Urteil des FG Niedersachsen vom 09.07.2014

FG Niedersachsen: halle, tierzucht, landwirtschaft, einkünfte, holz, gebäude, begriff, dienstanweisung, abschreibung, bedachung

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Bedeutung der amtlichen AfA-Tabellen für
Bestimmung des AfA-Satzes
1. Ziel der Anwendung der AfA-Tabelle auf Wirtschaftsgebäude ist eine
gleichheitsgerechte Anwendung von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Insoweit sind
die AfA-Tabellen anzuwenden, soweit sie nach der Einschätzung des FG
den Einzelfall vertretbar abbilden.
2. Die AfA-Tabellen des BMF haben für das Finanzamt den Charakter einer
Dienstanweisung. Für den Steuerpflichtigen handelt es sich um das
Angebot der Verwaltung für eine tatsächliche Verständigung im Rahmen
einer Schätzung, das er (z.B. durch die Anwendung der Tabellen bei der
Berechnung seiner Einkünfte) annehmen kann, aber nicht muss.
3. Solange die AfA-Tabelle die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes im
Einzelfall vertretbar abbildet, ist die Finanzverwaltung an die
Erfahrungswerte der Tabelle im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung
gebunden.
Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 09.07.2014, 9 K 98/14
§ 7 Abs 4 S 2 EStG
Tatbestand
Streitig ist die Bestimmung des AfA – Satzes für eine Kartoffelhalle.
Kläger sind die Ehefrau und die Erben des mittlerweile verstorbenen A.. Der
Verstorbene erzielte in den Streitjahren u.a. Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft. Im Oktober 2006 errichtete er die streitbefangene
Kartoffelhalle.
In den Jahresabschlüssen zu den Steuererklärungen 2006 und 2007
(eingegangen beim Finanzamt in 2008 bzw. 2009) war der Verstorbene
zunächst – nach eigenen Angaben irrtümlich - von einer Nutzungsdauer von
33 Jahren ausgegangen (AfA – Satz 3 % auf 95.188 €). Die
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 und 2007 wurden
bestandskräftig.
In dem im April 2010 erstellten Abschluss für das Wirtschaftsjahr 2008/2009
wurde ein erhöhter AfA – Satz von 6% entsprechend einer Nutzungsdauer von
17 Jahren geltend gemacht und mit der Leichtbauweise der Halle begründet.
Eventuell zwischenzeitlich eingetretene Umstände, die eine Verkürzung der
restlichen Nutzungsdauer rechtfertigen könnten, wurden nicht vorgetragen.
Im Rahmen einer durchgeführten Betriebsprüfung zog der Beklagte die
zuständige Bausachverständige des Finanzamts Braunschweig -
Wilhelmstraße hinzu. Die Bausachverständige beschreibt die Konstruktion der
Halle in ihrer Stellungnahme vom 15. Mai 2013 wie folgt:
“Bei dieser Halle handelt es sich um eine Standard – Stahlhalle SHP 200 mit
Kragdach. Als tragende Gebäudekonstruktion ist ein Stahlgelenkrahmen aus
genormten Profilen vorhanden. Die Fundamente bestehen aus Stahlbeton in
Verbindung mit einer Sohlplatte. Der Wandsockel (0,50 m) ist aus
Klinkermauerwerk hergestellt und als Außenfassade, Dacheindeckung und
Kragdach der Halle sind polyesterbeschichtete Trapezbleche vorhanden. In
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der Außenfassade befinden sich 2 Sektionaltore von jeweils 23 qm Fläche und
eine Fluchttür.“
Aufgrund der Gebäudekonstruktion, der Stärke der Stahlprofile, der
verarbeiteten Baumaterialien u.s.w. stellte die Bausachverständige anhand
einer Bewertungsrichtlinie für die Lagerhalle eine Gesamtnutzungsdauer von
40 bis 60 Jahren fest (entsprechend Typ 30 oder 31 der NHK 2000 der
Bewertungsrichtlinie 2006).
Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde daraufhin eine AfA in Höhe von 4 %
berücksichtigt, da die Halle nicht eindeutig der Leichtbauweise bzw. der
massiven Bauweise zugeordnet werden konnte. Gegen die entsprechend
geänderten Einkommensteuerbescheide 2008 – 2010 wurde fristgerecht
Einspruch eingelegt. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Halle sei in
Leichtbauweise errichtet worden. Hierfür sähen die amtlichen AfA – Tabellen,
die für die Finanzverwaltung bindend seien, eine AfA in Höhe von 6 % vor
(BdF vom 19. November 1996, IV A 8 – S 1551-122/96, S 2230-42-St 215, S
2191-1-St 215, BStBl. I 1996, 1416, Tz 2.6.21.2 der landwirtschaftlichen
Tabelle).
Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2013 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass
nach Tz 2 der Vorbemerkungen zu den vom BMF erstellten AfA – Tabelle die
angegebene Nutzungsdauer lediglich als Anhaltspunkt für die Beurteilung der
Angemessenheit der steuerlichen AfA diene. Nach den Feststellungen der
Bausachverständigen liege die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der hier
strittigen Halle weit über dem doppelten einer üblichen Leichtbauhalle. Eine
Übernahme der für Leichtbauhallen vorgegebenen AfA - Sätze sei demnach
nicht geboten. Es sei den Klägern jedoch unbenommen, anhand von
detaillierten Baubeschreibungen des Herstellers bzw. einem eigenen
Sachverständigengutachten die behauptete kurze Lebensdauer der Halle zu
begründen. Da das beklagte Finanzamt den AfA – Satz der Betriebsprüfung in
Höhe von 4 % für zu hoch hielt, drohte es schließlich den verbösernden
Ansatz des AfA – Satzes von 3 % an, sofern nicht anderweitige Nachweise
vorgelegt würden.
Diesbezüglich legten die Kläger ein Schreiben des Verkaufsbüros der
Lieferfirma vom 19. August 2013 vor. Dieses Schreiben hat folgenden Inhalt:
“Die Halle von Herrn A. wurde in sogenannter Leichtbauweise errichtet. Die
Konstruktion ist ein entsprechender Stahl-Rahmenbau. Die Wände und die
Bedachung bestehen aus einfachem Trapezblech.“
Mit Schreiben vom 3. September 2013 teilte das beklagte Finanzamt den
Klägern erneut mit, dass mangels eindeutiger Zuordnung ein AfA – Satz aus
der amtlichen Tabelle nicht angewendet werden könne. Das vorgelegte
Schreiben der Herstellerfirma könne angesichts der Feststellungen der
Bausachverständigen nicht als Nachweis ausreichen. Insbesondere enthalte
es keinerlei Ausführungen, die einen AfA – Satz von 6 % bei einer
17-jährigen Nutzungsdauer begründen könnten.
Daraufhin setzte der Beklagte die Einkommensteuern für die Streitjahre unter
Berücksichtigung eines AfA – Satzes von 3 % entsprechend der vorherigen
Androhung höher fest.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung tragen die
Kläger im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Abschreibung von Wirtschaftsgebäuden richte sich nach § 7 Abs. 4 Satz 1
Nr. 1 und Satz 2 EStG. Nach Satz 2 könne die Abschreibung nach der
tatsächlichen Nutzungsdauer vorgenommen werden. Diese tatsächlichen
Nutzungsdauern für Wirtschaftsgebäude spiegelten sich in den amtlichen AfA
– Tabellen wieder. Die dort genannten Werte beruhten auf Erfahrungen der
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steuerlichen Betriebsprüfung und somit habe das BMF die anzusetzenden
tatsächlichen Nutzungsdauern bestimmt. Auch wenn die AfA – Tabellen keine
Gesetzeskraft hätten, so würden sie doch von der Rechtsprechung im
Grundsatz als zutreffende Schätzung der betriebsgewöhnlichen
Nutzungsdauern angesehen. Die Behauptung des Beklagten, die Kläger seien
zunächst von einer Nutzungsdauer von 33 Jahren ausgegangen, sei falsch.
Der Ansatz des AfA – Satzes von 3 % in den Jahren 2006 und 2007 sei
versehentlich erfolgt. Nachweise für die vom Finanzamt angeblich festgestellte
Nutzungsdauer von 40 bis 60 Jahren für die Kartoffelhalle seien nicht vorgelegt
worden. Erneut verweisen die Kläger auf das bereits im Einspruchsverfahren
vorgelegte Schreiben der Herstellerfirma vom 19. August 2013.
Die Kläger beantragen,
einen Abschreibungsbetrag für die Kartoffelhalle in Höhe von 6 %
(5.711 €) in den Streitjahren 2008 – 2010 zu berücksichtigen und die
Einkommensteuern in den Streitjahren entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom
21. Februar 2014. Weiterhin seien substantiierte Nachweise über die
behauptete Nutzungsdauer von 17 Jahren nicht vorgelegt worden. Die
Bausachverständige habe eine Nutzungsdauer zwischen 40 und 60 Jahren
festgestellt. Das beklagte Finanzamt habe eine kürzere Nutzungsdauer von 33
Jahren berücksichtigt.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010,
jeweils vom 24. Juni 2013, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.
Februar 2014 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§
100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO-).
Zu Unrecht ist der Beklagte im Streitfall von einem AfA-Satz von 3% für die
Kartoffelhalle ausgegangen. Die Kläger haben vielmehr einen Anspruch auf
Anwendung eines AfA-Satzes von 6%, wie er sich aus der amtlichen AfA-
Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“ (BdF vom 19. November 1996, IV A 8 –
S 1551-122/96, S 2230-42-St 215, S 2191-1-St 215, BStBl. I 1996, 1416, Tz
2.6.21.2) ergibt.
a. Die Gebäude-AfA bestimmt sich grundsätzlich nach § 7 Abs. 4 EStG.
Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG betragen die AfA bei Gebäuden, soweit
sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und
der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist, jährlich 3 %.
Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG können anstelle der Absetzungen nach § 7
Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes
entsprechenden AfA vorgenommen werden. Nutzungsdauer i.S. von § 7 Abs.
4 Satz 2 EStG ist gemäß § 11c Abs. 1 der Einkommensteuer-
Durchführungsverordnung der Zeitraum, in dem ein Gebäude voraussichtlich
seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu
schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß,
die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die
Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von
der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das
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Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer
kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige
hierauf berufen (ständige Rechtsprechung, Urteil vom BFH vom 4. März 2008
IX R 16/07, BFH/NV 2008, 1310, m.w.N.).
Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann
den AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der
technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein
wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer
wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig
entfallen ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1310, m.w.N.). Ob dies der Fall ist,
beurteilt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls. Die hierzu notwendige
Beurteilung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz (ständige Rechtsprechung,
BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1310, m.w.N.).
§ 7 Abs. 4 EStG stellt eine gesetzliche Typisierung der Nutzungsdauer i.S. von
§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG dar. Das FG hat danach im Rahmen von § 7 Abs. 4
Satz 2 EStG den Zeitraum zu schätzen, in dem das Gebäude
erfahrungsgemäß vom jeweiligen Eigentümer verwendet werden kann (vgl.
BFH-Urteile vom 9. Dezember 1999 III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001,
311 unter II.1., sowie vom 18. September 2003 X R 54/01, BFH/NV 2004, 474).
Maßgebend ist die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der
besonderen betriebstypischen Beanspruchung.
b. Als Hilfsmittel für die Schätzung der Nutzungsdauer hat das
Bundesministerium der Finanzen (BMF) unter Beteiligung der Fachverbände
der Wirtschaft AfA-Tabellen herausgegeben. Sie berücksichtigen sowohl die
technische als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts
und haben zunächst die Vermutung der Richtigkeit für sich, ohne dass sie
jedoch für die Gerichte bindend wären (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R
16/08, BFH/NV 2009, 899).
aa. Will das FG von der in der amtlichen AfA-Tabelle zugrunde gelegten
Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts generell und nicht nur wegen der
Besonderheiten des Einzelfalls abweichen, erfordert dies eine
Auseinandersetzung mit den Erkenntnisgrundlagen der Finanzverwaltung, auf
denen die AfA-Tabelle beruht (BFH-Urteil vom 8. November 1996 VI R 29/96,
BFH/NV 1997, 288). Entsprechendes gilt für die am Besteuerungsverfahren
Beteiligten (vgl. Gerichtsbescheid des FG Saarland vom 8. November 2006 1
K 336/03, EFG 2007, 1000).
bb. Ziel der Anwendung der AfA-Tabelle ist eine gleichheitsgerechte
Anwendung von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG. Insoweit sind die AfA-Tabellen
anzuwenden, soweit sie nach der Einschätzung des FG den Einzelfall
vertretbar abbilden (BFH-Urteil vom 28. Oktober 2008 IX R 16/08, BFH/NV
2009, 899).
cc. Die AfA-Tabellen des BMF haben für das Finanzamt den Charakter einer
Dienstanweisung. Für den Steuerpflichtigen handelt es sich um das Angebot
der Verwaltung für eine tatsächliche Verständigung im Rahmen einer
Schätzung, das er (z.B. durch die Anwendung der Tabellen bei der
Berechnung seiner Einkünfte) annehmen kann, aber nicht muss (vgl.
Gerichtsbescheid des FG Saarland vom 8. November 2006 1 K 336/03, EFG
2007, 1000).
c. Das BMF hat sowohl eine AfA-Tabelle für die allgemein verwendbaren
Anlagegüter (AfA-Tabelle "AV"; vom 15. Dezember 2000 IV D 2-S 1551-
188/00, B/2-2-337/2000-S 1551 A, S 1551-88/00, BStBl. I 2000, 1532) als auch
eine spezielle amtliche AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“ (BdF vom
19. November 1996, IV A 8 – S 1551-122/96, S 2230-42-St 215, S 2191-1-St
215, BStBl. I 1996, 1416) herausgegeben.
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In den Vorbemerkungen zur AfA-Tabelle “AV” hat die Finanzverwaltung zudem
zu erkennen gegeben, was unter den in den AfA-Tabellen verwendeten
Begriffen zu verstehen ist. Danach wird der Begriff „Leichtbauweise“ wie folgt
definiert:
„Bauausführung im Fachwerk oder Rahmenbau mit einfachen Wänden z.B.
aus Holz, Blech, Faserzement o.ä., Dächer nicht massiv (Papp-, Blech- oder
Wellfaserzementausführung)“
Dagegen versteht die Finanzverwaltung unter dem Begriff „massiv“:
„Gemauerte Wände aus Ziegelwerk oder Beton, massive Betonfertigteile,
Skelettbau, Dächer aus Zementdielen oder Betonfertigteilen, Ziegeldächer.“
Unter Berücksichtigung dieser Begrifflichkeiten geht das BMF für Hallen in
Leichtbauweise in der AfA-Tabelle “AV” von einer Nutzungsdauer von 14
Jahren (AfA-Satz: 7%) aus.
Nach der spezielleren amtlichen AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“
(BdF vom 19. November 1996, IV A 8 – S 1551-122/96, S 2230-42-St 215, S
2191-1-St 215, BStBl. I 1996, 1416) wird für Maschinen und Lagerhallen in
Massivbauweise eine Nutzungsdauer von 25 Jahren bzw. ein AfA-Satz von
4% (Tz 2.6.21.1) und für solche in Leichtbauweise (Holz, Faserzement,
Leichtmetall) eine Nutzungsdauer von 17 Jahren bzw. ein AfA-Satz von 6%
angenommen.
d. Unter Berücksichtigung der vorstehenden AfA-Tabellen der
Finanzverwaltung und der insoweit geltenden Rechtsgrundsätze geht der
Senat nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls davon aus, dass die
Anwendung der amtlichen AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“ (BdF
vom 19. November 1996, IV A 8 – S 1551-122/96, S 2230-42-St 215, S 2191-
1-St 215, BStBl. I 1996, 1416) aus Gleichheits- und
Gerechtigkeitsgesichtspunkten zwingend geboten ist und die dort unter Tz.
2.6.21.2 für Lagerhallen angegebene Nutzungsdauer von 17 Jahren bzw. ein
AfA-Satz von 6% den vorliegenden Einzelfall vertretbar abbildet.
Dafür sprechen zunächst die vorgelegte Herstellerbescheinigung und die
eigene Begriffsdefinition des BMF.
Nach der Herstellerbescheinigung wurde die streitbefangene Kartoffelhalle in
sogenannter Leichtbauweise errichtet. Begründet wird diese Einschätzung mit
der Konstruktion (Stahl-Rahmenbau) und dem für Wände und Bedachung
verwendeten Material (einfaches Trapezblech). Diese Beschreibung deckt sich
insoweit im Wesentlichen mit den Feststellungen der Bausachverständigen,
die lediglich noch auf einen Wandsockel (0,5 m) aus Klinkermauerwerk
hinweist. Nach der Begriffsdefinition des BMF ist die Annahme der
Leichtbauweise eine Bauausführung im Fachwerk oder Rahmenbau mit
einfachen Wänden z.B. aus Holz, Blech, Faserzement o.ä., Dächer nicht
massiv (Papp-, Blech- oder Wellfaserzementausführung) erforderlich. Auch
danach ist im Wesentlichen eine Leichtbauweise anzunehmen, denn die
Konstruktion ist gerade ein Rahmenbau mit Wänden und Dach aus Blech.
Selbst unter Zugrundelegung der Feststellungen der Bausachverständigen
kann sogar ein nicht sachkundiger Laie eine Massivbauweise nicht feststellen,
denn abgesehen von dem nur 0,50 m hohen Sockel sind weder gemauerte
Wände aus Ziegelwerk oder Beton vorhanden, noch wurden massive
Betonfertigteile verwendet. Auch das Hallendach ist nicht aus Zementdielen
oder Betonfertigteilen und es handelt sich erkennbar auch nicht um ein
Ziegeldach.
Danach spricht weit Überwiegendes dafür, eine in Leichtbauweise errichtete
Halle anzunehmen. Der Senat weist zudem darauf hin, dass die
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Bausachverständige sich mit den Begrifflichkeiten der Finanzverwaltung nicht
auseinandergesetzt und auch nicht festgestellt hat, dass allein der
Wandsockel in Klinkerbauweise den Charakter einer Halle in Massivbauweise
ausmacht und die Nutzungsdauer dadurch erheblich verlängert wird. Die
Bausachverständige hat lediglich eine eigenständige Schätzung der
Nutzungsdauer anhand einer Bewertungsrichtlinie vorgenommen.
Die Übernahme einer solchen Schätzung für eine eigenständige Schätzung
der Nutzungsdauer durch den Beklagten ist im Streitfall nicht zulässig.
Solange die AfA-Tabelle die Nutzungsdauer im Einzelfall vertretbar abbildet, ist
die Finanzverwaltung an die Erfahrungswerte der Tabelle im Rahmen einer
tatsächlichen Verständigung gebunden. Will das Finanzamt hiervon
abweichen, ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit den eigenen
Erkenntnisgrundlagen erforderlich. Soweit ersichtlich ist der Beklagte lediglich
davon ausgegangen, dass eine eindeutig Zuordnung zu einer Lagerhalle in
Leichtbauweise nicht möglich sei. Nach Auffassung des Senats hätte eine so
gravierende Abweichung von der AfA-Tabelle (Halbierung der Nutzungsdauer)
mindestens erfordert, dass sich der Beklagte mit den eigenen Begrifflichkeiten
auseinandersetzt und die Wesentlichkeit der Abweichung begründet.
Dies ist für den Senat nicht ersichtlich.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Werten der AfA-Tabelle um
grobe Schätzungen handelt, die auch der Verwaltungsvereinfachung dienen
und für eine gleichmäßige Anwendung sorgen sollen.
Diesem Zweck würde es zuwider laufen, wenn die Finanzverwaltung bei jeder
Abweichung eine eigene Schätzung der Nutzungsdauer vornehmen könnte.
Es steht dabei außer Frage, dass die tatsächliche Nutzungsdauer von
Wirtschaftsgütern teilweise erheblich von den angenommenen
Nutzungsdauern abweicht und hierfür z.B. Bauausführungen, verwendete
Materialen und Preis verantwortlich sind. Gleichwohl wird beispielsweise die
Nutzungsdauer sowohl eines Kleinwagens als auch die eines Luxusklasse-
Pkw mit 6 Jahren angenommen. Schätzungsungenauigkeiten sind hierbei
hinzunehmen.
Für die Vertretbarkeit der Schätzung eines AfA-Satzes von 6% im Streitfall
spricht schließlich, dass die Finanzverwaltung im Bereich der allgemein
verwendbaren Wirtschaftsgüter sogar von einem AfA-Satz von 7% für
Leichtbauhallen ausgeht.
Da die Kläger nur den Ansatz der AfA-Tabelle „Landwirtschaft und Tierzucht“
begehren und der Senat nicht von den AfA-Tabellen abweicht, sondern ihnen
folgt, ist die Einholung eines eigenen Sachverständigengutachtens im Streitfall
entbehrlich.
Nach alledem hatte die Klage Erfolg.
e. Das beklagte Finanzamt wird die Einkommensteuern für 2008 bis 2010
entsprechend den vorstehenden Ausführungen neu zu berechnen, das
Ergebnis der Neuberechnung den Klägern formlos mitzuteilen und nach
Rechtskraft der Entscheidung entsprechend geänderte
Einkommensteuerbescheide 2008 bis 2010 neu bekanntgeben (§ 100 Abs. 2
Sätze 2 und 3 FGO).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3
FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.