Urteil des FG Saarland vom 15.07.2003

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FG Saarbrücken Urteil vom 15.7.2003, 1 K 230/01
Holding-Gesellschaft nur bei entgeltlicher geschäftsleitender Tätigkeit Unternehmer
Leitsätze
Eine Holding-Gesellschaft ist nur dann Unternehmer, wenn sie die Dienstleistung der
geschäftsleitenden Tätigkeit gegen Entgelt erbringt, mithin in Form von Kostenzuweisungen
an die Tochtergesellschaften weiterberechnet. Wenn und soweit die entgeltliche Erbringung
bestimmter Leistungen erst ins Auge gefasst wird, ist die Tätigkeit jedoch (noch) nicht auf
die Erzielung von Einnahmen gerichtet.
Tatbestand
Die Klägerin wurde am 23. September 1998 mit einem Stammkapital von 100.000 DM
gegründet (Dok, Bl. 3 ff.). Gesellschafter sind die "Beteiligungsgesellschaft B-GbR,
bestehend aus den Eheleuten B, sowie die "Beteiligungsgesellschaft S-GbR, bestehend aus
den Herren G, S, F, P und R. Gegenstand des Unternehmens ist die Beteiligung an anderen
Unternehmen. Die B-GbR hält 49 v.H., die S-GbR 51 v.H. des Stammkapitals.
Mit Kaufverträgen vom 22. und 29. Oktober 1998 erwarb die Klägerin von der AMK-, die in
verschiedenen Städten Filialen unterhielt, das der AMK gehörende Sachanlagevermögen
zum Preis von 536.600 DM zzgl. 85.856 DM MwSt. Am 21. Oktober 1998 erwarb die
Klägerin überdies sämtliche Geschäftsanteile an der AMK Lux zum Preis von 100.000 DM.
Die Klägerin brachte das auf diese Weise erworbene Anlagevermögen im Wege der
Sacheinlage gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten in insgesamt sechs neu
gegründete GmbH's ein, an denen die Klägerin zu 75 v.H. bzw. 100 v.H. beteiligt war (Bl.
59).
Hierüber erteilte die Klägerin jeweils Rechnung mit entsprechendem Umsatzsteuerausweis
(Bl. 72).
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1998 (Bl. 78 f.) erfasste die Klägerin
diese Veräußerungsgeschäfte als Lieferungen. Die erklärte Vorsteuer von 86.064,03 DM
resultiert bis auf einen Betrag von 208,30 DM, der die Gründung der Klägerin betraf, aus
dem Ankauf des beweglichen Anlagevermögens.
Am 9. Dezember 1998 traf die Klägerin mit drei Gesellschaften der A-Gruppe
(Saarbrücken, Trier, Luxemburg) eine Vereinbarung, wonach die Klägerin künftig für diese
Gesellschaften verschiedene Leistungen (Finanz- und Lohnbuchhaltung,
betriebswirtschaftliche Beratung, Ausübung der Geschäftsführung) erbringen sollte (Bl. 126
f.).
Im Mai 2000 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch.
Dabei gelangte er zu der Auffassung, dass die Klägerin frühestens Ende 1999, dem
Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der Vereinbarung vom 9. Dezember 1998, als
Unternehmerin anzusehen sei. Dementsprechend komme ein Vorsteuerabzug aus dem
Ankauf des Sachanlagevermögens nicht in Betracht. Die in den Einbringungs-Rechnungen
ausgewiesene Umsatzsteuer schulde die Klägerin gemäß § 14 Abs. 3 UStG.
Gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 29. August 2000 legte die Klägerin am 12.
September 2000 Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung
vom 10. August 2001 als unbegründet zurück. Am 3. September 2001 erhob die Klägerin
Klage.
Sie beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 1998
vom 29. August 2000 in Form der
Einspruchsentscheidung vom 10.
August 2001 insoweit abzuändern,
als die Umsatzsteuer auf ./. 208,10
DM festgesetzt wird.
Die Klägerin macht geltend, sie sei als sog. geschäftsleitende Holding anzusehen, da sie
von Beginn an nachhaltige beratende Dienstleistungen gegenüber den
Beteiligungsgesellschaften erbracht und aktiv auf die jeweiligen Geschäftsführungen Einfluss
genommen habe. Diese Aktivitäten genügten nach der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes -EuGH-, um eine Unternehmereigenschaft zu bejahen. Auf die Entgeltlichkeit
komme es nicht an. Auch müsse der Vorsteuerabzug unter dem Gesichtspunkt der sog.
Vorbereitungshandlung gewährt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Seiner Auffassung nach war die Klägerin im Streitjahr (noch) nicht als Unternehmerin tätig.
Der EuGH habe in seinem "Floriedienne-Urteil" klargestellt, dass die Tätigkeit einer
Beteiligungsgesellschaft entgeltlich ausgeübt werden müsse, um eine
Unternehmereigenschaft zu begründen. Der Gesichtspunkt der sog. Vorbereitungshandlung
komme gleichermaßen nicht zum Tragen, weil die Ankäufe nicht in wirtschaftlichem
Zusammenhang mit einer nachfolgenden unternehmerischen Tätigkeit vollzogen worden
seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Verwaltungsakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Nach Auffassung des Senats hat der Beklagte zu Recht im
Streitjahr 1998 die Unternehmereigenschaft der Klägerin verneint.
1. Rechtliche Grundlagen
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche
Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer als
Vorsteuerbeträge die ihm von anderen Unternehmern in Rechnung gestellten Steuern für
Lieferungen und sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt
worden sind.
Die Gründung einer Gesellschaft und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen durch
diese begründet nach ständiger Rechtsprechung keine Unternehmereigenschaft (EuGH
vom 20. Juni 1991 C-60/90, Polysar Investments Netherlands, EuGHE 1991, I-3111 Rdn.
17; BFH-Urteile vom 20. Januar 1988 X R 48/81, BStBl II 1988, 557 und vom 28.
September 1988 X R 6/82, BStBl II 1989, 122). Nach einem Obiter dictum des EuGH wird
eine Holding-Gesellschaft jedoch dadurch zum Unternehmer, dass sie die Geschäfte ihrer
Tochtergesellschaften führt (EuGH in EuGHE 1991, I-3111, Rdn. 14).
Eine Holding-Gesellschaft wird allerdings nur dann zum Unternehmer, wenn sie die
Dienstleistung der geschäftsleitenden Tätigkeit gegen Entgelt erbringt, mithin in Form von
Kostenzuweisungen an die Tochtergesellschaften weiterberechnet. Nur dann, wenn die
Leistung gegen Entgelt ausgeführt wird, bewegt sich der Steuerpflichtige "im Rahmen
seiner wirtschaftlichen Tätigkeit" (vgl. EuGH-Urteil vom 22. Juni 1993 C-333/91, Sofitam,
EuGHE 1993, I-3513, Rdn. 10). An einer solchen fehlt es hingegen, wenn und soweit eine
Dienstleistung unentgeltlich ausgeführt wird; insoweit ist die Tätigkeit nicht auf die Erzielung
von Einnahmen gerichtet (EuGH-Urteil vom 1. April 1982 89/81, Hong-Kong Trade, EuGHE
1982, 1277; BFH in BStBl II 1988, 557). Dies hat der EuGH in seiner Floriedienne-
Entscheidung vom 14. November 2000, Rs C-142/99, DStRE 2000, 1268 durch die
Bezugnahme auf Art. 2 der 6. EG-Richtlinie klargestellt (so auch Eggers/Korf, DB 2001,
298, 300).
2. Anwendung im Streitfall
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze findet die Annahme des Beklagten, die Klägerin
sei im Streitjahr 1998 keine Unternehmerin gewesen, die Zustimmung des Senats.
Die mit dem streitigen Vorsteuerabzug zusammenhängenden Leistungsbezüge wurden
nicht für das Unternehmen der Klägerin ausgeführt, da diese die damit bewirkten
Leistungen jedenfalls anfänglich unentgeltlich ausgeführt hat. Die geschäftsleitende
Tätigkeit der Klägerin diente auch nicht mittelbar ihren unternehmerischen Zwecken. Eine
damit verbundene oder beabsichtigte Steigerung des Gewinns der Tochtergesellschaften
ist keine unternehmerische Tätigkeit im umsatzsteuerrechtlichen Sinn, da sie nicht auf
Entgelt, sondern auf eine Gewinnbeteiligung gerichtet ist (ständige Rechtsprechung; EuGH-
Urteil vom 27. Januar 2000 C-23/98, Heerma, UStR 2000, 121 Rdn. 13; BFH in BStBl II
1988, 557). Auch im Übrigen ist keine unternehmerische Tätigkeit der Klägerin ersichtlich
oder vorgetragen, der die streitigen Leistungsbezüge dienen könnten.
Der Beklagte hat daher den streitbefangenen Vorsteuerabzug zu Recht versagt, da
insoweit die Leistungsbezüge der Klägerin nicht für ihr Unternehmen, sondern für ihren
nichtunternehmerischen Bereich bezogen wurden (vgl. BFH in BStBl II 1988, 557). Dadurch
wird auch nicht gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verstoßen, der
nur den unternehmerischen Bereich betrifft.
Die Klägerin hat allenfalls nach Abschluss der Vereinbarung vom 9. Dezember 1998, die
jedoch die entgeltliche Erbringung bestimmter Leistungen erst ins Auge fasst ("künftig",
sobald "die hierfür notwendigen personellen Voraussetzungen geschaffen sind"), die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG erfüllt. Diese Vereinbarung verdeutlicht, dass im
Zusammenhang mit den entsprechenden Eingangsumsätzen noch keine entgeltlichen
Leistungen erbracht worden sind, vielmehr der Erwerb des Anlagevermögens mit der
entsprechenden Sacheinlage der Klägerin bei den sechs neu gegründeten GmbH in
Zusammenhang stand. Insofern erscheint der Erwerb des streitigen Anlagevermögens
auch nicht als "erster Schritt" im Zuge der späteren entgeltlichen Tätigkeit. Denn dieser
Erwerb lässt nicht den Schluss auf die spätere entgeltliche Tätigkeit zu. Auch ohne sie ist
der Erwerb des streitigen Anlagevermögens und die anschließende Einbringung als
Sacheinlage bei den sechs Tochtergesellschaften ein in sich schlüssiger Vorgang des
Wirtschaftslebens. Die von der Klägerin angeführten unentgeltlichen Tätigkeiten im
Interesse der Tochterunternehmen begründen aber keine unternehmerische Tätigkeit.
Aus der fehlenden Unternehmereigenschaft folgt nach § 14 Abs. 3 UStG die Erfassung der
in Rechnung gestellten Umsatzsteuer. Da die Klägerin unstreitig die Rechnungen nicht im
Streitjahr 1998 zurück erhalten und damit auch nicht in diesem Jahr die Gefährdung des
Steueraufkommens (durch die Vorsteuerabzugsmöglichkeit der Rechnungsempfänger)
beseitigt worden ist, stößt auch die Erfassung der Ausgangsumsätze auf keine Bedenken
(dazu BFH, Urteil vom 22. Februar 2001 V R 5/99, BFH/NV 2001, 997).
3. Insgesamt konnte somit die Klage keinen Erfolg haben. Die Kostenfolge ergibt sich aus §
135 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat keine Veranlassung.