Urteil des FG Saarland vom 11.03.2008

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FG Saarbrücken Beschluß vom 11.3.2008, 2 K 1603/07
Prozesskostenhilfe: Rückforderung von Kindergeld
Leitsätze
Ein Rückforderungsanspruch der Familienkasse, der vom Insolvenzschuldner erst nach
Insolvenzeröffnung begründet worden ist, muss nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens
geltend gemacht werden. Für diese Verbindlichkeiten steht vielmehr das insolvenzfreie
Vermögen des Schuldners als Haftungsobjekt zur Verfügung.
Tatbestand
I. Die Klägerin ist die Mutter des am 24. Juli 1981 geborenen Sohnes H. Sie streitet mit der
Beklagten um die Berechtigung zum Behalt des Kindergeldes für den Zeitraum Dezember
2005 bis März 2007.
Nachdem die Beklagte für den vorgenannten Zeitraum Kindergeld gezahlt hatte, erfuhr sie
am 23. März 2007 davon (KiG, Bl. 56), dass deren Sohn H. seit März 2007 in einem
Beschäftigungsverhältnis stehe. Nachforschungen ergaben, dass H zumindest seit März
2005 bei der Berufsberatung nicht mehr als ausbildungsplatzsuchend erfasst war (KiG, Bl.
61 ff.).
Mit Bescheid vom 5. Juli 2007 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab März
2005 auf und forderte das Kindergeld von der Klägerin zurück (KiG, Bl. 132).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein (KiG, Bl. 86), den die Beklagte mit
Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2007 als unbegründet zurückwies (Bl. 17). Am
8. November 2007 erhob die Klägerin Klage (Bl. 1).
Zugleich beantragte sie sinngemäß (Bl. 2), ihr Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr
Rechtsanwältin B als Bevollmächtigte beizuordnen.
Die Klägerin macht geltend (Bl. 13 f.), das Kindergeld sei zu Unrecht zurückgefordert
worden. Ihr Sohn H sei beim zuständigen Leistungsträger als Bewerber um einen
Ausbildungsplatz geführt worden. Hinzu komme, dass die Rückforderung im
Insolvenzverfahren erfolgen müsse. Dieses sei am 14. November 2005 über ihr Vermögen
eröffnet worden, worüber die Beklagte auch informiert gewesen sei (KiG, Bl. 66 f.).
Außerhalb des Insolvenzverfahrens sei die Rückforderung unzulässig.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 17. Januar 2007 die Rückforderung auf die Zeit nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt (Bl. 27).
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Akten der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder
nur teilweise aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die Rechtsverfolgung
hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2.
nämlich die Aufhebung des Bescheides vom 5. Juli 2007, nicht erreichen wird.
2.1
der in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt ist. Zur Beurteilung
steht im Streitfall die Regelung, wonach ein Kind, das eine Berufsausbildung mangels
Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, gefördert wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 c EStG).
Dies muss der Kindergeldberechtigte nachweisen. Hierfür bedarf es entweder einer
Registrierung bei dem zuständigen Leistungsträger oder aber des individueller eigener
Bemühungen um den Erhalt eines Ausbildungsplatzes.
Beides liegt im Streitfall nach Aktenlage nicht vor. Aus den Verwaltungsakten lässt sich eine
Erfassung von H. als ausbildungsplatzsuchend gerade nicht entnehmen. Vielmehr wurde
nach Aktenlage der Sohn der Klägerin zum 22. Februar 2005 aus der Berufsberatung
abgemeldet (KiG, Bl. 61). Im Wesentlichen war er danach arbeitslos gemeldet (kiG, Bl. 63).
Nachweise betreffend Eigenbemühungen von H. um eine Ausbildungsstelle sind keine
vorgelegt worden.
2.2.
Rückforderungsanspruchs im Zuge des am 14. November 2005 eröffneten
Insolvenzverfahrens. Die Insolvenzmasse erfasst nach § 35 InsO das gesamte Vermögen,
das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des
Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Die Insolvenzmasse dient nach § 38 InsO zur
Befriedigung der persönlichen Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner
haben (Insolvenzgläubiger). Soweit der Insolvenzschuldner nach Insolvenzeröffnung
Neuverbindlichkeiten begründet, steht für diese Verbindlichkeiten das insolvenzfreie
Vermögen des Schuldners als Haftungsobjekt zur Verfügung (vgl. Braun, InsO, Komm., 2.
Aufl., § 55 Anm. 12; s.a. BFH vom 7. April 2005 V R 5/04, BStBl II 2005, 848 für den Fall
des Beginns einer neuen Erwerbstätigkeit des Schuldners; zumindest missverständlich FG
München vom 23. November 2005, 10 K 4333/03, EFG 2006, 589, wonach eine
Masseverbindlichkeit vorliegen soll, wenn es sich um eine nach Insolvenzeröffnung
begründete Forderung handelt).
Der nunmehr noch streitige Rückforderungsanspruch umfasst das Kindergeld ab Dezember
2005, demnach einen Zeitraum, der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 14.
November 2005 lag. Demzufolge handelt es sich auch bei dem Rückforderungsanspruch,
den die Beklagte geltend macht, notwendiger Weise nicht um einen Anspruch, der im
Rahmen des Insolvenzverfahrens geltend zu machen wäre.
Demnach lagen insgesamt die Voraussetzungen für die Rückforderung des Kindergeldes
vor, so dass der streitige Bescheid bei summarischer Überprüfung rechtmäßig ist.
3.
Die Entscheidung ergeht unanfechtbar nach § 128 Abs. 2 FGO.