Urteil des FG Niedersachsen vom 23.04.2013

FG Niedersachsen: anwärter, einkünfte, slv, berufsausbildung, auskunft, dienstzeit, beförderung, dienstverhältnis, ernennung, reserve

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Berücksichtigung eines noch nicht 25jährigen
Reserveoffizier-Anwärters (Soldat auf Zeit) beim
Familienleistungsausgleich
Ein volljähriges Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und als
Soldat auf Zeit zum Reserveoffizier ausgebildet wird, wird nach § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet.
Niedersächsisches Finanzgericht 15. Senat, Urteil vom 23.04.2013, 15 K 60/12
§ 37 Abs 2 AO, § 2 Abs 2 EStG, § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG, § 32 Abs 4 S 2
EStG, § 70 Abs 2 EStG, § 70 Abs 4 EStG, § 44 Abs 2 FGO
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte (Familienkasse) die
Festsetzung des Kindergeldes für den volljährigen Sohn des Klägers (S), der
sich seit Juli 2011 im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit (SaZ) als
Reserveoffizier-Anwärter in der Offizierausbildung befindet, für die Monate
August 2011 bis Februar 2012 aufheben durfte.
Der Kläger ist der Vater zweier Kinder, hierunter der im Jahre 1991 geborene
Sohn S. S erlangte im Juni 2011 die allgemeine Hochschulreife. (…)
Zum 1. Juli 2011 begann S seinen Dienst in der Bundeswehr, und zum 7. Juli
2011 wurde ihm unter Berufung in das Dienstverhältnis eines SaZ bei einer
Offizieranwärter-Einheit der unterste Mannschaftsdienstgrad verliehen. S wird
seit Dienstantritt zum Reserveoffizier ausgebildet, und zwar zunächst als sog.
ROA-Bewerber und seit 1. Januar 2012 als Anwärter für die Laufbahn der
Offiziere der Reserve des Truppendienstes. Dementsprechend ordnete die
zuständige Bundeswehr-Dienststelle an, dass S ab 1. Januar 2012 „im
Schriftverkehr den Dienstgrad Obergefreiter (ROA) zu führen“ habe. Die
Ausbildung begann im Juli 2011 mit dem sechsmonatigen
Offizieranwärterlehrgang.
S erzielte im Jahre 2011 Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von mehr als 10.000,00 €.
Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes für S ab August 2011
unter Hinweis auf § 70 Abs. 2 EStG auf. Die Voraussetzungen für die
Berücksichtigung eines volljährigen Kindes beim Kindergeld lägen nicht vor.
Insbesondere befinde sich S seit Beendigung der Schulausbildung nicht mehr in
Ausbildung. Zugleich forderte die Familienkasse das für die Monate August bis
November 2011 gezahlte Kindergeld in Höhe von 736,00 € zurück.
Den hiergegen eingelegte Einspruch wies die Familienkasse als unbegründet
zurück. Die Ausbildung als Reserveoffizier-Anwärter könne nicht als
Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG anerkannt
werden, weil das Dienstverhältnis eines SaZ bei zweijähriger Dienstzeit (SaZ 2)
weder unmittelbar auf die Ausbildung eines SaZ zum Offizier des
Truppendienstes ausgerichtet sei noch mit der Ernennung zum
Unteroffizieranwärter ende.
Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage verweist der Kläger auf das
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. April 2002 VIII R 58/01 (BFHE 199,
111, BStBl II 2002, 523). Hiernach befinde sich ein Kind, das in der
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Dienststellung eines SaZ als Offizieranwärter zum Offizier ausgebildet werde, i.
S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Berufsausbildung. Nichts
anderes könne für seinen Sohn - dessen Dienstzeit im Jahre 2012 auf drei
Jahre verlängert wurde - als Reserveoffizier-Anwärter gelten. Die Ausbildung
und die abzulegenden Prüfungen seien für Offizieranwärter und Reserveoffizier-
Anwärter identisch. Dadurch werde sein Sohn für die Ausübung des
Offizierberufs befähigt. S könne sich bei der Bundeswehr über die zwei- bzw.
dreijährige Dienstzeit hinaus weiterverpflichten und dann den Beruf des Offiziers
ausüben.
Die Familienkasse ist der Klage entgegen getreten und nimmt zur Begründung
im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung Bezug. Ergänzend macht die
Familienkasse geltend, die Tätigkeit als Reserveoffizier könne nicht als
Erwerbsgrundlage gegen Entgelt ausgeübt werden. Anders als der Offizier des
Truppendienstes scheide der Reserveoffizier regelmäßig kurz nach Abschluss
seiner Ausbildung aus dem aktiven Dienst aus und werde Reservist. Daher
diene die Ausbildung nicht der Vorbereitung auf ein Berufsziel, sondern der
Gewinnung von geeigneten Reserveoffizieren für die Beorderungsreserve. Die
erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen seien keine Grundlage
für die Ausübung eines zivilen Berufes. (…)
Der Berichterstatter hat gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) von der für Ausbildungsfragen zuständigen
Bundeswehr-Dienststelle (im Folgenden: die B) eine Auskunft zu Dauer, Ablauf
und Inhalten der Ausbildung der Reserveoffizier-Anwärter beim Deutschen Heer
angefordert. B hat hierauf mitgeteilt, dass die Ausbildung der Reserveoffizier-
Anwärter seit der Neuordnung im Jahre 2010 der Ausbildung der
Offizieranwärter des Truppendienstes ohne Studium entspreche. Die Ausbildung
der Offizieranwärter und der Reserveoffizier-Anwärter sei gleichwertig. Die
Ausbildung erstrecke sich auf 36 Monate. Anschließend erfolge die Ernennung
zum Offizier (Leutnant bzw. Leutnant der Reserve). Bislang habe S die
vorgesehenen Ausbildungsabschnitte absolviert. Die Reserveoffizier-Anwärter
(SaZ 2 oder SaZ 3) hätten die Möglichkeit, sich als Offizieranwärter des
Truppendienstes weiter zu verpflichten. In der Praxis mache ein Teil der
Reserveoffizier-Anwärter hiervon Gebrauch.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Aufhebung der
Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar und Februar 2012 anficht.
Dagegen hat die Klage für die Monate August bis Dezember 2011 keinen Erfolg.
1. Die Aufhebung des Kindergeldes für die Monate Januar und Februar 2012 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in dessen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1
FGO). Dem Kläger steht für diese Monate Kindergeld für S zu.
a) Durch den angefochtenen Bescheid hat die Familienkasse auch die
Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar und Februar 2012 aufgehoben.
Klagegegenstand ist der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 8.
Dezember 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2012
(vgl. § 44 Abs. 2 FGO). Hierdurch hat die Familienkasse eine Regelung des
Kindergeldanspruchs bis zum Ende des Monats der Bekanntgabe der
Einspruchsentscheidung getroffen. Dieser zeitliche Regelungsumfang des
Aufhebungsbescheides ist durch die Klageerhebung nicht verändert worden
(vgl. BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II
2012, 681, unter II. 2. b); BFH-Beschluss vom 2. November 2012 III B 88/12,
BFH/NV 2013, 234, unter II. 3).
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b) Entgegen der von der Familienkasse vertretenen Auffassung steht dem
Kläger für die Monate Januar und Februar 2012 Kindergeld für S zu. Denn S
wurde in dieser Zeit gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen
Beruf ausgebildet.
aa) Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i. V. m.
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Anspruch auf Kindergeld, wenn es für
einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein
Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf
vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse,
Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die
Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme
braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu
nehmen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 2. April 2009 III R
85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298; vom 26. Oktober 2012 VI R 102/10,
BFH/NV 2013, 366). Nach der vom Kläger in Bezug genommenen BFH-
Rechtsprechung - der sich der erkennende Senat anschließt - erfüllt ein Kind,
das im Dienstverhältnis eines SaZ als Offizieranwärter zum Offizier des
Truppendienstes ausgebildet wird, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1
Nr. 2 Buchst. a EStG. Dem steht der dienstrechtliche Status des Anwärters als
eines SaZ deshalb nicht entgegen, weil hierdurch die auf die Ausbildung zum
Offizier gerichtete Dienstverpflichtung des Anwärters nicht berührt wird (BFH-
Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523, unter 2. b) aa).
bb) Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, befand sich der
Sohn des Klägers in den Monaten Januar und Februar 2012 in
Berufsausbildung.
(1) Die Ausbildung zum Offizier ist in ihren Grundzügen in § 24 der
Soldatenlaufbahnverordnung (SLV) geregelt. Hiernach dauert die Ausbildung
mindestens drei Jahre. In dieser Zeit, und zwar im Regelfall nach 30 Monaten
können die Anwärter den Dienstrang eines Oberfähnrichs erreichen. Die
Anwärter haben eine Offizierprüfung mit Erfolg abzulegen. Bei Nichtbestehen
können sie einmal zur Wiederholung der Prüfung zugelassen werden (§ 24 Abs.
2 SLV). Die Ausbildung endet mit der Beförderung zum Leutnant (§ 24 Abs. 3
Satz 1 SLV), und zwar nach 36 Monaten (§ 24 Abs. 1 SLV). Die Ausbildung
endet auch dann, wenn der Anwärter zur Wiederholung der Prüfung nicht
zugelassen wird oder die Wiederholungsprüfung nicht besteht (§ 24 Abs. 3 Satz
2 SLV).
Für die Beförderung der Reserveoffizier-Anwärter im Wehrdienstverhältnis gilt §
24 Abs. 1 SLV entsprechend (§ 43 Abs. 4 Satz 1 SLV). Auch die Reserveoffizier-
Anwärter haben vor der Beförderung zum Leutnant eine Offizierprüfung mit
Erfolg abzulegen, die bei Nichtbestehen einmal wiederholt werden kann (§ 43
Abs. 4 Satz 3 und 4 SLV).
Nach der Auskunft der B besteht die Offizierausbildung im Einzelnen aus
folgenden Abschnitten:
1. Offizieranwärterlehrgang:
6 Monate
2. Offizierlehrgang 1 mit Offizierprüfung: 3 Monate
3. Offizierlehrgang 2:
3 Monate
4. Truppenkommando:
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5. Sprachausbildung Englisch:
3 Monate
6. Offizierlehrgang 3:
13 Monate
7. Truppenpraktikum:
5 Monate
Gesamtdauer:
36 Monate.
Nach der eingeholten Auskunft entspricht die Ausbildung zum Reserveoffizier,
was Ablauf, Inhalte und Dauer angeht, der Ausbildung der aktiven
Offizieranwärter des Truppendienstes ohne Studium.
Im Streitfall hat S nach Eintritt in die Bundeswehr am Offizieranwärterlehrgang
(Juli bis Dezember 2011), am Offizierlehrgang 1 (Januar bis März 2012) und am
Offizierlehrgang 2 erfolgreich teilgenommen. Das bedeutet, dass er jedenfalls bis
dahin dieselbe Ausbildung absolviert hat wie ein Offizieranwärter des
Truppendienstes. Der Ausbildungsgang ist somit Grundlage für die
Ausbildungsziele „Offizier des Truppendienstes“ wie auch „Reserveoffizier“. Für
die Ausbildung zum Offizier oder Reserveoffizier ist es unerheblich, dass die
Anwärter die Dienststellung von Zeitsoldaten innehaben.
Ebenfalls ohne Belang ist es, dass der Sohn des Klägers in den Monaten
Januar und Februar 2012 den dienstrechtlichen Status eines SaZ 2, noch nicht
aber eines SaZ 3 hatte. Denn nach der Auskunft der B hätte S auch als SaZ 2
sein Ziel, Reserveoffizier zu werden, erreichen können. In diesem Fall hätte er
die Ausbildung ohne den Offizierlehrgang 3 absolviert. Aufgrund der
Verlängerung der Dienstzeit auf 3 Jahre ist nach der Auskunft der B die
Teilnahme an diesem Lehrgang jedoch für die Zeit von Januar 2013 bis Januar
2014 vorgesehen.
(2) Der Umstand, dass der Sohn des Klägers durch die Teilnahme an der
Ausbildung der Offizieranwärter und Reserveoffizier-Anwärter nicht die
Ernennung zum „Leutnant“, sondern zum „Leutnant der Reserve“ anstrebt, steht
der Anerkennung der Ausbildung als Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht entgegen. Nicht nur „Offizier des
Truppendienstes“, sondern auch „Reserveoffizier“ ist ein Beruf i. S. des § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.
Laufbahnrechtlich ist es nach § 43 Abs. 6 und 7 SLV möglich, dass
Reserveoffizier-Anwärter als Offizieranwärter übernommen bzw.
Reserveoffiziere zu Berufsoffizieren ernannt werden. Nach der Auskunft der B
macht ein Teil der Anwärter bzw. Reserveoffiziere von dieser Möglichkeit
tatsächlich Gebrauch. Das bedeutet, dass es auch dem Sohn des Klägers
grundsätzlich offensteht, seine Dienstzeit zu verlängern und nach der
Beförderung zum Leutnant den Beruf des Offiziers des Truppendienstes
auszuüben. Für diesen Beruf wurde S auch in den Monaten Januar und Februar
2012 ausgebildet.
Im Übrigen verlangt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht die Absicht
des Kindes, im erlernten Beruf tatsächlich tätig zu werden.
cc) Für die Frage, ob S im Jahre 2012 beim Kindergeld zu berücksichtigen ist,
kommt es nach § 32 EStG in der ab 1. Januar 2012 geltenden Fassung nicht
darauf an, ob und ggf. in welcher Höhe der Sohn des Klägers eigene Einkünfte
und Bezüge hat. Die Regelung über den sog. Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4
Satz 2 EStG in der bis 31. Dezember 2011 geltenden Fassung) ist durch das
Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131)
mit Wirkung ab 1. Januar 2012 aufgehoben worden.
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dd) Nach alledem steht dem Kläger für die Monate Januar und Februar 2012
Kindergeld für S zu.
2. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger hierdurch die Aufhebung des
Kindergeldes für die Monate August bis Dezember 2011 anficht. Die Einkünfte
und Bezüge des S überstiegen den für das Jahr 2011 geltenden Grenzbetrag.
a) Eine Kindergeldfestsetzung ist nach § 70 Abs. 4 EStG in der für das Jahr
2011 geltenden Fassung aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich
bekannt wird, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag
über- oder unterschreiten. Ein volljähriges Kind wird beim Kindergeld gemäß
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für das Jahr 2011 geltenden Fassung nur
berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des
Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht
mehr als 8.004,00 € im Kalenderjahr hat. Für jeden Kalendermonat, in dem die
Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG an keinem Tag
vorliegen, ermäßigt sich der Jahresgrenzbetrag um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 4
Satz 7 EStG in der für das Jahr 2011 geltenden Fassung).
Der Begriff der Einkünfte i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entspricht dem in § 2
Abs. 2 EStG gesetzlich definierten Begriff und ist je nach Einkunftsart als Gewinn
oder als Überschuss der Einnahmen über die Betriebsausgaben oder
Werbungskosten zu verstehen. Erzielt das Kind Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit, sind daher von den Einnahmen die Werbungskosten
abzuziehen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 21. Oktober 2010
III R 18/10, BFH/NV 2011, 251; vom 17. Juni 2010 III R 59/09, BFHE 230, 142,
BStBl II 2011, 121; vom 8. November 2012 V R 57/10, BFH/NV 2013, 456).
Zu den Bezügen i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Jahre 2011
geltenden Fassung gehören alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die
nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst
werden (z. B. BFH-Urteile vom 28. Mai 2009 III R 8/06, BFHE 225, 141, BStBl II
2010, 346; vom 24. Januar 2013 V R 42/11, juris), soweit sie zur Bestreitung des
Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Bezüge, die
für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz;
Entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet
werden (§ 32 Abs. 4 Satz 5 EStG in der im Jahre 2011 geltenden Fassung).
b) Werden diese Grundsätze auf den Streitfall übertragen, war die
Familienkasse berechtigt, für die Monate August bis Dezember 2011 die
Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben.
Maßgeblich ist im Streitfall der volle Jahresgrenzbetrag von 8.004,00 €. Denn
der Sohn des Klägers, der bereits im Jahre 2009 das 18. Lebensjahr vollendet
hatte, erfüllte im Jahre 2011 in jedem Monat die Voraussetzungen des § 32 Abs.
4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. In den Monaten Januar bis Juni 2011 befand er
sich in der Schulausbildung, und in den Monaten Juli bis Dezember 2011 wurde
er als Anwärter zum Reserveoffizier ausgebildet. (…)
Da S im Jahre 2011 Einkünfte und Bezüge in Höhe von mehr als 8.004,00 €
hatte, ist er als über 18 Jahre altes Kind im Jahre 2011 von einer
Berücksichtigung beim Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG
ausgeschlossen.
Die Familienkasse war nach § 70 Abs. 4 EStG verpflichtet, die
Kindergeldfestsetzung wegen Überschreitung der Einkünfte und Bezüge
aufzuheben. Deshalb ist es unschädlich, dass sowohl im Aufhebungsbescheid
als auch in der Einspruchsentscheidung auf die im Streitfall nicht einschlägige
Rechtsgrundlage des § 70 Abs. 2 EStG hingewiesen wird.
c) Die Beklagte ist nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) berechtigt, das
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für S in den Monaten August bis November 2011 gezahlte Kindergeld vom
Kläger zurückzufordern. Dadurch, dass die Familienkasse die Festsetzung auch
für diese Monate aufgehoben hat, hat der Kläger das Kindergeld ohne
Rechtsgrund erhalten.
3. Der Senat konnte gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung
entscheiden. Die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3, Abs. 1 FGO i. V. m. §§
708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.