Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24.02.2011

FG Neustadt: unternehmen, steuererklärung, vorsteuerabzug, abgabe, unternehmer, steuerberater, ausführung, dokumentation, eugh, erfüllung

FG
Neustadt
24.02.2011
6 K 1004/09
Zeitnahe Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung durch Umsatzsteuer-Jahreserklärung
Im Namen des Volkes
Urteil
6 K 1004/09
In dem Finanzrechtsstreit
der Frau
- Klägerin -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegenUmsatzsteuer 2005
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Februar
2011 durch
die Richterin am Finanzgericht als Vorsitzende
die Richterin am Finanzgericht
die Richterin am Finanzgericht
den ehrenamtlichen Richter
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Vorsteuerabzug aus der Errichtung von unternehmerisch genutzten Räumen.
Die Klägerin ist seit März 2006 als Gesundheits- und Ernährungsberaterin tätig und führt ausschließlich
Umsätze aus, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Im Streitjahr 2005 errichtete sie zusammen mit ihrem Ehemann ein Wohnhaus mit einer
Gesamtwohnfläche von 155,01 m². Das der Klägerin zur Hälfte gehörende Haus wurde im April 2006 fertig
gestellt.
Im Keller des Gebäudes befindet sich die Praxis der Klägerin mit einer Fläche von 17,28 m² (11,2% der
Gesamtfläche, bzw. 22,4% des Miteigentumsanteils).
Im Jahr 2006 gab die Klägerin Umsatzsteuer-Voranmeldungen ab, mit denen sie ihre Umsätze sowie
Vorsteuern erklärte. Vorsteuern aus dem Hausbau waren darin nicht enthalten.
Am 04.06.2007 reichte die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung für 2005 ein, mit der sie die auf die Praxis
entfallenden Vorsteuern in Höhe von 4.411,56 € geltend machte.
Der Beklagte berücksichtigte die Vorsteuern nicht und erließ am 07.03.2008 einen entsprechenden
Der Beklagte berücksichtigte die Vorsteuern nicht und erließ am 07.03.2008 einen entsprechenden
Umsatzsteuerbescheid für 2005. Den dagegen gerichteten Einspruch, mit dem die Klägerin nur noch
Vorsteuern in Höhe von 3.814,62 € geltend machte, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom
04.12.2008 zurück.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, sie habe aufgrund ihres Ausscheidens als
Arbeitnehmerin bei der Firma X zum 31.12.2005 bereits im Jahr 2005 die Absicht gehabt, sich als
Ernährungsberaterin selbstständig zu machen. Hierzu habe sie eine Praxis benötigt. Deshalb habe sie
bereits bei der Errichtung des Neubaus die Praxis eingeplant.
Aufgrund ihres Umzugs von B nach L habe eine umsatzsteuerliche Registrierung in B nicht erfolgen
können. Anfang März 2006 habe sie beim Beklagten den Fragebogen zur Aufnahme einer
selbstständigen Tätigkeit eingereicht; sodann sei ihr eine Steuernummer zugeteilt worden. Mangels
Registrierung für 2005 hätten aber für diese Zeiträume keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen eingereicht
werden können. Die Klägerin habe den Prozessbevollmächtigten mit der Erstellung der Umsatz-
steuererklärung für 2005 beauftragt, mit der Maßgabe, dass die auf die Praxis entfallenden Vorsteuern
geltend zu machen seien. Der Prozessbevollmächtigte habe die Steuererklärung innerhalb des regulären
Verfahrensganges erstellt und eingereicht.
Die Umsatzsteuer-Voranmeldung sei zwar ein gewichtiges Indiz für eine Zuordnungsentscheidung, diese
könne jedoch auch auf andere Weise dokumentiert werden. Die Klägerin könne die
Zuordnungsentscheidung durch die Baupläne dokumentieren, aus denen sich die Verwendungsabsicht
ergebe.
Die Vorschriften über den Vorsteuerabzug müssten gemeinschaftsrechtskonform in einer Weise
gehandhabt werden, dass die Ausübung des Rechts unter Beachtung des Neutralitätsgrundsatzes nicht
übermäßig durch Förmelei erschwert werde.
Im Streitfall sei die Versagung des Vorsteuerabzugs mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht
vereinbar, da der Klägerin als Gründungsunternehmerin keine Versäumnisse vorzuwerfen seien.
Nach dem Stand der damaligen Verwaltungsauffassung und Rechtsprechung habe der Unternehmer mit
der Dokumentation der Zuordnungsentscheidung noch bis zum letzten Leistungsbezug warten und diese
mit der Jahreserklärung mitteilen können (Abschnitt 192 Abs. 18 UStR, BMF-Schreiben vom 30.03.2004 -
BStBl I 2004, S. 451). Die Verwaltungsauffassung ergebe sich auch aus einer Verfügung der OFD
Magdeburg vom 15.02.2005, wonach der Unternehmer die Zuordnungsentscheidung im Zeitpunkt des
Leistungsbezuges treffe und durch die Geltendmachung oder Unterlassung des Vorsteuerabzugs in der
Umsatzsteuer-Voranmeldung oder Jahreserklärung dokumentiere. Das BFH-Urteil V R 10/07, das
erstmals das Erfordernis einer zeitnahen Abgabe der Umsatzsteuer aufgestellt habe, sei erst am
11.04.2008 ergangen.
Auch nach dem Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 03.01.2008 – 16 K 558/04 habe die
Mitteilung der Zuordnungsentscheidung spätestens mit der Jahreserklärung – mit endgültiger Wirkung –
zu erfolgen.
Das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 05.08.2008 – 6 K 2333/06 sei nicht einschlägig, da die
Klägerin noch keine Umsätze erzielt habe und deshalb nicht verpflichtet gewesen sei, Umsatzsteuer-
Voranmeldungen einzureichen.
Soweit die Voranmeldungen für 2006 keine Vorsteuern aus Baukosten ausweisen, sei dies darauf
zurückzuführen, dass die Klägerin die Voranmeldungen selbst erstellt und den Vorsteuerabzug aus
Unkenntnis nicht geltend gemacht habe.
Der Rückschluss aus der Bezeichnung „Arbeitszimmer“ auf einen privaten Raum sei nicht zulässig.
Ergänzend wird auf die Klagebegründung vom 13.03.2009 (Bl. 20 – 23 Prozessakte – PrA –) und die
Schriftsätze vom 20.05.2009 (Bl. 34 – 36 PrA) und vom 30.10.2010 (Bl. 84/85 PrA) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 7. März 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 4. Dezember 2008 dahin zu ändern, dass Vorsteuern in Höhe von 3.814,62 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 17.12.2008 – XI R 64/04) könne eine
Zuordnungsentscheidung nicht nachträglich mit Rückwirkung getroffen werden. Auch könne eine einmal
getroffene Zuordnungsentscheidung nicht rückwirkend geändert werden.
Die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung erfolge regelmäßig durch die Geltendmachung des
Vorsteuerabzugs, bzw. deren Unterlassen. Das folge aus dem Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer.
Im Streitfall liege keine zeitnahe Zuordnungsentscheidung zum Unternehmen vor. Vielmehr sei durch die
Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen für 2006 ohne Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten
unmissverständlich eine Zuordnung zum nicht unternehmerischen Bereich angezeigt worden.
Irrtümer des Steuerpflichtigen bezüglich des Verfahrens seien regelmäßig unbeachtlich. Zudem sei der
Beklagte für das neu gegründete Unternehmen der Klägerin örtlich zuständig gewesen. Die Abgabe der
Einkommensteuerakte vom Finanzamt Bn habe nicht abgewartet werden müssen. Die Klägerin sei
durchgängig steuerlich beraten gewesen und könne sich nicht auf Unkenntnis berufen.
Die Baupläne seien nicht geeignet, eine Zuordnungsentscheidung objektiv zu belegen.
Auch die Urteile des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 29.01.2009 – 6 K 1342/07 und des
Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 01.02.2010 – 9 K 3710/09 stützten die Auffassung des Beklagten.
Ergänzend wird auf die Klagestellungnahme vom 14.04.2009 (Bl. 27 – 29 PrA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
1.
1.1.
Ein Unternehmer, der einen Gegenstand zur gemischten (teils unternehmerischen, teils nicht
unternehmerischen) Nutzung erwirbt, hat nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (so bereits Urteil vom
11. Juli 1991 Rs.C-97/90 -Lennartz -, Slg.1991, I-3795, UVR 1992, 19 = HFR 1991, 730 und vom 04.
Oktober 1995 Rs.C-291/92 - Armbrecht -, Slg. 1995, I-2775, BStBl II 1996, 392) folgende Möglichkeiten:
- er kann den Gegenstand seinem Unternehmen zuordnen.
- er kann den Gegenstand seinem nicht unternehmerischen Bereich zuordnen.
- er kann den Gegenstand entsprechend dem (ggf. geschätzten) unternehmerischen Nutzungsanteil
seinem Unternehmen und im Übrigen seinem nicht unternehmerischen Bereich zuordnen.
Soweit der Unternehmer die Verwendung des Gegenstandes zur Ausführung steuerpflichtiger Umsätze
beabsichtigt, kann er – Zuordnung zum Unternehmen vorausgesetzt – die in den Rechnungen gemäß §
14 UStG betreffend die Anschaffungs- oder Herstellungskosten ausgewiesene Umsatzsteuer gemäß § 15
Abs. 1 Nr. 1 UStG in der für die Streitjahre gültigen Fassung als Vorsteuer abziehen.
Die Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmen erfordert eine durch Beweisanzeichen gestützte
Zuordnungsentscheidung des Unternehmers bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage des
Gegenstandes. Der Leistungsbezug muss in einem objektiv erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang
mit der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Unternehmers stehen. Eine Verwendung des
bezogenen Gegenstandes in der übrigen Sphäre muss objektiv möglich und auch durchführbar sein. Die
Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz für die Zuordnung eines
Gegenstandes zum Unternehmen. Ein ebenso wichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstandes
zum Unternehmen (BFH-Urteil vom 31.01.2002 – V R 61/96, BStBl II 2003, 813 - Nachfolgeentscheidung
zum Urteil des EuGH vom 08.03.2001 Rs. C-415/98 -Bakcsi-, UR 2001, 149) ist die Unterlassung des
Vorsteuerabzugs. Darüber hinaus kann auch die spätere tatsächliche Verwendung ein Indiz für oder
gegen eine Zuordnung zum Unternehmen sein (BFH Urteil vom 26.01.2006 – V R 74/03, BFH/NV 2006,
1164). Letzteres kann insbesondere dann relevant sein, wenn die Ausführung steuerfreier Umsätze
beabsichtigt ist und deshalb kein Vorsteuerabzug in Anspruch genommen werden kann.
Gibt es keine Beweisanzeichen für oder gegen eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht
unterstellt werden (Lange UR 2008, 23 ff., S. 25 re. Sp. m.w.N., s. auch BFH Urteil vom 02.03.2006 –
V R 49/05, BStBl II 2006, 729). Der Regelung in Abschnitt 192 Abs. 18 Nr. 2 b UStR 2000 kann daher nicht
gefolgt werden (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 221, 456
,
BFH/NV 2008, 1773
, unter II. 3. c, und vom 17.
Dezember 2008 –
XI R 64/06
,
BFH/NV 2009, 798
, m.w.N.; Beschluss vom 26.06.2009 – V B 34/08).
1.2.
In der Seeling-Entscheidung hat der EuGH (Urteil vom 08.05.2003 Rs C-269/00, a.a.O.) und ihm folgend
der BFH (Urteil vom 24.07.2003 – V R 39/99, BStBl. II 2004, 371) klar gestellt, dass auch die teilweise
Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes für den privaten Bedarf keine
steuerfreie Grundstücksvermietung i. S. des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG darstellt und deshalb den
Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausschließt.
1.3.
Ein Unternehmer kann zwar Bauleistungen für ein Gebäude, das er sowohl für Zwecke seiner besteuerten
Umsätze verwendet als auch für Zwecke außerhalb seines Unternehmens nutzt, bei richtlinienkonformem
Verständnis insgesamt oder teilweise oder gar nicht seinem Unternehmen zuordnen. Er muss sich dafür
aber in dem Besteuerungszeitraum entscheiden, in dem die Steuer für die Bauleistungen und zeitgleich
auch der Vorsteuerabzugsanspruch entstehen. Die Sofortentscheidung für den Vorsteuerabzug aus den
Rechnungen über die Bauleistungen wird in der Steuererklärung erkennbar. Das alles ist aus Art. 17 der
6. EG-Richtlinie in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof verdeutlichtes Umsatzsteuerrecht
(vgl. BFH Urteile vom 28.11.2002 – V R 51/01, BFH/NV 2003, 515 und vom 31.01.2002 – V R 61/96, BStBl
II 2003, 813, s. auch FG Baden-Württemberg Urt. v. 28.09.2006 – 14 K 396/04, EFG 2007, 719 und FG
Niedersachsen Urt. v. 12.05.2005 – 16 K 537/04, DStRE 2006, 283).
In Fällen der Herstellung eines Gebäudes muss die Zuordnungsentscheidung bei Beginn der Herstellung
getroffen werden (Lange a.a.O. S. 26 re. Sp.). Soweit die Verwendung zur Ausführung steuerpflichtiger
Umsätze beabsichtigt ist, bedeutet dies, dass der Vorsteuerabzug in Anspruch genommen wird.
Soweit der Steuerpflichtige gemäß § 18 UStG zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen verpflichtet
ist, muss er diese Zuordnungsentscheidung durch Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs bereits mit der
Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Zeitraum des Leistungsbezuges dem Finanzamt mitteilen (FG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.08.2008 – 6 K 2333/06; Niedersächsisches FG Urteile vom 13.08.2009 –
16 K 463/07 und vom 15.04.2010 – 16 K 434/07, Revisionen anhängig hierzu unter den Az. V R 42/09 und
V R 14/10).
Besteht mangels Erzielung von Ausgangsumsätzen keine Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-
Voranmeldungen, so reicht es aus, die getroffene Zuordnungsentscheidung dem Finanzamt mit der
Umsatzsteuer-Jahreserklärung mitzuteilen (so Lange UR 2008, S. 23 ff.; dies kann auch den BFH-Urteilen
vom 11.04.2008 – V R 10/07 und vom 17.12.2008 – XI R 64/04 entnommen werden).
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 11.04.2008 – V R 10/07) muss die Umsatzsteuererklärung
in diesem Fall zeitnah eingereicht werden. Der BFH folgert dies daraus, dass es im Falle der Zuordnung
zum Unternehmen nahe gelegen hätte, angesichts des hohen zu erwartenden Erstattungsanspruchs den
Vorsteuerabzug zeitnah geltend zu machen. Gibt der Unternehmer die Umsatzsteuererklärung, aus der
die Zuordnung des Gebäudeteils zum Unternehmen erkennbar wird, erst mit einer erheblichen
Verspätung ab, dann müssen gewichtige sonstige Umstände vorliegen, die gleichwohl den Schluss auf
die Tatsache rechtfertigen, der Steuerpflichtige habe den neu errichteten Gebäudeteil bereits zum
Zeitpunkt der jeweiligen Leistungsbezüge seinem Unternehmen zugeordnet (BFH Urteil vom 17.12.2008
– XI R 64/06). Die zeitnahe Abgabe einer Umsatzsteuererklärung hat der BFH im Falle der Einreichung
der Erklärung im Februar des übernächsten Folgejahres verneint.
2.
Zum Zeitpunkt des Bezugs der Eingangsleistungen im Jahr 2005 ist eine bereits bestehende
Zuordnungsentscheidung der Klägerin, den geplanten Praxisraum dem Unternehmen zuzuordnen, nach
außen nicht erkennbar geworden. Eine unmissverständliche Absicht der Zuordnung ergibt sich nicht
bereits aus dem Ausweis von gewerblichen Räumen im Bauantrag. Dies folgt aus dem Wahlrecht des
Steuerpflichtigen, auch hinsichtlich der unternehmerisch genutzten Gebäudeteile von der Zuordnung zum
Unternehmen abzusehen.
Im Jahr 2005 mussten keine Voranmeldungen abgegeben werden, weil noch keine Umsätze erzielt
wurden. Somit war es ausreichend, die Zuordnung des Praxisraums zum Unternehmen mit der zeitnah
eingereichten Jahreserklärung für 2005 zu dokumentieren.
Der Senat sieht eine 17 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums eingereichte Steuererklärung
grundsätzlich nicht mehr als zeitnah an.
Die Abgabefrist des § 149 Abs. 2 Satz 1 AO endet am 31.05. des Folgejahres. Der Senat hat Bedenken, im
Falle steuerlich vertretener Steuerpflichtiger für das Merkmal der Zeitnähe auf diese Frist abzustellen. Dies
würde vom Steuerberater erfordern, innerhalb dieser Frist die Unterlagen vom Steuerpflichtigen
anzufordern und daraufhin zu sichten, ob wegen der zeitnahen Geltendmachung des Vorsteuerabzugs
ein Vorziehen des Falles geboten wäre. Ein solches Verlangen dürfte nicht zumutbar sein.
Daher dürfte in Fällen, in denen die Steuererklärung von einem Steuerberater angefertigt wird, auch eine
bis zum Ablauf der allgemeinen Fristverlängerung für steuerberatende Berufe am 30.09. des Folgejahres
eingereichte Erklärung noch als zeitnah zu akzeptieren sein.
Ob eine später eingereichte Steuererklärung dann noch als zeitnah angesehen werden kann, wenn der
Steuerberater für den Steuerfall rechtzeitig Fristverlängerung über den 30.09. hinaus beantragt hat und
ihm diese auch bewilligt wurde, kann im Streitfall dahin stehen, da dieser Sachverhalt nicht vorliegt.
Die Klägerin wurde nur deshalb nicht zur Abgabe von Steuererklärungen aufgefordert, weil sie steuerlich
noch nicht erfasst war.
Grundsätzlich ist das Finanzamt berechtigt, gemäß §§ 332, 328 AO ein Zwangsgeld anzudrohen und
festzusetzen, wenn der Steuerpflichtige seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht
nachkommt. Daneben kann es auch Verspätungszuschläge gemäß § 152 AO festsetzen.
Da regelmäßig auch Steuerberatern Fristverlängerungen über den 30.09. hinaus nur bis zum 28.02. des
übernächsten Jahres gewährt werden, hätte nach Ablauf dieses Termins ein Zwangsgeld angedroht
werden können. Bei Abgabe einer Steuererklärung 17 Monate nach Ablauf des Veranlagungszeitraums
ist grundsätzlich die Festsetzung eines Verspätungszuschlages gerechtfertigt.
Diese Überlegungen veranlassen den Senat, eine Steuererklärung, die grundsätzlich (also losgelöst von
den besonderen Umständen des Einzelfalles) mit Zwangsmitteln hätte erzwungen werden können und die
die Festsetzung eines Verspätungszuschlages grundsätzlich (in diesem Sinne) gerechtfertigt hätte, nicht
mehr als zeitnah anzusehen.
Auch die besonderen Umstände des Streitfalles rechtfertigen keine andere Sichtweise. Wenn die Klägerin
gegenüber ihrem Steuerberater zeitnah sich dahin gehend geäußert hat, den Vorsteuerabzug aus den
Baukosten vornehmen zu wollen, so folgt darauf für den Steuerberater grundsätzlich die Pflicht, die
entsprechende Steuererklärung zeitnah zu erstellen. Die übliche Vorgehensweise, Umsatzsteuer- und
Einkommensteuererklärungen zusammen zu erstellen und einzureichen, die im Streitfall dazu geführt hat,
dass die Sache wegen der verzögerten Abgabe der Einkommensteuerakten vom Finanzamt B zunächst
liegen blieb, vermag in einem solchen Fall den Steuerberater nicht zu exculpieren. Die
Umsatzsteuererklärung war in keiner Weise von der Bearbeitung der Einkommensteuer abhängig. Es
handelte sich um eine unkomplizierte Erklärung, bei der keine Umsätze, sowie die anteiligen Vorsteuern,
die sich aus der Addition der Eingangsrechnungen ergaben, zu erklären waren. Die zeitnahe Erstellung
dieser Erklärung wäre ohne weiteres auch ohne Aktenabgabe von B und Zuteilung einer Steuernummer
möglich gewesen. Als Unternehmerin wurde die Klägerin ohnehin erstmalig erfasst.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass der BFH erstmals mit Urteil vom 11.04.2008 –
V R 10/07 gefordert habe, dass die Steuererklärung zeitnah einzureichen sei.
Dies folgt zunächst bereits aus der mit Urteil vom 17.12.2008 – XI R 64/06 gegebenen Begründung, dass
der Unternehmer im eigenen Interesse den Vorsteuerabzug, soweit dies möglich ist, früh geltend machen
muss. Der BFH hat in diesem Urteil auch nicht zu erkennen gegeben, dass für die Vergangenheit aus
Gründen des Vertrauensschutzes auf das Merkmal der zeitnahen Einreichung der Umsatzsteuererklärung
verzichtet werden könnte. Dies erscheint auch folgerichtig, wenn man darauf abstellt, dass der
Unternehmer im eigenen Interesse den Vorsteuerabzug so früh wie möglich geltend machen muss.
Den Grundsatz des Sofortabzugs der Vorsteuer hat der BFH bereits ab 2002 aufgestellt (siehe die unter
1.3. dargestellte Rechtsprechung).
Auch die Finanzverwaltung hat in der Folge zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, von diesem
Grundsatz des Sofortabzugs abweichen zu wollen.
Gewichtige sonstige Umstände, die gleichwohl den Schluss auf die Tatsache rechtfertigen, der
Steuerpflichtige habe den neu errichteten Gebäudeteil bereits zum Zeitpunkt der jeweiligen
Leistungsbezüge seinem Unternehmen zugeordnet, sind im Streitfall nicht erkennbar. Eine evtl. zeitnahe
Äußerung des Steuerpflichtigen seinem Steuerberater gegenüber wäre dafür nicht ausreichend (FG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.08.2008 – 6 K 2333/06).
Der Senat kann für den Streitfall dahin stehen lassen, wie der Umstand zu würdigen wäre, dass in den
Voranmeldungen für 2006 die Vorsteuern aus den Bauleistungen nicht enthalten waren, da es für 2005
bereits am Merkmal einer zeitnah eingereichten Umsatzsteuererklärung fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Definition des Merkmals „zeitnah“
zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem
Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei
Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem
Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil
Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil
angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der
Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit
Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel
ergibt.
Für die Einlegung und Begründung der Revision sowie in dem weiteren Verfahren vor dem
Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang. Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof
berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte
Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des
Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln. Behörden und juristische Personen des
öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten
Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch
Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des
öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten
Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift:
Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Hinweis:
Die Revision kann auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und
begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und
Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite
www.bundesfinanzhof.de
lizenzkostenfrei herunter geladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die
Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen
Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004
(BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.