Urteil des FG Saarland vom 27.08.2009

FG Saarbrücken: einkünfte, verfügung, doppelbesteuerungsabkommen, vertragsstaat, unternehmen, kameramann, steuerbefreiung, begriff, betriebsstätte, oecd

FG Saarbrücken Entscheidung vom 27.8.2009, 2 K 1406/07
Ausländische Einnahmen eines Kameramannes im Inland steuerpflichtig
Leitsätze
Ein im Inland wohnhafter Kameramann, der für einige Zeit von ausländischen
Fernsehanstalten bei der Aufzeichnung von Sportveranstaltungen im Ausland (Österreich,
Italien, Frankreich, Niederlande) beschäftigt wird und dabei deren Einrichtungen
(Übertragungswagen, Bürocontainer, Kameras usw.) nutzt, besitzt im Ausland keine feste
oder ständige Einrichtung. Die entsprechenden Einnahmen aus selbständiger Arbeit sind
deshalb im Inland steuerpflichtig.
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger war in den Streitjahren 2004 und 2005 im Inland wohnhaft. Er erzielte als
Kameramann sowohl Einkünfte aus nichtselbständiger wie auch aus selbständiger Arbeit.
Er streitet mit dem beklagten Amt über die Besteuerung eines Teils letzterwähnter
Einkünfte im Inland.
Der Kläger berichtete im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit als Kameramann von
verschiedenen Sportereignissen in Österreich, Italien, Frankreich und den Niederlanden.
Dabei greift der Kläger an den jeweiligen Einsatzorten auf Einrichtungen seiner
Auftraggeber (Übertragungswagen, Bürocontainer, Kameras usw.) zurück (ESt, Bl. 103). In
seiner Gewinnermittlungen behandelte der Kläger die Einnahmen aus seiner Tätigkeit im
Ausland (2004: 17.396, 10 Euro; 2005: 18.409,04 Euro) als steuerfrei.
Dem schloss sich der Beklagte nicht an. In den Einkommensteuerbescheiden 2004 und
2005 vom 19. September 2005 und 4. September 2006 (Rbh, Bl. 3, 30) erhöhte der
Beklagte die vom Kläger erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend.
Die dagegen am 5. Oktober 2005 und 5. September 2006 eingelegten Einsprüche (Rbh,
Bl. 1, 28) wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2007 als unbegründet
zurück (Bl. 10 ff.).
Am 23. Juli 2007 hat der Kläger Klage erhoben (Bl. 1).
Er beantragt sinngemäß (Bl. 2), die Einkommensteuerbescheide 2004 und 2005 vom 19.
September 2005 und 4. September 2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli
2007 insoweit zu ändern, als die im Rahmen der Tätigkeit im Ausland erzielten Einkünfte
von 17.396, 10 Euro (2004) und 18.409,04 Euro (2005) als steuerfrei behandelt werden.
Der Kläger macht geltend, er unterhalte im Ausland jeweils eine ständige Einrichtung. Auf
die Dauer seiner Tätigkeit komme es nicht an.
Der Beklagte beantragt sinngemäß (Bl. 32), die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, die vom Kläger im Ausland erzielten Einnahmen seien im
Inland nicht steuerpflichtig, da der Kläger allein schon aufgrund seiner jeweils zeitlichen
beschränkten Engagements im Ausland keine ständige Einrichtung unterhalten habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die vom Kläger in Österreich, Italien, Frankreich
und den Niederlanden erzielten Einnahmen sind im Inland nicht steuerbefreit.
1. Rechtsgrundlagen
Der Kläger hatte im Streitjahr seinen Wohnsitz (§ 8 AO) in Deutschland und war deshalb
hier unbeschränkt steuerpflichtig. In sachlicher Hinsicht unterliegen der unbeschränkten
Steuerpflicht alle in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte. Dazu gehören auch die vom
Kläger als Kameramann erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 3,
§ 18 EStG (zur Qualifizierung der Einkünfte des Klägers vgl. BFH vom 20. Dezember 2000
XI R 8/00, BStBl II 2002, 478). Allerdings steht die Besteuerung im Inland unter dem
Vorbehalt der im Streitfall einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen.
Die im Streitfall einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen enthalten hierzu folgende
Regelungen:
:
Art. 4 Abs. 4 DBA-Frankreich gilt dabei sinngemäß. Dort heißt es:
Art. 4 Abs. 1 DBA-Frankreich lautet:
Sämtliche vier Doppelbesteuerungsabkommen sehen mithin eine Steuerbefreiung
hinsichtlich der Einkünfte vor, die in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden können.
Dabei stellen die Doppelbesteuerungsabkommen im Wesentlichen darauf ab, ob dem
Steuerpflichtigen im Ausland gewöhnlich eine feste oder ständige Einrichtung zur Verfügung
steht.
Die genannten Regelungen stimmen im Wesentlichen mit Art. 14 des OECD-
Musterabkommens (OECDMustAbk) überein, der am 29. April 2000 aus dem
Musterabkommen gestrichen wurde. Seitdem werden Unternehmensgewinne und
Einkünfte aus selbständigem Arbeitseinkommen nach Art. 7 OECDMustAbk nach
einheitlichen Maßstäben behandelt. Trotz der unterschiedlichen
Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 14 a.F. OECDMustAbk und Art. 7 OECDMustAbk sind
jedoch auch für die Zeit vor 2000 die Begriffe der Betriebsstätte, durch die ein
Unternehmen i.S. des Art. 7 Abs. 1 OECDMustAbk seine Tätigkeit ausübt, und der festen
Einrichtung, die einer Person für die Ausübung ihrer selbständigen Arbeit zur Verfügung
steht, weitgehend deckungsgleich (Nr. 1.1 des Kommentars zum OECDMustAbk -OECD-
MK- zu Art. 5, Nr. 3 zu Art. 14 OECDMustAbk; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer,
Doppelbesteuerung, Art. 14 MA Rz. 8; Krüger, IStR 1998, 104, 107). Wie aus der
Definition des Begriffs der Betriebsstätte in Art. 5 Abs. 1 OECDMustAbk ersichtlich, liegt
eine feste Einrichtung demnach vor, wenn eine bestimmte selbständige unternehmerische
Tätigkeit durch eine Geschäftseinrichtung mit einer festen örtlichen Bindung ausgeübt wird
(BFH vom 2. Dezember 1992 I R 77/91, BFHE 170, 126, zum Begriff der "ständigen"
Einrichtung in Art. 12 Abs. 2 des DBA-Frankreich-; vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91,
BStBl II 1993, 462).
Eine feste Einrichtung erfordert nicht nur eine Einrichtung, die Grundlage einer
Unternehmertätigkeit sein kann (BFH vom 3. Februar 1993 I R 80-81/91, BStBl II 1993,
462). Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss vielmehr auch in zeitlicher Hinsicht von
gewisser Dauer sein. Denn durch den Begriff der festen Einrichtung drückt sich eine
besonders intensive Verwurzelung der selbständigen Arbeit mit dem Ort ihrer Ausübung
aus. Eine entsprechende Verwurzelung kann aber nur angenommen werden, wenn der
Bezug der Tätigkeit zum Ort ihrer Ausübung auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Eine
Einrichtung, die nur vorübergehend der selbständigen Tätigkeit zu dienen bestimmt ist, ist
nicht "fest" (BFH vom 28. Juni 2006 I R 92/05, BStBl II 2007, 100). Nach der
Rechtsprechung des BFH ist hierfür eine Zeitspanne von mindestens sechs Monaten
anzusetzen (BFH vom 19. Mai 1993 I R 80/92, BStBl II 1993, 655 hinsichtlich des
gleichbedeutenden Merkmals "fester Mittelpunkt" in Art. 7 Abs. 1 des Abkommens DBA-
Italien 1925; BFH vom 28. Juni 2006 I R 92/05, BStBl II 2007, 100).
Der selbständig Tätige muss folglich eine intensive wirtschaftliche Bindung mittels einer
festen örtlichen Einrichtung zu diesem Staat unterhalten. Eine derartige Bindung liegt aber
nicht vor, wenn der selbständig Tätige für weniger als sechs Monate eine
Geschäftseinrichtung im anderen Vertragsstaat unterhält. Da dem anderen Vertragsstaat
das Besteuerungsrecht schon dann zusteht, wenn der Person die feste Einrichtung
"gewöhnlich" zur Verfügung steht, ist für die Annahme einer festen Einrichtung nicht
erforderlich, dass sie dauernd benutzt wird. Es genügt, dass sie dem Unternehmer für
seine Tätigkeit ständig zur Verfügung steht. Sie muss jedoch -auch während seiner
Abwesenheit- dazu bestimmt sein, der jeweiligen Berufstätigkeit zu dienen (BFH vom 12.
Oktober 1978 I R 69/75, BStBl II 1979, 64). Das ist nicht der Fall, wenn die
Geschäftseinrichtung während der Abwesenheit des selbständig Tätigen der gewerblichen
oder freien Tätigkeit eines anderen Unternehmers zuzuordnen ist (BFH vom 28. Juni 2006 I
R 92/05, BStBl II 2007, 100).
2. Anwendung im Streitfall
Keine der vom Kläger im Ausland ausgeübten Tätigkeiten ging über einen Zeitraum von
einigen Wochen hinaus. Auf keinen Fall wurde der für eine Zurechnung zu den jeweiligen
Tätigkeitsstaaten erforderliche Zeitrahmen von mehr als sechs Monate auch nur
annähernd erreicht.
Da die ausländischen Auftraggeber die dem Kläger während seiner Tätigkeit im Ausland zur
Verfügung gestellte Einrichtung (Übertragungswagen, Bürocontainer, Kameras usw.)
während des restlichen Jahres schwerlich für den Kläger vorhalten, geht der Senat davon
aus, dass dem Kläger für seine ausländischen Aktivitäten keine feste oder ständige
Einrichtung zur Verfügung gestanden hat.
Mithin steht das Besteuerungsrecht der entsprechenden Einnahmen dem inländischen
Fiskus zu. Eine Steuerbefreiung greift insoweit nicht ein.
3.
Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sah der Senat angesichts der
eindeutigen Rechtsprechung des BFH keine Veranlassung.
Der Senat hielt zudem angesichts des unstreitigen Sachverhalts und der bei Anwendung
der einschlägigen Rechtsprechung des BFH eindeutigen Zuordnung der Einkünfte des
Klägers eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid für angezeigt.