Betrachtung die letzterwähnte Bestätigung jedoch für ein
Gefälligkeitstestat. Hierfür spricht die Aussage des Zeugen X bei der Steuerfahndung
Bochum (Rbh, Bl. 27). Der Zeuge hat angegeben, er habe für seine nicht allzu
umfangreiche Mitwirkung einen Betrag von 10.000 DM erhalten. Auch der Antragsteller
dürfte seine Dienste nicht unentgeltlich geleistet haben. Nimmt man dann noch die
Gründungs- und Verwaltungsgebühren hinzu (lt. Steuerfahndung 3.000 bis 4.000 CHF im
Jahr, Rbh, Bl. 32), die in Liechtenstein angefallen sind, so erscheint ein Stiftungskapital von
nur 30.000 CHF nicht glaubhaft, zumal der Zeuge X davon gesprochen hat, der
Antragsteller habe ihm erklärt, er wolle Geld für "einen oder mehrere Kunden" anlegen. Die
Anlage eines Betrages von nur 30.000 CHF für gleich mehrere Kunden würde bedeuten,
dass sich der Antragsteller für mehrere "Kleinkunden" der Gefahr der steuerlichen und vor
allem strafrechtlichen Entdeckung ausgesetzt hätte.
Diese Annahme wird noch bestätigt durch die Erfahrungen aus den bisher durchgeführten
Prüfungen der Steuerfahndung Bochum und dem durchschnittlich aufgedeckten Vermögen
(Bl. 22). Danach betrug das Mindestkapital für eine Stiftung mindestens 3 Mio. DM bei
Gründungskosten von 30.000 CHF. Die seitens der Steuerfahndung Bochum aufgedeckten
Stiftungsvermögen bewegen sich in der Größenordnung zwischen 4,4 und 30 Mio. DM (Bl.
35 f.).
3. Der Senat hält damit bei summarischer Betrachtung die Zurechnung eines geschätzten
Kapitalvermögens von 3 Mio. DM und hieraus zufließender Zinseinkünfte für zutreffend.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung ergeht unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 FGO). Zur Zulassung der Beschwerde
in entsprechender Anwendung von § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.