Urteil des FG Saarland vom 01.02.2007

FG Saarbrücken: vollziehung, härte, aussetzung, unternehmen, prostituierte, einkünfte, betreiber, stillen, reserven, dienstverhältnis

FG Saarbrücken Beschluß vom 1.2.2007, 1 V 1273/06
Mitunternehmer eines Bordellbetriebs - Ermittlung des Umsatzes eines Bordellbetriebs -
Prostituierte in Bordellen als Arbeitnehmer
Leitsätze
1. Ein Bordell kann in der Weise mitunternehmerisch betrieben werden, dass das
Unternehmen nur auf den Namen des einen Mitunternehmers angemeldet ist, während
der andere wesentliche Unternehmenstätigkeiten ausübt und an den Erträgen beteiligt ist.
2. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich die Schätzung der Einnahmen eines
Bordellbetriebes an dem Durchschnittsverdienst einzelner Prostituierter und der
Durchschnittszahl der im Bordell tätigen Prostituierten orientiert.
3. Die in Bordellen arbeitenden Prostituierten haben normalerweise den Status von
Arbeitnehmern.
Tatbestand
I. Aufgrund eines Ermittlungsauftrages der Staatsanwaltschaft in C fand im Zeitraum
2005/2006 für 2001 bis 2005 eine Fahndungsprüfung bezüglich verschiedener
Bordellbetriebe statt ("Haus Nr. XX D-Straße", "E", "F"). Der Fahnder kam zu der
Überzeugung, dass
- die Unternehmen von der Antragstellerin und ihrem langjährigen Lebensgefährten, G, als Gesellschaften bürgerlichen Rechts
(GbR) mitunternehmerisch betrieben worden seien,
- Einnahmenverkürzungen stattgefunden hätten, und
- die Prostituierten Arbeitnehmer der Betreiber gewesen seien
(Prüfungsbericht StEL-Nr. XX/XX vom 20. März 2006, Bl. 7 ff. BpA). In Auswertung des
Prüfungsberichtes erließ der Antragsgegner eine Reihe von Bescheiden, u.a. auch den
Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
2001 vom 28. Juni 2006 (Bl. 7). Der Bescheid setzt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des
Streitjahres auf 0 EUR fest.
Gegen sämtliche Bescheide haben - jeweils einzeln - die Antragstellerin und Herr G
Einsprüche eingelegt und gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung beantragt, die der
Antragsgegner am 26. September 2006 zurückwies (Bl. 19). Über die Einsprüche ist noch
nicht entschieden worden.
Am 16. Oktober 2006 stellte die Antragstellerin bei Gericht sinngemäß den Antrag (Bl. 1),
die Vollziehung des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen 2001 vom 28. Juni 2006 bis einen Monat nach Ergehen der
Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung im Übrigen trägt sie vor, sie sei nicht
Mitunternehmerin, sondern Alleininhaberin der Bordellbetriebe. Sie habe ihre Umsätze
ordnungsgemäß angemeldet. Die Prostituierten seien nicht ihre Angestellten gewesen. Sie
habe an diese lediglich Zimmer vermietet. Die Preise hätten die Prostituierten mit den
Freiern selbst ausgehandelt (Bl. 2 f.). Der Nachweis der Scheinselbständigkeit sei nicht zu
führen. Vom Amtsgericht in C sei die Antragstellerin in einem ordnungsrechtlichen
Verfahren vom Vorwurf der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen
freigesprochen worden (Bl. 4).
Die Antragstellerin verfüge über keinerlei Vermögen. Die Vollstreckung würde sie in den
Offenbarungseid treiben, so dass sie der Sozialhilfe anheim falle (Bl. 4).
Der Antragsgegner beantragt (Bl. 14), den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als
unbegründet zurückzuweisen.
Die Antragstellerin und Herr G hätten die o.g. Bordellbetriebe in mitunternehmerischer
Gemeinschaft geführt. Zwar sei die Antragstellerin im Außenverhältnis als alleinige
Inhaberin der Betriebe aufgetreten. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei Herr G aber
geschäftsführend tätig gewesen und habe eigenverantwortlich unternehmerische
Entscheidungen getroffen. Herr G habe im Wesentlichen die "äußere" Organisation der
Betriebe (z.B. Behördenverkehr, Besorgungs- und Geschäftsgänge, Anzeigenschaltung,
Kassenabrechnungen) übernommen, während die Antragstellerin weitgehend für die
Abwicklung der "eigentlichen" Bordellumsätze verantwortlich gewesen sei. Eine detaillierte
Schilderung der unternehmerischen Beiträge ergebe sich aus dem Prüfungsbericht (insb. S.
10-13) und der ergänzenden Stellungnahme der Steuerfahndung vom 18. September
2006 (Bl. 26 ff. BpA).
Herr G habe nicht lediglich zwischen Lebensgefährten übliche Hilfestellungen (wie
Dolmetscher- und Fahrdienste) erbracht. Vielmehr ergebe sich bereits aus den mangelnden
Sprachkenntnissen der Antragstellerin, dass sie nicht befähigt sei, die Betriebe allein zu
führen. Herr G habe in den Bordellbetrieben mitunternehmerische Initiativen ergriffen (S. 4
der o.g. Stellungnahme: Anwerbung von Prostituierten, Kassenabrechnungen). Er sei auch
am Gewinn und Verlust sowie den stillen Reserven der Betriebe beteiligt gewesen und
habe damit auch ein Unternehmerrisiko getragen. Dies ergebe sich bereits aus dessen
uneingeschränkter Verfügungsberechtigung über die Einnahmen aus den Bordellbetrieben
(vgl. Fahndungsbericht S. 10 Tz. sowie S. 4 f. der o.g. Stellungnahme).
Da keine ordnungsgemäßen Einnahmeaufzeichnungen vorlägen, sei der Antragsgegner zur
Schätzung berechtigt. Die auf die Feststellung einzelner tatsächlicher Betriebseinnahmen
aufbauende Schätzung der Gesamteinnahmen führe zu einem schlüssigen und
wirtschaftlich denkbaren Ergebnis. Wegen Einzelheiten werde auf die ausführliche
Darstellung im Fahndungsbericht (S. 5-7 und 14-16) sowie auf die o.g. Stellungnahme (S.
1-2) verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen
Akten des Antragsgegners Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Der gemäß § 69 Abs. 4 FGO zulässige Aussetzungsantrag ist unbegründet. Der
Antragsgegner war bei summarischer Prüfung zweifelsfrei zur Annahme einer
Mitunternehmerschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn G, zur Vornahme von
Umsatz- und Gewinnschätzungen in der streitigen Höhe sowie zur Annahme befugt, dass
die Prostituierten Arbeitnehmer der Bordellbetreiber gewesen sind.
1. Voraussetzungen der AdV
Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung
für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung
schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch
gegen Sicherheit, anordnen (§ 69 Abs. 2, 3 FGO).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides bestehen,
wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände
zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage
oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die
Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h.
ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg
(ständige Rechtsprechung; grundlegend: BFH vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967,
533; vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).
Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt vor, wenn durch die
sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen würden, die über die
eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind,
oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Eine
Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte ist jedoch nur dann vertretbar, wenn
zugleich auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen; sind
dagegen Zweifel fast ausgeschlossen, ist eine Aussetzung der Vollziehung selbst dann nicht
zulässig, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH v. 19. April 1968 IV
B 3/66, BStBl. II 1968, 538; v. 31. Januar 1967 VI 5 9/66, BStBl. III 1967, 255).
Für das Vorliegen einer unbilligen Härte ist vorliegend weder etwas hinreichend konkret
vorgetragen noch ansonsten aus den Akten erkennbar. Die bloße Behauptung der
Antragstellerin, die nach eigenem Vortrag Alleininhaberin einer Reihe von (offenbar seit
Jahren florierenden) Bordellbetrieben sein will, sie sei vermögenslos und werde im
Vollstreckungsfalle "der Sozialhilfe anheim fallen", ist zur Darlegung einer unbilligen Härte
völlig unzureichend.
2. Keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit
Bei Durchführung einer summarischen Prüfung im vorgenannten Sinne bestehen keine
ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides.
a. Mitunternehmerschaft zwischen der Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten G
Mitunternehmer ist, wer aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich
vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und Mitunternehmerrisiko
trägt. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche (oder eine dieser wirtschaftlich
vergleichbare) Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens.
Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den
stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.
Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen
Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als
Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend
ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens
den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem
Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen
Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen. Die Merkmale der
Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder
weniger stark ausgeprägt sein (Typusbegriff). Ein geringeres mitunternehmerisches Risiko
kann durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden (und
umgekehrt). Beide Merkmale müssen jedoch vorliegen. Ob dies zutrifft ist unter
Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt
bestimmenden Umstände zu würdigen (ständige Rechtsprechung des BFH, s. z.B. Urteil
vom 10. Juli 2003 5 K 4398/99, BStBl. II 2006, 595 m.w.N.).
Die Steuerfahndung hat in zutreffender Anwendung des steuerrechtlichen Begriffs der
Mitunternehmerschaft eine Reihe von Merkmalen festgestellt, die auf ein
gesellschaftsähnliches Verhältnis zwischen der Antragstellerin und ihrem langjährigen
Lebensgefährten hindeuten (s. S. 10 ff. des Prüfungsberichtes sowie S. 2 ff. der
Stellungnahme des Fahnders vom 18. September 2006).
Bei summarischer Prüfung gingen die Beiträge des Herrn G deutlich über die in einer
Lebensgemeinschaft üblichen "Handreichungen" hinaus. Schon allein wegen der
unbestrittenen Tatsachen, dass die Antragstellerin
- erhebliche Probleme mit der deutschen Sprache hat,
- des Schreibens "gänzlich unkundig" ist und
- über keinen Führerschein verfügt,
musste Herr G unstreitig nach außen hin für die Betriebe auftreten (Bl. 10). Auch intern hat
er den Feststellungen des Fahnders zu Folge, an denen die Antragstellerin keine
vernünftigen Zweifel wecken konnte, wesentliche Beiträge geleistet (Kassenabrechnungen,
Kontrolle der Betriebsabläufe, Aufnahme von Prostituierten u.ä.). Zu allen diesen
Tätigkeiten war Herr G fachlich in hohem Maße qualifiziert. Denn er hat - ebenfalls
unbestritten - selbst jahrelang ein entsprechendes (auf den Namen seiner Mutter
angemeldetes) Etablissement betrieben und geleitet.
Zu diesen unternehmerischen Initiativen trat augenscheinlich auch ein unternehmerisches
Risiko, das sich in seiner nicht unerheblichen Teilhabe an den Unternehmenserträgen
äußert. Herr G, der selbst über keine nennenswerten anderweitigen Einkünfte verfügt, war
nach den Feststellungen der Steuerfahndung über das betriebliche Konto
verfügungsbefugt. Auf seinem persönlichen Girokonto hat der Fahnder regelmäßig größere
Bareinzahlungen festgestellt, die offenbar aus den Unternehmen stammen.
b. Schätzung der Umsätze und Erträge
Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit es sie nicht ermitteln
oder berechnen kann. Insbesondere ist zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder
Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder
wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt
werden (§ 162 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 AO). Die Besteuerungsgrundlagen sind nach
Maßgabe ihrer größten Wahrscheinlichkeit zu schätzen (grundlegend: BFH vom 31. August
1967 V 241/64, BStBl. III 1967, 686; vom 16. November 1982, BStBl. II 1983, 361). Bei
der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher
Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist um so größer, je
ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der
Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen u.ä.
im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende
Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen
ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen, die darauf
hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt im
Gegenteil an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (BFH v. 20.
Dezember 2000 I R 50/00, BStBl. II 2001, 381; vom 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl. II
2001, 484).
Im Entscheidungsfall konnten keine Grundaufzeichnungen über die Einnahmen der Betriebe
vorgelegt werden. Die Feststellungen des Fahnders lassen zweifelsfrei erkennen, dass die
in der Buchführung festgehaltenen Tageseinnahmen nicht den Realitäten entsprechen
können, und zwar auch dann nicht, wenn man davon ausgehen wollte, dass dort von
vornherein nur die letztlich auf die Betreiber entfallenden Einnahmen aufgezeichnet worden
wären. Der stichprobenweise Abgleich der aufgezeichneten Tageseinnahmen mit denen
der Prostituierten H und mit den Kreditkartenabrechnungen hat ergeben, dass bereits
diese jeweils alleine höher waren als die gesamten (bar und unbar) aufgezeichneten
Tageseinnahmen. Schon diese Feststellungen lassen erkennen, dass die
Einnahmenaufzeichnungen des Unternehmens keinerlei Vertrauen verdienen und der
Antragsgegner deshalb zur Vornahme ergänzender Schätzungen befugt war.
Der Antragsgegner hat von seiner Schätzungsbefugnis offenbar auch einen
ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht. Der Fahnder hat sich bei der Schätzung an dem
von ihm festgestellten Durchschnittsverdienst einer Prostituierten und der
Durchschnittsanzahl der eingesetzten Prostituierten orientiert. Dies ist nicht zu
beanstanden. Ebensowenig ist es zu beanstanden, dass er zur Umsatzermittlung diesen
Betrag von 60% auf 100% hochgerechnet hat. Denn es entspricht der ständigen
Rechtsprechung, dass alle Zahlungen eines Freiers an den Bordellbetreiber - nicht an die
einzelne Prostituierte - erfolgen und deshalb auch Grundlage von dessen Umsatzermittlung
sind (FG des Saarlandes vom 15. Dezember 1993 1 K 29/93, EFG 1994, 542; Abweisung
der Nichtzulassungsbeschwerde: BFH vom 30. Juni 1994 V B 15/94, BFH/NV 1995, 457;
FG München vom 4. Dezember 2000 3 V 824/00, juris jeweils m.w.N.).
c. Arbeitnehmereigenschaft der Prostituierten
Arbeitnehmer sind Personen, die angestellt sind und die aus diesem Dienstverhältnis
Arbeitslohn beziehen. Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber
seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige in der Betätigung
seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im
geschäftlichen Organismus dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Arbeitnehmer ist
nicht, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig
ausgeübten gewerblichen Tätigkeit gegen Entgelt ausführt (§ 1 LStDV).
Der Arbeitnehmerbegriff ist - wie der des Mitunternehmers - ein Typusbegriff, der durch
eine größere Zahl von Merkmalen gekennzeichnet wird, deren Bedeutung für das
Gesamtbild der im Einzelfall zu beurteilenden Tätigkeit festzustellen ist (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl. II 1999, 534).
Es ist nicht ernsthaft zweifelhaft, dass der Antragsgegner die vorgenannten
Rechtsgrundsätze ordnungsgemäß angewandt hat. Hierbei ist zwar nicht zu verkennen,
dass sich die Berufsausübung der Prostituierten von denen anderer Arbeitnehmer in
mancherlei Hinsicht unterscheiden mag. Bei Prostituierten, die - wie vorliegend - in einen
Bordellbetrieb eingegliedert sind, handelt es sich jedoch gleichwohl in aller Regel um
Arbeitnehmer. Denn sie haben sich an den zeitlichen, preislichen und sonstigen
Gepflogenheiten des Etablissements anzupassen. So scheint es beispielsweise - entgegen
der Behauptung des Antragstellers - wenig glaubhaft, dass gleichartige Dienstleistungen
von den einzelnen Prostituierten zu wesentlich unterschiedlichen Preisen erbracht worden
sein sollen. Dies hätte zu einem Preiswettbewerb innerhalb des Betriebes geführt, an dem
weder die Betreiber noch die einzelnen Prostituierten ein Interesse haben konnten. Die
Prostituierten erscheinen - eben wegen der Eingliederung in die dortigen Abläufe - nach
außen hin als Angestellte des jeweiligen "Hauses", die den Anweisungen des jeweiligen
Betreibers Folge zu leisten haben. Die Parallele, die die Antragstellerin zur Vermietung von
Standplätzen in einer Markthalle zieht, erscheint insofern nicht hilfreich, als dort der Kunde
zweifelsfrei ausschließlich in geschäftlichen Kontakt mit den Standinhabern tritt, die -
ebenfalls zweifelsfrei - eigenständige Unternehmen betreiben. Vergleichbar erscheint dem
Senat dagegen eher die Tätigkeit von Schauspielern, die an bestimmten Produktionen
mitwirken. Diese werden regelmäßig als Arbeitnehmer angesehen (BFH vom 20. Januar
1972 IV R 1/69, BStBl. II 1972, 214). Deshalb haben auch die in Bordellen arbeitenden
Prostituierten normalerweise den Status von Arbeitnehmern (Schmidt/Drenseck, EStG, 24.
Aufl. 2005, § 19 Rz. 15 "Prostituierte" m.w.N.).
Dass im Entscheidungsfall die Dinge anders liegen könnten, ist bereits deshalb nicht
anzunehmen, weil die Antragstellerin ihren Vortrag lediglich auf nicht nachprüfbare
Behauptungen stützt. Sie legt weder Aufstellungen über die Namen der Prostituierten, über
deren "Verweildauer" oder über deren Verdienst vor, noch detailliert sie in nachvollziehbarer
Weise die (mündlichen oder schriftlichen) Absprachen, die zu Beginn der
Prostituiertentätigkeit in einem der "Häuser" jeweils getroffen worden sein müssen. Der
Umstand, dass für die Prostituierten keinerlei Sozialabgaben geleistet worden sind, kann
seine Ursache weniger in deren Status der Selbständigkeit als vielmehr in dem Umstand
gehabt haben, dass sich alle Beteiligten der Zahlung dieser Beiträge zu Unrecht entziehen
wollten. Dass die Antragstellerin in einem ordnungsrechtlichen Verfahren vom Vorwurf der
illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen freigesprochen worden ist, hat im
anhängigen Verfahren keine wesentliche Bedeutung, da in derartigen Verfahren andere
Beweis- und Ermittlungsgrundsätze gelten.
3. Nach alledem war der Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Die Kosten des
Verfahrens werden der Antragstellerin gemäß § 135 FGO auferlegt.
Die Entscheidung ergeht endgültig nach § 128 Abs. 3 FGO. Eine Zulassung der
Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO kam nicht in Betracht.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft.