Urteil des FG Saarland vom 18.11.2005

FG Saarbrücken: hauptsache, behörde, besitz, mitwirkungspflicht, vorverfahren, anforderung, veranlagung, verwahrung, abgabe, umbau

FG Saarbrücken Beschluß vom 18.11.2005, 1 K 160/01
Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache - Keine Verpflichtung des
Steuerpflichtigen zur Einholung eines Gutachtens
Leitsätze
Ein Kläger ist nicht zur Vermeidung kostenrechtlicher Nachteile gehalten, zur Klärung einer
Fallfrage (hier: Umbau eines Hauses als "Neubau") ein privates Gutachten einzuholen.
Vielmehr ist es Sache des Finanzamts, die dem Steuerpflichtigen vorliegenden Unterlagen
(wie etwa Baupläne, Bauanträge) zu sichten und vor dem Hintergrund der anstehenden
Fallfrage auszuwerten.
Tatbestand
Die Kläger führten den anhängigen Rechtsstreit wegen der Weigerung des Beklagten, ihnen
für den (Um-) Bau und die Erweiterung ihres Wohnhauses die degressive AfA gemäß § 7
Abs. 5 EStG zuzubilligen.
Nach einer erneuten Überprüfung anhand von Unterlagen, die die Kläger vorgelegt hatten,
erließ der Beklagte am 3. November 2005 dem Klageantrag entsprechende
Änderungsbescheide. Er hat mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2005 (Bl. 64) den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, den Klägern die Kosten
des Verfahrens aufzuerlegen. Er machte geltend, die Kläger hätten es in der Hand gehabt,
durch eine gutachterliche Stellungnahme ihres Architekten ihr Begehren ohne Einschaltung
des Finanzgerichts durchzusetzen. Der Erledigungserklärung schlossen sich die Kläger mit
Schriftsatz vom 17. November 2005 unter Verwahrung gegen die Kostenlast an.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Im Falle der Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen ist ohne weitere
Nachprüfung davon auszugehen, dass der Rechtsstreit tatsächlich in der Hauptsache
erledigt ist. Das Gericht hat dann durch Beschluss gemäß § 138 FGO nur noch über die
Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu
berücksichtigen. Soweit ein Rechtsstreit -wie im Streitfall- dadurch erledigt wird, dass die
Einspruchsentscheidung aufgehoben wird, sind die Kosten der Behörde aufzuerlegen (§
138 Abs. 2 Satz 1 FGO). § 137 FGO gilt jedoch sinngemäß (§ 138 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Dem entsprechend können trotz des Obsiegens bzw. der erreichten Korrektur des
streitigen Bescheides einem Beteiligten die Kosten auferlegt werden, wenn die
Entscheidung bzw. Korrektur auf Tatsachen beruht, die er früher hätte geltend machen
können und sollen.
Letzterwähnte Situation ist im Streitfall nicht gegeben. Der Beklagte hatte im
Veranlagungs- und anschließenden Einspruchsverfahren hinreichend Gelegenheit, die
Erklärungsangaben zu prüfen und so den Sachverhalt, ggf. unter Mitwirkung der Kläger, zu
ermitteln. Hierzu bestand insbesondere im Rahmen der betriebsnahe Veranlagung
hinreichend Gelegenheit. Sinn einer solchen Prüfung ist es, "vor Ort" die tatsächlichen (und
rechtlichen) Verhältnisse, die für die Besteuerung maßgebend sind, zu untersuchen (vgl. §
199 Abs. 1 AO), wobei den Steuerpflichtigen Mitwirkungspflichten treffen (vgl. § 200 Abs. 1
AO). Es ist anhand der Akten nicht erkennbar und vom Beklagten auch nicht vorgetragen,
dass sich die Kläger etwa einem entsprechenden Auskunfts- und Vorlageersuchen
widersetzt hätten. Vielmehr bestand insbesondere auch die Möglichkeit der
Inaugenscheinnahme, dies angesichts der speziellen Fragen unter Hinzuziehung eines
Bausachverständigen. Es ist indessen nicht Sache eines Steuerpflichtigen, seinerseits durch
Einholung eines Gutachtens seinen Rechtsstandpunkt zu untermauern. Liegt dem
Steuerpflichtigen ein solches Gutachten vor, so ist er gehalten, es auf Anforderung
vorzulegen. Ist er jedoch (noch) nicht im Besitz, so braucht er auch kein Gutachten
einzuholen. Vielmehr ist es Sache der Behörde, die dem Steuerpflichtigen vorliegenden
Unterlagen (hier etwa die Baupläne, Bauanträge, u.ä.) zu sichten und vor dem Hintergrund
der anstehenden Steuerfrage auszuwerten.
Da den Klägern eine Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht nicht vorzuwerfen ist, bleibt es bei
der Kostentragungspflicht des Beklagten.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz
3 FGO für notwendig zu erklären, nachdem die Kläger in der Klageschrift einen
entsprechenden Antrag gestellt haben.
Die Entscheidung ergeht insgesamt unanfechtbar nach § 128 Abs. 4 FGO.