Urteil des FG Saarland vom 10.06.2010

FG Saarbrücken: erwerb, innerstaatliches recht, schenkung auf den todesfall, beschränkte steuerpflicht, anwachsung, vertreter, wiener vertragsrechtskonvention, allgemeine gütergemeinschaft, lex fori

FG Saarbrücken Urteil vom 10.6.2010, 1 K 1209/07
Beschränkte inländische Erbschaftsteuerpflicht - Erwerb durch Anwachsung nach
französischem Recht - die Existenz eines inländischen Betriebsunternehmens begründet für
die Frage der beschränkten Steuerpflicht einen hinreichenden Anknüpfungspunkt für die
inländische Besteuerung
Tatbestand
Der Kläger und seine verstorbene Ehefrau sind deutsche Staatsangehörige. Seit 1977
hatten die Eheleute ihren gemeinsamen Wohnsitz in ... (Frankreich). Die Erblasserin
verstarb am 1. Januar 2002. Die Eheleute verfügten über eine Reihe von
Vermögensgegenständen im Inland. Der Rechtsstreit wird darum geführt, inwieweit das
Inlandsvermögen der Erblasserin der Erbschaftsteuer unterliegt.
Die Eheleute waren (gesamthänderisch bzw. zu Bruchteilen) Eigentümer mehrerer
inländischer Grundstücke in X und in Y. Des Weiteren hielten sie zu je ½ die Aktien der
inländischen Z AG. Die Grundstücke wurden von der 1994 in X gegründeten Z GbR an die
Z AG vermietet. Der Kläger war für die laufenden Geschäfte allein vertretungsbefugter
Geschäftsführer der GbR. Er war zudem Vorstandsvorsitzender und alleiniger
Geschäftsführer der Z AG. Die GbR erklärte infolge Betriebsaufspaltung im Inland
gewerbliche Einkünfte. Ihre inländische Anschrift lautete "A-Straße , X". An diese Adresse
wurden auch die Steuerbescheide, Einheitswertbescheide und
Gewerbesteuermessbescheide gerichtet. Die Eheleute hielten zudem die Anteile an der Z
GmbH und an der B GmbH.
Kurz vor Eintritt des Erbfalls, am 27. Dezember 2001, vereinbarten die Eheleute, die bis
dahin noch keinen Ehevertrag geschlossen hatten, am Krankenbett der Erblasserin in einer
Klinik in X vor dem Vertreter des französischen Generalkonsuls notariell nach Art. 1526 des
Code Civil (CC), "dass sie ihre vermögensrechtlichen Beziehungen dem französischen Recht
und dem Güterstand der Gütergemeinschaft unterstellen". Die Vereinbarung sollte sich auf
die Güter erstrecken, deren Eigentümer die Eheleute bereits waren, mit Ausnahme ihrer in
Deutschland gelegenen unbeweglichen Sachen, auf die weiterhin ihr deutscher Güterstand
Anwendung finden sollte. Art. 2 der Vereinbarung enthielt eine Anwachsungsklausel auf den
Todesfall gemäß Art. 1524 Abs. 1 CC. Die gemeinsame Tochter ..., das einzige Kind der
Eheleute, hat sich mit den Vereinbarungen ihrer Eltern durch notarielle Urkunde vom 20. Juli
2002 einverstanden erklärt. Aufgrund dieser Vereinbarung ("Anwachsungsklausel") wurde
der Erbfall nicht vom französischen Erbschaftsteuerrecht erfasst.
Die Beteiligten gingen übereinstimmend davon aus, dass mit dem Tod der Erblasserin nach
französischem Recht der gesamte Nachlass (mit Ausnahme der in Deutschland gelegenen
Grundstücke) auf den Kläger durch Anwachsung übergegangen ist. Hinsichtlich der im
Inland gelegenen Grundstücke wurde durch das Amtsgericht X am 16. September 2003
ein gegenständlich beschränkter Erbschein ausgestellt. Danach erbten der Kläger und seine
Tochter den inländischen Grundbesitz zu je 1/2.
Am 9. Dezember 2002 reichte der Kläger die Erbschaftsteuererklärung mit folgendem
Inlandsvermögen (§ 121 BewG) ein:
- 50 %-Anteil an der Grundstücksgesellschaft Z GbR als Betriebsvermögen,
- 50 % Beteiligung an der Z Vermietungs-GmbH (Privatvermögen)
- 37,48 % Beteiligung an der B GmbH (Privatvermögen)
Des Weiteren wurde ausgeführt, dass
- das gesamte Vermögen (mit Ausnahme der in Deutschland gelegenen Grundstücke)
dem Kläger zuzurechnen sei;
- die in Deutschland gelegenen Grundstücke entsprechend der Erbquote dem Kläger und
seiner Tochter zuzurechnen seien;
- zum Betriebsvermögen der Grundstücksgesellschaft Z GbR verschiedene Grundstücke
sowie die Aktien der Z AG gehörten und dass Mitgesellschafter der Kläger sei;
- der Saarvertrag vom 27. Oktober 1956 (künftig: SV) anzuwenden sei und demnach die
Aktien und die GmbH-Anteile der Besteuerung in Frankreich und die Grundstücke und das
übrige bewegliche Betriebsvermögen der GbR der Besteuerung in Deutschland unterlägen.
Der Beklagte ist den Erklärungsangaben gefolgt und hat die Erbschaftsteuer mit Bescheid
vom 14. September 2004, geändert am 15. November 2004, unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung auf 13.970 EUR festgesetzt.
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage vertrat der Beklagte die Auffassung, dass auch die
beiden GmbH-Beteiligungen im Inland zu besteuern seien und setzte – unter
Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung – die Erbschaftsteuer am 26. April
2005 auf 124.640 EUR fest.
Nach weiterer Prüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass auch die Aktien der Z AG
im Inland zu besteuern seien, und teilte dies dem Kläger mit. Der Kläger legte daraufhin
ein umfangreiches Gutachten vor, wonach
- der Erwerb des Klägers mit Ausnahme der im Inland belegenen Grundstücke
güterrechtlicher Art sei und nicht unter das Erbschaftsteuergesetz falle;
- hinsichtlich des Vermögens der GbR mangels inländischer Betriebsstätte kein
inländisches Betriebsvermögen vorliege.
Der Beklagte folgte dem Gutachten nicht. Er setzte am 7. Juni 2006 die Erbschaftsteuer
auf 2.165.680 EUR fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Hiergegen legte der Kläger am 3. Juli 2006 Einspruch ein, den der Beklagte mit
Entscheidung vom 9. März 2007 als unbegründet zurückwies. Am 11. April 2007 hat der
Kläger Klage erhoben. Er beantragt, unter Änderung des Bescheides 7. Juni 2006 i.F.d.
Einspruchsentscheidung vom 9. März 2007 die Erbschaftsteuer auf 13.970 EUR
festzusetzen.
Unter Bezugnahme auf die Einspruchsbegründung vom 29. August 2006 im Übrigen, trägt
er vor, nach Art. 15, 25 EGBGB habe mit dem Tode der Erblasserin für alle den Eheleuten
gehörenden Wirtschaftsgüter (mit Ausnahme der in Deutschland gelegenen Grundstücke)
eine Anwachsung nach französischem Zivilrecht stattgefunden. Dies sei kein Erwerb, der
von den Tatbeständen des Erbschaftsteuergesetzes erfasst werde.
Die Entscheidung des BFH vom 19. Oktober 1956 III 128/55 U missachte systemwidrig
das dem Erbschaftsteuerrecht zugrunde liegende Zivilrecht und verletze, da ein dem
Katalog des § 3 ErbStG ähnlicher Fall nicht gegeben sei, den Grundsatz der
Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (Bl. 47 f.):
- Es gebe keine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Erbschaftsteuerrecht.
- Der BFH verkenne den rechtlichen Unterschied (der überlebende Ehegatte werde bei der
Konsolidation Alleineigentümer) und die entscheidende Gemeinsamkeit (güterrechtliche
Bereicherung) zwischen der dänischen Konsolidation und der deutschen fortgesetzten
Gütergemeinschaft.
- Die "clause d'attribution" sei mit der dänischen Konsolidation vergleichbar. In beiden
Fällen werde ein gesetzlicher Güterstand vereinbart und keine erbrechtliche Regelung
getroffen. Zum Zeitpunkt des Erbfalls habe noch nicht die dem deutschen Recht (§ 1931
Abs. 1 BGB) vergleichbare Möglichkeit bestanden, Eigentümer des Nachlasses zu werden.
Die Erbrechtsreform sei erst am 1. Juli 2002 in Kraft getreten.
Der sich nach ausländischem Recht vollziehende Erwerbsvorgang müsse wenigstens mit
einem der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG aufgeführten Tatbestände vergleichbar sein
("zweistufige Objektsqualifikation"; zuletzt BFH vom 7. Mai 1986, BStBl II 1986, 615, 617).
Die entsprechende Prüfung falle aber sowohl auf der ersten als auch auf der zweiten Stufe
der Objektsqualifikation negativ aus (Bl. 106 f.).
Hilfsweise sei auf Folgendes hinzuweisen:
Weder die fraglichen inländischen Grundstücke noch die Aktien der Klaus Z AG seien
inländisches Betriebsvermögen i.S.d. § 121 Nr. 3 BewG. Insbesondere fehle es an einer
inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte. Der Ort der Geschäftsleitung sei tätigkeits-
und ortsbezogen zu definieren. Dies gelte auch für Personengesellschaften. Die
wesentlichen Geschäftsleitungsentscheidungen der Immobilien seien in Frankreich am
Wohnsitz der Eheleute gefällt worden. Die Ehefrau des Klägers, die an den wesentlichen
Entscheidungen der GbR habe mitwirken müssen, sei - wie der Kläger in der mündlichen
Verhandlung vorgetragen hat - seit vielen Jahren vor ihrem Tod bettlägerig krank gewesen.
Deshalb habe sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung in Frankreich befunden.
Die Unternehmensbeteiligungen seien aufgrund des Saarvertrags von der Besteuerung
ausgenommen. Dieser weise das Besteuerungsrecht Frankreich zu. Nur hinsichtlich der
Grundstücke werde das Besteuerungsrecht der BRD zugewiesen (Art. 25 SV), nicht
dagegen für Unternehmensbeteiligungen (Art. 28 SV) und Aktien (Art. 27 Abs. 2 Halbsatz
2 SV). Der Vertrag sei aus sich selbst heraus unter Bezugnahme auf Wortlaut, Geschichte,
System und Zweck auszulegen (BGHZ 52, 216). Es sei grundsätzlich nicht möglich, auf
nationale Definitionen zurückzugreifen (Staudinger/Dörner, Kommentar zum BGB,
Vorbemerkung zu Art. 25 f EGBGB, Rn. 30). Die Auslegungsgrundsätze des OECD-MA
seien unanwendbar. Das OECD-MA sei erst nach dem Inkrafttreten des Saarvertrages vom
27. Oktober 1956 verabschiedet worden. Aus demselben Grund verbiete sich ein Rückgriff
auf die Auslegungsgrundsätze der Wiener Vertragsrechtskonvention und die jüngeren
Doppelbesteuerungsabkommen.
Der Beklagte beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Übrigen trägt er vor, es liege ein
steuerbarer Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, hilfsweise eine Schenkung auf den
Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) vor. Der Kläger sei mit seinem Inlandsvermögen
beschränkt erbschaftsteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG; § 121 BewG). Die
Regelungen des SV, der das Besteuerungsrecht für Grundstücke dem Belegenheitsstaat
und für bewegliches Betriebsvermögen dem Betriebstättenstaat zuweise (Art. 25, 27 Abs.
1, 29 SV), seien zu berücksichtigen. Für die an die Z AG verpachteten Grundstücke liege
eine inländische Geschäftsleitungsbetriebstätte vor. Dieser seien auch die zum
Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter zuzuordnen.
Im Übrigen sei die französische Erbrechtsreform zwar erst zum 1. Juli 2002 in Kraft
getreten, so dass zum Zeitpunkt des Erbfalls in der Tat noch nicht die Möglichkeit
bestanden habe, Eigentümer von 1/4 des Nachlasses zu werden. Nach altem
französischem Erbrecht sei der überlebende Ehegatte aber gegenüber der Erbrechtsreform
noch schlechter gestellt gewesen, und zwar insofern, als er nach der alten Regelung
lediglich den Nießbrauch an 1/4 des Nachlasses habe erben können. Die
Anwachsungsklausel habe somit auch hier eine Möglichkeit darstellt, den überlebenden
Ehegatten im Erbfall zu bevorzugen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die
Einspruchsentscheidung, das Gutachten, die Akten des Beklagten und das Protokoll der
mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat
zu Recht die im angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid enthaltenen Wirtschaftsgüter der
Erbschaftsteuer unterworfen. Ein die Vermögenssituation des Klägers verbessernder
Erwerb ist nicht bereits durch die Vereinbarung vom 27. Dezember 2001, sondern erst
durch den Tod der Ehefrau am 1. Januar 2002 eingetreten. Der Anwachsungserwerb im
Todesfall nach französischen Recht begründet einen Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs.
1 Nr. 1 ErbStG. Die Vereinbarungen zur "Ausschaltung einer Doppelbesteuerung" nach
Anlage 4 des SV finden keine Anwendung. Die gewerblichen Tätigkeiten im Inland sind von
einer inländischen Betriebstätte aus erfolgt.
1. Steuerbarer Erbschaftserwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
Die im Erbschaftsteuerbescheid enthaltenen Wirtschaftsgüter sind dem Kläger mit dem
Tode seiner Ehefrau nach französischem Güterrecht zugewachsen. Hierin liegt ein Erwerb
von Todes wegen i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
a.
1 ErbStG). Der Kläger hat mit dem Tode der Erblasserin diese bezüglich der hier streitigen
Wirtschaftsgüter zwar nicht nach "§ 1922 BGB" beerbt. Die Wirtschaftsgüter sind ihm
vielmehr – wie von den Beteiligten unstreitig vollzogen und anerkannt – nach Maßgabe des
französischen Zivilrechts angewachsen ("clause d'attribution de la totalite de la
communauté au conjoint survivant", Art. 1526, 1524 CC). Vollzieht sich ein Erwerb im
Todesfall nicht nach deutschem, sondern nach ausländischem Recht, so gilt für die
Anwendung des deutschen Erbschaftsteuergesetzes Folgendes:
Die Tatbestände des ErbStG sind naturgemäß auf die Rechtsfiguren des deutschen
Erbrechts zugeschnitten. Ob ein die steuerrechtliche Zurechnung rechtfertigender Erwerb
aufgrund eines Rechtsinstituts ausländischen Rechts vorliegt, ist unter Anpassung der
Rechtsstellung nach ausländischem Recht an die Strukturen des deutschen Rechts zu
beantworten.
Dies ist unproblematisch, wenn im Einzelfall die Institutionen des ausländischen Erbrechts
denen des deutschen Erbrechts entsprechen. Entsprechen dagegen – wie vorliegend – die
Institutionen des ausländischen Erbrechts denen des deutschen Rechts nicht, so ist durch
eine vergleichende Betrachtung zwischen dem ausländischen und dem deutschen
bürgerlichen Recht das ausländische Rechtsinstitut unter Berücksichtigung seiner
wirtschaftlichen Bedeutung rechtlich in das inländische Rechtssystem einzuordnen.
Maßgebend ist nicht die formale Gestaltung, sondern die wirtschaftliche Bedeutung des
ausländischen Rechtsinstituts. Sofern das deutsche Steuerrecht an Begriffe des
inländischen bürgerlichen Rechts anknüpft, erfordert die Einordnung nach der sog. "lex fori"
eine Prüfung dahingehend, ob in dem ausländischen Sachverhalt der Sache nach die
Voraussetzungen erfüllt sind, die das Bürgerliche Gesetzbuch vorschreibt. Die Einordnung
nach diesen Grundsätzen führt dazu, dass die Zurechnung im Ausland erworbener
Wirtschaftsgüter genauso behandelt wird wie der entsprechende Erwerb im Inland
(ständige Rechtsprechung des BFH z.B. BFH vom 12. Mai 1970 II 52/64, BStBl II 1972,
462; vom 8. Juni 1988 II R 243/82, BStBl II 1988, 808 jeweils m.w.N.).
b.
nach französischem Recht erworben, nachdem die Eheleute am 27. Dezember 2001 eine
entsprechende güterrechtliche Vereinbarung in Form der allgemeinen Gütergemeinschaft
getroffen hatten. Dies ist ein "Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall" i.S.d. § 3 Abs. 1
Nr. 1 ErbStG.
Das deutsche Zivilrecht enthält zwar keine rechtstechnisch vergleichbare Regelung. Wird
die Ehe von in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten durch den Tod eines der Ehegatten
aufgelöst, so findet nach deutschem Recht keine Anwachsung des Anteils des Erblassers
an das Vermögen des überlebenden Ehegatten statt. Gleichwohl ist der deutschen
Rechtsordnung zu entnehmen, dass alle im Zusammenhang mit einer Gütergemeinschaft
erfolgenden Erwerbsvorgänge – seien sie güterrechtlicher oder erbrechtlicher Art - der
deutschen Schenkung- und Erbschaftsteuer unterliegen.
Tritt bei Begründung der Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) eine Bereicherung eines
Ehegatten ein, so handelt es sich – obwohl es sich um einen güterrechtlichen Erwerb
handelt - um eine Schenkung unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Wird die
Gütergemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten aufgelöst, gehört der Anteil des
verstorbenen Ehegatten zum Nachlass (§ 1482 BGB). Der verstorbene Ehegatte wird nach
den allgemeinen Vorschriften beerbt. Damit unterwirft das deutsche Recht den Fall der
Auflösung der Gütergemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten als "Erwerb durch
Erbanfall (§ 1922 BGB)" zweifelsfrei der Erbschaftsteuer. Entsprechendes gilt für den Fall,
dass bei einer fortgesetzten Gütergemeinschaft (§§ 1483 ff. BGB) ein Anwachsungserwerb
der gemeinschaftlichen Abkömmlinge stattfindet. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten
am Gesamtgut gehört dann zwar zivilrechtlich nicht zum Nachlass (§ 1483 Abs. 1 Satz 3
BGB). Nach § 4 ErbStG wird der Anteil der Abkömmlinge aber – trotz güterrechtlicher
Anwachsung - als Erwerb von Todes wegen behandelt. Entsprechendes gilt im Übrigen für
die Anwachsungsvorgänge, die infolge des Todes eines Gesellschafters einer
Personengesellschaft stattfinden (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).
Die Unterscheidung des Erwerbs "durch Erbanfall" und "aufgrund Erbanfall", auf die sich der
Kläger beruft (S. 14 f. des Gutachtens, Bl. 71) kommt allenfalls zum Zuge, wenn es um
die Anwendung inländischen Erbrechts geht. Das deutsche Erbschaftsteuergesetz
unterwirft – wie dargelegt – den Erberwerb der Steuerpflicht, unabhängig davon, ob er
unmittelbar aufgrund Erbrechts oder aufgrund güter- oder gesellschaftsrechtlicher
Anwachsung erfolgt. Vorliegend geht es zudem um die Frage, wie auf eine Regelung
ausländischen Rechts ("clause d'attribution") – ohne Rücksicht auf deren formale
Gestaltung - unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Bedeutung das inländische Recht
anzuwenden ist. Hiernach hat der Kläger den Vermögensanteil seiner verstorbenen Ehefrau
zwar nicht unmittelbar "durch den Erbanfall" aber doch zeitgleich mit diesem und ausgelöst
durch den Erbanfall erworben. Dies reicht zur Erfüllung des Merkmals in dieser
Anwendungssituation aus, da nach inländischem Recht alle mit der Auflösung einer
Gütergemeinschaft durch den Tod eines Ehepartners in Zusammenhang stehenden
Erwerbe der Erbschaftsteuer unterliegen. Ob der Erwerb unmittelbar durch den Erbfall
selbst oder zeitgleich mit ihm und ausgelöst durch ihn aufgrund güterrechtlicher
Anwachsung nach französischem Recht erfolgt, macht keinen wirtschaftlichen Unterschied.
Die Güterrechtsvereinbarung nach französischem Recht vom 27. Dezember 2001 wurde in
Kenntnis und unter Berücksichtigung des unmittelbar bevorstehenden Todes der
Erblasserin geschlossen. Die dadurch eintretenden erbrechtlichen Folgen nach
französischem Recht sind – übertragen auf das deutsche Recht - so zu beurteilen, als habe
die Erblasserin den Kläger zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Die pflichtteilsberechtigte
Tochter hat dem zugestimmt und ihren Pflichtteil nicht geltend gemacht.
Der BFH hat dementsprechend mit Urteil vom 19. Oktober 1956 III 128/55 U, BStBl III
1956, 363 den Anwachsungserwerb des überlebenden Ehegatten bei Gütergemeinschaft
nach dänischem Recht (Konsolidation) als nach deutschem Recht steuerpflichtigen Erwerb
von Todes wegen angesehen. Die Entscheidung vom 6. März 1991 II R 69/87, BStBl II
1991, 412, die den Erwerb des Erben aufgrund eines Anspruchs nach § 2287 BGB betrifft,
ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Auf die Entscheidung des BFH vom 10.
November 1982 II R 85-86/78, BStBl II 1983, 329 hat der Gesetzgeber insofern reagiert,
als er den Anwachsungserwerb eines Personengesellschafters bei Versterben eines
Mitgesellschafters zwischenzeitlich ausdrücklich in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG
erbschaftsteuerpflichtig gemacht hat.
c.
der im Angesicht des unmittelbar bevorstehenden Todes getroffenen Vereinbarung
möglicherweise nur der Form nach um eine güterrechtliche, ihrem Regelungsgehalt nach
aber um eine erbrechtliche i.S.d. Art. 15 Abs. 2, 25 EGBGB gehandelt hat (dazu
Gottschalk, ZEV 2006, 99 ff.). Die Annahme einer erbrechtlichen Regelung hätte zur
Konsequenz, dass das deutsche Erbrecht maßgeblich ist und ein unmittelbarer Erberwerb
nach § 1922 BGB i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG stattgefunden hätte.
d.
Dezember 2001 tatsächlich eine güterrechtliche Anwachsungsklausel nach französischem
Recht für alle den Eheleuten gehörenden Wirtschaftsgüter vereinbart worden ist. Der Senat
hat seine diesbezüglichen Bedenken, die sich aus dem Wortlaut der Art. 2 und 3 der
Vereinbarung ergeben, in der mündlichen Verhandlung artikuliert. Diese Artikel treffen
entsprechende Vereinbarungen nur für die "unbeweglichen Sachen" und damit nicht für
bewegliche Wirtschaftsgüter oder Beteiligungen einer jeden Art.
Gleichwohl haben alle beteiligten Personen und Behörden die Vereinbarung so angewandt
und umgesetzt, als ob die Anwachsungsklausel für das gesamte Vermögen der Eheleute
gelten sollte. Das "Centre de Recherche d’Information et de Documentation Notariales" hat
mit Schreiben vom 14. Mai 2002 ein solches Verständnis für vertretbar gehalten, weil für
den Ausdruck "allgemeine Gütergemeinschaft" auf Seite 1 der Vereinbarung die Vermutung
gelte, dass er bewegliche und unbewegliche Sachen umfasse. Die Tochter des Klägers hat
der Vereinbarung und ihrem Vollzug - in Kenntnis dieser Unklarheit - im Sinne einer alle
Wirtschaftsgüter umfassenden Regelung (ausgenommen die im Inland gelegenen
Grundstücke) zugestimmt. Ein inländisches Amtsgericht hat einen in diesem Sinne
gegenständlich beschränkten Erbschein erstellt und auch die Finanzverwaltung hat ihren
Bescheiden ein solches Verständnis der Vereinbarung zugrunde gelegt. Damit ist eine
Situation eingetreten, wonach alle Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieser
Vereinbarung so eintreten und bestehen lassen, als sei für alle Wirtschaftsgüter eine
Anwachsung nach französischem Recht erfolgt. Hieran hat sich – wie der Kläger vorträgt -
bis heute nichts geändert und es wird sich aller Voraussicht nach auch in Zukunft nichts
mehr daran ändern. Der Senat sieht sich deshalb nach § 41 Abs. 1 AO an diese Situation
gebunden.
2. Persönliche Steuerpflicht
Der Kläger unterliegt – beschränkt auf sein Inlandsvermögen (§ 121 BewG) - der deutschen
Erbschaftsteuer. Völkerrechtliche Vereinbarungen, die den deutschen Gesetzen zur
Regelung der Erbschaftsbesteuerung vorgehen, haben zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht
bestanden.
a. Keine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht
Beim Erwerb von Todes wegen tritt die Steuerpflicht ein, wenn der Erblasser zur Zeit
seines Todes oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer ein Inländer ist. Als
Inländer gelten u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren
gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 a ErbStG).
Der Kläger und seine verstorbene Ehefrau hatten unstreitig ihren Wohnsitz seit 1977 in
Frankreich. Der Kläger ist damit nicht unbeschränkt erbschaftsteuerpflichtig, auch nicht
nach der Erweiterung der Steuerpflicht nach § 4 AStG. Dass der Kläger seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt hätte, behauptet nicht einmal der Beklagte.
Seine Tätigkeit als Vorstand der Z AG und als Geschäftsführer der Z GbR begründet einen
solchen nicht.
b. Beschränkte Steuerpflicht des Inlandsvermögens
(1)
Vermögensanfall ein, der für Inlandsvermögen i.S.d. § 121 BewG besteht. Zum
Inlandsvermögen gehören u.a. (§ 121 Abs. 1 Nrn. 2 – 4 BewG):
- Das inländische Grundvermögen.
- Das inländische Betriebsvermögen. Als solches gilt das Vermögen, das einem im Inland
betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird
oder ein ständiger Vertreter bestellt ist.
- Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im
Inland hat und der Gesellschafter entweder allein oder zusammen mit anderen ihm
nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG am Grund- und Stammkapital der
Gesellschaft mindestens zu einem Zehntel unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.
Für Anteile an einer Kapitalgesellschaft gilt die erweiterte beschränkte
Erbschaftsteuerpflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG. Hiernach ist es ausreichend,
wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes am Grund- oder Stammkapital der inländischen
Kapitalgesellschaft beteiligt ist.
(2)
Vorschrift enthält keine Generalklausel für jede Art von im Inland gelegenem Vermögen
(Gürsching/Stenger, BewG/ErbStG, § 121 BewG Rdn. 11). Die in den einzelnen Nummern
des § 121 BewG aufgezählten Vermögensarten bzw. Gruppen von Wirtschaftsgütern
schließen sich nur insofern gegenseitig aus, als bestimmte Wirtschaftsgüter nicht mehrfach
erfasst werden können. Die Nrn. 5 und 6 betonen dies ausdrücklich. Der Sache nach muss
das auch für die anderen Vermögensarten gelten. Denn ein bestimmter Lebenssachverhalt
kann aus Gründen der verfassungsrechtlich garantierten Verhältnismäßigkeit des
Verwaltungshandelns nur einmal derselben Steuer unterworfen werden.
So können beispielsweise Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die zu einem inländischen
Betriebsvermögen i.S.d. Nr. 2 gehören und die gleichzeitig die Voraussetzungen der Nr. 4
erfüllen, nur einmal – und zwar entsprechend den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts als
Teil des Betriebsvermögens (§ 95 Abs. 1 BewG) - erfasst werden.
Andererseits können aber Wirtschaftsgüter, die zwar zu einem Betriebsvermögen gehören,
dieses Betriebsvermögen aber kein „inländisches Betriebsvermögen“ i.S.d. Nr. 3 darstellt
(weil es an einer inländischen Betriebstätte oder einem ständigen Vertreter fehlt),
gleichwohl nach Maßgabe der übrigen Nummern des § 121 BewG der deutschen
Besteuerung unterworfen werden (z.B. nach Nr. 2 oder 4). Jede der in den Nummern 1 bis
9 genannten Gruppen von Wirtschaftsgütern beinhaltet einen hinreichenden
Anknüpfungspunkt für die inländische Besteuerung. Liegt eine der Nummern – aus
welchem Grund auch immer – nicht vor, so kann eine andere an ihre Stelle treten, wenn
deren Voraussetzungen erfüllt sind. Eine "Sperrwirkung" zur Anwendung der übrigen
Nummern des § 121 BewG geht von Betriebsvermögen, das nicht unter § 121 Nr. 3 BewG
fällt, nicht aus. In diesen Fällen liegt zwar (ausländisches) Betriebsvermögen vor, dessen
einzelne Wirtschaftsgüter aber nach Maßgabe der übrigen Nummern (z.B. Nr. 2 oder 4)
von der inländischen Besteuerung erfasst werden können.
b. Kein DBA mit Frankreich zum Zeitpunkt des Erbfalls
Völkerrechtliche Vereinbarungen über die Besteuerung gehen, soweit sie unmittelbar
anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind, den Steuergesetzen vor (§ 2 AO).
Solche Vereinbarungen werden insbesondere in Doppelbesteuerungsabkommen getroffen.
Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Frankreich erstmals am 12. Oktober 2006, BGBl II
2007, 1402 ein förmliches Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung durch
Erbschaftsteuer geschlossen.
c. Keine Anwendung des „Saarvertrages“
Am 27. Oktober 1956 wurde der "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage", der sog. Saarvertrag (SV),
geschlossen (mit den Berichtigungen durch das Protokoll vom 1. Dezember 1956, BGBl II
1956, 1832, geändert durch Abkommen vom 20. August 1981, BGBl. 1981 II, 1106,
1982 II, 102). Der SV findet auf den hier streitigen Vermögensübergang keine Anwendung.
In der Anlage 4 des SV wurden Vereinbarungen zur "Ausschaltung von
Doppelbesteuerungen und gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen im Verhältnis zwischen
dem Saarland und Frankreich" getroffen (davon Art. 24 bis 30 zur Erbschaftsteuer; Text
bei Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Frankreich-Saar ). Der SV enthielt u.a.
folgende Regelungen:
Art. 1
(1) Frankreich ist damit einverstanden, dass sich der
Anwendungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland vom 1. Januar 1957 ab auf das Saarland erstreckt.
(2) Die Anwendung des Grundgesetzes und die Einführung der
Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland im Saarland
erfolgen von diesem Zeitpunkt ab nach Maßgabe dieses Vertrags,
insbesondere vorbehaltlich der Schaffung einer Übergangszeit,
während der das Saarland und Frankreich weiterhin ein einheitliches
Zoll- und Währungsgebiet entsprechend den Bestimmungen des
Kapitels II bilden.
Art. 3
Die in Artikel 1 vorgesehene Übergangszeit endet spätestens am
31. Dezember 1959. Das genaue Datum der Beendigung dieses
Zeitraums wird von den Regierungen der beiden Vertragsstaaten im
gegenseitigen Einvernehmen festgelegt und bekannt gegeben.
Während dieser Zeit gelten die Bestimmungen des Kapitels II.
Art. 15
(1) Die Besteuerung im Saarland beruht auf der saarländischen
Gesetzgebung. Die Steuergesetzgebung des Saarlandes bedarf mit
Ausnahme der in Absatz (2) bis (4) genannten Gebiete der
Zustimmung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland.
(2) Die im Saarland bei Inkrafttreten dieses Vertrags geltenden
französischen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der indirekten
Steuern und Steuern auf Lieferungen und Leistungen bleiben
weiterhin in Kraft.
(3) Die in Frankreich nach Inkrafttreten dieses Vertrags auf diesen
Gebieten neu erlassenen Rechtsvorschriften werden, - soweit es
sich nicht um Steuerarten handelt, die dem Saarland vorbehalten
sind -, im Saarland unter den in Artikel 41 vorgesehenen
Bedingungen eingeführt.
(4) Im Saarland können, wenn besondere Gegebenheiten dies
rechtfertigen,
im
Einvernehmen
mit
der
Regierung
der
Französischen Republik und unter Beachtung der in Artikel 20
bezeichneten Bedingungen Abweichungen von den Bestimmungen
der
Absätze
(2)
und
(3)
festgelegt
oder
besondere
Durchführungsbestimmungen erlassen werden.
(5) Die in Absatz (2) und (3) genannten Steuern werden von den
saarländischen Behörden nach den im Saarland geltenden
Verfahrensvorschriften verwaltet.
(6) Abweichend von den Bestimmungen der Absätze (2) und (3)
findet hinsichtlich der dort bezeichneten Steuerarten im Saarland
das
dort
geltende
Steuerstrafrecht
einschließlich
des
Verfahrenrechts Anwendung.
Art. 19
Die Bestimmungen über die Ausschaltung von Doppelbesteuerungen
und gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen sind in Anlage 4
enthalten.
Nach Art. 1 Abs. 2 SV erfolgte die Anwendung des Grundgesetzes und die Einführung der
Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland im Saarland ab dem 1. Januar 1957
nach Maßgabe dieses Vertrags, insbesondere vorbehaltlich der Schaffung einer
Übergangszeit, während der das Saarland und Frankreich weiterhin ein einheitliches Zoll-
und Währungsgebiet entsprechend den Bestimmungen des Kapitels II des SV bilden.
In Kapitel II (Art. 3 – 54 SV) waren u.a. auch die Bestimmungen "über die Ausschaltung von
Doppelbesteuerungen" (Art. 19 i.V.m. Anlage 4 des Vertrages) enthalten. Mit Ablauf der
Übergangszeit sind die fraglichen Vereinbarungen außer Kraft getreten und durch die
entsprechenden Rechtsvorschriften der Bundesrepublik ersetzt worden. Nach der klaren
Regelung des Art 1 Abs. 2 SV war die Geltung des deutschen Rechts im Saarland nicht
davon abhängig, dass der SV oder Teile desselben außer Kraft gesetzt werden, sondern
ausschließlich vom Ablauf der Übergangszeit. Diese Übergangszeit lief am 5. Juli 1959, 24
Uhr ab (siehe den durch Bekanntmachung vom 30. Juni 1959 veröffentlichten Briefwechsel
vom 25. Juni 1959, BGBl. I 1959, 401). Die völkerrechtlich wirksame Vereinbarung seiner
Fortgeltung hätte der Einhaltung desselben Verfahrens nach Art. 59 Abs. 2 GG durch die
zuständigen Gremien des Bundes bedurft, das beim ursprünglichen Vertragschluss
eingehalten worden ist. Ein solches Verfahren hat es aber nicht gegeben. Ein
Schriftwechsel zwischen den Fachministerien beider Länder erfüllt diese Voraussetzungen
bei weitem nicht. In der Tat ist ein bereits im April 1995 unterzeichnetes Abkommen
anschließend nicht paraphiert worden.
Eine den Anforderungen des § 2 AO entsprechende Vereinbarung ist in der Folgezeit – nach
lang andauernden Verhandlungen - erst durch das DBA vom 12. Oktober 2006, BGBl II
2007, 1402 getroffen worden. Dass das saarländische Finanzministerium – nach
Rückfrage beim Bundesfinanzministerium - die Finanzämter des Saarlandes angewiesen
hat, den SV weiterhin anzuwenden (am 27. Oktober 1960 B/III - 886/60 - S 1301 A –Frkr;
am 10. Mai 1977 B/IV - 1183/77 - S 3802/S1301 A; am 16. September 1993 B/V -
987/93 – S 3802/S 1301 A) und dass auch die französischen Steuerbehörden den SV
weiterhin beachtet haben (S. 7 der Einspruchsentscheidung; Bl. 192 ErbStA Bd. 1; Tz 136
ff. des Gutachtens, Bl. 8 ErbStA Bd. 2), führt – schon aus Formgründen - nicht zu einer
völkerrechtlichen Vereinbarung i.S.d. § 2 AO. Eine Selbstbindung der Verwaltung scheitert
bereits daran, dass der Finanzverwaltung bezüglich des Abschlusses völkerrechtlicher
Vereinbarungen und deren Transformation in innerstaatliches Recht keine eigenen
Gestaltungsspielräume zustehen (Moench/Morsch, ZEV 2002, 274 f.; Bl. 122 f. ErbStA).
Da die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer solchen Vereinbarung für jeden
Fachkenner offensichtlich waren und da sich die beiden Staaten – trotz anhaltender
Verhandlungen – nicht auf eine entsprechende Vereinbarung einigen konnten, hat sich
insofern auch kein völkerrechtliches Gewohnheitsrecht und keine schutzwürdige
Vertrauensposition bilden können. Ohnehin können Steueransprüche wegen des
Parlamentsvorbehaltes (steuerliches Legalitätsprinzip) nicht auf Gewohnheitsrecht gestützt
werden (Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 2. Auflage, Köln 2000, Bd. I, S. 129 f. m.w.N.).
Der Senat teilt die in den Tz. 170 ff. und 176 ff. des Gutachtens enthaltene
Rechtsauffassung nicht.
Die fragliche, ohne Rechtsgrundlage gehandhabte Verwaltungspraxis kann nur faktische
Auswirkungen auf Fälle haben, die im gegenseitigen Einvernehmen abgewickelt werden,
nicht aber auf den streitigen Entscheidungsfall.
3. Umfang der beschränkten Steuerpflicht
a. Die im Inland gelegenen Grundstücke
Es handelt sich um die von der Z GbR an die Z AG vermieteten Grundstücke. Diese hatte
der Beklagte bereits in seinem Bescheid vom 14. September 2004, geändert am 15.
November 2004, erfasst. Die insofern zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen (Wert
der Grundstücke: 479.194 EUR) und deren Erbschaftsteuerpflicht sind unter den
Beteiligten unstreitig.
b. "Restvermögen" der Z GbR
Der Beklagte hat das Restvermögen der Z GbR zu Recht gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 3 BewG
als inländisches Betriebsvermögen der Erbschaftsteuer unterworfen. Es handelt sich um
das übrige Betriebsvermögen (außer den Grundstücken und den Anteilen an den
Kapitalgesellschaften) der Z GbR, dessen Wert der Beklagte unwidersprochen auf 122.607
EUR beziffert hat.
(1) Die Tätigkeit der GbR besteht in der Vermietung und Verpachtung von
Wirtschaftsgütern an die Z AG. Aufgrund der vom BFH in ständiger Rechtsprechung
vertretenen und vom Kläger stets anerkannten Grundsätze über das Rechtsinstitut der
Betriebsaufspaltung handelt es sich um eine gewerbliche Tätigkeit.
(2) Nach § 121 Abs. 1 Nr. 3 BewG setzt die Annahme inländischen Betriebsvermögens
voraus, dass im Inland eine Betriebstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter
bestellt ist. Unter einer Betriebsstätte ist gem. § 12 S. 1 AO jede feste
Geschäftseinrichtung oder Anlage zu sehen, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient;
dies sind insbesondere Stätten der Geschäftsleitung oder andere Geschäftsstellen (§ 12 S.
2 AO). Ein ständiger Vertreter ist gemäß § 13 AO eine Person, die nachhaltig die Geschäfte
eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt.
Bei der Vermietung und Verpachtung von Wirtschaftsgütern begründet der vermietete
Gegenstand selbst noch keine Betriebstätte. Es muss hinzukommen, dass dort eine
gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Das überlassene Wirtschaftsgut muss der
Unternehmenstätigkeit dienen und darf nicht bloß deren Gegenstand sein (z.B. BFH vom
19. März 1981 IV R 49/77, BStBl II 199 1981 II, 538, 540; vom 30. Oktober 1996 II R
12/92, BStBl II 1997, 12).
Die gewerbliche Vermietungstätigkeit im Falle der Betriebsaufspaltung geht über die bloße
Vermietung hinaus. Die Gewerblichkeit beruht auf dem besonderen Umstand der Existenz
eines Doppelunternehmens (Besitz- und Betriebsunternehmen), in dem zwei
unterschiedliche Rechtsträger einheitliche wirtschaftliche (gewerbliche) Ziele verfolgen. Das
Besitzunternehmen verwirklicht mittelbar durch seine sachliche und persönliche
Verflechtung mit dem Betriebsunternehmen die Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG, u.a. die
Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr (z.B. BFH vom 8. November 1971 GrS
2/71, BStBl II 1972, 63; vom 24. Februar 2000 IV R 62/98, BStBl II 2000, 417; vom 23.
Januar 2001 VIII R 71/98, BFH/NV 2001, 894). Zwar führt die Annahme einer
Betriebsaufspaltung nicht zur Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs und einer
gegenseitigen Zurechnung der jeweiligen Wirtschaftsgüter (grundlegend: BFH vom 8.
November 1971 GrS 2/71, BStBl II 1972, 63; s. auch vom 28. Juli 1982 I R 196/79, BStBl II
1983, 77; vom 17. Juli 1991 I R 98/88, BStBl II 1992, 246). Für die hier zu entscheidende
Frage der beschränkten Steuerpflicht begründet die Existenz eines inländischen
Betriebsunternehmens jedoch nach Auffassung des Senats einen hinreichenden
Anknüpfungspunkt für die inländische Besteuerung, auch wenn das Besitzunternehmen
seine Geschäftsleitung im Ausland haben mag. Zudem kann auch ein inländischer
Gewerbetreibender, der von einem ausländischen Unternehmer auf eine gewisse Dauer
damit betraut ist, im Inland anstelle des Unternehmers in dessen Betrieb fallende
Tätigkeiten vorzunehmen und der dabei die sachlichen Weisungen des Unternehmers
befolgen muss, als ständiger Vertreter im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusehen
sein (BFH vom 28. Juni 1972 I R 35/70, BStBl II 1972, 785 zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
(3) Vorliegend besteht kein Zweifel, dass die GbR in den inländischen Räumlichkeiten der Z
AG eine Betriebsstätte unterhielt und dass diese auch als ihr ständiger Vertreter agiert hat.
Es liegt sogar nahe, dass sich dort die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der GbR befunden
hat. Dies schließt der Senat zum einen daraus, dass die GbR in ihren
Feststellungserklärungen als inländische Anschrift die "A-Straße in X" - den Geschäftssitz
der Z AG – angab. Dort unterhielt der Kläger als gleichzeitiger Geschäftsführer der Z AG
ein Büro. Dort nahm er auch Tätigkeiten für die GbR vor. Nicht anders ist es zu erklären,
dass für die GbR bestimmte Post an diese Adresse versandt wurde. Hierfür spricht, dass
der GbR-Vertrag im Inland geschlossen wurde und dass der Kläger als Geschäftsführer der
Z AG maßgebliche grundstücksbezogene Angelegenheiten vor Ort besser und schneller
klären konnte als von seinem Wohnsitz in Frankreich. Dass die krankheitsbedingt seit Jahren
bettlägerige Ehefrau des Klägers nach dem GbR-Vertrag bei bestimmten
Geschäftsentscheidungen mitwirken musste, steht der maßgeblichen Willensbildung der
Geschäftsleitung in der inländischen Betriebsstätte nicht entgegen. Der labile
Gesundheitszustand der Ehefrau spricht für den Senat eher dafür, dass der Kläger die
maßgeblichen Entscheidungen am Ort seiner täglichen Berufsausübung getroffen hat, als
für die Annahme, die Geschäftsleitung habe gerade wegen der Krankheit der Ehefrau von
Frankreich aus stattgefunden.
Im Streitfall stellt das der Betriebsgesellschaft überlassene inländische Grundstück die
einzige wesentliche Betriebsgrundlage dar, die das Besitzunternehmen vermietet. Dies
begründet eine inländische Betriebstätte des Besitzunternehmens auf diesem Grundstück.
Zwar handelt es sich weiterhin um zwei getrennte Unternehmen. Allerdings wird die
Vermietungstätigkeit des Besitzunternehmens allein dadurch in eine gewerbliche Tätigkeit
umqualifiziert, dass sie eben dieses Grundstück der Betriebsgesellschaft überlässt und
ihren Willen in der Betriebsgesellschaft, die eben auf diesem Grundstück ihre Tätigkeit
verrichtet, durchsetzen kann (sachliche und personelle Verflechtung). Die Nutzung des
Grundstücks durch das Betriebsunternehmen "dient" – wie es § 12 S. 1 AO vorschreibt -
der Tätigkeit des Besitzunternehmens; sie geht sogar über ein "Dienen" insofern hinaus, als
sie die Tätigkeit des gewerblichen Besitzunternehmens in entscheidender Weise mit den
sich daran anschließenden erheblichen steuerlichen Folgen der Gewerblichkeit bestimmt.
Im Übrigen hat die AG (der Kläger war ihr Vorstand) durch ihre ständige Tätigkeit für die
GbR als deren Vertreter im Inland fungiert. Der Kläger und seine Berater haben somit die
GbR zu Recht seit jeher als einen Gewerbebetrieb behandelt, mit dessen Einkünften die
Gesellschafter im Inland der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen (§ 49 Abs. 1
Nr. 2 a EStG).
c. Die Anteile an den Kapitalgesellschaften
Es handelt sich um die Anteile an der Z AG, der Z GmbH und der B GmbH, deren Wert der
Beklagte unwidersprochen auf ... EUR, ... EUR und ... EUR beziffert hat.
Da der SV zur Zeit des Erbfalls nicht mehr in Kraft war (s. oben Nr. 2 c), richtet sich die
Besteuerung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 121 BewG. Die fraglichen
Anteile befanden sich im Betriebsvermögen der Z GbR und waren dementsprechend der
Erbschaftsteuer zu unterwerfen. Für diese Teile des Betriebsvermögens gelten die
Ausführungen unter 2 b gleichermaßen. Selbst wenn man § 121 Nr. 3 BewG nicht
anwenden wollte (ggf. wegen Fehlen einer inländischen Betriebstätte), wären die Anteile
nach § 121 Nr. 4 BewG als inländisches Vermögen zu versteuern (dann allerdings ohne die
für das Betriebsvermögen geltenden Vergünstigungen nach § 13a ErbStG).
4.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin gemäß § 135 Abs 1 FGO auferlegt.
Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Von grundsätzlicher Bedeutung erscheint dem Senat insbesondere die Frage, ob der
Anwachsungserwerb nach französischem Güterrecht zu einem Erwerb durch Erbanfall
nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führt.