Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12.11.2009

FG Neustadt: tantieme, umwandlung, gesellschafter, darlehensvertrag, anschaffungskosten, zustellung, richteramt, einlage, vertretung, erfüllung

Verkündet am:
Handz.:
Verkündet am: 12.11.2009
gez.: RinFG
z.:
FG
Neustadt
12.11.2009
6 K 2084/07
Halbabzugsverbot bei Veräußerungsverlusten
Im Namen des Volkes
Urteil
6 K 2084/07
In dem Finanzrechtsstreit
1. des Herrn
2. der Frau
- Kläger -
prozessbevollmächtigt:
gegen
Finanzamt
- Beklagter -
wegenEinkommensteuer 2004, Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2004
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. November
2009 durch
die Richterin am Finanzgericht als Vorsitzende,
den Richter am Finanzgericht
die Richterin am Finanzgericht
den ehrenamtlichen Richter
den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
I. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 21. November 2007 wird dahin geändert,
dass ein Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 26.072 € anerkannt wird. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Verlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG.
Die Kläger sind zusammen veranlagte Eheleute. Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der R-
GmbH.
Der Kläger war im Streitjahr ebenso wie sein Mitgesellschafter mit 12.800 € am Stammkapital der GmbH
beteiligt. Am 14.04.2003 ließen beide Gesellschafter ein bis zum 31.12.2004 befristetes Angebot über den
Verkauf und die Abtretung von Teil-Geschäftsanteilen in Höhe von je 7.800 € notariell beurkunden. Der
Kaufpreis sollte jeweils 1 € betragen. Der Angebotsempfänger nahm das Angebot am 07.12.2004 an.
Kaufpreis sollte jeweils 1 € betragen. Der Angebotsempfänger nahm das Angebot am 07.12.2004 an.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2003 machten die Kläger als Verlust gemäß § 17 EStG folgende
Aufwendungen geltend:
Auflösung Darlehen (Konto 1503 + 0750) 93.726,39 €
Auflösung Tantieme (Konto 1755) 33.929,33 €
127.635,72 €
In den Erläuterungen zur Bilanz der GmbH zum 31.12.2003 war dargestellt, dass die beiden
Gesellschafter und deren Ehegatten auf Ansprüche in Höhe von insgesamt 270.263,42 € zur Sanierung
der GmbH verzichtet hätten.
Der Beklagte berücksichtigte den Verlust nicht mit der Begründung, mit dem Angebot sei die Abtretung
des Geschäftsanteils noch nicht vollzogen worden. Die Veranlagung ist bestandskräftig.
Für das Streitjahr 2004 beantragten die Kläger die Berücksichtigung eines Verlustvortrages von 23.142 €.
Der Beklagte interpretierte dies dahin, dass der Verlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 127.635 €
nunmehr für 2004 beantragt wurde. Nachdem die Kläger der Aufforderung, die Darlehensverträge und
den Rückzahlungsverzicht vorzulegen, nicht nachgekommen waren, wurde der
Einkommensteuerbescheid vom 02.01.2007 ohne Berücksichtigung des Verlustes gemäß § 17 Abs. 4
EStG erlassen.
Im Einspruchsverfahren legten die Kläger den Darlehensvertrag vom 03.01.2003 (Bl. 9/2004 Rb-Akte = Bl.
19 Prozessakte – PrA –), sowie die Verzichtserklärung des Klägers (Bl. 8/2004 Rb-Akte = Bl. 20 PrA) vor.
Mit Schreiben vom 13.04.2007 führte der Beklagte aus, nach Aktenlage könne ein Verlust gemäß § 17
Abs. 4 EStG im Jahr 2004 entstanden sein, vorausgesetzt, die Darlehen wären tatsächlich krisenbehaftet
und das Stehen-Lassen der Tantiemeforderung könnte ebenfalls als Darlehen gewertet werden. Da
jedoch nur 61% der Anteile veräußert worden seien, könnten auch nur 61% des geltend gemachten
Betrages, mithin 77.870 €, in die Berechnung des Veräußerungsverlustes einbezogen werden. Unter
Einbeziehung der Differenz zwischen Kaufpreis und Höhe des Anteils von 7.799 € ergebe sich insgesamt
ein Verlust von 85.669 €. Nach dem Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) sei ein Betrag von 42.834 €
Steuer mindernd zu berücksichtigen. Zugleich wurden Nachweise über die Darlehenshöhe von 93.726,39
€, sowie dass die Tantieme von 33.929,33 € darlehensweise stehen gelassen wurde, angefordert.
Nachdem die Kläger auf das Schreiben des Beklagten vom 13.04.2007 nicht geantwortet hatten, erging
am 06.07.2007 eine Einspruchsentscheidung, mit der die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der
Hälfte des Veräußerungsverlustes von 7.799 € anderweitig festgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der
Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Kläger hätten
nicht nachgewiesen, in welcher Höhe der Kläger der GmbH tatsächlich Darlehen gewährt habe.
Zugleich erließ der Beklagte am 06.07.2007 einen Negativbescheid des Inhalts, dass sich für 2004 kein
negativer Gesamtbetrag der Einkünfte ergebe und deshalb zum 31.12.2004 kein vortragsfähiger Verlust
festzustellen sei.
Zur Begründung ihrer Klage tragen die Kläger vor, der Darlehensverzicht sei gemäß § 17 EStG zu
berücksichtigen.
Zusätzlich zu den bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen legten die Kläger einen
undatierten Nachtrag zum Darlehensvertrag (Bl. 21 PrA) und einen weiteren ebenfalls undatierten
Darlehensvertrag über 66.360 DM aus der Umwandlung von Tantiemeforderungen (Bl. 22/23 PrA) vor.
Innerhalb der vom Gericht gemäß § 79b Abs. 2 FGO gesetzten Frist zur Vorlage von Nachweisen für
weitere Darlehen in Höhe von 93.726,39 € (neben der Umwandlung von Tantiemeforderungen in Höhe
von 33.929,33 €) legten die Kläger Buchungsbelege (Bl.41/42 PrA) vor, aus denen sich ein Zufluss bei der
GmbH in Höhe von insgesamt 139.598,42 € ergibt, der sich aus zwei Teilbeträgen von je 69.799,21 €
zusammensetzt, wobei einer der Teilbeträge auf den Kläger entfallen soll. Weiter wurde ein
Buchungsbeleg (Bl. 40 PrA) vorgelegt, aus dem sich der Zufluss aus der Auszahlung von zwei
Lebensversicherungen in Höhe von 10.382, 63 €, bzw. 15.680,77 € ergibt; beide Lebensversicherungen
sollen den Kläger als Begünstigten ausgewiesen haben.
In der mündlichen Verhandlung wurde ein Schreiben der X Versicherung vom 18.11.2003 vorgelegt, aus
dem sich ergibt, dass die Versicherungssumme von 15.680,77 € auf das Konto der GmbH Nr. ... bei der
Kreis- und Stadtsparkasse überwiesen wird. Außerdem wurde ein Kontoauszug vorgelegt, der eine
Gutschrift auf dem o. g. Konto der GmbH in Höhe von 139.598,42 € ausweist; im Verwendungszweck ist
die Übernahme diverser Darlehen genannt. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärte hierzu, die
Banken hätten auf die Ablösung dieser Darlehen gedrängt, weshalb die Gesellschafter je zur Hälfte die
Darlehen der GmbH abgelöst hätten.
Weiter trug die Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor, die Tantieme sei
zum 31.12.1999 in die Bilanz eingestellt worden; sie sei in 1999 der Lohnsteuer unterworfen worden. Der
Vertrag über die Umwandlung der Tantieme in ein Darlehen sei im Jahr 2000 abgeschlossen worden. Die
Tantieme sei allerdings bereits 1999 aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation der GmbH nicht
mehr werthaltig gewesen.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 21. November 2007 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2007 dahin zu ändern, dass ein Verlust gemäß § 17 EStG in Höhe
von weiteren 81.799 € anerkannt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagtenvertreter erklärte in der mündlichen Verhandlung, er erkenne die nunmehr vorgelegten
Nachweise an.
Der Beklagte hat am 21.11.2007 aus nicht streitgegenständlichen Gründen einen geänderten
Einkommensteuerbescheid erlassen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
1.
Im Streitfall ist die Rechtslage vor Inkrafttreten des MoMiG maßgeblich, so dass sich die Frage evtl.
Konsequenzen hieraus auf die Ermittlung von Verlusten gemäß § 17 EStG nicht stellt.
1.1.
Der undatierte Darlehensvertrag über 66.360 DM muss vor 2002 liegen, da er sonst Euro-Beträge
ausgewiesen hätte; der Klägervortrag ist insoweit also plausibel. Die Umwandlung der
Tantiemeforderungen im Jahr 2000 kann damit als nachgewiesen angesehen werden.
Die Besserungsklausel in dem Darlehensvertrag vom 03.01.2003 ist außer Kraft gesetzt durch den
Verzicht, der zwar undatiert ist, aber zeitlich später liegen muss.
Gleichwohl kann die Umwandlung der Tantieme nicht als Anschaffungskosten anerkannt werden, da
davon ausgegangen werden muss, dass sie im Zeitpunkt der Novation nicht mehr werthaltig war. Die
GmbH befand sich unbestritten bereits seit 1998 in der Krise.
Die Frage der Saldierung mit einem Zufluss im Streitjahr stellt sich somit nicht.
1.2.
Die Einlage in Höhe der ausgezahlten Lebensversicherung von 15.680,77 € ist nunmehr nachgewiesen.
1.3.
Die Einlage in Höhe der Hälfte des Betrages von 139.598,42 €, also 69.799,21 €, kann durch den
nunmehr vorgelegten Kontoauszug ebenfalls als nachgewiesen angesehen werden.
Die Beträge sind unbestritten krisenbestimmt.
Somit liegen in Höhe von 85.479,98 € weitere nachträgliche Anschaffungskosten vor. Da 61% der Anteile
veräußert wurden, sind hiervon 61%, also 51.142,79 €, bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes zu
berücksichtigen.
2.
Gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c) EStG i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung kann
der Verlust nur zur Hälfte, mithin nur in Höhe von – aufgerundet – 26.072 €, berücksichtigt werden.
Der BFH konnte in seinem Urteil vom 20.01.2009 – IX R 98/07 die Frage, ob der Veräußerungsverlust
nach dieser Vorschrift nur zur Hälfte anzuerkennen ist, dahin stehen lassen (die Vorinstanz FG Düsseldorf
Urteil vom 10.05.2007 – 11 K 2363/05 E, EFG 2007, 1239 hatte das Halbabzugsverbot im Wege
verfassungskonformer Auslegung für Aufgabe- und Veräußerungsverluste für nicht anwendbar erachtet).
Das FG Köln hat mit Urteil vom 25.06.2009 – 10 K 456/06 (juris) dagegen das Halbabzugsverbot auch für
Das FG Köln hat mit Urteil vom 25.06.2009 – 10 K 456/06 (juris) dagegen das Halbabzugsverbot auch für
Verluste gemäß § 17 EStG für anwendbar erachtet. Es hält die Vorschrift für systemgerecht, da die
Aufwendungen teilweise mit gemäß § 3 Nr. 40 Buchst. c) EStG steuerfreien Einnahmen in Zusammenhang
stehen; ob und in welchem Umfang im Einzelfall eine steuerliche Belastung entstanden sei, sei irrelevant.
Der BFH hat mir Urteil vom 25.06.2009 – IX R 42/08 entschieden, dass das Halbabzugsverbot nicht gilt,
wenn der Steuerpflichtige keinerlei durch seine Beteiligung vermittelte Einnahmen erzielt hat, da es in
diesem Fall an dem wirtschaftlichen Zusammenhang mit nur zur Hälfte anzusetzenden Einnahmen fehlt.
Der Senat folgt für den Fall, dass der Gesellschafter aus der Beteiligung Einnahmen erzielt hat, der
Rechtsauffassung des FG Köln.
Im Streitfall haben in den Jahren 1998 und 1999 verdeckte Gewinnausschüttungen – vGA – stattgefunden;
dies ergibt sich aus dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 03.09.2008 – 1 K 1740/07. Somit
stehen die Anschaffungskosten in Zusammenhang mit – nach der im Streitjahr gültigen Rechtslage –
gemäß § 3 Nr. 40 c) EStG zur Hälfte steuerfreien Einnahmen. Dass die vGA in Jahren stattgefunden
haben, in denen diese Regelung noch nicht galt, ist im Rahmen der vom Gesetzgeber in zulässiger Weise
gewählten Typisierung unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 137 Satz 1 FGO. Die Kläger haben die zur Teil-Stattgabe führenden
Nachweise erst nach Ablauf der gemäß § 79b Abs. 2 FGO gesetzten Frist in der mündlichen Verhandlung
vorgelegt.
Die Revision wurde zugelassen, weil noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vorliegt, ob das
Halbabzugsverbot für Anschaffungskosten (§ 3c Abs. 2 S. 1 EStG) im Rahmen des § 17 EStG anwendbar
ist.
Rechtsmittelbelehrung
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durchBeschwerde ange-
fochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem
Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll
eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist
innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die
Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung muss dargelegt werden, dass
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder, dass die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder dass ein
Verfahrensfehler vorliegt, auf dem das Urteil des Finanzgerichts beruhen kann.
Für die Einlegung und Begründung der Beschwerde vor dem Bundesfinanzhof besteht Vertretungszwang.
Zur Vertretung der Beteiligten vor dem Bundesfinanzhof berechtigt sind Rechtsanwälte, Steuerberater,
Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer; zur Vertretung berechtigt sind auch
Gesellschaften im Sinne des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen
handeln. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene
Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt
anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur
Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift:
Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/ 9231-201.
Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als
Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es
nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs ist jedoch bei dem
Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im
Revisionsverfahren nach Maßgabe des dritten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.
Hinweis:
Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt
und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und
Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite
www.bundesfinanzhof.de
lizenzkostenfrei herunter geladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die
Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen
Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26.November 2004
(BGBl. I S.3091) einzuhalten ist.