Urteil des FG Saarland vom 12.08.2008

FG Saarbrücken: anteil, gesamthänder, interpolation, rechtsgeschäft, personengesellschaft, grundstückserwerb, steuerumgehung, zuwendung, erbschaft, belastung

FG Saarbrücken Urteil vom 12.8.2008, 2 K 2417/04
Eingeschränkte Anwendung des § 5 Abs. 3 GrEStG durch Interpolation mit § 3 Nr. 2
GrEStG
Leitsätze
§ 5 Abs. 3 GrEStG kann durch Interpolation zwischen § 5 Abs. 2 GrEStG und der
Befreiungsnorm des § 3 Nr. 2 GrEStG eingeschränkt werden. Daraus folgt, dass bei einer
Einbringung eines Grundstücks in eine Gesamthand die durch eine anschließende
schenkweise Übertragung eines Anteils erfolgte Anteilsminderung im Rahmen des § 5
GrEStG unschädlich ist, soweit der Anteilserwerber das Grundstück von dem Einbringenden
hätte steuerfrei erwerben können.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG im
Rahmen der Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin wurde durch Vertrag vom 20. Dezember 2001 gegründet. Gegenstand ihres
Unternehmens ist die Verwaltung und Nutzung von Grundstücken sowie von Anlagen und
Einrichtungen. Gründungsgesellschafter waren als Komplementärin die A Geschäftsführung
GmbH (künftig: GmbH) und A als Kommanditist. Die GmbH leistete keine, A eine Einlage
von 50.000 EUR.
Durch privatschriftlichen Vertrag vom 30. August 2002 und notarieller Urkunde vom 6.
Dezember 2002 brachte A alle aktiven und passiven Vermögensgegenstände des
Besitzeinzelunternehmens einschließlich des streitgegenständlichen Grundstücks in die
Klägerin ein. Am 7. Dezember 2002 schenkte A seinen Söhnen D und E sowie Frau F
jeweils einen Anteil am Kommanditkapital der Klägerin von 8.000 EUR (16 % des
Kommanditkapitals).
Mit Bescheid vom 31. Juli 2003 stellte der Beklagte den Grundstückswert zum 6.
Dezember 2002 für das genannte Grundstück auf 872.500 EUR fest. Er rechnete diesen
Wert in vollem Umfang der Klägerin zu. Durch Bescheid vom 17. September 2004 setzte
der Beklagte Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.886 EUR für den auf F entfallenden Anteil
des Grundstückswertes (16 % von 872.500 EUR = 139.600 EUR) fest; in Höhe der
verbleibenden Quote von 84 % wurde die Steuer nicht erhoben. Den Einspruch der Klägerin
vom 11. Oktober 2004 wies der Beklagte durch Entscheidung vom 11. November 2004
als unbegründet zurück.
Am 15. Dezember 2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt, den
Grunderwerbsteuerbescheid vom 17. September 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11. November 2004 aufzuheben.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Grunderwerbsteuer sei in vollem Umfang nicht zu
erheben. Dem stehe § 5 Abs. 3 GrEStG nicht entgegen. Zwar habe sich der Anteil von A
unmittelbar nach der Einbringung in Folge der Schenkungen an seine beiden Söhne an F
um je 16% vermindert. Dennoch sei die Grunderwerbsteuer nicht anteilig nachzuerheben.
Denn die Rechtsprechung des BFH habe sei langem anerkannt, dass die "relative
Selbstständigkeit" und Rechtsträgerschaft der Gesamthand es nicht ausschlössen, dieser
die persönlichen Eigenschaften der Gesamthänder quotal zuzurechnen. Dementsprechend
habe der Beklagte im Streitfall die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG nicht
versagt, soweit die Anteile auf die Söhne übergegangen seien, die das Grundstück von A
kraft Gesetzes hätten steuerfrei erwerben können (§ 3 Nr. 6 GrEStG). Entgegen der
Ansicht des Beklagten sei diese Betrachtung aber nicht auf § 3 Nr. 6 GrEStG beschränkt,
sondern gelte für alle personenbezogenen Befreiungen des § 3 GrEStG. Mithin sei die
Steuervergünstigung des § 5 Abs. 2 GrEStG auch insoweit nicht zu versagen, als sich der
Anteil von A durch Übertragung auf F vermindert habe. Denn F hätte ihrerseits das
Grundstück gemäß § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei erwerben können.
Der Beklagte beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er ist der Auffassung, eine Nichterhebung der Steuer nach § 5 Abs. 2 GrEStG scheide -
über die bereits berücksichtigte Befreiungsquote von 84 % hinaus - aus, weil insoweit A als
Veräußerer des Grundstücks an der Klägerin als erwerbender Gesamthand nicht i.S.d. § 5
Abs. 3 GrEStG beteiligt geblieben sei. Die personenbezogene Befreiung von der
Grunderwerbsteuer, die im Rahmen von § 5 Abs. 3 GrEStG zu berücksichtigen wäre, käme
hinsichtlich F nicht in Betracht. § 3 Nr. 2 GrEStG finde hier keine Anwendung, weil im
Rahmen der Schenkungsteuer der Anteilsübergang und bei der Grunderwerbsteuer trotz
der Anknüpfung an diesen Anteilserwerb ein fingierter Grundstückserwerb besteuert
werde. Insoweit lägen zwei unterschiedliche Rechtsvorgänge vor (koordinierter
Ländererlass, vgl. etwa Erlass des Ministeriums der Finanzen des Saarlandes vom 18. Mai
2005 B/3-2-96/2005 – S 4500). Der BFH habe mit Urteil vom 12. Oktober 2006 (BStBl II
2007, 409) zwar entschieden, das nach § 1 Abs. 2a GrEStG steuerbare Änderungen im
Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft insoweit nach § 3 Nr.
2 GrEStG steuerfrei seien, als sie auf einer schenkungsweisen Anteilsübertragung
beruhten. Der BFH habe in dieser Entscheidung die Frage der Steuerpflicht des
Einbringungsvorgangs aber ausdrücklich dahinstehen lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
grunderwerbsteuerbar; die Steuer wird jedoch gem. § 5 Abs. 2 GrEStG (in vollem Umfang)
nicht erhoben.
a) Die Einbringung des Grundstücks durch notariellen Vertrag vom 6. Dezember 2002,
unterliegt der Grunderwerbsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Gehört zum Vermögen einer
Gesellschaft ein inländisches Grundstück, unterliegt ein Rechtsgeschäft, welches den
Anspruch auf Übereignung dieses Grundstücks begründet, gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
der Grunderwerbsteuer. Ein Einbringungsvertrag ist ein Rechtsgeschäft in diesem Sinne
(Boruttau/Fischer, GrEStG, 15. Aufl., § 1 Rn. 375 f.).
b) Die Grunderwerbsteuer wird jedoch gemäß § 5 Abs. 2 GrEStG nicht erhoben.
Geht ein Grundstück von einem Alleineigentümer auf eine andere Gesamthand über, so
wird die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen
der erwerbenden Gesamthand beteiligt ist (§ 5 Abs. 2 GrEStG). Am Vermögen der Klägerin
war zum Zeitpunkt der Einbringung A als Kommanditist zu 100 % beteiligt.
c) Eine Anwendung des Befreiungstatbestandes des § 5 Abs. 2 GrEStG scheidet zwar
gemäß § 5 Abs. 3 GrEStG insoweit aus, als sich der Anteil des Veräußerers am Vermögen
der Gesamthand innerhalb von fünf Jahren nach dem Übergang des Grundstücks auf die
Gesamthand vermindert.
aa) Allerdings halten die Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH vom 25. Februar 1969 II 142/63,
BStBl II 1969, 400 und vom 10. Februar 1982 II R 152/80, BStBl II 1982, 481) und die
grunderwerbsteuerliche Kommentarliteratur (vgl. etwa Pahlke/Franz, Kommentar zum
GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 5 Anm. 51) es wegen der Besonderheit der Vermögensbindung
bei einer Gesamthand für gerechtfertigt, im Grundstücksverkehr mit
Personengesellschaften die grunderwerbsteuerlich relevanten persönlichen Eigenschaften
oder Beziehungen eines Gesellschafters im Verhältnis zum Veräußerer über § 5 GrEStG zu
dem Anteil auf den Erwerb durchschlagen zu lassen, zu dem der betreffende
Gesamthänder an dem Vermögen der Gesamthand beteiligt ist (Pahlke/Franz, Kommentar
zum GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 3 Anm. 10 mit Beispiel). Denn Gesamthandsgemeinschaften
werden im Grunderwerbsteuerrecht zwar materiell als selbständige Rechtsträger
behandelt. Gleichwohl bleibt das Vermögen das gesamthänderisch gebundene Eigentum
der Gesamthänder. Ein striktes Beharren auf der selbstständigen Rechtsträgerschaft der
Gesamthandsgemeinschaften gegenüber ihren Gesellschaftern würde daher zu nicht
vertretbaren Ergebnissen führen.
Im Ergebnis führen diese Überlegungen – wie im Entscheidungsfall unstreitig - dazu, den
Rechtsgedanken des § 3 Nr. 6 GrEStG in der Weise auf die Vergünstigungsvorschrift des §
5 GrEStG zu übertragen, dass bei einer Verwandtschaft in gerader Linie zwischen
demjenigen, der ein Grundstück auf eine Gesamthand überträgt, und den an dieser
Gesamthand beteiligten Gesamthändern das Nichtbeteiligtsein des
Grundstücksveräußerers an der Gesamthand der Gewährung der Vergünstigung nach § 5
GrEStG nicht entgegensteht (zur Rechtslage bis 31. Dezember 1999 BFH vom 25.
Februar 1969 II 142/63, BStBl II 1969, 400; vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BStBl II 1971,
278).
bb) Die dargestellte Auslegungsmethode ist jedoch nicht auf § 3 Nr. 6 GrEStG beschränkt.
Sie gilt vielmehr unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 GrEStG auch
für § 3 Nr. 2 GrEStG (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Dezember 2003 5 K
243/03, EFG 2004, 364; Sack in Boruttau, Kommentar zum GrEStG, 15. Aufl. 2002, § 3
Anm. 37; Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 5 Anm. 51; Behrens,
BB 2007, 368).
§ 5 Abs. 3 GrEStG soll „der Vermeidung von Steuerausfällen“ dienen, indem durch die
Mindestbehaltensfrist verhindert werden soll, dass „Grundbesitz steuerbegünstigt in eine
Gesamthand eingebracht und unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der
Anteilsübertragung steuerbefreit weitergegeben“ wird (BR-Drs. 910/98 v. 20. November
1998, 203). § 5 Abs. 3 setzt daher die objektive Möglichkeit der Steuerumgehung voraus.
Ebenso wie eine sinnvolle Interpretation von § 5 i.V.m. § 3 Nr. 6 GrEStG verlangt, dass ein
Verstoß gegen die Behaltensfrist des § 5 Abs. 3 GrEStG bei einer Anteilsübertragung an
Verwandte gerader Linie unschädlich ist, weil eine unmittelbaren Grundstücksübertragung
auf die Erwerber nach § 3 Nr. 6 GrEStG von der Grundsteuer befreit gewesen wäre, gilt
dieser Gedanke auch in der Zusammenschau mit § 3 Nr. 2 GrEStG.
Maßgebend ist nämlich, dass in einer Fallkonstellation, wie sie dem Streitfall zugrunde liegt,
keine objektive Möglichkeit der Steuerumgehung bestanden hat. Denn die Erwerbe wären
auch dann vollständig steuerfrei geblieben, hätte der Grundstückseigentümer das
Grundstück zunächst den Gesamthändern übertragen und hätten die Gesamthänder das
Grundstück dann in die Gesamthand eingebracht: Hätte A im Streitfall das Grundstück
zunächst schenkweise auf F übertragen, wäre dies nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG
steuerfrei gewesen. Nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind u.a. Grundstücksschenkungen
unter Lebenden im Sinne des ErbStG von der Besteuerung ausgenommen. Eine
anschließende Einbringung des Grundstücks in die Gesamthand wäre nach § 5 Abs. 2
GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit gewesen.
Bei interpolierender Betrachtung des § 5 GrEStG mit der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2
GrEStG folgt daraus, dass bei einer Einbringung des Grundstücks in eine Gesamthand die
durch eine anschließende schenkweise Übertragung eines Anteils erfolgte Anteilsminderung
im Rahmen des § 5 GrEStG unschädlich ist, soweit der Anteilserwerber das Grundstück –
wie im Streitfall – von dem Einbringenden hätte steuerfrei erwerben können.
d) § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG ist im Streitfall anwendbar. Die Vorschrift bezweckt, die
doppelte Belastung eines Lebensvorgangs mit Grunderwerbsteuer einerseits und
Erbschaft-/Schenkungsteuer andererseits zu vermeiden (Pahlke/Franz, Kommentar zum
GrEStG, 2. Aufl. 1999, § 3 Anm. 95). Zwar wird bei der Grunderwerbsteuer im Fall der
Übertragung der Kommanditbeteiligung nach § 1 Abs. 2a GrEStG ein fingierter
Grundstückserwerb besteuert, während der Schenkungsteuer die freigebige Zuwendung
der Gesellschaftsanteile an die Erwerber unterliegt (BFH vom 12. Oktober 2006 II R 79/05,
BStBl II 2007, 409). Diesen unterschiedlichen rechtstechnischen Anknüpfungspunkten
kommt aber im Hinblick auf den Zweck des § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG keine Bedeutung zu
(vgl. BFH vom 31. Oktober 1963 II 155/60 U, BStBl III 1963, 579, und vom 13. September
2006 II R 37/05, BStBl II 2007, 59). Der in § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG verwendete Begriff
"Grundstücksschenkungen unter Lebenden" ist nicht so zu verstehen, dass die Vorschrift
nur isolierte freigebige Zuwendungen von Grundstücken erfasst. Diese Vorschrift gilt
vielmehr aufgrund ihres soeben erwähnten Zwecks, die doppelte Belastung mit
Grunderwerbsteuer und Erbschaft-/Schenkungsteuer zu vermeiden, auch dann, wenn
Gegenstand einer freigebigen Zuwendung ein Anteil an einer grundbesitzenden
Personengesellschaft ist (BFH vom 12. Oktober 2006 II R 79/05, BStBl II 2007, 409; vom
13. September 2006 II R 37/05, BStBl II 2007, 59).
2.
Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird zugelassen. Denn die Frage, ob § 5 Abs. 3 GrEStG durch Interpolation mit
§ 3 Nr. 2 GrEStG eingeschränkt werden kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115
Abs. 2 Nr. 1 FGO).