Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 15.10.2008

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FG
Neustadt
15.10.2008
1 K 1282/08
Kindergeld mangels Ausbildungsplatz
Im Namen des Volkes
Urteil
1 K 1282/08
In dem Finanzrechtsstreit
der Frau
- Klägerin -
Proz.-Bev.:Rechtsanwälte
gegen
Agentur für Arbeit - Familienkasse -
- Beklagte -
Proz.-Bev.:
wegenKindergeld
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober
2008 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Streitig ist, ob sich der Sohn der Klägerin in der Zeit von Juni 2006 bis Juli 2007 um einen
Ausbildungsplatz bemüht hat.
Die Klägerin hat den Sohn F geboren am 29. November 1986. F hat im Juli 2004 die Schulausbildung
abgebrochen, zuletzt war er auf der Berufsbildenden Schule für Gewerbe und Technik in T. Vor
Vollendung des 18. Lebensjahres von F hat die Klägerin einen Antrag auf Kindergeld gestellt, der am 07.
November 2004 mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die
Gewährung von Kindergeld nicht vorliegen würden. F sei bei der Agentur für Arbeit nicht als
arbeitsuchendes Kind gemeldet. Nachdem F am 23. Dezember 2004 sich bei der Berufsberatung
gemeldet hat, wurde Kindergeld ab Dezember 2004 gewährt.
Am 01. August 2005 hat F ein Jahrespraktikum im Altenzentrum N begonnen, das er aber kurz nach
Beginn wieder abgebrochen hat. Vom 11. August bis 25. August 2005 hat er ein Betriebspraktikum bei M
GmbH, Zweirad-Spezialist in T absolviert (Bl. 66 Kindergeldakte). Am 30. Oktober 2007 hat er ein
Praktikum bei der Firma V in T begonnen.
Mit Bescheid vom 30. November 2007 hat die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für F ab Juni 2006
aufgehoben und Kindergeld für den Zeitraum Juni 2006 bis Juli 2007 in Höhe von 2.156,00 €
zurückgefordert. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 07. Februar
2008 als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 28. Februar 2008 hat die Klägerin Klage
erhoben, die beim erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen 1 K 1282/08 geführt wird.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, dass F am 29. November 1986 geboren sei und im Juni 2006 sein 20.
Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 c Einkommensteuergesetz - EStG - sei F bei
der Kindergeldfestsetzung zu berücksichtigen. Er habe in 2006 sein 27. Lebensjahr noch nicht vollendet
und habe bis zum 15. Juli 2006 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Trotz seiner zahlreichen
Eigenbemühungen nach seiner Schulausbildung habe F mangels Ausbildungsplatz eine
Berufsausbildung nicht beginnen oder fortsetzen können. Die Berücksichtigung von F hänge davon ab,
dass es ihm trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sei, seine Berufsausbildung zu beginnen oder
fortzusetzen. Den Anfordernissen der Beklagte, die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz durch
geeignete Unterlagen nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, habe F genügt. Es sei eine detaillierte
Liste darüber vorgelegt worden, dass F sich ernsthaft und intensiv um ein Praktikum und um eine
Ausbildungsstelle bemüht habe. 2006 und 2007 habe er sich bei mindestens 8 Firmen in der
Fahrradbranche telefonisch beworben, die Anfragen seien bereits im Vorfeld negativ beschieden worden.
Über die Anfragen bei Fahrradhändlern hinaus habe sich das Kind bei Garten- und
Landschaftsbaubetrieben telefonisch beworben. Auch hier habe er bereits entweder negative Auskünfte
erhalten oder sei auf einen späteren Zeitpunkt vertröstet worden. Er habe in 2006/2007 zahlreiche
schriftliche Bewerbungen abgeschickt.
Die Klägerin beantragt,
den Aufhebungsbescheid vom 30. November 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 07. Februar
2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass die vorgelegten Bewerbungsunterlagen nicht den strittigen Zeitraum
Juni 2006 bis Juli 2007 betreffen würden. Der Ausbildungswille des Kindes sei nicht zu erkennen. Die
handschriftliche Bewerbungsliste reiche zum Nachweis eigener Aktivitäten zum Erhalt eines
Ausbildungsplatzes eindeutig nicht aus.
Mit der Klage hat die Klägerin zugleich einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, der mit
Beschluss des Senates vom 02. Mai 2008 Az.: 1 V 1284/08 zurückgewiesen wurde.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzung ab Juni 2006 aufgehoben.
Für ein Kind, das - wie im Streitfall - das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird auf Antrag Kindergeld gewährt,
wenn die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG vorliegen (§§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 S. 2, 67 Abs. 2).
Gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG wird ein Kind berücksichtigt, wenn es noch nicht das 27. Lebensjahr
vollendet hat und eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Die übrigen Alternativen des § 32 Abs. 4 EStG kommen hier unstreitig nicht in Betracht.
Florian hatte sich zum 16. August 2005 arbeitslos gemeldet, nachdem er das Jahrespraktikum im
Alterszentrum N abgebrochen hat. Da er sich nicht wieder bei der Agentur für Arbeit gemeldet hat, wurde
er bei der Arbeitsvermittlung zum 16. November 2005 angemeldet. Der letzte Kontakt zur Berufsberatung
hat am 05. Dezember 2005 bestanden, weshalb er zum 15. Mai 2006 aus der Berufsberatung abgemeldet
worden ist, nachdem er dort keinen Kontakt mehr aufgenommen hat (Bl. 54 KG-Akte).
Der Wille des Kindes, zum frühest möglichen Zeitpunkt eine bestimmte Berufsausbildung aufzunehmen
oder fortzusetzen und die fehlende Verwirklichung dieses Wunsches mangels eines Ausbildungsplatzes
müssen nach den Umständen glaubhaft sein. In der Regel müssen übliche und zumutbare Bemühungen
nachgewiesen werden. Als Nachweis reicht es beispielsweise aus, wenn das Kind bei der Berufsberatung
als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle geführt wird. Eigene Bemühungen oder
Inanspruchnahme der Berufsberatung können durch Vorlage von Bewerbungsschreiben, Suchanzeigen
in Zeitungen, Bescheinigungen, Zwischennachrichten, Ablehnungsschreiben von Ausbildungsstätten und
ähnliches nachgewiesen werden. Ebenso wird durch die Ableistung eines von der künftigen
Ausbildungsstätte empfohlenen oder geforderten Praktikums glaubhaft dargetan, dass sich das Kind um
einen Ausbildungsplatz bemüht hat, auch wenn ein solches Praktikum nicht vorgeschrieben ist. Letztlich
muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen
Ausbildungsplatz objektiviert haben, um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Kindergeld
entgegenzuwirken. Grundsätzlich ist jeder ernsthafte Ausbildungswunsch anzuerkennen, wenn er nicht
wegen der persönlichen Verhältnisse des Kindes als völlig unvernünftig und abwegig erscheint.
Da es sich um eine für den Kindergeldberechtigten günstige Anspruchsvoraussetzung handelt, trägt
dieser die Feststellungslast für die entsprechenden Bemühungen des Kindes (BFH-Beschluss vom 21.
Juli 2005 III S 19/04 BFH/NV 2005, 2207). Die Ausbildungsbereitschaft des Kindes muss sich durch
belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Andernfalls hätte es der
Kindergeldberechtigte in der Hand, durch die bloße Geltendmachung der Ausbildungswilligkeit des
Kindes den Anspruch auf Kindergeld bis zum 27. Lebensjahr zu verlängern.
Auf Nachfrage der Beklagte legte F mit Datum vom 24. Juli 2007 eine Liste vor von Betrieben, bei denen
er sich in 2006 und 2007 telefonisch nach einer Ausbildungsstelle erkundigt haben will. Zum einen
handelt es sich um Fahrradbetriebe, weil er Zweiradmechaniker werden möchte, zum anderen habe er
sich um eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner bemüht. Bei den einzelnen Adressen ist hinten
vermerkt, dass z.B. die Betriebe nicht ausbilden oder bereits einen Auszubildenden haben und
dergleichen (Bl. 75 ff. KG-Akte). Am 11. Dezember 2007 wird eine erneute Liste vorgelegte, auf der Firmen
fehlen (Bl. 93 KG-Akte). Diese Liste wurde auch im Klageverfahren vorgelegt.
Weiterhin wurden zwei Schreiben von Firmen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass sich F um eine
Ausbildungsstelle beworben hat. Das eine Schreiben stammt von „W GmbH“ in G vom 07. Februar 2006
und das weitere Schreiben von „H und K“ in M (Luxemburg) vom 10. Dezember 2007 (Bl. 96 ff. KG-Akte).
Des weiteren sind Bewerbungen von F vorgelegt worden und zwar vom 20. März 2006 an die Fahrrad-S,
vom 05. September 2007 an das Rathaus T zwecks Ausbildung zum Gärtner und vom 14. November 2006
an V GmbH in T.
Die von der Klägerin vorgelegte Liste über die Firmen, bei denen sich F telefonisch um einen
Ausbildungsplatz bemüht haben will, reicht für den Nachweis um eine Suche nach einem
Ausbildungsplatz nicht aus. Aus derartigen Telefonaten kann nicht auf die ernsthafte Bereitschaft
geschlossen werden, sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen. Die von der Klägerin vorgelegten
Ablehnungsschreiben der Ausbildungsstätten datieren vom 07. Februar 2006 und 10. Dezember 2007,
einem Zeitraum außerhalb des hier streitigen. Bei dem von F vorgelegten Bewerbungen liegt nur eine
Bewerbung innerhalb des Zeitraumes Juni 2006 bis Juli 2007, denn sie stammt vom 14. November 2006.
Bei nur einer eigenen Bewerbung in dem hier streitigen Zeitraum kann nicht von einem ernsthaften
Bemühen um einen Ausbildungsplatz gesprochen werden.
Telefonische Anfragen können im Einzelfall als Nachweis ausreichen, wenn detailliert und glaubhaft
dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglose) Gespräche
geführt worden sind. Im Streitfall wurde aber nur eine allgemeine Telefonliste vorgelegt, aus der lediglich
das Jahr hervorgegangen ist, in dem der Telefonanruf erfolgt sein soll. Es wurde weder genau ausgeführt,
an welchem Tag und mit wem das Gespräch geführt worden ist. Es liegen im Streitfall somit keine
belegbaren objektiven Bemühungen in dem strittigen Zeitraum Juni 2006 bis Juli 2007 um einen
Ausbildungsplatz vor (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740). Die Nachweise für
die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der
Kindergeldberechtigte beizubringen (BFH-Beschluss vom 24. Januar 2008 III B 33/07, BFH/NV 2008,
786). Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68
Abs. 1 EStG ausdrücklich vor (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04, BFH/NV 2005, 2207). Es liegt
auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der
Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 a.a.O.).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durchBeschwerde ange-
fochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem
Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll
eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die
Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein
Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang.
Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch
Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen
handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene
Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt
anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift:
Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als
Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es
nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem
Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im
Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Hinweis:
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt
und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und
Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite
www.bundesfinanzhof.de
lizenzkostenfrei herunter geladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die
Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen
Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26.November 2004
(BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.