Urteil des FG Niedersachsen vom 24.10.2013

FG Niedersachsen: gestaltung, erwerb, missbrauch, begriff, kurswert, barriere, lieferung, erfüllung, erlass, tausch

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Körperschaftsteuer 2005
Gewerbesteuermessbetrag 2005
ges. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem.
§ 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 KStG
zum 31.12.2005
1. Bei der Veräußerung von Aktien mindern Verluste aus der Veräußerung
von Zertifikaten auf die entsprechenden Aktien den nach § 8b Abs. 2 Satz 1
KStG steuerfreien Veräußerungsgewinn, wenn es sich bei den Verlusten um
Veräußerungskosten gem. § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG handelt, d.h. wenn die
Verluste in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der
Anteilsveräußerung der Aktien anfallen.
2. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO liegt vor,
wenn bei Erwerb von Zertifikaten auf Aktien aufgrund der vertraglichen
Gestaltung bereits feststeht, dass diese mit erheblichem Verlust veräußert
werden müssen und sich ein wirtschaftlicher Vorteil allein aus der
Kombination eines steuerfreien Veräußerungsgewinns und der
steuermindernden Berücksichtigung des Verlustes, also aus der
Steuerersparnis, ergibt.
Revision eingelegt, BFH-Az. I R 80/13.
Niedersächsisches Finanzgericht 6. Senat, Urteil vom 24.10.2013, 6 K 404/11
§ 42 AO, § 8b Abs 2 KStG
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die steuerrechtliche Qualifizierung eines Verlustes
aus der Veräußerung von Zertifikaten.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter
Haftung ein Bauunternehmen. Sie ermittelt ihren Gewinn gem. §§ 4 Abs. 1, 5
Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich.
Mit Rahmen-Vertrag vom ...2004 schloss die Klägerin mit der … Bank ein
„Aktientermingeschäft mit Lieferung und Ersetzungsbefugnis“. Gegenstand
des Vertrages war die Veräußerung von Aktien an die … Bank zu einem
bestimmten Termin - dem 17.11.2005 - zu einem im Voraus festgelegten
Terminpreis. Der Klägerin stand ferner das Recht zu, anstatt der Anzahl der
Aktien die Anzahl der Zertifikate zu liefern. Im Einzelnen enthielt der Vertrag
u.a. die folgenden Vereinbarungen:
· Rahmenvertragsdatum
17. November 2004
· Abschlussdatum
17. November 2004
· Aktie
Stammaktie des Emittenten
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· Anzahl der Aktien
1.785.710
· Zertifikat
Zertifikat bezogen auf die Aktie,
a. das in seiner Wertentwicklung zu jedem
Zeitpunkt während der Laufzeit dieses
Einzelabschlusses dem Wert der Aktie an der
Wertpapierbörse von 1:1 entspricht…
· Anzahl der Zertifikate
1.785.710
· Terminpreis
5,72 je Aktie
· Barriere-Preis
6,16 je Aktie
· Angepasster
Terminpreis
ist der Terminpreis abzüglich eines
Betrages
von 1,5 % des Kurses der Aktie am Abschlussdatum
Euro 5,63 je Aktie
· Leistungspflichten
Am Fälligkeitstag für die Abwicklung
zahlt der Käufer den Kaufpreis und
liefert der Verkäufer Zug um Zug gegen Zahlung des
Kaufpreises die Anzahl der Aktien oder, sofern er von
seiner Ersetzungsbefugnis Gebrauch macht, die
Anzahl der Zertifikate
· Kaufpreis
Das in der
Vertragswährung ermittelte
Produkt
aus (i) dem Terminpreis
oder, falls ein an der
Wertpapierbörse während der Laufzeit bis
zum Wertermittlungstag an einem Handelstag
während der Handelszeit festgestellter Kurs der Aktie
den Barriere-Preis erreicht oder überschreitet, der
angepasste Terminpreis und (ii) der Anzahl der
Aktien.
· Besondere Vereinbarungen
Verpfändung von Wertpapieren:
Zur Sicherung für sämtliche gegenwärtigen und
künftigen, auch bedingten oder befristeten Ansprüche
des Käufers aus diesem Einzelabschluss wird der
Verkäufer dem Käufer durch jeweils gesonderte
Verpfändungsvereinbarung ein Wertpapierdepot mit
geeigneten Wertpapieren verpfänden, dessen Wert
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zu jedem Zeitpunkt dem Wert der…zu liefernden
Anzahl der Aktien oder Anzahl der Zertifikate
entspricht…
Entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen erwarb die Klägerin am
...2004 1.785.710 Aktien der … (zum Kurswert von 5,60 je Aktie) zu einem
Gesamtpreis von 9.999.976 Euro. Diese Aktien veräußerte die Klägerin am
12.01.2005 zu dem Kurswert von 6,16 Euro, d.h. zu einem Gesamtpreis von
10.999.973,60 Euro. Der Kurswert der Aktie im Zeitpunkt der Veräußerung
entsprach dem in dem Vertrag vom ...2004 vereinbarten Barriere-Preis. Aus
der Veräußerung erzielte die Klägerin einen Veräußerungsgewinn in Höhe von
999.997,60 Euro. Gleichzeitig, d.h. ebenfalls am 12.01.2005 erwarb die
Klägerin … Bank Zertifikate auf die … Aktien zu einem Preis von 6,16 Euro je
Zertifikat. Diese Zertifikate veräußerte die Klägerin zum vertraglich vereinbarten
Termin am 17.11.2005 mit einem Verlust von 946.426,30 Euro. Dabei lag dem
Veräußerungspreis ein Wert je Zertifikat von 5,63 (= angepasster Terminpreis)
zugrunde, da die Aktien während der Laufzeit den Barriere-Preis von 6,16 Euro
erreicht hatten.
Den aus der Veräußerung resultieren Veräußerungsgewinn von 999.997,60
Euro erfasste die Klägerin als steuerfreien Gewinn gem. § 8b Abs. 2 Satz 1
KStG unter gleichzeitigem Ansatz nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben nach
§ 8b Abs. 3 KStG in Höhe von 49.990 Euro. Den Verlust aus der Veräußerung
der Zertifikate erfasste die Klägerin gewinnmindernd in ihrer HB/StB.
Der Beklagte veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß. Die
Bescheide über Körperschaftsteuer, die gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38
Abs. 1 KStG sowie der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag
ergingen zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung.
In dem Zeitraum vom Juni 2007 bis Oktober 2007 führte das Finanzamt für
Großbetriebsprüfung bei der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung durch.
Der Außenprüfer vertrat die Auffassung, es lägen zwei Rechtsgeschäfte vor.
Der Gewinn aus der Veräußerung der Aktien sei zutreffend nach § 8b Abs. 2
KStG als steuerfreier Gewinn behandelt worden. Bei dem Zertifikateverkauf
handele es sich um ein Termin- / Optionsgeschäft, das auf „physische
Erfüllung“ ausgerichtet sei. Nach dem BMF-Erlass von 23.9.2003 (IV B 2 – S
2119 – 7/05) sei dieser Verlust der Verlustabzugsbeschränkung des § 15
Abs. 4 Satz 3 EStG unterworfen. Der Verlust sei daher
im Veranlagungszeitraum 2005 nicht abzugsfähig, sondern könne nur
zukünftig mit gleichartigen Gewinnen verrechnet werden.
Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am…nach
§ 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer, über die
gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2, § 28
Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG und über den
Gewerbesteuermessbetrag. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und
vertrat die Rechtsauffassung, es lägen keine Termingeschäfte im Sinne des §
15 Abs. 4 Satz 3 EStG vor. Am … ergingen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO
geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer 2005 sowie über die
gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2, § 28
Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2005 wegen anderer, in
diesem Verfahren nicht streitiger Sachverhalte.
Die von der Klägerin eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit
Einspruchsbescheid vom … zurück. Er hielt daran fest, dass der Verlust aus
der Veräußerung der Zertifikate nicht abzugsfähig sei. Zur Begründung berief
er sich erneut auf den Erlass des BMF vom 23.09.2003. Die
Verlustabzugsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG sei danach auch
bei solchen Termingeschäften anzuwenden, die nicht lediglich auf
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Differenzausgleich, sondern auf physische Erfüllung ausgerichtet seien. Dies
folge aus dem Gesetzeswortlaut „…gelten entsprechend für Verluste aus
Termingeschäften, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich
oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten
Geldbetrag oder Vorteil erlangt.“ Mit dem Begriff des Vorteils seien neben der
Begünstigung in einem Geldbetrag auch andere Vorteile umschrieben, die z.B.
auch in einer Lieferung von Wertpapieren bestehen könnten und sich an
anderen Bezugsgrößen orientierten. Konkret liege hier der Vorteil in der
Lieferung des Basiswertes.
Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.
Im Klageverfahren vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, es handele
sich nicht um Termingeschäfte im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG… Die
Klägerin führt weiterhin aus, der Begriff des Termingeschäftes sei steuerlich
nicht definiert. Definitionen fänden sich allenfalls in den Vorschriften des
Wertpapierhandelsgesetzes und des Kreditwesengesetzes. Dazu habe der
BGH mit Urteil vom 13.07.2004 (XI ZR 178/03, BFHZ 168, 58) entschieden,
dass Verträge über Index-Zertifikate keine Börsen-Termingeschäfte seien.
Index-Zertifikate seien Schuldverschreibungen, die den Anspruch des
Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines Geldbetrages verbrieften,
dessen Höhe vom Stand des zugrunde gelegten Indexes am Ende der
Laufzeit abhänge. Der Leistungsaustausch durch Übertragung der
Schuldverschreibung mit der darin wertpapiermäßig verbrieften Forderung
habe Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises binnen der für
Kassengeschäfte üblichen Frist von zwei Tagen zu erfolgen. Durch die spätere
Rückzahlung des Emittenten an den Erwerber werde nicht der Vertrag über
den Erwerb des Zertifikates, sondern die durch die Schuldverschreibung
begründete Forderung erfüllt. So lägen die Dinge auch im Streitfall. Es handele
sich zur Gänze um Aktiengeschäfte, die durch Zertifikatgeschäfte ersetzt
worden seien. Diese Geschäfte seien jeweils mit dem ursprünglichen Erwerb
der Aktien im November 2004, deren Weiterveräußerung Anfang 2005 gegen
Erwerb von Zertifikaten und anschließend der Veräußerung von Zertifikaten
erfüllt worden. Ein Hinausschieben der Erfüllung, wie es ein Termingeschäft
begrifflich voraussetze, sei nicht ersichtlich.
Die Klägerin verweist ferner darauf, dass § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu
Termingeschäften fast wortgleich wie § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG Stellung nehme.
In § 23 EStG werde insoweit ausgeführt, dass Zertifikate, die Aktien vertreten,
als Termingeschäft im Sinne der Vorschrift gelten. Dabei sei der Gesetzgeber
selbst davon ausgegangen, dass der Zertifikatehandel den
Termingeschäftsbegriff nicht erfülle. Die Vorschrift errichte vielmehr nur eine
Fiktion, um den entsprechenden Handel im Privatbereich steuerpflichtig zu
machen.
Die Klägerin nimmt zudem Bezug auf ein Revisionsverfahren beim BFH (IV R
53/11) sowie auf die Entscheidung des FG Köln (EFG 2012, 49), das beim
Handel mit Indexzertifikaten das Vorliegen eines Termingeschäftes verneint
habe.
Die Klägerin trägt weiterhin vor, es liege in keinem Fall ein Missbrauch
rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die Vorschrift des § 42 AO erfordere
eine unangemessene rechtliche Gestaltung, hierdurch eintretende gesetzlich
nicht vorgesehene Steuervorteile und eine Missbrauchsabsicht. Im Streitfall sei
keine dieser Voraussetzungen gegeben. Bei den Transaktionen mit den Aktien
bzw. Zertifikaten handele es sich um ein hochspekulatives Finanzgeschäft,
dessen maßgeblicher Grund in der Erhöhung des cash-flow des
Unternehmens liege. Grundannahme sei der steigende Kurs der … Aktie.
Treffe diese Annahme nicht zu, werde ein Gewinn generiert, der nach § 8b
KStG zu 95 % steuerbefreit sei. Steigende Kurse hätten aber bis zu einem
festgelegten Kurs gewinnerhöhend mitgenommen werden sollen, was ebenso
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steuerfrei gewesen wäre. An dieser Stelle setzte das Modell der Veräußerung
der Aktien und dem gleichzeitigen Erwerb der Zertifikate an: die Veräußerung
der Zertifikate zum festgelegten Preis führe zwar zu einem Verlust, der sich
jedoch steuerlich einkunftsmindernd auswirke. Denn bei der Veräußerung von
Zertifikaten handele es sich eben nicht um Termingeschäfte. Der Steuervorteil
sei daher vorgesehen gewesen und wirtschaftlich betrachtet habe sich
dadurch der cash-flow des Unternehmens erhöht. Der wirtschaftliche Vorteil für
die Klägerin liege damit auf der Hand. Die Klägerin verweist insoweit auch auf
die Prospekte der … Bank.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheid über Körperschaftsteuer 2005 vom …, den Bescheid für
2005 über den Gewerbesteuermessbetrag vom … sowie den
Bescheid über die gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2,
§ 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2005 vom … jeweils in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom … mit der Maßgabe zu ändern, dass
ein Verlust aus dem Verkauf der Zertifikate auf die … Aktien in Höhe
von 946.427 Euro berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält im Klageverfahren an seiner Auffassung fest und nimmt zur
Begründung Bezug auf die Entscheidung des Hessischen FG vom 22.10.2010
(8 V 1268/10). Der Begriff des Termingeschäftes im Sinne des § 15 Abs. 4
Satz 3 EStG sei in steuerrechtlicher Sicht eigenständig zu interpretieren. Der
Fiktion des § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG könne nicht im Umkehrschluss entnommen
werden, dass der Zertifikatehandel den Termingeschäftsbegriff nicht erfülle.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage hat nur in dem im Tenor genannten Umfang Erfolg.
1. Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung
der Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 und
§ 38 Abs. 1 KStG zum 31.12.2005 richtet, ist sie bereits unzulässig.
Die Klägerin hat insoweit nicht dargelegt, dass oder in welcher Weise sie durch
den Feststellungsbescheid in ihren Rechten verletzt ist (§ 40 Abs. 2 FGO).
Eine derartige Rechtsverletzung ist auch nicht aus den Akten ersichtlich, denn
der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
nach § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG entspricht
den Angaben in der Feststellungserklärung und ist nach Durchführung der
Außenprüfung inhaltlich nicht geändert worden. Es ist nicht erkennbar, dass
der Veräußerungsverlust aus dem Zertifikategeschäft Auswirkungen auf die
Feststellungen gehabt hat.
2. Soweit sich die Klage gegen die Bescheide für 2005 über
Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag richtet, ist sie in dem
im Tenor genannten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Der Beklagte geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass der Verlust aus der
Veräußerung der Zertifikate in Höhe von 946.426 Euro den der Besteuerung
zugrunde liegenden Jahresüberschuss der Klägerin nicht mindern darf.
a) Der Verlust ist dem steuerlich nicht zu berücksichtigenden Bereich des § 8b
Abs. 2 Satz 1 KStG zuzuordnen.
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Nach § 8b Abs. 2 Satz 1 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne
aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, deren Leistungen
beim Empfänger zu Einnahmen aus § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe
a EStG gehören, außer Ansatz. Veräußerungsgewinn im Sinne dieser
Vorschrift ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis oder der an dessen
Stelle tretende Wert nach Abzug der Veräußerungskosten den Buchwert
übersteigt.
Bei den Aktien der ... handelt es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft,
deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1
Nr. 1 EStG führen. Damit ist der Gewinn aus dem Veräußerungsgeschäft vom
12.01.2005 steuerfrei. Der erkennende Senat schließt sich insoweit jedoch der
Auffassung des FG Düsseldorf an, dass der Gewinn im Streitfall nicht nur
durch die Gegenüberstellung von Verkaufspreis und Buchwert, sondern auch
unter Einbeziehung der erzielten Verluste aus der Veräußerung der Zertifikate
auf die entsprechenden Aktien ermittelt werden muss. Die erzielten Verluste
sind als Veräußerungskosten im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG zu
qualifizieren (vgl. dazu insgesamt FG Düsseldorf vom 12.06.2012 6 K 2435/09
K, EFG 2012, 2055 – Revision eingelegt, Az. des BFH I R 52/12). Der Begriff
der Veräußerungskosten ist in § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG nicht definiert.
Allerdings ist bei der Auslegung des Merkmals “Veräußerungskosten“ zu
berücksichtigen, dass § 8b Abs. 3 Sätze 1 und 2 KStG grundsätzlich die
Abzugsfähigkeit von (laufenden) Ausgaben anordnet, die im wirtschaftlichen
Zusammenhang mit den veräußerten Anteilen stehen. Somit wird der
grundsätzliche Betriebsausgabenabzug nicht durch die Steuerfreiheit des
Veräußerungsgewinns beeinflusst, während die Veräußerungskosten im Sinne
des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG dem steuerfreien Bereich zugeordnet werden.
Da sich somit eine ähnliche Abgrenzungsnotwendigkeit wie bei § 17 EStG
ergibt und beide Vorschriften insoweit auch wortgleich sind, liegen
Veräußerungskosten im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG vor, soweit
Aufwendungen im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der
Anteilsveräußerung anfallen, d.h., wenn sie durch das Veräußerungsgeschäft
veranlasst sind.
Bei den Verlusten aus der Veräußerung der Zertifikate handelt es sich um
Veräußerungskosten in diesem Sinne. Denn es bestand ein unmittelbarer
wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Veräußerung der Aktien und
den erlittenen Verlusten aus der Veräußerung der entsprechenden Zertifikate.
Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang ergibt sich aus dem Umstand,
dass die Klägerin aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet war,
im Falle einer Veräußerung der - auf Termin verkauften - Aktien entsprechende
Ersatzwertpapiere (Zertifikate) zu erwerben, um diese zum Termin an die …
Bank zu veräußern. Zwar bestand keine rechtliche Verpflichtung, zeitgleich mit
dem Verkauf der Aktien die Zertifikate als Ersatz-Wertpapiere zu erwerben. Die
Klägerin hätte theoretisch warten und mit hohem Risiko auf einen besseren
Kaufkurs spekulieren können. Die von der Klägerin gewählte Kapitalanlage
bestehend aus einer Kombination von Aktienkauf und Termingeschäft war
jedoch darauf gerichtet, entweder durch die alleinige Veräußerung der Aktie
risikolos die Marktrendite eines Geldmarktfonds zu erwirtschaften oder eine
erhöhte – ebenfalls risikolose – Rendite durch die Abzugsfähigkeit des
Zertifikateverlustes - bei gleichzeitiger Steuerfreiheit des Aktiengewinns - zu
erzielen. Risikolos ließ sich dieses aber nur durch die zeitgleiche Veräußerung
der Aktien und den Erwerb der Zertifikate realisieren. Folglich war das
„einheitliche Geschäft“ auf die unmittelbar mit der Veräußerung der Aktien
verbundene Entstehung des Verlustes aus dem Erwerb der Zertifikate
gerichtet. Dies ergibt sich eindeutig aus den im Klageverfahren vorgelegten
Unterlagen der … Bank über die Präsentation des Anlagemodells gegenüber
der Klägerin. Hier wird schon einleitend ausgeführt, Ziel sei eine
steueroptimierte Geldanlage ohne Marktrisiken. Hier wird deutlich, dass
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entgegen dem Vortrag der Klägerin keine hochspekulative, sondern – unter
Einbeziehung des steuerlichen Vorteils - eine fast risikolose Anlageform
gewählt wurde.
Tatsächlich hat die Klägerin auch nicht mit dem Erwerb der Zertifikate gewartet
– und ist damit ein Spekulationsrisiko eingegangen, sondern sie hat diese
noch am Tag der Aktienveräußerung erworben.
Aufgrund des gewählten Anlagemodells war es ferner für die Klägerin nicht
sinnvoll, die Aktien bei Erreichen des sog. Barrierekurses, der ein Absenken
des Verkaufspreises auf 5,63 Euro je Aktie (statt 5,72 Euro) hatte, zu behalten.
Nur durch den „Tausch“ der Aktien in die entsprechenden Zertifikate war die
beabsichtigte Rendite nunmehr über die angestrebte Steuerersparnis zu
erreichen. Bei einem Behalten der Aktien und einem Verkauf zum Termin auf
der Grundlage des angepassten Terminpreises hätte die Klägerin nur noch
einen Veräußerungspreis von 10.053.547 Euro und damit einen um rund
946.000 Euro geringeren Gewinn erzielt.
Die Veräußerung der Aktien hatte somit ohne eine weitere echte
Willensbildung oder weitere hinzutretende ungewisse Umstände den
Veräußerungsverlust aus dem dazugehörigen Zertifikategeschäft zur Folge.
Auch wäre es ohne die Veräußerung der Aktien nicht zu einem
Zertifikategeschäft gekommen. Dieses unmittelbare Ineinandergreifen von
Aktienveräußerung und Verlustrealisierung durch Anschaffung und
Veräußerung der Zertifikate - der Planung und Vereinbarung mit der … Bank
und der tatsächlichen Durchführung entsprechend - hat zur Folge, dass die
realisierten Verluste aus der Veräußerung der Zertifikate Veräußerungskosten
der Aktienveräußerung darstellen.
Bei den eingetretenen Verlusten handelt es sich auch um „Kosten“ im Sinne
des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG. Denn Ziel der Regelung ist es,
Betriebsausgaben entweder dem steuerlich irrelevanten Bereich der
Veräußerungsgewinne zuzuordnen oder den Abzug von Betriebsausgaben
zuzulassen, weil lediglich ein allgemeiner Zusammenhang mit den steuerfrei
veräußerten Anteilen besteht. Für den Charakter als Betriebsausgabe ist
allerdings unerheblich, ob es sich um laufende Ausgaben oder einen
Veräußerungsverlust handelt.
Der nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfreie Gewinn von bisher 999.997 Euro ist
mithin um den Betrag von 946.426 Euro zu mindern, so dass sich nunmehr ein
Gewinn in Höhe von 53.571 Euro ergibt. Davon sind nach § 8b Abs. 3 KStG 5
%, d.h. 2.678 Euro als nicht abziehbare Aufwendungen zu berücksichtigten.
Da der Beklagte bisher nach § 8b Abs. 3 KStG nicht abzugsfähige
Aufwendungen in Höhe von 49.999 Euro berücksichtigt hatte, hat die Klage in
Höhe des Differenzbetrages, d.h. in Höhe von 47.321 Euro Erfolg.
Ein – gesonderter – Verlust aus der Veräußerung der Zertifikate ist
demgegenüber nicht mehr zu erfassen, so dass die Klage über die
vorzunehmende Minderung der nicht abzugsfähigen Aufwendungen hinaus
unbegründet ist.
b) Eine Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung gem. § 15 Abs. 4 Satz 3
EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht, weil nach den unter Ziffer 2
Buchstabe a dargestellten Gründen kein Verlust aus den
Veräußerungsvorgängen resultiert. Die Frage, ob die Veräußerung der
Zertifikate auf die … Aktien am 17.11.2005 ein Termingeschäft im Sinne des §
15 Abs. 4 Satz 3 EStG darstellt (für Vorliegen eines Termingeschäftes z.B.
BMF-Erlass vom 23.09.2003 IV B 2 – S 2119 – 7/05; dagegen z.B. FG Köln
vom 03.08.2011 7 K 4682/07, EFG 2012, 49) ist daher für den vorliegenden
Sachverhalt nicht mehr entscheidungserheblich, so dass der erkennende
Senat diese Frage ausdrücklich offen lässt.
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c) Sofern der Verlust nicht als Veräußerungskosten dem steuerfreien Bereich
zuzuordnen wäre (siehe oben unter Ziffer 2, Buchstabe a), wäre die Klage auf
der Grundlage des § 42 der Abgabenordnung (in der im Streitjahr geltenden
Fassung – im Folgenden AO) ebenfalls lediglich in dem im Tenor genannten
Umfang begründet.
Nach § 42 Abs. 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten
des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch
vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen
Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes liegt ein
Missbrauch dann vor, wenn eine (zivilrechtliche und/oder steuerrechtliche)
Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel--
unangemessen ist, der Steuervermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche
oder sonst beachtliche nicht steuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (z.B.
Urteil des BFH vom 15.07.2004 III R 66/98, BFH/NV 2005, 186). § 42 AO setzt
letztlich voraus, dass die gewählte Gestaltung nach den der jeweiligen
steuerrechtlichen Vorschrift zugrunde liegenden gesetzgeberischen
Wertungen der Steuerumgehung dienen soll. Hingegen ist für § 42 AO
grundsätzlich kein Raum, wenn der Steuerpflichtige einen vom Steuergesetz
vorgezeichneten Weg wählt (vgl. Urteil des BFH vom 19.05.2004 III R 18/02,
BStBl II 2004, 980, m.w.N.). Allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine
steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung
ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber
vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen
Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf
dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll
(st. Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des BFH vom 29.05.2008 IX R 77/06,
BStBl II 2008, 789). Der Steuerpflichtige kann sich auf die von ihm gewählte
Gestaltung nicht berufen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des
wirtschaftlichen Sachverhaltes und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in
dieser Weise verfahren wären (BFH-Urteil vom 07.07.1998 VIII R 10/96, BStBl
II 1999, 729 m.w.N.)
(2) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt zur Überzeugung des
erkennenden Senates ein Gestaltungsmissbrauch vor. Die gewählte
Gestaltung im Streitfall ist wirtschaftlich ausschließlich unter dem
Gesichtspunkt der Steuerersparnis nachvollziehbar. Ohne Berücksichtigung
der Steuerersparnis hätte eine verständige Partei bei einem Kurswert von 6,16
Euro die Zertifikate nicht erworben, wenn wie vorliegend bereits festgestanden
hätte, dass eben diese Zertifikate für 5,63 Euro, mithin mit einem erheblichen
Verlust, veräußert werden müssen. Vielmehr hätte eine verständige Partei
unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten die zum Wert von 5,60 Euro
erworbenen Aktien zum vereinbarten Termin mit Gewinn veräußert. Der
„Tausch“ der Aktien in Zertifikate ist aus unternehmerischen Gesichtspunkten
allein vor dem Hintergrund der Steuerersparnis sinnvoll. Andere
außersteuerliche Gründe hat die Klägerin nicht vorgetragen. Vielmehr führt sie
zur Begründung ihrer Klage auch selber aus, dass sich wirtschaftliche Vorteile
des Anlagemodells allein aufgrund der Steuerersparnis aufgrund der daraus
resultierenden Erhöhung des cash-flow ergeben würde.
Würde die Steuer unter gewinnmindernder Berücksichtigung des
Veräußerungsverlustes festgesetzt, so würde dies im Vergleich zu einer
angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen
Steuervorteil führen. Mit der in § 8b Abs. 2 KStG geregelten Steuerbefreiung für
Veräußerungsgewinne hat der Gesetzgeber dem Gedanken Rechnung
getragen, dass Veräußerungsgewinne Gewinne aus der Realisierung offener
oder stiller Reserven enthalten können, die als thesaurierte Gewinne ebenso
behandelt werden sollten wie Gewinnausschüttungen. Außerdem wollte der
Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnen, Beteiligungen im unternehmerischen
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Bereich ohne Steuerbelastung zu veräußern und so eine betriebswirtschaftlich
vernünftige Beteiligungsstruktur zu schaffen.
Der Gesetzgeber hatte jedoch nicht die Absicht, Unternehmen eine Möglichkeit
zu schaffen, durch kombinierte Anlagemodelle nicht nur die
Veräußerungsgewinne steuerfrei zu belassen, sondern durch einen
Verlustabzug auch anderweitig erzielte Erträge aus dem operativen Geschäft
der Besteuerung zu entziehen (vgl. dazu auch Urteil des Niedersächsischen
Finanzgerichts vom 01.11.2012 6 K 382/10, EFG 2013, 328).
(3) Da ein Missbrauch im Sinne des § 42 AO gegeben ist, entsteht der
Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen
angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre (§ 42 Abs. 1 AO). Bei
einer derartigen Gestaltung hätte die Klägerin auf den „Tausch“ der Aktien in
Zertifikate verzichtet und hätte einen nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfreien
Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Aktien an die … Bank in Höhe
von 53.571 Euro (AK: 9.999.976 Euro / Verkaufserlös: 1785.710 Stück Aktien x
5,63 Euro = 10.053,597 Euro) erzielt. Davon wäre ein Betrag von 2.678 Euro
als nicht abziehbare Aufwendungen nach § 8b Abs. 3 KStG zu qualifizieren
gewesen. Ein Verlust wäre nicht entstanden, so dass dieser auch bei der
Festsetzung der Steuer nicht zu berücksichtigen ist.
4. Die Berechnung der daraus folgenden festzusetzenden Körperschaftsteuer
sowie des Gewerbesteuermessbetrag war dem Beklagten nach § 100 Abs. 2
FGO zu übertragen.
II. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entschiedenen
Rechtsfrage zugelassen (§ 115 FGO).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.