Urteil des FG Saarland vom 08.10.2009

FG Saarbrücken: reisekosten, fahrtkosten, berufsausübung, uniform, anteil, verschmutzung, erhaltung, telekommunikation, mitwirkungspflicht, einkünfte

FG Saarbrücken Urteil vom 8.10.2009, 2 K 1127/07
Abzugsfähigkeit von Kosten für staatspolitische Bildungsreisen, für Telefon und für im Beruf
getragene Zivilkleidung einer Zollbeamtin
Leitsätze
Aufwendungen für staatspolitische Bildungsreisen eines Beamten sind unabhängig davon,
ob der Beamte hierfür Sonderurlaub erhalten hat, keine Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Anschluss an FG Berlin vom 8.5.1979 V 2/79,
EFG 1979, 542).
Tenor
Die Klage wird als unbegründet abgewiesen
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2003 als Zollbeamtin beim Hauptzollamt in M Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit. Sie streitet mit dem Beklagten um die Berücksichtigung
diverser Aufwendungen (Reisekosten, Kosten der Telekommunikation, Reinigungskosten)
als Werbungskosten.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2003 machte die Klägerin u.a. Reisekosten geltend
(ESt, Bl. 35), die das damals zuständige Finanzamt unberücksichtigt ließ. Diese Kosten
betrafen
- eine viertägige Fahrt nach A (Südtirol), wo die Klägerin an einem Seminar einer Stiftung zur
europäischen Einigung im Jahr 2004 (Ein Europa 25) teilgenommen hatte (ESt, Bl. 36 ff.). Die
Seminargebühren betrugen 100 Euro.
- eine viertägige Informationsfahrt auf Einladung einer Bundestagsabgeordneten nach Berlin
(ESt, Bl. 48 ff.). Die Fahrtkosten der Klägerin betrugen 175,25 Euro.
- eine viertägige Reise mit einem Jugendverband nach B (Österreich) (ESt, Bl. 53 ff.). Die
Fahrtkosten der Klägerin betrugen 150 Euro.
- eine eintägige Reise mit der Gewerkschaft nach C (Inland) (ESt, Bl. 55). Die Fahrtkosten der
Klägerin betrugen 10 Euro.
Weitere Werbungskosten-Positionen betrafen die „Reinigung Berufskleidung (pauschal)“ i.H.
von 103 Euro sowie „Telekommunikationsaufwendungen“. Diese Aufwendungen erkannte
das damals zuständige Finanzamt nicht als Werbungskosten an.
Gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid vom 17. März 2005 (ESt, Bl. 58)
legte die Klägerin am 14. April 2005 Einspruch ein (Rbh, Bl. 3). Mit Einspruchsentscheidung
vom 8. Februar 2007 setzte der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte die
Einkommensteuer auf 3.183 Euro fest, wobei jedoch die vorerwähnten nicht anerkannten
Aufwendungen weiterhin keine Berücksichtigung fanden (Bl. 21 ff.).
Am 12. März 2007 (Montag) hat die Klägerin Klage erhoben (Bl. 1).
Sie beantragt sinngemäß (Bl. 2), den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 17. März
2005 in Form der Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2007 dahingehend zu ändern,
dass Aufwendungen für Reisen i.H. von 432,25 Euro, für Telekommunikation i.H. von 70
Euro und Reinigung von Dienstkleidung i.H. von 103 Euro als Werbungskosten bei den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Berücksichtigung finden.
Bei den Reisen der Klägerin handele es sich um berufsbezogene Fahrten, da ein konkreter
Bezug zu der Arbeit der Klägerin als Zollbeamtin bestanden habe. Die
Telekommunikationskosten seien in Höhe von 70 Euro beruflich veranlasst. Dies gelte auch
für die Reinigungskosten. Die Klägerin trage im Außendienst zwar keine Uniform. Die von ihr
getragene Kleidung sei jedoch aufgrund der Art der Tätigkeit einer besonderen
Verschmutzung ausgesetzt (Bl. 2 f.).
Der Beklagte beantragt (Bl. 38), die Klage als unbegründet abzuweisen.
Für sämtliche nicht anerkannte Aufwendungen sei ein konkreter Bezug zu der beruflichen
Sphäre der Klägerin nicht nachgewiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die geltend gemachten Ausgaben stellen keine
Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit dar.
1. Rechtsgrundlagen allgemein
§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt Werbungskosten als Aufwendungen zur Erwerbung,
Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Die Rechtsprechung hat den
Werbungskostenbegriff allerdings dem Begriff der Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG
angeglichen. Werbungskosten liegen danach vor, wenn sie durch den Beruf bzw. durch die
Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Eine berufliche Veranlassung ist
gegeben, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die
Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (BFH vom 10. Januar
2008 VI R 17/07, BStBl II 2008, 234).
Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die aus beruflichen Gründen erwachsenen Kosten
zugleich Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen darstellen. Diese sog.
gemischten Aufwendungen sind nach § 12 Nr.1 Satz 2 EStG grundsätzlich nicht abziehbar.
2. Spezielle Werbungskosten
2.1. Reisekosten
2.1.1.
der Lebenserfahrung sowohl dem beruflichen als auch dem Bereich der privaten
Lebensführung angehören können, nur dann zu abziehbaren Werbungskosten, wenn die
Reisen ausschließlich oder zumindest weitaus überwiegend im beruflichen Interesse
unternommen werden, wenn also die Verfolgung privater Interessen, wie z.B. Erholung,
Bildung und Erweiterung des allgemeinen Gesichtskreises, nach dem Anlass der Reise, dem
vorgesehenen Programm und der tatsächlichen Durchführung nahezu ausgeschlossen sind.
Andernfalls sind die gesamten Reisekosten nicht abziehbar, soweit sich nicht ein durch den
Beruf veranlasster Teil nach objektiven Maßstäben sicher und leicht abgrenzen lässt (vgl.
z.B. BFH vom 29. November 2006 VI R 36/02, BFH/NV 2007, 681; vom 18. Oktober
1990 VI R 72/89, BStBl II 1991, 92).
Für die Beurteilung der Frage, ob für eine Reise in nicht unerheblichem Umfang Gründe der
privaten Lebensführung eine Rolle gespielt haben, hat die Rechtsprechung in erster Linie
auf den Zweck der Reise abgestellt. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer
beruflicher Anlass zugrunde liegt, sind in der Regel ausschließlich der beruflichen Sphäre
zuzuordnen, selbst wenn solche Reisen in mehr oder weniger großem Umfang auch zu
privaten Unternehmungen genutzt werden. Als unmittelbaren beruflichen Anlass hat der
BFH das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrages auf einem
Fachkongress, die Durchführung eines Forschungsauftrages oder die Absicht eines
Künstlers, am Reiseziel wegen des dort vorhandenen landschaftlichen oder kulturellen
Umfelds in einer seinem besonderen Malstil entsprechenden Arbeitsweise tätig zu werden,
angesehen (vgl. z.B. BFH vom 16.Oktober 1986 IV R 138/83, BStBl II 1987, 208). Anders
dagegen sind (Auslands-) Reisen zu beurteilen, denen ein solcher konkreter Bezug zur
beruflichen Tätigkeit fehlt. Hierzu gehören insbesondere Reisen zu Informationszwecken
wie z.B. Gruppenreisen zu Studienzwecken oder Kongressreisen.
Speziell bei staatspolitischen Bildungsreisen ist nicht –im Sinne rein beruflicher
Veranlassung- ausschlaggebend, dass ein Beamter verpflichtet ist, sich durch sein
gesamtes dienstliches und außerdienstliches Verhalten zu der freiheitlich demokratischen
Grundordnung i.S. des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten
(FG Berlin vom 8. Mai 1979 V 2/79, EFG 1979, 542). Dies gilt unabhängig davon, ob dem
Beamten für diese Reise Sonderurlaub gewährt worden ist.
Beamten für diese Reise Sonderurlaub gewährt worden ist.
2.1.2.
fehlte ein unmittelbarer beruflicher Anlass. Es handelte sich vielmehr um staatspolitische
Bildungsreisen, die dem privaten Bereich zuzuordnen sind.
Der Senat verweist diesbezüglich auf die in der Einspruchsentscheidung sorgfältig
vorgenommene Einzelbeurteilung durch den Beklagten. Der Senat schließt sich dieser
Einschätzung des Beklagten vollinhaltlich an. Es ist bei keiner der Reisen, die allesamt an
touristisch interessante Städte bzw. in entsprechend reizvolle Regionen geführt haben,
erkennbar, dass für die Durchführung dieser Reisen ein spezieller beruflicher Bezug
gegeben war.
Mithin scheidet eine Berücksichtigung der entsprechenden Aufwendungen als
Werbungskosten aus.
2.2. Telekommunikationskosten
2.2.1.
sowohl dem beruflichen wie auch dem privaten Bereich zuzurechnenden Kostenblock keine
präzise Zuordnung (etwa einzelner Gesprächskosten) vornehmen, so ist der beruflich
veranlasste Anteil der Telefonkosten zu schätzen (BFH vom 19. Dezember 1977 VI R
198/76, BStBl II 1978, 287). Für die Ermittlung des beruflichen Umfangs kommt es dabei
allerdings in besonderem Maße auf die Mitwirkung des Steuerpflichtigen an (BFH vom 9.
November 1978 VI R 195/77, BStBl II 1979, 149). Seiner Mitwirkungspflicht kommt dieser
am besten dadurch nach, dass er geeignete Aufzeichnungen führt, weil er auch insoweit -
wie bei allen Werbungskosten- zur Beweisvorsorge verpflichtet ist (BFH vom 22. Dezember
2000 IV B 4/00, BFH/NV 2001, 774).
2.2.2.
die Möglichkeit bestehen, sich mit den gängigen Telekommunikationsmitteln mit seinem
Arbeitgeber in Kontakt setzen zu können“ (Bl. 3). Sie hat indessen nicht dargelegt, wo und
wann und in welchem Umfang ein solcher Kontakt stattgefunden hat und aus welchem
Anlass eine solche Kontaktaufnahme auf Kosten der Klägerin geboten war. Dies schließt
es aus, den beruflichen Anteil ansatzweise zutreffend zu schätzen.
2.3. Reinigungskosten Berufskleidung
2.3.1.
Aufwendungen für Wohnung und Verpflegung grundsätzlich Kosten der Lebensführung und
nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG selbst dann nicht abzugsfähig, wenn sie zugleich der
Förderung des Berufs dienen (BFH vom 18. April 1991 IV R 13/90, BStBl II 1991, 751:
Konzertkleider sowie schwarze Hosen einer Instrumentalsolistin).
Ein Abzug als Werbungskosten kommt gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG nur in Betracht,
wenn es sich bei der maßgeblichen Kleidung um typische Berufskleidung handelt. Nach der
Rechtsprechung des BFH liegt typische Berufskleidung vor, wenn die berufliche
Verwendungsbestimmung bereits in ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre
Unterscheidungsfunktion, wie z.B. bei Uniformen oder durch dauerhaft angebrachte
Firmenembleme, oder durch ihre Schutzfunktion - wie bei Schutzanzügen, Arbeitsschuhen
o.ä. - zum Ausdruck kommt (BFH vom 6. Juni 2005 VI B 80/04, BFH/NV 2005, 1792
m.w.N.: ausschließlich bei der Berufsausübung getragene bürgerliche Kleidung eines
Soldaten). Die Qualifizierung eines Kleidungsstücks als typische Berufskleidung scheidet
schon dann aus, wenn seine Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des
Möglichen und Üblichen liegt (BFH vom 19. Januar 1996 VI R 73/94, BStBl II 1996, 202:
Lodenmantel des Leiters eines staatlichen Forstamtes). Aufwendungen für bürgerliche
Kleidung führen daher selbst dann nicht zum Werbungskostenabzug, wenn diese Kleidung
nahezu ausschließlich (BFH vom 20. November 1979 VI R 25/78, BStBl II 1980, 73:
Trachtenanzug des Geschäftsführers eines im Bayerischen Stil gehaltenen Nürnberger
Lokals) bzw. ausschließlich (BFH vom 6. Juni 2005 VI B 80/04, BFH/NV 2005, 1792) bei
der Berufsausübung benutzt wird.
Der BFH hat jedoch die Aufwendungen für den schwarzen Anzug eines Leichenbestatters
(BFH vom 30. September 1970 I R 33/69, BStBl II 1971, 50), eines Oberkellners (BFH
vom 9. März 1979 VI R 171/77, BStBl 1979, 519) sowie eines katholischen Geistlichen
(BFH vom 10. November 1989 VI R 159/86, BFH/NV 1990, 288) als Werbungskosten
anerkannt, weil die vom üblichen Verwendungszweck unterschiedliche Funktion dem
schwarzen Anzug den Charakter einer typischen Berufskleidung verleihe. In den Fällen des
Oberkellners und des katholischen Geistlichen solle nach Ansicht des BFH der schwarze
Anzug der Position dieser Personen Ausdruck verleihen und dieser Tätigkeit den erwarteten
äußeren Rahmen geben. Im Fall des Leichenbestatters ist der BFH der Meinung, es handele
sich bei dem schwarzen Anzug um ein Kleidungsstück, das angesichts seiner beruflichen
Verwendung eine Verwendung im privaten Bereich nicht mehr zulasse (ergänzend zum
schwarzen Anzug eines Croupiers FG Baden-Württemberg vom 31. Januar 2006 4 K
448/01, EFG 2006, 809).
2.3.2.
Arbeitszeit getragenen Kleider nicht die Voraussetzungen einer typischen Berufskleidung.
Es handelt sich, wie die Klägerin selbst einräumt, um keine Uniform. Vielmehr trägt die
Klägerin während ihrer Berufsausübung ihre zivile Kleidung. Dass diese einer besonderen
Verschmutzung ausgesetzt ist, ist zwar vorgetragen, aber in keiner Weise nachgewiesen.
Hinzu kommt, dass die Klägerin auch nicht ansatzweise dargetan hat, wie sie auf den
Betrag von 103 Euro gekommen ist, den sie insoweit als Werbungskosten anerkannt
haben will.
3.
Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO als unbegründet abzuweisen.
Zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung.
Der Senat war nach § 94a Satz 1 FGO zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
berechtigt, da der Streitwert 500 Euro nicht übersteigt (Bl. 36).