Urteil des FG Niedersachsen vom 10.10.2012

FG Niedersachsen: tresor, buchführung, bemessungsgrundlage, lebenshaltungskosten, reifen, bargeld, geldentwertung, wohnung, erwerb, verfügung

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Hinzuschätzungen bei einem vorrangig Bargeschäfte
tätigenden Reifenhändler
1. Bei einem vorrangig Bargeschäfte tätigenden Reifenhändler können auf
Grundlage einer Bargeldverkehrsrechnung Umsätze hinzu geschätzt werden.
2. Aus Fahrzeugangeboten eines solchen Gewerbetreibenden in Online-
Portalen kann auf entsprechende steuerpflichtige Umsätze geschlossen
werden.
3. Eine (bloße) Differenzbesteuerung solcher Umsätze ist für den
Gewerbetreibenden günstig.
4. (Auch) das Verschweigen solcher Umsätze in den (abgegebenen)
Jahressteuererklärungen stellt regelmäßig eine vorsätzliche (Umsatz-
)Steuerhinterziehung dar.
Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az. V B 121/12
Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Urteil vom 10.10.2012, 2 K 13307/10
§ 162 Abs 1 S 1 AO, § 169 Abs 2 AO, § 173 Abs 1 Nr 1 AO, § 370 Abs 1 Nr 1 AO, §
136 Abs 1 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 10 Abs 1 UStG, § 25a UStG
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die nach einer Steuerfahndungsprüfung
geänderten Umsatzsteuerbescheide.
Er betrieb in den Streitjahren einen Reifenhandel und erzielte hieraus Einkünfte
aus Gewerbebetrieb. Er tätigte überwiegend Bargeschäfte und ermittelte seinen
Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Seine Ehefrau, mit der er
gemeinsam in den Streitjahren in einer angemieteten Wohnung lebte, war nicht
berufstätig; sie arbeitete unentgeltlich im Betrieb des Klägers mit. Nach einem
Umzug in 2005 zahlte der Kläger jeweils 620 € Monatsmiete bar an den
Vermieter; Nebenkosten hatte er jedenfalls teilweise selbst gesondert zu tragen.
Für die Streitjahre reichte der Kläger jeweils Umsatzsteuererklärungen ein und
erklärte hierin folgende Bemessungsgrundlagen - BMG - (Umsätze, ab 2006
auch unentgeltliche Wertabgaben), sich hieraus ergebende Umsatzsteuer (USt)
zum jeweiligen Regelsteuersatz und Vorsteuerbeträgen aus Rechnungen
anderer Unternehmer (VSt) und meldete die verbleibenden (festzusetzenden)
Umsatzsteuern (fUSt) an:
Jahr
2003
2004
2005
2006
2007
2008
BMG 28.398,00
28.975,00
27.965,00
14.810,00
14.137,00
11.137,00
11.871,00
USt 4.543,68
4.693,69
4.474,41
2.369,67
2.261,93
2.116,15
2.255,49
VSt 2.650,54
1.680,77
1.783,76
813,27 € 524,03 € 960,05 € 482,69 €
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fUSt 1.893,14
3.012,92
2.690,65
1.556,40
1.737,90
1.156,10
1.772,80
Für 2003 erließ der Beklagte unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung
am 25. Februar 2005 einen Umsatzsteuerbescheid, in dem er den erklärten
Umsätzen 360 € als Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben
(Lieferungen nach § 3 Abs. 1b UStG) hinzu rechnete. Eine Änderung der
angemeldeten Steuer und Abschlusszahlung ergab sich nicht; der Kläger hatte
die sich unter Einrechnung dieser Summe in die Bemessungsgrundlage
ergebene Steuer von 4.693,69 € angemeldet und offenbar nur vergessen, die
Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertangaben in das
Erklärungsformular einzutragen.
Am 11. Januar 2010 leitete das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen ein
Ermittlungsverfahren gegen den Kläger ein und führte eine
Steuerfahndungsprüfung durch, in deren Verlauf die Geschäftsräume und die
Wohnung des Klägers durchsucht wurden. In einem mit einem Zahlenschloss
gesicherten, nicht fest eingebauten, Tresor in der Wohnung des Klägers fanden
die Steuerfahnder unter anderem Bargeld in Höhe von 32.950 €, teilweise lose,
teilweise in einer Geldtasche und teilweise in einem Umschlag.
Die Steuerfahnder gelangten letztlich zu dem Ergebnis, dass der Kläger und
seine Ehefrau ihren Lebensunterhalt nicht von den im Rahmen ihrer
Einkommensteuerveranlagung erklärten Betriebseinnahmen hätten bestreiten
können. Sie erstellten eine, auf den privaten Bereich beschränkte
Bargeldverkehrsrechnung. Hierbei wurde der insgesamt für die Jahre 2002 bis
2008 errechnete Ausgabenüberhang von 136.000 € unter anderem um das im
Tresor aufgefundene Bargeld erhöht und insgesamt in gleichen Anteilen auf die
einzelnen Jahre verteilt. So ergab sich für die Streitjahre ein Ausgabenüberhang
von jeweils 27.000 €, weswegen von (abgerundet) 2.000 € monatlich nicht
erklärter Brutto-Betriebseinnahmen ausgegangen wurde. Der ohne die
Hinzurechnungen des Tresorinhalts und anderer Beträge für die einzelnen
Streitjahre errechnete Ausgabenüberhang betrug 2002 47.000 €, 2003 16.252 €
und 2004 14.501 €.
Die Fahnder sahen auch die Buchführung des Klägers als nicht
ordnungsgemäß an, weil insbesondere keine Verbuchung von Reifeneinkäufen
- bei einem Lagerbestand von jedenfalls mehr als 3.000 neuen und
runderneuerten Reifen - als Betriebsausgaben erfolgt sei und setzten daher im
Rahmen der vorgenannten Geldverkehrsrechnung auch, sodann anteilig auf die
Jahre 2002 - 2008 aufgeteilte, Anschaffungskosten für 1.000 Reifen von je 25 €
je Stück an.
Der Beklagte folgte mit den zunächst angefochtenen Steuerbescheiden vom 7.
April 2010, die er auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stütze, zunächst in vollem Umfang
den der Berechnung der Steuerfahndung. Er erhöhte für die Streitjahre 2002 bis
2006 die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer um 20.689 € (Brutto-
Hinzuschätzungssumme ./. 16% USt). Mithin ergaben sich folgende
Bemessungsgrundlagen, Umsatzsteuern und Steuernachforderungen (Nfdg.),
wobei die abziehbaren Vorsteuern aus Rechnungen anderer Unternehmer
gegenüber den Steuererklärungen des Klägers unverändert blieben:
Jahr
2003
2004
2005
2006
BMG 49.087,00 € 50.024,00 € 48.654,00 € 35.499,00 € 34.826,00 €
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USt 7.853,92 € 8.003,84 € 7.784,64 € 5.679,84 € 5.572,16 €
Nfdg. 3.310,13 € 3.310,15 € 3.310,23 € 3.310,17 € 3.310,23 €
Für die Jahre 2007 und 2008 erhöhte der Beklagte dementsprechend im
Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 erfolgte Erhöhung des Umsatzsteuersatzes
die Bemessungsgrundlage um jeweils 20.168 € (Brutto-Schätzung ./. 19% USt.).
Für 2007 übernahm der Beklagte hierbei einen Schreibfehler im
Fahndungsbericht, der Umsätze von 10.077 € statt der erklärten 10.777 €, so
dass sich unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Wertabgaben von jeweils
360 € in den Bescheiden vom 7. April 2010 folgende Beträge ergaben:
Jahr
2008
BMG 30.605,00 € 32.039,00 €
USt 5.814,95 € 6.087,41 €
Nfdg. 3.698,80 € 3.831,92 €
Gegen diese Steuerbescheide legte der Kläger jeweils Einspruch ein. Der
Beklagte wies die Einsprüche zurück. Er führte zur Begründung aus, dass nach
den Erkenntnissen der Steuerfahndung ein ungeklärter Vermögenszuwachs
vorliege, der nach einer Vermögenszuwachsrechnung im Hinblick auf die formell
und sachlich nicht ordnungsgemäße Buchführung zu schätzen sei. Es sei
davon auszugehen, dass höhere Privateinnahmen erzielt und höhere
Privatentnahmen getätigt worden seien, als gebucht. Dementsprechend sei
auch eine Geldverkehrsrechnung möglich. Der Kläger habe auf den hohen
Fehlbetrag in Höhe von 136.000 € nicht aufklären können, weswegen zu
vermuten sei, dass er einen Teil der Einnahmen aus seinen Bargeschäften nicht
versteuert habe. Niemand könne mehr Geld ausgeben, als er aus seinen
steuerpflichtigen und sonstigen Quellen zur Verfügung habe. Dass es sich, wie
der Kläger behaupte, bei dem Tresorgeld um von der Sparkasse abgehobene
Gelder handele, könne nur als Schutzbehauptung angesehen werden. Der
Kläger habe die Herkunft des Geldes bis heute nicht nachweisen können.
Zudem sei es nicht glaubhaft, dass als Altersvorsorge angelegte Gelder von der
Sparkasse abgehoben und unverzinst in den Tresor gelegt würden. Dies sei
lebensfremd und vor dem Hintergrund angeblicher Verärgerung über zu niedrige
Zinsen bei der Sparkasse unlogisch. Auch angeblich von seinem Sohn gezahlte
Beträge habe der Kläger nicht nachweisen können. Bei den im Tresor
vorgefundenen Geldern dürfte es sich vielmehr um schwarz vereinnahmte
Betriebseinnahmen handeln.
Mit der Klage wandte sich der Kläger weiter gegen die Änderungsbescheide
vom 7. April 2010 und trug zur Klagebegründung vor, dass die Folgerung des
Beklagten, dass jemand, der Bargeld aufbewahre und über bestimmte Dinge
nicht Buchführe, Schwarzgeschäfte erwirtschaftet haben müsse unberechtigt
sei. Für die Existenz von Bargeld gebe es auch zahlreiche andere Gründe. Der
Kläger sei es eben leid gewesen, die Geschäfte der Bank weiter mitzumachen,
der er ursprünglich seine Ersparnisse anvertraut habe. Hierfür habe es jedoch
keine bzw. kaum Habenzinsen gegeben, wohl aber seien Gebühren angefallen.
Dementsprechend habe er einen Betrag in Höhe von 22.800 DM von seinem
Sparbuch in bar abgehoben und um das Geld in seinen Tresor zu verwahren
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und schon zuvor einen Betrag in Höhe von 30.000 DM. Weitere Beträge seien in
den Tresor gelangt, weil sein Sohn lange Zeit bei ihm gewohnt und hierfür
Kostgeld in Höhe von monatlich 150 € - 200 € gezahlt habe. Auch diese Beträge
seien im Tresor verwahrt worden.
Im Übrigen sei der Kläger Spieler und beim Pokern oft der Gewinner. Insoweit
hat er in der Klagebegründung Beweis durch noch zu benennende Mitspieler
angeboten. Diese Beweisantritte sind nie konkretisiert worden.
Ferner hat er auf seine im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis
1999 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung verwiesen. In späteren
Schriftsätzen hat der Kläger vorgetragen, er sei beim Spielen geschickt. Er
könne besser als andere Zeitgenossen den Lauf der Roulettekugel berechnen.
Im Rahmen der vorgenannten Betriebsprüfung habe er sich daher mit dem
damaligen Prüfer dann auch verständigt, dass jährlich 6.000 DM Spielgewinne
anzusetzen seien.
Ferner hat der Kläger vorgetragen, dass auch aus der fehlenden Buchführung
keine Rückschlüsse zu seinem Nachteil gezogen werden könnten. Es liege
nahe, dass nichts gebucht werde, wo nichts zu buchen sei. Reifenhändler
würden beim Reifenwechsel oft Reifen entsorgen, die noch ausreichende
Profiltiefe auswiesen. Dort habe er kostenlos, mit Hilfe seiner Ehefrau, Reifen
eingesammelt und diese an einen russischen Abnehmer, dessen Namen er
nicht näher benennen könne, im Austauschwege weiter gereicht. In seinem
Reifenlager würden sich ferner Reifen unterschiedlichster Herkunft befinden,
auch welche die er für Kunden aufbewahre.
Des Weiteren übersehe der Beklagte, dass die Umsätze aus seinem
Reifenhandel zurückgingen. Hieraus könne man auch nicht auf
Schwarzgeschäfte schließen. Letztendlich sei er zur Abgabe der
eidesstattlichen Versicherung geladen worden. Zudem sei er unter die
Kleinunternehmerregelung gefallen, weswegen er weder Mehrwertsteuer zu
berechnen hatte noch Vorsteuerabzüge durchführen konnte.
Auf Veranlassung der damaligen Berichterstatterin erstellte die Gerichtsprüferin
eine Stellungnahme zum Verfahren und insbesondere zu der von der
Steuerfahndung durchgeführten Geldverkehrsrechnung. Auf Anregung des
erkennenden Einzelrichters erließ der Beklagte am 18. September 2012 unter
Zugrundelegung der Stellungnahme der Gerichtsprüferin, die zu insgesamt
geringeren Ausgabenüberschüssen kam, geänderte Umsatzsteuerbescheide
für die Jahre 2003 - 2008 mit folgenden Werten:
Jahr
2004
2005
2006
2007
2008
BMG 43.128,00
39.171,00
25.154,00
29.654,00
20.380,00
26.997,00
USt 6.900,48 € 6.267,36 € 4.024,64 € 4.744,64 € 3.872,20 € 5.129,43 €
VSt 1.680,77 € 1.783,76 € 813,27 € 524,03 € 960,05 € 482,69 €
fUSt 5.219,71 € 4.483,60 € 3.211,37 € 4.220,61 € 2.912,15 € 4.646,74 €
Entsprechend den Ausführungen der Gerichtsprüferin hat der Beklagte
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gegenüber den ursprünglichen Steueranmeldungen die Bemessungsgrundlage
2003 um 13.793 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 16 T€), 2004 um 11.206 €
(Brutto-Hinzuschätzung noch 13 T€), 2005 um 10.344 € (Brutto-Hinzuschätzung
noch 12 T€), 2006 um 15.517 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 18 T€), 2007 um
9.243 € (Brutto-Hinzuschätzung noch 11 T€) und 2008 um 15.126 € (Brutto-
Hinzuschätzung noch 18 T€) erhöht. In den Jahren 2007 und 2008 beinhaltet
diese Schätzung die Annahme von Gewinnen aus Kraftfahrzeugverkäufen über
Online-Angebote auf Grundlage von Erkenntnissen einer Ermittlungsgruppe in
Höhe von 6.000 bzw. 2.000 € brutto.
Gegen diese Änderungsbescheide legte der Kläger beim Beklagten Einspruch
ein.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide 2002 bis 2008 vom 7. April 2010, hinsichtlich
der Jahre 2003 bis 2008 unter Einschluss der geänderten Bescheide vom
18. September 2012 aufzuheben, so dass sich die Steuerfestsetzung wie
in den ursprünglichen Steueranmeldungen bzw. -bescheiden für die
Streitjahre ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält grundsätzlich an den Ausführungen in dem Einspruchsbescheid fest und
verweist ergänzend darauf, dass unklar sei, wie die nach Behauptung des
Klägers in den Tresor gelegten DM-Beträge €-Beträge geworden seien und es
unglaubhaft sei, dass diese dort 10 Jahre zinslos belassen worden seien.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 8. August 2012 dem
Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
I.
Die hinsichtlich der Streitjahre 2003 bis 2008 geänderten
Umsatzsteuerbescheide vom 18. September 2012 sind gemäß § 68 FGO kraft
Gesetzes Verfahrensgegenstand geworden. Insoweit ist der Senat auch durch
die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche an einer Sachentscheidung
gehindert. Die Einsprüche sind unzulässig und unbeachtlich (§ 68 S. 2 FGO).
II.
Die Klage gegen diese Bescheide und den Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 7.
April 2010 ist nur im Hinblick auf den Umsatzsteuerbescheid 2005 in geringem
Umfang begründet. Im Übrigen verletzten die verfahrensgegenständlichen
Steuerbescheide den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Der Beklagte ist in den angefochtenen Bescheiden zu Recht davon
ausgegangen, dass der Kläger aus dem Reifenhandel höhere, steuerpflichtige
Umsätze erzielt haben muss, als er (auch) in den Umsatzsteuererklärungen für
die Streitjahre angegeben hat.
1. Die Besteuerungsgrundlagen waren zu schätzen.
a) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) hat die Finanzbehörde die
Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder
berechnen kann. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher
oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht
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vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der
Besteuerung nicht nach § 158 zugrunde gelegt werden (§ 162 Abs. 1 Satz 2
AO). Nach § 158 AO ist die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO
entsprechende Buchführung der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach
den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu
beanstanden.
Eine Buchführung entspricht den Anforderungen der §§ 140 bis 148 AO nicht
bereits dann nicht mehr, wenn sie lediglich kleinere formelle Mängel aufweist.
Vielmehr kommt es auf das sachliche Gewicht der Mängel und die Frage an, ob
die materielle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung durch die formellen Mängel
wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 26.
August 1975, VIII R 109/70, BStBl. II 1976, 210).
Stellt sich die Buchführung hingegen als formell ordnungsgemäß dar, kann das
Ergebnis der Buchführung nur dann ganz oder teilweise verworfen werden,
wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass die Buchführung mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist. Die objektive
Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das
Finanzamt (BFH-Urteil vom 26. Juni 1997, VIII R 9/96, BStBl. II 1998, 51 m.w.N.).
Bloße Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung reichen daher nicht
aus (BFH-Urteil vom 9. August 1991, III R 129/85, BStBl. II 1992, 55).
Die sachliche Richtigkeit der Buchführung ist insbesondere dann widerlegt,
wenn die Finanzbehörde nachweist, dass einzelne Geschäftsvorfälle nicht oder
sachlich unrichtig dargestellt sind (Cöster, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung,
2. Aufl. 2009, § 158 Rn. 13). Der Nachweis der sachlichen Unrichtigkeit kann
auch durch eine Schätzung in Form der Nachkalkulation erbracht werden. Dies
ist unter anderem dann möglich, wenn die Behörde durch eine solche
Kalkulation belegen kann, dass keine Beträge für auch nur eine bescheidene
Lebensführung verbleiben (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1993 X R 12/89,
BFH/NV 1994, 766).
b) Eine entsprechende Nachkalkulation ist auch dadurch möglich, dass - wie
hier - eine Gegenüberstellung der dem Kläger und seiner nicht erwerbstätigen
Ehefrau in den Streitjahren zur Verfügung stehenden Geldbeträge und den
Aufwendungen, die sie insbesondere für ihre Lebenshaltung hatten (sogenannte
Bargeldverkehrsrechnung) durchgeführt wird. Diese Variante der privaten
Geldverkehrsrechnung ist eine geeignete Methode, um die sachliche Richtigkeit
einer formell ordnungsgemäßen Buchführung zu überprüfen (vgl. BFH-Urteile
vom 25. Juli 1991 XI R 27/89, BFH/NV 1991,796, 28. Mai 1986 I R 265/83,
BStBl. II 1986, 732 und vom 28. Januar 2009 X R 20/05, BFH/NV 2009, 912ff.
m.w.N.).
Die Bargeldverkehrsrechnung ist eine Ausgaben-Deckungsrechnung, in der die
bekannten Barmittel den Barausgaben gegenüber gestellt werden, die dem
Steuerpflichtigen zur Deckung seiner Lebenshaltungskosten (privater Konsum,
private Geldanlagen) zu bestreiten. Tätigt der Steuerpflichtige höhere
Barausgaben, als ihm aus den bekannten und vorhandenen Mitteln möglich
sind, muss er den Unterdeckungsbetrag (Ausgabenüberhang) aus anderen
steuerpflichtigen und nicht steuerpflichtigen Quellen bezogen haben (vgl. BFH-
Urteil vom 24. November 1988 IV R 150/86, BFH/NV 1989, 416 und v.g. BFH-
Urteile vom 25. Juli 1991 und 28. Januar 2009 m.w.N.).
Diesbezüglich kann auch der Senat im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht
und der hieraus folgenden eigenen Schätzungsbefugnis eine eigene
Bargeldverkehrsrechnung durchführen und ist nicht darauf beschränkt, die von
der Steuerfahndung vorgenommene und vom Beklagten übernommene
Geldverkehrsrechnung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 2.
Halbsatz FGO, vgl. vorgenannte BFH-Urteile vom 28. Mai 1986, 24. November
1988 und vom 28. Januar 2009).
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c) Die von der Steuerfahndung durchgeführte Geldverkehrsrechnung weist
einige methodische Fehler auf, so dass der Senat ihr nicht zu folgen vermag.
Zum einen ist es ersichtlich falsch, den die methodentechnisch durchaus
zutreffende Gegenüberstellung der bekannten Einnahmen und Ausgaben eines
Kalenderjahres und die sich hieraus jährlich ergebenen Ausgabenüberhänge
aufzusummieren und sodann in gleichen Jahresbeträgen auf die einzelnen
Jahre zu verteilen. Denn ein Ausgabenüberschuss in einem Jahr gibt für die
Folgejahre nichts her und die gleichmäßige Aufteilung aus dem mehr oder
minder willkürlich gewählten Überprüfungszeitraum führt, wie auch das weitere
Verfahren zeigt, zu unrichtigen Ergebnissen und steht im Widerspruch mit dem
Grundsatz der Abschnittsbesteuerung.
Zum anderen ist es für eine richtige Geldverkehrsrechnung auch erforderlich,
einen Bargeldanfangsbestand zu ermitteln, gerade dann, wenn der
aufgefundene Bargeldbestand komplett zu den unerklärten, mutmaßlich
steuerpflichtigen Einnahmen gezählt werden soll (vgl. vorgenannte BFH-Urteile
vom 28. Mai 1986, 25. Juli 1991 und vom 28. Januar 2009).
Auch dem Ansatz von Betriebsausgaben für den Erwerb von 1.000 Reifen
vermag der Senat jedenfalls auf Grundlage des bisherigen Sach- und
Streitstandes nicht zu folgen. Zum einen ist das diesbezügliche Vorbringen des
Klägers zum kostenlosen Erhalt zahlloser Reifen nicht ganz fernliegend und
nicht ohne entsprechende Beweisaufnahme widerlegbar. Zum anderen wäre
eine methodisch zutreffende Schätzung entsprechender Betriebsausgaben
letztlich nur dann möglich, wenn hinsichtlich des festgestellten Reifenbestandes
näher geklärt werden würde, welche Reifen welcher Herkunftsquelle
(Verwahrung für Kunden, mutmaßlicher entgeltlicher Erwerb, plausibler
unentgeltlicher Erwerb) zuzuordnen sind und vor allem in welchen Jahren sie
(mutmaßlich) erworben worden sind. Auf diese Jahre wären entsprechende
Schätzungen von bar geleisteten Betriebsausgaben dann aufzuteilen. Für
länger zurückliegende Zeiträume, hinsichtlich derer 2010 keine (nennenswerten)
Reifenbestände mehr vorhanden waren, könnten dann möglicherweise die so
gewonnene Schätzungsgrundlagen übernommen werden.
d) Angesichts des vergleichsweise geringen Betrages, der für den Erwerb von
1.000 Reifen angesetzt wurde und der nunmehr zu Gunsten der Kläger
geänderten Bescheide für die Jahre ab 2003 bedarf es aber keiner
weitergehenden Sachverhaltsaufklärung durch den Senat.
Die verbliebenen Hinzuschätzungen erweisen sich auch ohne Ansatz von
Betriebsausgaben für Reifenankäufe dem Grunde nach - und auch weitgehend
der Höhe nach - als zutreffend, so dass zugleich auch die Berechtigung des
Beklagten bestand, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Die Buchführung
des Klägers ist sachlich unrichtig:
aa) Der Senat geht davon aus, dass der Kläger zum Anfang des Jahres 2002
einen Bargeldbestand in Höhe von etwa 14.000 € im Tresor zur Verfügung
hatte.
(1) Dem Vorbringen des Klägers zur entsprechenden „Einlage“ des
abgehobenen Bargeldbetrag von 22.800 DM ist im Ergebnis zu folgen. Es ist
nicht feststellbar, dass dieser Betrag, der etwa 11.500 € entspricht, anderweitig
genutzt wurde. Dass dieser Betrag, wie in der Stellungnahme der
Gerichtsprüferin zur Anlage eines Festgeldkontos diente, ist nicht zur
Überzeugung des Senats feststellbar. Der angelegte Betrag von 12.873,37 € (=
25.178,12 DM) differiert von dem Abhebungsbetrag und der zeitliche
Zusammenhang ist angesichts des Zeitraums von mehr als einem Monat
zwischen Abhebung und Festgeldanlage nicht so eng, dass hieraus vom
Vorbringen der Kläger abweichende Schlüsse gezogen werden könnten. Bei
Abhebung eines erheblichen Bargeldbetrages vom Sparbuch zum Zwecke der
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zinsbringenden Festgeldanlage dürfte es grundsätzlich nahe liegen, eine
entsprechende Anlage sehr zeitnah durchzuführen. Es gibt für das Jahr 2001
zudem nur punktuelle Erkenntnisse zu den dem Kläger und seiner Ehefrau zur
Verfügung stehenden Barmittel, so dass die Festgeldanlage möglicherweise
auch aus anderen Mitteln als der Abhebung hätte bestritten werden können.
Dem Vorbringen des Klägers kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass
unklar sei, wie aus dem 2001 - vor Einführung des €-Bargeldes zum 1. Januar
2002 - zwangsläufig in DM abgehobenen Betrag von 22.800 DM €-Bargeld
geworden sei. Allgemeinbekannt war der Umtausch von DM-Beträgen in €-
Beträgen bei jedem Kreditinstitut möglich sowie bis heute kostenfrei bei jeder
Filiale der Bundesbank, so dass ein entsprechender Umtausch (gegebenenfalls
auch in Teilbeträgen) zwischen dem 1. Januar 2002 und dem Auffinden des €-
Betrages mehr als acht Jahre später problemlos möglich war und jedenfalls nicht
ausgeschlossen werden kann.
(2) Zu einem so annehmbaren Tresorbestand von 11.500 € dürfte ein
Haushaltsbetrag des Sohnes des Klägers hinzukommen (nach dem -
insbesondere zur zeitlichen Zugehörigkeit seines Sohnes zu seinem Haushalt
sehr vagen - Vorbringen des Klägers bis zu 2.400 € im Jahr), so dass der Senat
insgesamt von etwa 14.000 € ausgeht.
(3) Der weitere DM-Betrag in Höhe von 30.000 DM, den der Kläger nach seiner
Behauptung zur Begründung des vorgefundenen €-Bestandes im Tresor durch
Abhebung von seinem Sparbuch eingelegt haben will, ist jedoch nicht als
Anfangsbestand zu berücksichtigen. Aus der vorgelegten Ablichtung des
Sparkontos ergibt sich schon, dass dieser Betrag gar nicht bar abgehoben
worden ist. Denn anders als bei dem Betrag von 22.800 DM und anderen
Abhebungen von diesem Sparbuch ist der Abgang dieses Betrag nicht mit dem
Kürzel „bar“ gekennzeichnet, sondern mit dem Kürzel „ueb“. Dieses Kürzel steht
zwar fraglos nicht für Überweisung, weil allgemein bekannt ist, dass von
Sparkonten nicht überwiesen werden kann. Dieses Kürzel lässt sich aber
zwangslos als Übertrag erklären.
Es handelt sich hierbei zur vollen Überzeugung des Senats um den Übertrag
dieses Betrages von dem Sparkonto auf ein am allgemeinen
Überweisungsverkehr teilnehmendes anderes (Geschäfts-)Konto des Klägers,
im Ergebnis um einen Betrag zur Finanzierung der Anschaffung des
Betriebsgrundstücks.
Hierfür spricht nicht nur das Kürzel, sondern der gerichtsbekannte Umstand,
dass Geldbeträge auch von Sparkonten unbar auf andere, bei dem selben
Kreditinstitut geführte Konten übertragen werden, in dem der der Betrag einfach
ohne Barauszahlung umgebucht wird. Ferner entspricht dieser Befund den
Umständen der Anschaffung des Betriebsgrundstückes, die allesamt in der
beigezogenen Akte der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 dokumentiert
sind:
Von dem vertraglich vereinbarten Grundstückskaufpreis in Höhe von 85.000 DM
sind 60.000 DM durch ein Darlehen finanziert worden. Auch der Restbetrag und
Erwerbsnebenkosten wie Notargebühren sind entsprechend dem Vorbringen
des Klägers nicht in bar finanziert worden, sondern durch den vorgenannten,
vom Sparbuch übertragenen Betrag. Nach dem notariell beurkundeten
Kaufvertrag war das Grundstück dem Kläger bei Kaufpreiszahlung zu
übergeben und diese Zahlung hatte nicht sofort zu erfolgen, sondern war zwei
Wochen nach bestimmten notariellen Mitteilungen auf das Konto des Verkäufers
zu leisten. Praktisch zeitgleich zur gebuchten Übertragung der 30.000 DM vom
Sparbuch ist das Grundstück buchhalterisch beim Kläger als Betriebsvermögen
erstmals erfasst worden (12. Oktober 1999). Auch der Darlehensvertrag war
ersichtlich auf eine Anschaffung des Grundstückes zum Herbst hin gerichtet; die
Darlehensgeberin war erst ab 1. Oktober 1999 berechtigt, Bereitstellungszinsen
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zu erheben. Das Darlehen ist auch ausweislich des Darlehenskontoauszuges
ebenfalls am 12. Oktober 1999 valutiert worden. Zugleich sind 30.000 DM als
Einlage gebucht worden.
bb) Dem so errechneten Bargeld- oder Tresoranfangsbestand zum 1. Januar
2002 sind anhand der eingeholten Kontoauskünfte (Beiakte Kontoauskünfte)
und den detaillierten Aufstellungen in der Ablichtung der nicht foliierten (neuen)
Bp.-Arbeitsakte die verbuchten Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 28.264 €
hinzurechnen sowie die Abhebungen von Bankkonten des Klägers in Höhe von
14.183 €; hinzu kommt eine Abhebung von 2.700 € vom Sparbuch der Klägerin.
Hinzurechnen ist noch ein Haushaltsbeitrag des Sohnes in Höhe von bis zu
2.400 €, so dass sich insgesamt verfügbare (Bar-)Geldbeträge in Höhe von
61.547 € ergeben.
Hiervon sind die nach den vorgenannten Unterlagen feststellbaren
Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 51.245 €, die verbuchten bar
bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 3.351 € zzgl. der ebenfalls bar
eingezahlten Darlehenssondertilgung von 2.550 € abzusetzen. Zwangsläufig
kommen Aufwendungen für den Lebensunterhalt sowie die Miete für die damals
angemietete Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau sowie des bei Leisten
eines entsprechenden Beitrages ersichtlich zum Haushalt gehörenden Sohns
hinzu. Diese Ausgaben sind zu schätzen; auch hinsichtlich der
Mietzinszahlungen dieser Wohnung liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.
Der Senat folgt hierbei den - so auch von keinem Beteiligten in Abrede gestellten
- schlüssigen Überlegungen in der auf Veranlassung der damaligen
Berichterstatterin zur Geldverkehrsrechnung und den weiteren Erkenntnissen
der Steuerfahndung verfassten Stellungnahme der Gerichtsprüferin. Danach ist
nach - den auch nach der Rechtsprechung (vgl. v. g. BFH-Urteil vom 25. Juli
1991 im Zweifel zugrunde zu legenden - Berechnungen eines statistischen
Landesamtes 2002 für die Warmmiete eines (bescheidenen)
Dreipersonenhaushalt von jedenfalls 600 € (= 7.200 € jährlich) und monatlichen
Lebenshaltungskosten von 1.070 € auszugehen, von denen die unbar in Höhe
von etwa 170 € geleisteten Aufwendungen (Telefon, EC-Karten-Einkäufe)
abzusetzen sind (= per saldo 10.800 € jährlich). Insgesamt ist daher von bar
geleisteten Aufwendungen in Höhe von 75.146 € auszugehen.
Da der Tresoranfangsbestand nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht
zur Deckung laufender Kosten genutzt wurde, sondern im Tresor verblieb und
durch den Haushaltsbetrag des Sohnes erhöht wurde, ist den Aufwendungen
ein so verbleibender Bargeld- oder Tresorschlussbestand zum 31.12.2002 in
Höhe von 16.400 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so
dass sich insgesamt 91.546 € ergeben. Mithin ergibt sich ein
Ausgabenüberhang von 29.999 € und damit noch deutlich über der vom
Beklagten angesetzten Höhe.
cc) 2003 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 29.967 € verbucht
und von Bankkonten 430 € abgehoben, so dass sich unter Berücksichtigung
des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 16.400 € und eines erneuten
Haushaltsbeitrages des Sohnes insgesamt verfügbare Bargeldbeträge in Höhe
von 49.197 € ergeben.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 23.200 €, die
verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 2.509 € zzgl. der
ebenfalls bar eingezahlten Darlehenssondertilgung von 2.500 € abzusetzen.
Entsprechend der Ausführungen unter bb) geht der Senat auch für 2003 davon
aus, dass die Mietaufwendungen 7.200 € betragen haben. Die
Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung
(Erhöhung des vom Bundesamt für Statistik errechneten
Lebenshaltungskostenindexes um 1% gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 10.900
€ erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe
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von 46.309 € auszugehen. Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser
Summe der Tresor-Schlussbestand von 18.800 € (Anfangsbestand +
Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein Ausgabenüberhang von
15.912 € ergibt, der der vom Beklagten angesetzten Hinzuschätzung von
16.000 € praktisch entspricht.
dd) 2004 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 30.495 € verbucht
und von Bankkonten 500 € abgehoben, so dass sich unter Berücksichtigung
des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 18.800 € und eines erneuten
Haushaltsbeitrages des Sohnes sich insgesamt verfügbare (Bar-)Geldbeträge in
Höhe von 52.195 € ergeben.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 24.100 €, die
verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 956 € abzusetzen.
Eine Sondertilgung auf das Darlehen ist nicht erfolgt.
Entsprechend der Ausführungen unter bb) geht der Senat auch für 2004 davon
aus, dass die Mietaufwendungen 7.200 € betragen haben. Die
Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden Geldentwertung
(Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 1,7% gegenüber dem Vorjahr)
auf etwa 11.100 € erhöht haben. Insgesamt ist daher von bar geleisteten
Aufwendungen in Höhe von 43.356 € auszugehen. Entsprechend den
Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von
21.200 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein
Ausgabenüberhang von 12.361 € ergibt.
Die etwas höhere Schätzung des Beklagten in Höhe von weiteren 13.000 €
Brutto-Betriebseinnahmen ist mit diesem Ergebnis noch zu vereinbaren. Die
vorgenommene Bargeldverkehrsrechnung beruht teilweise auf vorsichtigen
Schätzungen und es ist anerkannt, dass Schätzungen bis zum oberen
Schätzungsrahmen möglich sind, also die mit der Schätzung verbundenen
Unsicherheiten auch zu Lasten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden
können und bei einer ordnungsgemäßen Schätzung sogar noch ein
Sicherheitszuschlag möglich ist (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 11. Aufl., Rz. 38 zu §
162 m.w.N.).
ee) 2005 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 15.402 € verbucht.
Von Bankkonten hat er insgesamt 13.015 € abgehoben. Hiervon sind insgesamt
8.945 € vom später geschlossenen Konto 2.. abgehoben worden und sodann
insgesamt 4.000 € vom dortigen Konto 1.., auf das der Schlusssaldo des Kontos
2.. überwiesen worden war. Der geringe Restbetrag von 70 € ist vom Konto 4..
abgehoben worden. Unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-
Anfangsbestandes von 21.200 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des
Sohnes ergeben sich insgesamt verfügbare (Bar-)Geldbeträge in Höhe von
52.017 €.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Bankkonten in Höhe von 17.150 € und die
verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 484 € abzusetzen.
Eine Sondertilgung auf das Darlehen ist nicht erfolgt.
Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden
Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 1,5%
gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.250 € erhöht haben. Entsprechend den,
insoweit von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellten, Ausführungen der
Gerichtsprüferin dürften sich die Mietaufwendungen auf etwa 7.500 € erhöht
haben. Für die neue Wohnung waren allein 620 € monatlich an den Vermieter
zu zahlen; hinzu kommen bar geleistete Nebenkosten, weil nur die Stromkosten
vom Bankkonto abgebucht wurden. Insgesamt ist daher von bar geleisteten
Aufwendungen in Höhe von 36.384 € auszugehen. Entsprechend den
Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-Schlussbestand von
23.600 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag) hinzurechnen, so dass sich ein
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Ausgabenüberhang von 7.967 € ergibt.
Mit diesem errechneten Ausgabenüberhang ist die vom Beklagten in dem
Änderungsbescheid vom 18. September 2012 vorgenommene Hinzuschätzung
eines Brutto-Betrages von 12.000 € auch unter Berücksichtigung von
Unsicherheitszuschlägen der Höhe nach nicht mehr zu vereinbaren. Sie
berücksichtigt - entsprechend der Stellungnahme der Gerichtsprüferin - nicht,
dass von dem Konto 2.. insgesamt 8.945 € und nicht nur 4.945 € abgehoben
worden sind.
Der Senat hält daher nur eine Hinzuschätzung von 8.000 € Brutto-
Betriebseinnahmen angemessen; die hieraus zu ziehenden umsatzsteuerlichen
Folgen sind unter III. dargestellt.
ff) 2006 hat der Kläger Bar-Betriebseinahmen in Höhe von 13.631 € verbucht.
Hinzu kommt (nur) eine Barabhebung in Höhe von 50 € vom neuen Konto seiner
Ehefrau. Unter Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes
von 23.600 € und eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich
insgesamt verfügbare (Bar-)Geldbeträge in Höhe von 39.681 €.
Hiervon sind die von der Steuerfahndung festgestellten Bareinzahlungen auf
Konten des Klägers in Höhe von 9.820 € nebst 950 € auf dem vorerwähnten
Konto seiner Ehefrau und die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in
Höhe von 624 € abzusetzen.
Im Hinblick auf den Umzug im Vorjahr und die diesbezüglichen Ausführungen
unter ee) geht der Senat von Mietaufwendungen in Höhe von nunmehr 8.400 €
aus. Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden
Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 1,6%
gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.500 € erhöht haben. Insgesamt ist daher
von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 31.294 € auszugehen.
Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-
Schlussbestand von 26.000 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag)
hinzurechnen, so dass sich ein Ausgabenüberhang von 17.613 € ergibt. Hiermit
ist der vom Beklagten angesetzte Hinzuschätzungsbetrag von 18.000 € brutto
zu vereinbaren.
gg) Kalenderjahr 2007
(1) 2007 hat der Kläger bar erhaltene Betriebseinahmen in Höhe von 11.836 €
verbucht. Hinzu kommen Barabhebungen in Höhe von 9.776 € von seinen
Bankkonten und von insgesamt 210 € vom Konto seiner Ehefrau. Unter
Berücksichtigung des nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 26.000 € und
eines erneuten Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich insgesamt
verfügbare (Bar-)Geldbeträge in Höhe von 50.222 €.
Hiervon sind die von der Steuerfahndung festgestellten Bareinzahlungen auf
Konten des Klägers in Höhe von 3000 € nebst 1.100 € auf dem vorerwähnten
Konto seiner Ehefrau und die verbuchten bar bezahlten Betriebsausgaben in
Höhe von 1.979 € abzusetzen.
Wie im Vorjahr geht der Senat von Mietaufwendungen in Höhe von 8.400 € aus.
Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden
Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindexes um 2,3%
gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 11.750 € erhöht haben. Insgesamt ist daher
von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 26.229 € auszugehen.
Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-
Schlussbestand von 28.400 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag)
hinzurechnen, so dass sich zunächst ein Ausgabenüberhang von 4.407 €
ergibt.
(2) Ferner hat der Kläger im Streitjahr Gewinne aus der Veräußerung von
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insgesamt 15 Kraftfahrzeugen über Angebote bei Online-Verkaufsportalen
erzielt. Die diesbezüglichen überzeugenden, dezidiert erläuterten,
Ermittlungserkenntnisse zu Einnahmen in Höhe von 30.360 € hat der Kläger per
se nicht in Frage gestellt. Der Senat hatte auf diese Erkenntnisse zudem in der,
der mündlichen Verhandlung dieses Verfahrens direkt vorausgehenden,
mündlichen Verhandlung im die Einkommensteuer der Streitjahre betreffenden
Verfahren ausdrücklich hingewiesen. Da der Kläger diesbezüglich auch
Aufwendungen zur Erwerb und möglicherweise zur Reparatur der online
veräußerten Fahrzeuge gehabt haben muss oder diese teilweise
möglicherweise nur im Rahmen von Vermittlungsgeschäften für Kunden
veräußert haben könnte, erscheint es insgesamt angemessen, einen nicht
gebuchten unversteuerten Brutto-Gewinn in Höhe von etwa 20 % der
festgestellten Veräußerungserlöse auf 6.072 € zu schätzen. In den in der
Buchhaltung des Klägers erfassten Betriebsvorfällen finden sich entsprechende
Geschäftsvorfälle nicht.
Dieser zusätzliche Brutto-Gewinn, der sowohl bar wie auch unbar erzielt worden
sein kann, ist nicht geeignet, den errechneten Bar-Ausgabenüberhang ganz
oder teilweise mit der Folge zu schließen, dass etwa nur von nicht versteuerten
zusätzlichen Brutto-Gewinnen in Höhe von 6.072 € auszugehen wäre.
Soweit die entsprechenden Gewinne unbar erzielt worden, ergibt sich dies von
selbst. Die Berechnung ist methodisch auf den Bargeldverkehr beschränkt; als
Überweisung eingehende Beträge werden nur und erst im Falle ihrer Abhebung
vom Bankkonto erfasst. Auch soweit - nicht näher ermittelbare - Teilbeträge bar
erzielt worden sein sollten, erscheint es nicht angemessen, diese zu schätzen
und mit dem errechneten Bar-Ausgabenüberhang zu verrechnen. Vielmehr ist
davon auszugehen, dass neben den geschätzten Gewinnen aus
Fahrzeugverkäufen wie in den Vorjahren weitere nicht gebuchte und nicht
versteuerte Betriebseinnahmen angefallen sind. In allen Vorjahren haben sich
deutlich höhere Ausgabenüberhänge im Umfang von mindestens 8.000 €
ergeben, so dass es nahe liegt, dass auch 2007 ein entsprechender
Ausgabenüberhang durch nicht erfassten Betriebseinnahmen vorliegt. Dies ist -
mit Werten im Rahmen der Vorjahre und des Folgejahres - durch die zusätzliche
Berücksichtigung der geschätzten Kraftfahrzeugverkäufe möglich. Hierdurch
ergibt sich eine Erhöhung der Betriebseinnahmen (hinsichtlich der
Kraftfahrzeugverkäufe mit den entsprechenden Ausgaben saldiert) um
rechnerisch insgesamt 10.479 €.
(3) Mithin ist entsprechend den Ausführungen unter dd) die vom Beklagten
vorgenommene Hinzuschätzung eines Brutto-Betrages von 11.000 € nicht zu
beanstanden.
hh) Kalenderjahr 2008
(1) 2008 hat der Kläger bar erhaltene Betriebseinahmen in Höhe von 16.075 €
verbucht. Hinzu kommen Barabhebungen in Höhe von 490 € vom Konto und
von insgesamt 4.680 € vom Konto seiner Ehefrau. Unter Berücksichtigung des
nunmehrigen Tresor-Anfangsbestandes von 28.400 € und eines erneuten
Haushaltsbeitrages des Sohnes ergeben sich insgesamt verfügbare (Bar-
)Geldbeträge in Höhe von 52.045 €.
Hiervon sind Bareinzahlungen auf Konten des Klägers in Höhe von 12.900 €
nebst 750 € auf dem vorerwähnten Konto seiner Ehefrau und die verbuchten bar
bezahlten Betriebsausgaben in Höhe von 3.263 € abzusetzen.
Wie in den Vorjahren kommen Mietaufwendungen in Höhe von 8.400 € hinzu.
Die Lebenshaltungskosten dürften sich nach der fortschreitenden
Geldentwertung (Erhöhung des Lebenshaltungskostenindex um 2,6%
gegenüber dem Vorjahr) auf etwa 12.100 € erhöht haben. Insgesamt ist daher
von bar geleisteten Aufwendungen in Höhe von 37.413 € auszugehen.
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Entsprechend den Ausführungen unter bb) ist dieser Summe der Tresor-
Schlussbestand von 30.800 € (Anfangsbestand + Haushaltsbeitrag)
hinzurechnen, so dass sich zunächst ein Ausgabenüberhang von 16.168 €
ergibt.
(2) Ferner hat der Kläger im Streitjahr Gewinne aus der Veräußerung von
weiteren drei Kraftfahrzeugen über Angebote bei Online-Verkaufsportalen
erzielt. Die diesbezüglichen Einnahmen betragen nach den schon zu gg)
erörterten Erkenntnissen 10.800 €. Entsprechend den Ausführungen unter gg)
schätzt der Senat auch insoweit einen Gewinn von 20% der Einnahmen = 2.160
€.
(3) Mithin ist insgesamt der von dem Beklagten nunmehr angesetzte
Hinzuschätzungsbetrag von 18.000 € nicht zu beanstanden. Allein aufgrund des
errechneten Ausgabenüberhangs von mehr als 16.000 € dürfte entsprechend
den Ausführungen unter dd) eine entsprechende Hinzuschätzung noch
vertretbar sein. Zudem kann noch der zusätzliche Brutto-Gewinn aus den
Fahrzeugverkäufen dem aus der Bargeldverkehrsrechnung errechneten, als
zusätzlichen Betriebseinnahmen anzusehenden, Ausgabenüberhang
entsprechend den Ausführungen unter gg) jedenfalls insoweit hinzugerechnet
werden, als dieser Gewinn unbar erzielt wurde.
ii) Der so auf den 31. Dezember 2008 errechnete Tresorschlussbestand von
30.800 € lässt sich auch mit den Anfang Januar 2010 im Tresor aufgefundenen
Bargeldbeträgen von 32.800 € vereinbaren. Eine entsprechende Summe ergibt
sich in etwa unter erneuter Hinzurechnung eines Haushaltsbetrages des Sohns
von bis zu 2.400 € im Jahr 2009.
Aus den vorstehenden Ausführungen zu aa - hh ergibt sich auch, dass
entgegen der Auffassung des Finanzamts keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür bestehen, den Anfang 2010 aufgefundenen Tresorbestand als
zusätzliche, unversteuerte, Betriebseinnahmen der Streitjahre anzusehen. Nach
dem eigenen Vorbringen des Klägers gibt es aber auch keinen Anlass zu der
Annahme, dass der Tresoranfangsbestand zum 1. Januar 2002 oder ein
zwischenzeitlich dort aufbewahrter Bargeldbetrag in den Streitjahren ganz oder
teilweise zur Deckung der Lebenshaltungskosten des Klägers und seiner
Familie verwandt worden wäre. Der Kläger hat mehrfach vorgetragen, dass - mit
Ausnahme eines eher geringen Betrages im Jahr 2009 - der schon anfänglich
hohe Tresorbestand (nur) weiter erhöht wurde.
jj) Insgesamt sind über die Streitjahre tendenziell zurückgehende
Umsätze/Betriebseinnahmen des Klägers - sowohl nach seinen
Steuererklärungen wie nach den hier erfolgten Hinzuschätzungen - zu
verzeichnen. Der deutlich höchste Hinzuschätzungsbetrag von 24.000 bzw.
30.000 € betrifft das Jahr 2002. 2007 ist ein erheblicher Teil und 2008 noch ein
geringer Teil der hinzugeschätzten Umsätze auf das neue Geschäftsfeld der
Kfz-Verkäufe zurückzuführen. Insgesamt ist so - anders als in der
ursprünglichen Berechnung der Steuerfahndung - auch dem Einwand des
Klägers, sein Unternehmen habe über die Jahre immer weniger Erträge
erbracht, Genüge getan ist.
2. Spielgewinne sind entgegen der Auffassung des Klägers nicht erzielt worden
und daher nicht geeignet, die aufgezeigten Lücken zwischen dem bekannten
Bareinnahmequellen und den Barausgaben zu erklären.
a) Das folgt schon daraus, dass das entsprechende Vorbringen des Klägers
widersprüchlich ist. Zunächst hat er in diesem Verfahren behauptet, er gewinne
oft beim Pokern oder sonstigen illegalen Zocken. Die angekündigte Mitteilung
der Namen und gar der ladungsfähigen Anschriften von Mitspielern ist aber nie
erfolgt. In einem neueren Schriftsatz hat der Kläger nunmehr behauptet, er
könne den Lauf der Roulettekugel vorhersehen. In seiner eidesstattlichen
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Versicherung im Rahmen der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 hatte er
hingegen erklärt, er beteilige sich an illegalen Roulettevarianten in Spielhöllen.
Des Weiteren hat der Kläger bis heute nicht noch nicht einmal ansatzweise
dargelegt, in welcher Höhe er Spielgewinne erzielt haben will und sein
angekündigtes Beweisangebot durch Benennung von Mitspielern bis heute
nicht konkretisiert. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um von
entsprechenden Spielgewinnen auszugehen.
Nach der Rechtsprechung sind an den Nachweis von Spielgewinnen hohe
Anforderungen zu stellen. So hat es der Bundesfinanzhof im Urteil vom 3.
August 1966 (BStBl. III 1966, 650) noch nicht einmal, wovon hier lange nicht die
Rede sein kann, genügen lassen, dass eine Zeugin entsprechende Erträge
bestätigt hat und Aufzeichnungen über den Spielverlauf vorgelegt wurden. Es
dürfte vielmehr erforderlich sein, die Höhe der einzelnen Gewinne und der
gespielten Einsätze zu bezeichnen (vgl. Urteile der Finanzgerichte Rheinland-
Pfalz vom 30. Oktober 1985 6 K 163/83, zit. nach juris und Baden-Württemberg
vom 17. März 1998 1 K 39/96, EFG 1998, 919) oder sogar, ordnungsgemäße
und nachprüfbare Aufzeichnungen über die einzelnen Spielgewinne vorzulegen
(vgl. Finanzgericht Berlin, Urteil vom 24. August 1998, 9 K 142/95, zit. n. juris).
b) Diesbezüglich ist auch nicht die Behauptung des Klägers erheblich, er habe
sich mit dem Betriebsprüfer 2001 auf jährliche Spielgewinne in Höhe von 6.000
DM verständigt.
Insoweit liegt unstreitig keine für die Beteiligten möglicherweise bindende
tatsächliche Verständigung, noch dazu nicht für die nunmehrigen Streitjahre,
vor, die der Betriebsprüfer auch nicht wirksam hätte treffen können (vgl. BFH-
Urteil vom 5. Oktober 1990 III R 19/88, BStBl. II 1991, 45; Rüsken in Klein, AO,
11. Aufl., Rz. 32 zu § 162 AO).
Vor allem trifft dieser Vortrag auch in der Sache nicht zu. Im Rahmen der
Schlussbesprechung zu der Außenprüfung für die Jahre 1997 bis 1999 ist
vielmehr einvernehmliches vereinbart worden, dass im Rahmen der vom
Betriebsprüfer durchgeführten Geldverkehrsrechnung jährlich 6.000 DM
zusätzliche Betriebsgewinne hinzu zu schätzen sind. Der Prüfer hatte im
Rahmen seiner Rechnung Spielgewinne in deutlich höherer Höhe, bis zu 12.000
DM jährlich, einbezogen und kam dennoch noch zu Ausgabenüberhängen.
c) Mithin können die errechneten Ausgabenüberhang nur durch entsprechende,
nicht erklärte und nicht versteuerte, zusätzliche Betriebseinnahmen des Klägers
aus seinem Reifenhandel beziehungsweise aus Kraftfahrzeugverkäufen erklärt
werden. Diese Handelsgeschäfte stellten die einzige Existenzgrundlage für den
Kläger und seine Ehefrau dar.
III.
1. Der Beklagte hat rechtlich und rechnerisch zutreffend die von ihm
vorgenommenen Hinzuschätzungen von Brutto-Betriebseinnahmen um die
jeweilige Umsatzsteuer (16% bis 31.12.2006, hernach 19%, vgl. § 12 Abs. 1
UStG i. d. jeweils geltenden Fassung) gemindert und die so verbleibenden
Netto-Beträge den vom Kläger in seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen
erklärten Umsätzen zum allgemeinen Steuersatz als Bemessungsgrundlage
hinzugerechnet.
Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ist das Entgelt. Dies ist alles, was der
Leistungsempfänger zum Erhalt der Leistung aufwendet, jedoch abzüglich der
Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 UStG). Bei der Hinzuschätzung von
Betriebseinnahmen ist dementsprechend die hinzu geschätzte Netto-Einnahme
als Entgelt anzusehen. Bei der Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen wird
davon ausgegangen, dass im Umfang der Hinzuschätzung nicht verbuchte
Ausgangsumsätze - hier also zusätzliche Reifenverkäufe u.ä. - durchgeführt
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worden und hieraus entsprechende Einnahmen erzielt worden sind.
a) Dies gilt auch für die angenommenen Gewinne aus dem Online-
Fahrzeughandel in den Jahren 2006 und 2007. Auch diese Umsätze hat der
Kläger hat der Kläger im Rahmen seines Unternehmens und damit
umsatzsteuerpflichtig ausgeführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Es handelt sich
angesichts des Umfangs dieser Veräußerungen und der noch umfangreicheren
Angebote ersichtlich nicht mehr um die Veräußerung privater
Vermögensgegenstände, zumal sich unter den veräußerten Fahrzeugen auch
ein - üblicherweise nicht privat genutzter - LKW befindet. Zudem betreibt der
Kläger mit dem Reifenhandel ein dem Fahrzeughandel verwandtes
Unternehmen, so dass alles dafür spricht, dass er die Veräußerungen im
Rahmen seines Unternehmens durchgeführt hat.
Insoweit ist der Kläger auch durch die Schätzung eines Brutto-Gewinns in Höhe
von 20% der bekannten Einnahmen nicht beschwert. Sofern man insoweit nicht
von Vermittlungsgeschäften ausgeht, bei denen die entsprechende Netto-
Provision Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer wäre, ist so eine Saldierung
von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben erfolgt. Mithin ist nur der - noch
um die Umsatzsteuer geminderte - verbleibende Gewinn und nicht nach § 10
Abs. 1 UStG der gesamte (Ausgangs-)Umsatz der Umsatzsteuer unterworfen
worden. Dies führt zu einer für den Kläger günstigen Differenzbesteuerung nach
§ 25a Abs. 3 UStG, obwohl deren formelle Voraussetzungen hier nicht gegeben
sind. Hierzu gehört, dass dem Kläger die dann veräußerten Fahrzeuge nach
Maßgabe des § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG entgeltlich und umsatzsteuerfrei geliefert
worden wären, was hier nicht feststellbar ist. Auch den besonderen
Aufzeichnungspflichten nach § 25a Abs. 6 UStG ist der Kläger nicht
nachgekommen.
b) Vorsteuerbeträge kann der Kläger schon mangels Vorlage von Rechnungen
über weitere Eingangsumsätze für sein Unternehmen nicht über die in seinen
Steuererklärungen geltend gemachten Beträge hinaus steuermindernd geltend
machen. Der Besitz einer Rechnung eines anderen Unternehmers mit offenem
Vorsteuerausweis ist materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Soweit
(jedenfalls faktisch) eine Differenzbesteuerung erfolgt ist, ist ein Vorsteuerabzug
ohnehin ausgeschlossen (vgl. Leonard in Bunjes, UStG, 11. Aufl. 2012, Rz. 46
zu § 25a UStG).
c) Für das Jahr 2005, in dem der Senat entgegen dem angefochtenen Bescheid
nur eine Hinzuschätzung von Brutto-Betriebseinnahmen von 8.000 € annimmt,
ergibt sich mithin folgende Berechnung und die hieraus folgende Abänderung
des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides gemäß § 100 Abs. 2 FGO:
Vom Kläger erklärte Umsätze
14.810,00 €
+ Hinzuschätzung ./. USt
6.896,00 €
Bemessungsgrundlage insgesamt
21.706,00 €
hierauf 16% Umsatzsteuer
3.473,05 €
./. Vorsteuern gemäß Erklärung
813,27 €
verbleibende/festzusetzende Umsatzsteuer 2.659,78 €
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2. Der Beklagte war auch verfahrensrechtlich berechtigt, die ursprünglichen
Einkommensteuerbescheide der Streitjahre im Jahr 2010 wegen neuer
Tatsachen (Erkenntnisse der Steuerfahndung und hierauf fußende
Bargeldverkehrsrechnung) nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzuändern.
a) Zwar beträgt die diesbezügliche Festsetzungsfrist grundsätzlich nur vier Jahre
und beginnt mit dem Ende des Jahres in dem die Steuererklärung abgegeben
wird (§§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO).
Mithin wäre nur noch der Erlass von Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre ab
2004 möglich, weil die diesbezügliche, als Steuerbescheid unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung wirkenden, Steuererklärungen am 26. Januar 2006 (für 2004)
und später (für die Jahre ab 2005 jeweils im Folgejahr) abgegeben wurden. Für
2004 und 2005 lief die reguläre Festsetzungsfrist daher am 31.12.2010 ab, für
2006 am 31.12.2011. Diese Fristabläufe sind sodann durch die Klageerhebung
bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gehemmt worden (§ 171 Abs.
3a AO).
b) Die Festsetzungsfrist beträgt aber zehn Jahre, soweit eine Steuer vorsätzlich
verkürzt worden ist (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO). Dies ist hier der Fall, so dass auch
die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2003 in 2010 ergehen und (in
Bezug auf 2003) während des anhängigen Klageverfahrens später noch
abgeändert werden konnten.
Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) folgt
aus den Ausführungen zu II. Der Kläger hat in seinen Umsatzsteuererklärungen
für die Streitjahre steuerlich erhebliche Tatsachen, nämlich
umsatzsteuerpflichtige Umsätze (in Höhe der hinzugeschätzten Netto-
Betriebseinnahmen), nicht angegeben und damit Umsatzsteuern in
entsprechender Höhe verkürzt. Der Senat hat auch keinen Zweifel daran, dass
der Kläger entsprechenden Betriebseinnahmen bewusst verschwiegen hat und
dementsprechend vorsätzlich nicht in seine Umsatzsteuererklärungen aufnahm:
Er kannte ersichtlich seine Steuererklärungspflichten und hat eine zu geringe
Bemessungsgrundlage (zusätzliche Betriebseinnahmen bzw. Gewinne aus dem
Reifenhandel und den Kraftfahrzeugverkäufen) in den entsprechenden
Erklärungen abgegeben. Dass er etwa nur versehentlich zu geringe
Bemessungsgrundlagen erklärt haben könnte, ist nicht erkennbar und
lebensfremd. Zudem darf - was ebenfalls für vorsätzliches Handeln spricht -
nicht übersehen werden, dass schon für Vorjahre eine Hinzuschätzung von
Gewinnen erfolgt ist und der Kläger spätestens dadurch wusste, dass er schon
den gesamten Betriebsgewinn erfassen und erklären muss. Angesichts des
Umfangs seiner Angebote auf Online-Verkaufsportalen und den aus den
entsprechenden Kraftfahrzeugverkäufen in 2007 und 2008 ist auch nicht
erkennbar, dass der seit Jahren mit dem Reifenhandel in einer dem
Kraftfahrzeughandel jedenfalls verwandten Branche tätige Kläger hätte
annehmen können, die entsprechenden Veräußerungsgewinne nicht als
Unternehmer und damit nicht umsatzsteuerpflichtig erzielt zu haben.
c) Der Kläger kann sich auch nicht auf einen Hinweis seines Steuerberaters zur
sogenannten Kleinunternehmerregelung (§ 19 Abs. 1 UStG) berufen. Er hat
gegenüber dem Beklagten über seinen Steuerberater selbst erklärt, erst ab 2009
und damit nach den Streitjahren von dieser Regelung Gebrauch zu machen. Es
kommt daher auch nicht in Betracht, unter dem nur für 2002 und 2003
relevanten Gesichtspunkt eines durch Annahme einer fehlenden
Umsatzsteuerpflicht denkbaren fehlenden Vorsatzes im strafrechtlichen Sinne
zu erwägen.
Zudem hat der Kläger für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen abgegeben
und damit - soweit er überhaupt Kleinunternehmer anzusehen gewesen wäre -
nach § 19 Abs. 2 UStG zur Regelbesteuerung unter Verzicht auf die
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Kleinunternehmerregelung optiert. Nach den vorgenannten Hinzuschätzungen
übersteigt zudem der Umsatz des Klägers in allen Streitjahren die für die
Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgebliche Grenze von 17.500 €
bzw. 16.620 € (§ 19 Abs. 1 UStG i. d. 2002 geltenden Fassung) im jeweiligen
Vorjahr.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.
Zwar ist die Klage bis auf einen geringen Teilbetrag in Höhe von etwa 1/4 der
erstrebten Steuerminderung im Jahr 2005 abgewiesen worden. Es darf hierbei
aber nicht übersehen werden, dass dies nur deswegen erfolgt ist, weil für die
Jahre 2003 bis 2008 die im Laufe des Verfahrens zu Gunsten des Klägers
abgeänderten Bescheide Verfahrensgegenstand geworden sind. Hinsichtlich
der ursprünglich angefochtenen Bescheide hat er so schon vor der mündlichen
Verhandlung einen erheblichen Teilerfolg (Reduzierung der Steuerschuld um
7.814 €), der bei der Kostenentscheidung Berücksichtigung finden muss (vgl. §
138 Abs. 2 FGO). Insgesamt hält der Senat daher unter summarischer
Berücksichtigung der vor und nach dem Ergehen der neuen Bescheide
entstandenen Kosten und der nicht unerheblichen Obsiegensquote des Kläger
in Bezug auf die ursprünglich angefochtenen Bescheide von etwa einem Drittel
hinsichtlich der nach den ursprünglichen Klaganträgen zu berechnenden
Gerichtskosten eine entsprechende Kostenaufteilung für angemessen.
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten war hingegen zu berücksichtigen,
dass nach dem Ergehen der abgeänderten Bescheide durch die mündliche
Verhandlung weitere Kosten (Anwaltsgebühren des Klägers) entstanden sind
und die Klage insoweit weitgehend erfolglos geblieben ist, was bei isolierter
Betrachtung dieser Kosten zu einer vollen Kostentragungspflicht des Klägers
geführt hätte (§ 136 Abs. 1 S. 3 FGO). Da er entsprechend der bei den
Gerichtskosten gefundenen Quote auch die vor dem Ergehen der
Änderungsbescheide entstandenen außergerichtlichen Kosten zu 2/3 zu tragen
gehabt hätte, erschien es insgesamt nicht angemessen, den Beklagten auch
nur teilweise mit außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten. Der Senat
hat unter überschlägiger Schätzung der erstattungsfähigen außergerichtlichen
Kosten der Beteiligten es insoweit insgesamt für angemessen erachtet, die
außergerichtlichen Kosten der Beteiligten insgesamt dem Kläger aufzuerlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 FGO) liegen nicht vor.