Urteil des FG Saarland vom 13.08.2009

FG Saarbrücken: wahlrecht, kaufpreis, versorgung, luxemburg, verwaltungsrat, leibrente, ratenzahlung, vollstreckung, käufer, gesellschafter

FG Saarbrücken Urteil vom 13.8.2009, 2 K 1326/05
Veräußerung der wesentlichen Beteiligung an einer GmbH gegen Ratenzahlung
Leitsätze
Bei der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer GmbH gegen Ratenzahlung
kann ein Wahlrecht zwischen der Erfassung des Barwerts des Rechts auf wiederkehrende
Bezüge im Zeitpunkt der Veräußerung oder der Summe der in den Folgejahren tatsächlich
zufließenden Bezüge zu den Zuflßzeitpunkten nach R 140 i.V.m. R 139 Abs. 11 EStR 1999
bestehen, wenn die Ratenzahlungsvereinbarung Versorgungscharakter hat.
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Mai 2006 wird dergestalt geändert, dass
ein Veräußerungsgewinn nicht erfasst wird.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen
Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die zeitliche Zuordnung eines Veräußerungsgewinns.
C
der GmbH betrug 50.000 DM. Mit notariellem Vertrag vom 29. Dezember 2000 (Bl. 10 ff.
Rb-A) übertrug der Kläger seine Anteile an der GmbH zum Kaufpreis von 500.000 DM mit
D
Verwaltungsrat er ist. In dem Vertrag wurde der Geschäftsanteil mit sofortiger Wirkung
abgetreten (§ 3 des Vertrages). Das Gewinnbezugsrecht sollte dem Käufer gemäß § 1 (2)
des Vertrages mit dem 30. Dezember 2000/0.00 Uhr zustehen. In einer privatschriftlichen
Zusatzvereinbarung vom 11. Januar 2001 (Bl. 8 Rb-A) wurde geregelt, dass der Kaufpreis
in jährlichen Raten i.H. von 50.000 DM gezahlt werden sollte, erstmals am 3. Januar 2006.
Im Einkommensteuerbescheid des Streitjahres 2000 vom 22. April 2005 berücksichtigte
der Beklagte hinsichtlich der Anteilsveräußerung einen - in der Steuererklärung nicht
erklärten - Veräußerungsgewinn i.H. von 450.000 DM. Gegen diesen Bescheid legte der
Kläger am 23. Mai 2005 Einspruch ein (Bl. 3 Rb-A). Mit Einspruchsentscheidung vom 26.
Oktober 2005 zinste der Beklagte den Veräußerungserlös ab und setzte die
Einkommensteuer auf 108.166,87 EUR herab (Anlage: Bl. 78 ESt-A). Mit der am 28.
November 2005 eingegangenen Klage machte der Kläger u.a. geltend, er sei als
Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH nicht rentenversicherungspflichtig gewesen. Der
Beklagte erließ daraufhin am 19. Mai 2006 einen entsprechend geänderten Bescheid.
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 19. Mai 2006 dergestalt
zu ändern, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu erfassen ist.
Der Kläger ist der Ansicht, hinsichtlich des Veräußerungsgewinns dürfe eine Besteuerung
erst ab 2006 erfolgen, da ihm erst dann ein Teil des Kaufpreises zuflösse. Nach Abschnitt
139 Abs. 11 EStR i.V.m. Abschnitt 140 Abs. 7 EStR stehe ihm ein Wahlrecht für die
Erfassung wiederkehrender Bezüge zu. Zum einen liege die Vertragdauer bei 15 Jahren,
zum anderen habe der Kläger bei einem möglichen Ausscheiden aus dem Arbeitsleben mit
60 Jahren einen Ausgleich für den Wegfall seines Netto-Arbeitslohnes von gut 6.000 DM
monatlich im Jahr 2001 angestrebt (Bl. 21 ff.).
Der Beklagte beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend, ein Wahlrecht, wonach bei einer Anteilsveräußerung entweder
ein Veräußerungserlös sofort oder erst im Zahlungszeitpunkt zu erfassen sei, bestehe im
Streitfall deswegen nicht, weil die Zusatzvereinbarung lediglich eine Kaufpreisstundung
beinhalte und nicht etwa eine Leibrente. Im Vordergrund habe offensichtlich weniger die
Versorgung des Klägers gestanden als vielmehr die Realisierung des Planes der
Verlagerung inländischer Einkünfte in das steuergünstigere Luxemburg (Bl. 29 ff.).
Dem Senat haben die Einkommensteuerakte, die Rechtsbehelfsakte und die Akte aus dem
Verfahren 1 V 266/05 vorgelegen.
Entscheidungsgründe
1.
a)
auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der
Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich, d.h. zu
mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war. Veräußerungsgewinn ist
der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die
Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Zeitpunkt, in dem der
Erwerber das wirtschaftliche Eigentum erlangt und der Veräußerer es verliert, ist auch der
Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 EStG entsteht (vgl. BFH vom 21.
Oktober 1999 I R 43, 44/98, BStBl II 2000, 424 m.w.N.).
Nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften (R 140 Abs. 7 i.V. mit R 139 Abs. 11 EStR
1999) besteht ein Wahlrecht zwischen der Erfassung des Barwertes des Rechts auf die
wiederkehrenden Bezüge im Zeitpunkt der Veräußerung oder aber der Summe der in den
Folgejahren tatsächlich zufließenden Bezüge zu eben diesen Zeitpunkten bei Veräußerung
einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG „gegen Leibrente oder gegen
einen in Raten zu zahlenden Kaufpreis“ (vgl. auch BMF-Schreiben vom 16. September
2004, BStBl. I 2004, 922 ff., Rz. 56).
b)
R 140 Abs. 7 EStR eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten ist, oder ob es sich
dabei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handelt (vgl. BFH vom 11.
Mai 2007 IV B 28/06 8 (nv); vom 29. März 2007 IV R 14/05 BStBl II 2007, 816; vom 23.
April 1991 VIII R 61/87, BStBl II 1991, 752). Ebenso kann offen bleiben, ob es sich bei dem
Verweis in R 140 Abs. 7 EStR auf R 139 Abs. 11 EStR um einen Rechtsfolgen- oder nur um
einen Rechtsgrundverweis handelt.
Denn die getroffenen Vereinbarungen erfüllen auch die Voraussetzungen, die nach der
Rechtsprechung des BFH ein Wahlrecht bei Veräußerungsgewinnen eröffnen.
Zwar ist die Sofortversteuerung von Veräußerungsgewinnen der gesetzliche Normalfall und
die laufende Versteuerung eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung (vgl. BFH vom 12. Mai
1999 IV B 52/98, BFH/NV 1999, 1330). Nach der Rechtsprechung ist ein Wahlrecht aber
jedenfalls dann gegeben, wenn der Veräußerungspreis in langfristig wiederkehrenden
Bezügen besteht, die wagnisbehaftet sind oder die Bestimmungen hauptsächlich im
Interesse des Veräußerers, um dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des
Erwerbers getroffen wurden (BFH vom 26. Juli 1984 IV R 137/82, BStBl II 1984, 829
m.w.N. insbes. auf BFH vom 23. Januar 1964 IV 85/62 U, BStBl III, 239). Dabei sind die für
die Zubilligung des Wahlrechts bestimmenden Komponenten "Wagnis" und "Versorgung" in
gewissem Umfang kompensierbar (BFH vom 26. Juni 1984 a.a.O.).
Eine Versorgungsvereinbarung ist im vorliegenden Fall zwar nicht in der notariellen Urkunde
vom 29. Dezember 2000 enthalten. Grundsätzlich bedurfte es auch nicht einer
ausdrücklichen Fälligkeitsvereinbarung für den Kaufpreis. Denn nach § 271 BGB tritt die
Fälligkeit sofort ein, d. h. mit Abschluss des Vertrages. Bei einem Kaufvertrag ist nach §
320 BGB der Kaufpreis grundsätzlich Zug um Zug gegen Übertragung des
Kaufgegenstandes zu entrichten. Da nach § 3 des Vertrages der Geschäftsanteil mit
sofortiger Wirkung abgetreten wurde und sogar das Gewinnbezugsrecht dem Käufer
gemäß § 1 (2) des Vertrages bereits mit dem 30. Dezember 2000/0.00 Uhr zustehen
sollte, hatte der Kläger seine Verpflichtungen erfüllt. Die Vereinbarung über die
Ratenzahlung im Januar 2001 ist jedoch vor der Kaufpreiszahlung getroffen worden und
ergänzt den notariellen Vertrag. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Ergänzung
allein im Interesse des Klägers erfolgt ist, da er als alleinvertretungsberechtigter
Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden Einfluss hatte. Der vereinbarte
Zahlungszeitraum erstreckt sich auch über mehr als zehn Jahre (vgl. zur Bedeutung dieser
Dauer BFH vom 12. Juni 1968, a.a.O). Denn der Kaufpreis sollte zwar in zehn Jahresraten
bezahlt werden. Die Zahlungen sollten jedoch erst im Jahr 2006 beginnen, dem Jahr, in
dem der Kläger das 59. Lebensjahr vollendet, und sie werden voraussichtlich im Jahr 2015
enden.
Nach alledem misst der Senat der Zusatzvereinbarung vom 11. Januar 2001
Versorgungscharakter bei. Dies hat die Begründung des Wahlrechts zur Folge, das der
Kläger dahingehend ausgeübt hat, dass eine Besteuerung erst im Zeitpunkt des Zuflusses
der Raten zu erfolgen hat. Ein Veräußerungsgewinn ist damit im Streitjahr 2000 nicht
anzusetzen.
2.
aufzuerlegen. Der Kläger hat zwar erstmals im Klageverfahren den Antrag auf den
ungekürzten Vorwegabzug gestellt - hinsichtlich dessen der Bescheid zudem vorläufig war -
, mit dem er ebenfalls erfolgreich war. Eine Zuordnung dieses Teils der Kosten nach § 137
FGO auf den Kläger ist jedoch dennoch nicht geboten, da es sich nur um einen weit unter 5
v.H. liegenden Teil handelt (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115
Abs. 2 Nr. 1 FGO).