Urteil des FG Niedersachsen vom 22.05.2013

FG Niedersachsen: gesellschafter, personengesellschaft, einkünfte, beherrschende stellung, spanien, geschäftsführer, gerichtsakte, tagessatz, kommanditgesellschaft, konzept

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Gewerbesteuermessbetrag 2006 und 2007
ges. und einh. Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen 2006 und 2008
Zahlungen einer Personengesellschaft, die für die Wahrnehmung von
Geschäftsführungsaufgaben an eine Schwesterkapitalgesellschaft geleistet
werden und einem Gesellschafter der Personengesellschaft zugutekommen,
sind bei diesem als Sonderbetriebseinnahmen zu erfassen.
Niedersächsisches Finanzgericht 4. Senat, Urteil vom 22.05.2013, 4 K 1/12
Tatbestand
Streitig ist der Betriebsausgabenabzug von Zahlungen an eine spanische
Kapitalgesellschaft.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der in den Streitjahren
2006 und 2007 Herr P zu 98 Prozent und seine Ehefrau zu 2 Prozent beteiligt
waren. Der Gegenstand des Unternehmens war die Durchführung von
Workshops und Tagungen.
Die Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren auch Gesellschafter
der O, einer Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer SL mit Sitz in Spanien.
Nach dem Inhalt der von der O abgegebenen Steuererklärungen hielten sie
jeweils 50 Prozent der Anteile. Der Gesellschafter P war zugleich alleiniger
Geschäftsführer der O. Für diese Tätigkeit bezog er in den Streitjahren
Vergütungen in Höhe von 100.000 EUR (2006) bzw. 60.000 EUR (2007).
Weitere Arbeitnehmer beschäftigte die O in den Streitjahren nicht.
Bereits im Jahr 2002 hatte die Klägerin, deren Gesellschafter damals noch zu
jeweils 50 Prozent P und V waren, mit der O einen Rahmenvertrag
abgeschlossen, in dem sich die O verpflichtet hatte, für die Klägerin Workshops
und Tagungen zu konzipieren, insbesondere Trainerleitfäden und
Moderationsabläufe zu erstellen und die Teilnehmerunterlagen vollständig
auszuarbeiten. Pro Konzeptionsauftrag sollten pauschal 2 „Manntage“ à 500
EUR netto vergütet werden. Daneben sollte die Klägerin 12,5 Prozent des
jeweils fakturierten Tagessatzes pro durchgeführter Maßnahme als
Lizenzgebühr entrichten.
Nach einer 2005 vereinbarten „Ergänzung 1“ übernahm die O neben den
konzeptionellen Aufgaben auch die kompletten Backoffice-Arbeiten für die
Klägerin und hatte hierfür Anspruch auf eine „Aufwandspauschale“ von 20
Prozent der Nettoumsätze.
Nach einer weiteren ab 2006 gültigen „Ergänzung 2“ übernahm die O für die
Klägerin in Deutschland auch die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells.
Die der O zustehenden Vergütungen wurden wie folgt festgesetzt:
- pro Konzeptauftrag pauschal 2 „Manntage“ à 800 EUR,
- 12,5 Prozent des jeweils fakturierten Tagessatzes pro durchgeführter
Maßnahme als Lizenzgebühr,
- als Akquisitionsprämie für Neukunden und Neuprojekte 8 Prozent des
Jahresumsatzes mit diesen Kunden,
- für die Übernahme der Backoffice-Arbeiten eine „Aufwandspauschale“ von
12,5 Prozent der Nettoumsätze.
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In den Gewinnermittlungen für die Streitjahre zog die Klägerin Zahlungen an die
O in Höhe von 450.000 EUR (2006) bzw. 75.000 EUR (2007) als
Betriebsausgaben ab. Im Streitjahr 2006 erbrachte die O ausschließlich
Leistungen an die Klägerin. Im Streitjahr 2007 erbrachte sie neben Leistungen
an die Klägerin auch Leistungen an ein weiteres Unternehmen, die allesamt in
den Monaten Oktober bis Dezember 2007 ausgeführt wurden.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat die Prüferin die Ansicht, dass die
Zahlungen an die O teilweise nicht als Betriebsausgaben abziehbar seien.
Viele Workshops seien mehrfach mit unterschiedlichen Teilnehmern
durchgeführt worden, so dass nicht jedes Mal ein vollständig neues Konzept
habe erarbeitet werden müssen. Bei mehrfach durchgeführten Veranstaltungen
könnten daher nur einmal die Pauschale für die Konzepterstellung und die
Kosten für eine allgemeine Überarbeitung der Konzepte anerkannt werden.
Soweit Seminare und Workshops tatsächlich nicht stattgefunden hätten, könne
die O nach den getroffenen Vereinbarungen keine Lizenzgebühr beanspruchen.
Der Ansatz der Backoffice-Pauschale sei nicht gerechtfertigt, weil der Sohn des
Gesellschafters P im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses
Büroarbeiten in den Räumen der Klägerin durchgeführt habe. In Spanien sei
kein Angestellter der O dauerhaft anwesend gewesen, der die für die tägliche
Büroorganisation notwendigen Arbeiten zeitgerecht hätte erbringen können.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) änderte die unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung stehenden Bescheide über die gesonderte und einheitliche
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und Gewerbesteuermessebetrag
2006 und 2007 gemäß den Prüfungsfeststellungen. Die hiergegen eingelegten
Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage macht die Klägerin geltend, dass die Zahlungen an die O in voller
Höhe als Betriebsausgaben abziehbar seien. Die zugrunde liegenden
Leistungen seien tatsächlich erbracht und von der O in Spanien versteuert
worden. Wegen der in beiden Ländern ähnlich hohen Steuersätze habe es
keinen Grund gegeben, Gewinne von Deutschland nach Spanien zu verlagern.
Zu den einzelnen Beanstandungen der Prüferin tragen die Kläger vor: Wegen
der unterschiedlichen Teilnehmer habe jeder Workshop individuell vorbereitet
werden müssen. Deshalb seien allen dafür gestellten Rechnungen
entsprechende Leistungen vorangegangen. Jeder vorgesehene Workshop
habe unabhängig von der späteren tatsächlichen Durchführung vorbereitet
werden müssen. Diese Leistungen hätten von ihr - der Klägerin - vergütet
werden müssen, da sie das mit dem Ausfall einer Veranstaltung verbundene
Risiko nicht auf die O habe abwälzen können. Die Backoffice-Pauschale sei zu
Recht abgerechnet worden, weil der Sohn des P im Rahmen seines
geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nicht alle Büroarbeiten habe
verrichten können. Die Geschäftspartner hätten erwartet, dass ihnen rund um
die Uhr ein Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Diese Arbeiten seien zum
größten Teil von Spanien aus erledigt worden. Die Pauschalen seien geringer
als die Aufwendungen gewesen, die bei Einstellung eigener Arbeitskräfte
angefallen wären.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 2006 und 2007 sowie der
Gewerbesteuermessbescheide 2006 und 2007 und der dazu
ergangenen Einspruchsbescheide die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
sowie die Gewerbesteuermessbeträge auf die Beträge herabzusetzen,
die sich ergeben, wenn die Zahlungen an die O in Höhe von 450.000
EUR (2006) bzw. 75.000 EUR (2007) als Betriebsausgaben abgezogen
werden.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an der den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Beurteilung
fest und führt aus: Die Behauptung, die O habe sämtliche Zahlungen in Spanien
versteuert, sei nach Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern unzutreffend.
Im Übrigen komme es für den Betriebsausgabenabzug nicht auf die steuerliche
Behandlung der Zahlungen durch den Empfänger an.
Da die O im Streitjahr 2006 ausschließlich für die Klägerin tätig gewesen sei,
habe die Tätigkeit, die der Gesellschafter P für diese erbracht habe,
ausschließlich in der Erbringung von Geschäftsführungsleistungen für die
Klägerin bestanden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.
Februar 2006 VIII R 40/03 (BStBl. II 2008, 182) seien die von der Klägerin an die
O geleisteten Zahlungen bei diesem daher in voller Höhe als
Sondervergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen. Zwar habe der BFH in dieser
Entscheidung wie auch in den Urteilen vom 6. Juli 1999 VIII R 46/94 (BStBl. II
1999, 720), vom 10. Juli 2002 I R 71/01 (BStBl. II 2003, 191) und vom 7.
Dezember 2004 VIII R 58/02 (BStBl. II 2005, 390) nur über Fälle zu entscheiden
gehabt, in denen die an die zwischengeschaltete GmbH gezahlten Vergütungen
in voller Höhe an den Gesellschafter weitergeleitet worden seien. In dem Urteil in
BStBl. II 1999, 720 habe der BFH jedoch ausgeführt, dass die Einschaltung der
GmbH in den Leistungsaustausch zwischen dem Kommanditisten und der
Kommanditgesellschaft schon deshalb unbeachtlich sei, weil dieser als
Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der
leistungserbringenden GmbH beide Unternehmen beherrscht habe, er die
geschuldete Leistung in eigener Person erbracht habe und ihm der
wirtschaftliche Erfolg des Rechtsgeschäfts zugutegekommen sei. Damit sei
auch im vorliegenden Fall die Erfassung der formal von der O erzielten Einkünfte
aus der Erbringung von Dienstleistungen an die Klägerin bei den Einkünften im
Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG des Gesellschafters P gerechtfertigt, weil
dieser rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen sei, die unternehmerischen
Entscheidungen der O und der Klägerin zu bestimmen, er die geschuldeten
Leistungen in eigener Person erbracht habe und ihm bzw. seiner Ehefrau deren
wirtschaftlicher Erfolg zugutegekommen sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
einverstanden erklärt (Schriftsatz der Klägerin vom 8. März 2012 - Blatt 12 Band
I der Gerichtsakte - und Schriftsatz des FA vom 12. April 2012 - Blatt 42 Band I
der Gerichtsakte -).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen
ist sie unbegründet.
1. Die von der Klägerin an die O geleisteten Zahlungen sind nicht in voller Höhe
als Betriebsausgaben abziehbar. Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG
Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Zahlungen an nahe
Angehörige sind allerdings nur dann als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sie
auf rechtswirksam im Voraus getroffenen Vereinbarungen beruhen, die inhaltlich
dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen, und sie entsprechend den
getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt werden (Schmidt/Heinicke,
Einkommensteuergesetz, 32. Auflage 2013, § 4 Randnummer 520
„Angehörige/Angehörigenverträge“ m.w.N.). Für den Abzug von Leistungen
einer (Personen- oder Kapital-) Gesellschaft an eine andere kann nichts anderes
gelten, wenn an beiden Gesellschaften ein und dieselben Personen derart
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beteiligt sind, dass der zwischen fremden Geschäftspartnern bestehende
Interessengegensatz aufgehoben oder eingeschränkt ist. Diese Voraussetzung
ist im Verhältnis zwischen der Klägerin und der O erfüllt, weil die Gesellschafter
der Klägerin zugleich an der O beteiligt waren und in den Streitjahren zusammen
jedenfalls die Mehrheit der Anteile gehalten haben.
a) Hiernach hat die Prüferin den Teil der Lizenzgebühren, die auf nicht
durchgeführte Veranstaltungen entfallen, zu Recht nicht als Betriebsausgaben
anerkannt. Denn nach den in der Ergänzung 2 getroffenen Vereinbarungen
bemaß sich die der O zustehende Lizenzgebühr nach dem jeweils fakturierten
Tagessatz pro „durchgeführter“ Maßnahme. Dass der Anspruch auf den
Tagessatz selbst nicht von der Durchführung der Maßnahme abhängig war, ist
für den Anspruch auf die Lizenzgebühr unerheblich.
b) Auch die Vergütungen für die Erstellung der Konzepte sind nicht in voller
Höhe als Betriebsausgaben abziehbar. Die Prüferin ist zu Recht davon
ausgegangen, dass für Workshops mit ein und demselben Thema, die mit
unterschiedlichen Teilnehmern durchgeführt wurden, nicht jedes Mal ein völlig
neues Konzept erarbeitet werden musste, so dass die der Klägerin von der O
insoweit in Rechnung gestellten Beträge überhöht waren und von einem
fremden Dritten nicht in voller Höhe gezahlt worden wären. Die Auffassung der
Prüferin, dass bei mehrfach durchgeführten Veranstaltungen stets nur einmal die
Pauschale für die Konzepterstellung und die Kosten für eine allgemeine
Überarbeitung anerkannt werden könnten, verkennt allerdings, dass sich je
nach Art des Teilnehmerkreises unterschiedliche Anforderungen an Inhalt und
Durchführung der Maßnahme ergeben konnten, die unter Umständen auch eine
wiederholte Anpassung des Konzepts erforderlich machen konnten. Allerdings
erscheint es bei Workshops, die mehr als fünfmal mit demselben Thema
angeboten wurden, unglaubhaft, dass für die die darüber hinausgehende Zahl
von Veranstaltungen noch zusätzlicher Überarbeitungsaufwand angefallen ist.
Hiernach sind die von der O in Rechnung gestellten Leistungen in folgendem
Umfang unangemessen und nicht zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen:
(wird ausgeführt).
c) Die für das Jahr 2006 in Rechnung gestellte Backoffice-Pauschale ist in voller
Höhe anzuerkennen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese mit 12,5 Prozent der
Nettoumsätze unangemessen hoch bemessen gewesen ist. Ebenso wenig
liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die O die geschuldeten Leistungen
tatsächlich nicht erbracht hat oder die Klägerin ihrer tatsächlich nicht bedurft
hätte. Wie sich aus der geringen Höhe des Personalaufwands ergibt, hat die
Klägerin in den Streitjahren über keine Arbeitskräfte verfügt, die in der Lage
gewesen wären, die von der O geschuldeten Leistungen zu erbringen.
Vorbehaltlich der sich aus den nachstehenden Ausführungen zu 2. ergebenden
Konsequenzen ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass diese
Leistungen durch den Gesellschafter P nicht in seiner Eigenschaft als
Gesellschafter der Klägerin, sondern in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer
der O erbracht wurden.
d) Damit sind über die von der Prüferin berücksichtigten Beträge hinaus weitere
Betriebsausgaben in Höhe von 200.000 EUR (2006) bzw. 40.000 EUR (2007)
zu berücksichtigen.
2. Soweit die Geschäftsführerbezüge, die P von der O erhalten hat, auf
Leistungen für die Klägerin entfallen, fallen sie für diesen aber unter die aus
seiner Beteiligung an der Klägerin erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus
Gewerbebetrieb neben den Gewinnanteilen der Gesellschafter einer offenen
Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen
Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer des Betriebs
anzusehen sind, auch die Vergütungen, die der Gesellschafter von der
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Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe
von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern erhält. Diese sog.
Sondervergütungen mindern zwar auf der ersten Stufe den Gewinn der
Gesellschaft und damit auch den dem einzelnen Gesellschaft daran
zuzurechnenden Anteil, sind auf der zweiten Stufe dem Gesellschafter, der sie
bezogen hat, aber individuell zuzurechnen und erhöhen damit seine Einkünfte
aus Gewerbebetrieb. Zu den Tätigkeitsvergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1
Nr. 2 Satz 1 EStG gehören nicht nur Entgelte für Leistungen, die der
Gesellschafter aufgrund eines von ihm selbst mit der Personengesellschaft
abgeschlossenen schuldrechtlichen Vertrags an diese erbringt.
Sondervergütungen kommen vielmehr auch dann in Betracht, wenn ein Dritter in
den Leistungsaustausch zwischen dem Gesellschafter und der
Personengesellschaft eingeschaltet ist. Vergütungen einer
Personengesellschaft für Verwaltungs- und Managementleistungen eines
Gesellschafters sind deshalb auch dann als dessen Sonderbetriebseinnahmen
im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu erfassen, wenn der
Gesellschafter seine Leistung - wie im vorliegenden Fall - über eine
zwischengeschaltete Schwesterkapitalgesellschaft erbringt (BFH-Urteil vom 14.
Februar 2006 VIII R 40/03, BStBl. II 2008, 182, m.w.N.). Dies gilt unabhängig
davon, ob der Gesellschafter in der Schwesterkapitalgesellschaft eine
beherrschende Stellung innehat oder nicht (BFH-Urteil in BStBl. II 2005, 390,
unter II. 1. b). Soweit die Schwesterkapitalgesellschaft auch Leistungen an Dritte
erbringt, setzt die Qualifikation als Sondervergütung allerdings voraus, dass die
Vergütungen, die der Gesellschafter für seine Dienste gegenüber der
Personengesellschaft erhält, von denjenigen abgrenzbar sind, die er für Dienste
gegenüber Dritten bezieht (BFH-Urteile in BStBl. II 1999, 720, und in BStBl. II
2008, 182). Entgegen der Auffassung des FA können die von der
Personengesellschaft an die Schwesterkapitalgesellschaft gezahlten
Vergütungen dem Gesellschafter auch nicht stets in voller Höhe, sondern nur
insoweit als Sondervergütungen zugerechnet werden, als sie von der
Schwesterkapitalgesellschaft an ihn weitergeleitet werden (BFH-Urteil in BStBl. II
2005, 390, unter II. 1. b). Denn § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG bezweckt nur,
bestimmte von dem Gesellschafter bezogene Vergütungen in solche aus
Gewerbebetrieb umzuqualifizieren, nicht hingegen, ihm Einkünfte zuzurechnen,
die nicht er selbst, sondern ein Dritter bezogen hat.
b) Hiernach sind dem Kläger P die von der O für das Streitjahr 2006 gezahlten
Geschäftsführerbezüge von 100.000 EUR in voller Höhe als Einkünfte im Sinne
des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zuzurechnen, weil die O in diesem Zeitraum
ausschließlich gegenüber der Klägerin tätig geworden ist. Die
Geschäftsführerbezüge des Jahres 2007 sind für die Zeit bis zum 30.
September 2007 als Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zu
behandeln, weil die O bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich gegenüber der
Klägerin fakturierte. Bei einer zeitanteiligen Aufteilung der Jahresbezüge von
60.000 EUR entspricht dies einem Betrag von 45.000 EUR.
c) Die Bestimmungen des - auf die Streitjahre anwendbaren - Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 5.
Dezember 1966 (DBA-Spanien) stehen der Qualifikation der von dem
Gesellschafter P bezogenen Sondervergütungen nicht entgegen. Da dieses
Abkommen keine solche Vergütungen betreffende ausdrückliche Regelung
enthält, gelten diese Vergütungen für Zwecke des Abkommens ausschließlich
als Unternehmensgewinne (§ 50d Abs. 10 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 59a Satz 8
EStG). Nach Artikel 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Spanien steht das Besteuerungsrecht
hinsichtlich der von der Klägerin erzielten Gewinne aber Deutschland zu.
3. Hiernach ist der Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2006 auf den Betrag
herabzusetzen, der sich ergibt, wenn bei der Ermittlung des Gewinns aus
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Gewerbebetrieb um 200.000 EUR höhere Betriebsausgaben abgezogen und
zusätzliche Sondervergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 in Höhe von
100.000 EUR angesetzt werden. Denn nach § 7 Satz 1 des
Gewerbesteuergesetzes ist der Ermittlung des Gewerbeertrags der nach den
Vorschriften des EStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb
zugrunde zu legen, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem
Erhebungszeitraum entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen
ist. Dazu gehören bei einer Personengesellschaft auch die Sondervergütungen
im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Für das Jahr 2007 muss es bei der
bisherigen Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags verbleiben, weil die
dem bisher zugrunde gelegten Gewinn hinzuzurechnenden Sondervergütungen
die zusätzlich abzuziehenden Betriebsausgaben übersteigen und dem Gericht
eine Änderung des angefochtenen Bescheids zu Lasten der Klägerin verwehrt
ist.
4. Die gesondert und einheitlich festgestellten Einkünfte aus Gewerbebetrieb
sind auf die Beträge festzustellen, die sich unter Berücksichtigung um 200.000
EUR höherer Betriebsausgaben für das Jahr 2006 und um 40.000 EUR höherer
Betriebsausgaben für das Jahr 2007 ergeben. Die Berücksichtigung höherer
Sondervergütungen ist verfahrensrechtlich ausgeschlossen.
Ist nach den §§ 179, 180 AO eine gesonderte oder eine gesonderte und
einheitliche Feststellung durchzuführen, werden die einzelnen
Besteuerungsgrundlagen selbst Regelungsgegenstand dieses
Steuerverwaltungsakts. Das gilt z.B. für die Feststellung der Höhe des
Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder
eines Sondergewinns (BFH-Urteil vom 20. Januar 1977 IV R 3/75, BStBl. II
1977, 509). Der Feststellungsbescheid stellt sich demnach als
Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar,
die - soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten und eines
rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind - auch als selbständiger
Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen (BFH-Urteil vom 10.
Februar 1988 VIII R 352/82, BStBl. II 1988, 544). Im Streitfall ist Streitgegenstand
allein die Frage, in welcher Höhe die Zahlungen der Klägerin an die O bei der -
auf der Ebene der Gesellschaft vorzunehmenden - Ermittlung des
Gesamtgewinns als Betriebsausgaben abziehbar sind. Über die Frage, ob und
inwieweit die an die O geleisteten Zahlungen bei dem Gesellschafter P als
Sondervergütungen anzusetzen sind, ist in den angefochtenen Bescheiden
überhaupt nicht entschieden worden. Dies schließt es aus, die Berücksichtigung
der höheren Betriebsausgaben ganz oder teilweise durch den Ansatz höherer
Sondervergütungen zu kompensieren (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2002 IX
R 20/98, BStBl. II 2002, 796).
5. Hiernach sind die angefochtenen Bescheide über Gewerbesteuermessbetrag
2006 und die gesonderte und einheitliche Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen 2006 und 2007 sowie die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung in dem sich aus Nr. 3 und Nr. 4 ergebenden Umfang
zu ändern (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die
Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags und der festzustellenden
Besteuerungsgrundlagen kann dem FA übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2
FGO). Im Übrigen ist die Klage abzuweisen. Die Kosten sind den Beteiligten im
Verhältnis ihres Unterliegens aufzuerlegen (§ 136 Abs. 1 FGO). Die
Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 10 und §
711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO.