Urteil des FG Niedersachsen vom 09.01.2014

FG Niedersachsen: lsv, verfügung, sozialversicherung, anforderung, vergütung, abrechnung, satzung, arbeitskraft, niedersachsen, weisung

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Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen eines
landwirtschaftlichen Betriebshelfers
Für die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betriebshelfer steuerfreie
Leistungen nach § 4 Nr. 27 b UStG erbringt, ist entscheidend, wem
gegenüber er schuldrechtlich zur Leistungserbringung verpflichtet ist.
Sofern der Betriebshelfer mit dem örtlichen Maschinenring lediglich ein
Vermittlungsverhältnis begründet, kommen als Vertragspartner entweder die
notleidenden landwirtschaftlichen Betriebe oder der landwirtschaftliche
Sozialversicherungsträger in Betracht.
Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 09.01.2014, 16 K 295/13
§ 4 Nr 27b UStG
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger als landwirtschaftlicher
Betriebshelfer steuerfreie Leistungen im Streitjahr 2009 nach § 4 Nr. 27 b
Umsatzsteuergesetz (UStG) erzielt hat.
Der Kläger ist seit 2008 als nebenberuflicher landwirtschaftlicher Betriebshelfer
tätig. In seiner am 5. Oktober 2009 beim Beklagten eingegangenen
Umsatzsteuerjahreserklärung für das Kalenderjahr 2008 gab er an, als
Kleinunternehmer i. S. d. § 19 Abs. 1 UStG im Kalenderjahr 2007 einen
Umsatz in Höhe von 13.133 € und im folgenden Jahr einen in Höhe von 3.978
€ erzielt zu haben.
Mit Schreiben vom 1. November 2011 bat der Beklagte das Finanzamt W um
die Durchführung einer Außenprüfung. Der Kläger sei als landwirtschaftlicher
Betriebshelfer tätig und rechne mit dem Maschinenring N (Maschinenring) ab.
Fraglich sei, ob die erbrachten Umsätze des Klägers tatsächlich steuerfrei
seien.
In der Zeit von Mai bis Juni 2012 führte das Finanzamt W beim Kläger eine
Außenprüfung durch, die die Jahre 2008 bis 2010 umfasste. Dabei stellte der
Außenprüfer folgende vertraglichen Beziehungen fest:
Dem Außenprüfer wurde zunächst ein Vertrag vom 12. September 2006
zwischen der Landwirtschaftlichen
Alterskasse/Krankenkasse/Berufsgenossenschaft N
(Landwirtschaftlicher Sozialversicherungsträger – LSV-Träger) und dem
Landwirtschaftlichen Maschinenring N e. V. (LMR Nds.) über die
Erbringung der Sozialleistung Betriebs- und Haushaltshilfe und die
Prüfung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Dienstleistung vorgelegt.
In der Präambel zum Vertrag wird danach betont, dass die Betriebs- und
Haushaltshilfe in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung eine der
bedeutendsten Sozialleistungen sei. Sie habe den Zweck, die wegen
Krankheit, Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Leistungen zur medizinischen
Rehabilitation, Schwangerschaft oder Mutterschaft ausfallende
Arbeitskraft des Landwirts oder Landwirtin so weit zu ersetzen, dass ein
Einkommensverlust verhindert werde. Als Betriebs- oder Haushaltshilfe
werde grundsätzlich von den Trägern der landwirtschaftlichen
Sozialversicherung eine Ersatzkraft gestellt (Sachleistungsprinzip). Diese
müsse über entsprechende Eignung und Ausbildung verfügen. Der
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Vertrag solle dazu dienen, den gesetzlichen Erfordernissen gerecht zu
werden, dass genügend geeignete Ersatzkräfte zur Verfügung stünden
und zum Einsatz kommen könnten, um dem Sachleistungsprinzip
Rechnung zu tragen.
Nach § 1 des Vertrages verfügte der LMR Nds. über entsprechende
Ersatzkräfte, die bei der Erbringung von Betriebs- oder Haushaltshilfe als
Betriebs- und Haushaltshilfekräfte einsetzbar seien. Gegenstand des
Vertrages sei der Inhalt, der Umfang, die Vergütung sowie die Prüfung
der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung, über deren
Inhalt, Umfang und Dauer der LSV-Träger entscheide, sowie die
Vermittlung der beim LSV-Träger fest angestellten Ersatzkräfte durch den
LMR Nds.
Nach § 2 Abs. 2 des Vertrages unterstützte der LMR Nds. den LSV-
Träger bei der Erbringung und Durchführung von Betriebs- oder
Haushaltshilfe, indem er auf Anforderung der Landwirtschaftlichen
Sozialversicherung eine geeignete Ersatzkraft zur Verfügung stelle. Dies
gelte auch bei einer notwendigen Verlängerung eines Einsatzes, bei
einem Einsatzwechsel und bei einer erforderlichen Stundenänderung. §
2 Abs. 3 des Vertrages bestimmte, dass neben den eigenen Kräften des
LMR Nds. als einsatzbezogenen Leistungen auch für die fest
angestellten Kräfte des LSV-Trägers erbracht werden sollten, wobei
deren Anstellungsverhältnis bestehen bleibe. Dabei seien die
angestellten Kräfte des LSV-Trägers vorrangig vor allen anderen
Einsatzkraftarten einzusetzen. Der Ablauf der Aufgaben, die durch den
LMR Nds. zu erbringen waren, wurden in einem Ablaufdiagramm
dargestellt, dass als Anlage 1 nach § 2 Abs. 4 des Vertrages Bestandteil
der Vereinbarungen wurde. Nach dem Ablaufdiagramm hatte der LMR
Nds. vorrangig hauptberufliche Einsatzkräfte des LSV-Trägers
einzusetzen. Nachrangig waren hauptberufliche Einsatzkräfte,
nebenberufliche Einsatzkräfte und Zivildienstleistende des LMR Nds.
einsetzbar. In diesem Fall sollte die Rechnungsstellung durch den LMR
Nds. erfolgen.
Nach § 6 des Vertrages haftete der LMR Nds. für Schäden, die durch sie
oder durch bei ihr angestellte haupt- oder nebenberufliche Ersatzkräfte
und Zivildienstleistende schuldhaft verursacht wurden, und verpflichtete
sich insoweit, den LSV-Träger von der Haftung freizustellen. Der LMR
Nds. hatte hierzu eine mindestens die gesetzliche Haftpflicht umfassende
Haftpflichtversicherung nachzuweisen.
Regelungen zur Vergütung enthielt § 7 der Vereinbarung. Danach
vergüteten der LSV-Träger die im Rahmen der Betriebs- oder
Haushaltshilfe erbrachten Leistungen des LMR Nds. nach den in einer
eigenen Vergütungsvereinbarung geregelten Vergütungssätzen. Weder
der LMR Nds. noch die von ihm eingesetzten Ersatzkräfte konnten
Forderungen gegenüber den Versicherten erheben.
In einer Vergütungsvereinbarung vom 10. Februar 2009 zwischen dem
LSV-Träger und dem LMR Nds. wurde festgelegt, dass der LSV-Träger
dem LMR Nds. für Einsätze von hauptberuflichen Ersatzkräften einen
pauschalen Stundensatz in Höhe von 22 € zahle. Bei nebenberuflichen
Einsatzkräften ermäßigte sich dieser Stundensatz auf 15 €, bei sonstigen
Einsatzkräften (Zivildienstleistenden) auf 8 €. Hauptberuflich waren dabei
solche Einsatzkräfte, die vom LMR Nds. dauerhaft in einem
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis beschäftigt
wurden. Nebenberuflich waren solche Einsatzkräfte, mit denen lediglich
ein Bereitstellungsvertrag geschlossen worden war und die nicht oder
nur für die Dauer des jeweiligen Einsatzes beschäftigt wurden. Mit diesen
Stundensätzen waren auch die Leistungen des LMR Nds. zur
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Unterstützung des LSV-Trägers und die Prüfung der Qualität der
Sozialleistungen mit abgegolten. In der wortgleichen
Vorgängervereinbarung vom 4. Juli 2008 waren Stundensätze von 21 €,
14 € bzw. 8 € festgelegt worden.
Mit Beitrittserklärung vom 31. Januar 2007 trat der Maschinenring
rückwirkend zum 1. Oktober 2006 in alle Rechte und Pflichten des
Vertrages zwischen dem LSV-Träger und dem LMR Nds. vom 12.
September 2006 bei. Nach dieser Beitrittserklärung war der
Maschinenring danach berechtigt, für die von ihm betreuten Betriebshilfe-
Einsätze unter Einhaltung der damit verbundenen Abläufe und
Bedingungen nach der Vergütungsvereinbarung direkt mit dem LSV-
Träger abzurechnen.
Am 6. Februar 2008 schlossen der Kläger und der Maschinenring eine
Vereinbarung, die als Bereitschaftserklärung überschrieben war. Der
Kläger erklärte sich danach bereit, ab dem 6. Februar 2008 für die
Mitglieder des Maschinenrings die Tätigkeit eines nebenberuflichen
Betriebshelfers zu übernehmen. Seine Aufgabe bestehe darin, die im
Einsatzbetrieb anfallenden Arbeiten im Sinne und/oder nach Weisung
des Betriebsleiters bzw. seines Stellvertreters zu verrichten.
Rechtsbeziehungen entstünden nur zwischen dem Auftrag nehmenden
und dem Auftrag gebenden Betrieb. Die Vermittlung der Einsätze erfolge
nach Anforderung der Mitglieder ausschließlich durch den
Maschinenring. Die Vergütung erfolge in Anlehnung an die jeweils
gültigen, unverbindlichen Verrechnungssätze des Maschinenrings. Die
Verrechnung der Einsatzkosten erfolge der Einsatztagebuchzettel
bargeldlos durch den Maschinenring.
Gestützt auf eine Verfügung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom
17. Januar 2011 ging der Außenprüfer davon aus, dass der beigetretene
Maschinenring im eigenen Namen und für eigene Rechnung die
entsprechenden Leistungen der Gestellung von Betriebshelfern
gegenüber dem LSV-Träger erbringe. Dies folge aus dem Umstand, dass
der LSV-Träger dem LMR Nds. und damit mittelbar gegenüber dem
Maschinenring eine pauschale Stundenvergütung schulde und der LMR
Nds. bzw. der Maschinenring gegenüber dem LSV-Träger für Schäden,
die die Einsatzkräfte schuldhaft verursachten, hafte. Der Kläger erbringe
keine Leistungen gegenüber dem LSV-Träger, weil zwischen diesen
beiden keinerlei vertraglichen Beziehungen bestünden. Der Kläger habe
nur Anspruch auf eine Vergütung durch den Maschinenring nach den
von ihm festgelegten Vergütungssätzen.
An diesem Ergebnis ändere auch das Abrechnungsverfahren des
Maschinenrings nichts. Zwar trete der Maschinenring im Namen und auf
Rechnung des jeweiligen Helferbetriebs auf. Der erbrachten Leistung
liege aber der Vertrag vom 12. September 2006 zugrunde.
Der Außenprüfer ermittelte die seiner Meinung nach
umsatzsteuerpflichtigen Bruttoumsätze des Klägers für die drei
Prüfungsjahre anhand der Einnahme-Überschussrechnungen und
unterwarf diese dem allgemeinen Steuersatz. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Argumentation des Außenprüfers und seinen
Berechnungen der steuerpflichtigen Umsätze und der abzugsfähigen
Vorsteuern wird auf Tzn. 15 bis 16 des Berichts vom 15. Juni 2012 über
die Außenprüfung zur STNr. xxx; AD-Nr. xxx hingewiesen.
Der Beklagte folgte der Auffassung des Außenprüfers und erließ am 30.
Juli 2012 einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für 2009.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Zur Begründung
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gab er an, er habe seine Aufträge bislang immer über den Maschinenring
erhalten, dabei aber davon ausgegangen, dieser erbringe nur eine
Vermittlungsleistung. Tatsächlich sei er aber nur gegenüber dem LSV-
Träger tätig geworden.
Der Vertrag vom 12. September 2006 zwischen dem LSV-Träger und
dem LMR Nds. sei auslegungsbedürftig, weil die Regelung in § 2 Abs. 2
Satz 1, mit der sich der LMR Nds. verpflichtet habe, dem LSV-Träger
Einsatzkräfte zur Verfügung zu stellen, nicht den üblichen Terminus der
Gestellung von Einsatzkräften verwandt habe. Bereits die
Abrechnungspraxis des Maschinenrings gegenüber dem LSV-Träger
belege, dass lediglich Vermittlungsleistungen erbracht worden seien.
Gegenüber dem LSV-Träger habe der Maschinenring unter Angabe des
Namens und der Steuernummer des Klägers einen Stundensatz
umsatzsteuerfrei in Rechnung gestellt und zusätzlich eine Provision von
1 € pro Stunde abgerechnet. Diese Abrechnungspraxis habe der LSV-
Träger stets akzeptiert. Aus der Gestaltung der Rechnung werde
deutlich, dass der Maschinenring im Namen und für Rechnung des
Klägers abgerechnet habe. Aus der Satzung des Maschinenrings vom
10. Dezember 2005 ergebe sich schließlich, dass dieser gegenüber
seinen Einzelmitgliedern nur die Vermittlung gegenseitiger Arbeitshilfe
und Organisation des Einsatzes von Betriebshelfern in Mitgliedsbetrieben
schulde.
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Begriffe „Zur Verfügung
Stellen“ und „Gestellung“ identisch seien, ändere sich an diesem
Ergebnis nichts, weil die Vertragsparteien bei Vertragsschluss
übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass der LMR Nds. nur
eine Vermittlungsleistung erbringe. Dies zeige sich auch daran, dass der
LMR Nds. unmittelbar nach Bekanntwerden der Auffassung der
Finanzverwaltung eine Vertragsänderung mit dem LSV-Träger
angestrebt habe mit dem Ziel, das gemeinsame Verständnis nunmehr
unzweifelhaft im Wortlaut des Vertrages niederzulegen. Aus § 7 des
Vertrages folge kein anderes Ergebnis, weil in einem derartigen
Rahmenvertrag auch solche Aspekte mitgeregelt würden. Auch in der
Bereitschaftserklärung habe der Kläger lediglich erklärt, bei der
Betriebshilfe durch den LSV-Träger mitzuwirken.
Der Einspruch blieb erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 05. November
2013 führte der Beklagte zur Begründung aus, der Kläger habe keine
direkten Vertragsvereinbarungen mit dem LSV-Träger geschlossen. In
der Bereitschaftserklärung habe der Kläger gegenüber dem
Maschinenring sich zur Leistung verpflichtet, auch dort sei der LSV-
Träger nicht erwähnt worden. Der Passus, wonach Rechtsbeziehungen
nur zwischen dem Auftrag nehmenden und dem Auftrag gebenden
Betrieb bestehen sollten, komme schon deshalb keine Bedeutung zu,
weil der LSV-Träger kraft Gesetzes zur Übernahme der Kosten
verpflichtet sei und diese als Sachleistungen gegenüber seinen
Mitgliedern erbringe.
Dass der Maschinenring bei der Beschaffung der Einsatzleistungen im
Namen des LSV-Trägers handele, sei den Vereinbarungen nicht zu
entnehmen. Der Vertrag vom 12. September 2006 gehe vielmehr davon
aus, dass es Sache des LMR Nds. sei, Einsatzkräfte zu beschaffen. Aus
der Vergütungsvereinbarung ergebe sich schließlich, dass auch die
nebenberuflichen Einsatzkräfte, mit denen nur Bereitstellungsverträge
geschlossen worden seien, als Kräfte des LMR Nds. angesehen würden.
Einen Provisionsanspruch habe der Maschinenring gegenüber dem
LSV-Träger nicht, denn dieser sei bereits fällig, wenn er einen geeigneten
Helfer benannt habe. Der Maschinenring schulde aber gegenüber dem
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LSV-Träger auch den Erfolg der Betriebsleistung. Dies ergebe sich auch
aus dem Umstand, dass der LMR Nds. eine Erfolgskontrolle
durchzuführen habe. Aus § 7 des Vertrages vom 12. September 2006 i.
V. m. der Vergütungsvereinbarung ergebe sich schließlich, dass der LMR
Nds. gegenüber dem LSV-Träger einen Anspruch auf die
Gesamtvergütung habe, was bereits rechtlich die Annahme einer bloßen
Vermittlungsleistung ausschließe. Die Rechtsansicht des Klägers
hinsichtlich der Haftung auch für nebenberufliche Einsatzkräfte in § 6 des
Vertrages sei unzutreffend.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ergänzend zu
seinem Vorbringen im Einspruchsverfahren trägt er Folgendes vor:
- Der Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung
habe in einer Stellungnahme vom 25. Oktober 2012 dargelegt, dass
der LMR Nds. sich keinesfalls verpflichtet habe, in eigenem Namen
und für eigene Rechnung Betriebshelfer zu gestellen. Diese Aufgabe
obliege allein dem LSV-Träger gegenüber den Versicherten. Dass
lediglich Vermittlungsleistungen durch den LMR Nds. hätten erbracht
werden sollen, läge schon deshalb nahe, weil die Betriebshelfer sich
nur über Bereitschaftserklärungen zur Mitarbeit bereit erklärt hätten.
Erst durch die Zuweisung des Betriebshelfers auf den Einsatzbetrieb
entstünden vertragliche Beziehungen zum LSV-Träger. Lediglich aus
verwaltungspraktischen Gründen habe sich der LSV-Träger eine
direkte Kontaktaufnahme zu den einzelnen Einsatzkräften erspart und
diese Aufgabe dem LMR Nds. übertragen. Dieser liquidiere im Namen
und für Rechnung des Einsatzhelfers seine Leistung gegenüber dem
LSV-Träger. Eine Haftung des LMR Nds. für die nebenberuflichen
Einsatzkräfte werde durch § 6 der Vereinbarung nicht begründet, weil
eine solche nur für beim Maschinenring angestellte Kräfte geregelt
worden sei.
- Der Maschinenring habe im Anschluss an die Abrechnung
gegenüber dem LSV-Träger gegenüber dem Kläger abgerechnet und
dabei ausgeführt, „in Ihrem Namen und Auftrag wurden von uns
folgende Leistungen/Arbeiten abgerechnet“.
- Durch die Aufführung einer eigenständigen Position für
Vermittlungsleistungen in den Rechnungen des Maschinenrings
gegenüber dem LSV-Träger sei dokumentiert worden, dass der
Maschinenring lediglich eine Vermittlungsleistung erbracht habe.
Diese Abrechnungspraxis habe der LSV-Träger auch akzeptiert. Die
Argumentation des Klägers, der LSV-Träger habe die Abrechnung
nicht beanstandet, weil letztlich nur der in der Vergütungsvereinbarung
festgelegte Höchstbetrag nicht überschritten worden sei, sei
unzutreffend, weil auch die Sozialversicherungsträger einer
Rechnungsprüfung unterlägen und es lebensfremd wäre, wenn die
Rechnungen nicht unbeanstandet geblieben wären.
- Die Auslegung des § 6 des Vertrages vom 12. September 2012
durch den Beklagten sei schlicht falsch, weil die nebenberuflichen
Betriebshelfer, die mit dem Maschinenring nur einer
Bereitschaftserklärung geschlossen hätten, nicht in den
Anwendungsbereich der Regelung fielen.
Der Kläger beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 30. Juli 2012 und den
Einspruchsbescheid vom 5. November 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest.
Ergänzend erklärt er, dass sich aus Ziffer 4 der Bereitschaftserklärung nur der
Kreis der Vermittler (Maschinenring), nicht aber der Umfang der Leistungen
ergebe. Die Differenzierung zwischen der Betriebshilfeleistung und einer
Provision in den Abrechnungen des Maschinenrings könne auch durch eine
genauere und unterscheidbaren Verbuchung der Beträge in den
Buchungsunterlagen der beiden beteiligten Unternehmen begründet sein. Der
Umstand, dass der LSV-Träger die Abrechnungen mit der Aufteilung des
Entgelts nicht beanstandet habe, könne auch darauf beruhen, dass die
Höchstbeträge in der Vergütungsvereinbarung nicht überschritten worden
seien. Zudem sei nach der Vergütungsvereinbarung eine derartige
Differenzierung nicht vereinbart worden. Dass mittlerweile eine andere
vertragliche Gestaltung zwischen dem LMR Nds. und dem LSV-Träger
vereinbart worden sei, habe für den Streitfall keine Bedeutung.
Das Gericht hat die Gerichtsakte zum Klageverfahren 16 K xxx beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 30. Juli 2012 und der
Einspruchsbescheid vom 5. November 2013 verletzen den Kläger in seinen
Rechten, weil der Kläger im Streitjahr Kleinunternehmer i. S. d. § 19 Abs. 1
UStG gewesen ist und die von ihm geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben
werden darf. Der Kläger hat die in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG genannten
Gesamtumsatzgrenzen für 2008 und das Streitjahr nicht überschritten. Zwar
erzielte er im Kalenderjahr 2008 Bruttoumsätze in Höhe von 23.000 €. Von
diesen Umsätzen unterfielen aber 19.000 € der Steuerbefreiungsvorschrift des
§ 4 Nr. 27 b UStG und waren somit nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG im
Rahmen der Berechnung des Gesamtumsatzes nicht zu berücksichtigen. Ein
voraussichtliches Überschreiten der Umsatzgrenze von 50.000 € für das
Streitjahr war nicht ersichtlich.
Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten unterfallen die Umsätze des
Klägers aus seiner Tätigkeit als nebenberuflicher Betriebshelfer der
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 27 b UStG, wobei das Gericht offen lassen kann,
ob der Kläger seine Leistungen gegenüber dem LSV-Träger oder gegenüber
dem einzelnen notleidenden landwirtschaftlichen Betrieb erbracht hat. Im
ersten Fall wäre § 4 Nr. 27 b 2. Alt. UStG einschlägig, im zweiten dagegen § 4
Nr. 27 b 1. Alt UStG, wobei die Beteiligten übereinstimmend in der mündlichen
Verhandlung davon ausgegangen sind, dass die unterstützten land- und
forstwirtschaftlichen Betriebe das Größenmerkmal des § 4 Nr. 27 b 1. Alt UStG
erfüllt haben.
Gemäß § 4 Nr. 27 b 2. Alt. UStG sind Umsätze aus der Gestellung von
Betriebshelfern an die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung steuerfrei.
Dieselbe Rechtsfolge ist in § 4 Nr. 27 1. Alt. UStG für die Gestellung von land-
und forstwirtschaftlichen Arbeitskräften gegenüber land- und
forstwirtschaftlichen Betrieben mit höchstens drei Vollarbeitskräften zur
Überbrückung des Ausfalls des Betriebsinhabers oder dessen
vollmitarbeitenden Familienangehörigen wegen Krankheit, Unfalls,
Schwangerschaft, eingeschränkter Erwerbsfähigkeit oder Todes festgelegt.
Gemeinsame Voraussetzung der beiden Alternativen ist die Gestellung der
Kräfte unmittelbar gegenüber dem land- und forstwirtschaftlichen Unternehmen
bzw. dem gesetzlichen Träger der Sozialversicherung (vgl. Klenk: in:
Sölch/Ringleb, UStG, Loseblattsammlung, Stand: April 2009, § 4 Nr. 27 Rdnrn.
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6 und 7; Tehler, in: Rau/Dürrwächter, UStG, Loseblattsammlung, Stand: April
2013, § 4 Nr. 27 Rdnr. 106 und 146). Soweit in der deutschen Regelung der
Kreis der Begünstigten auf juristische Personen des privaten oder des
öffentlichen Rechts beschränkt wird, ist diese Regelung mit dem EU-Recht
(Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) nicht
vereinbar. Der Kläger kann sich als Einzelunternehmer insoweit direkt auf die
vorteilhaftere Regelung des EU-Rechts berufen (vgl. Bundesfinanzhof – BFH -,
Urteil vom 19. März 2013 XI R 47/07, BFH/NV 2013, 1204 = Juris Rdnr. 28 ff.).
Auch die Finanzverwaltung geht davon aus, dass ein Einzelunternehmer
steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 27 b UStG erbringen kann (BMF-Schreiben
vom 12. Juni 2009, BStBl. I 2009, 687). Der Kläger hat somit sich selbst als
land- und forstwirtschaftliche Arbeitskraft oder als Betriebshelfer zur Verfügung
gestellt. Seine Qualifikation als Landwirt und somit als land- und
forstwirtschaftliche Arbeitskraft ergibt sich schon aus der
Bereitschaftserklärung vom 6. Februar 2008 gegenüber dem Maschinenring.
Der Kläger hat im Jahr 2008 seine sonstigen Leistungen jedenfalls nicht
gegenüber dem Maschinenring erbracht, sondern entweder direkt gegenüber
dem einzelnen notleidenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb oder
gegenüber dem LSV-Träger. Grundlage für die Frage, ob der Kläger seine
sonstigen Leistungen gegenüber dem Maschinenring oder gegenüber dem
LSV-Träger oder dem land- und forstwirtschaftlichen Unternehmer erbracht
hat, sind die Vertragsbeziehungen zwischen ihm und dem Maschinenring.
Nach der Bereitschaftserklärung vom 6. Februar 2008, einem
schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Maschinenring und dem Kläger, die
die Grundlage für die Leistungsbeziehungen zwischen den beiden bildet,
erklärte sich der Kläger gegenüber dem Maschinenring lediglich bereit, für die
anderen Mitglieder des Maschinenrings die Tätigkeit eines nebenamtlichen
Betriebshelfers zu übernehmen. Die anfallenden Arbeiten waren im Sinne
und/oder nach Weisung des Betriebsleiters bzw. seines Stellvertreters zu
verrichten, wobei die Festlegung im gegenseitigen Einvernehmen mit diesem
erfolgen sollte. Rechtsbeziehungen wollten nur zwischen dem Kläger als
Auftrag nehmender und dem Auftrag gebenden Betrieb entstehen. Die
Vermittlung der Einsätze erfolgten nach Anforderung der Mitglieder
ausschließlich nur durch die Geschäftsstelle des Maschinenrings. Aus diesem
Regelwerk folgt zur Überzeugung des Senats eindeutig, dass der als
Bereitschaftserklärung überschriebene Vertrag zwischen dem Kläger und dem
Maschinenring inhaltlich nur eine Vermittlungsleistung des Maschinenrings
gegenüber dem Kläger regelte und dieser keinesfalls die vom Kläger zu
erbringenden Dienstleistungen als selbst empfangen sollte. Nr. 4 der
vertraglichen Regelung bestimmt ausdrücklich, dass die notleidenden
Mitglieder einen Betriebshelfer beim Maschinenring anfordern konnten und
dieser dann u. a. dem Kläger einen entsprechenden Auftrag vermittelte.
Rechtsbeziehungen hinsichtlich der vom Kläger zu erbringenden Tätigkeit
sollten danach nur zwischen ihm und den einzelnen Mitgliedern entstehen (Nr.
2 der Vereinbarung). Der Kläger und der Betriebsleiter bzw. sein Stellvertreter
bestimmten im gegenseitigen Einvernehmen die im Einsatzbetrieb anfallenden
Arbeiten und die erforderlichen Arbeitszeiten.
Für diese Auslegung der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und
dem Maschinenring spricht im Übrigen die in Nr. 1 in Bezug genommene
Satzung des Maschinenrings. Nach § 3 Nr. 3 Buchstabe b Absatz III der
Satzung vom 10. Dezember 2005 bestand gegenüber den Einzelmitgliedern
auch die Aufgabe, gegenseitige Arbeitshilfe zu vermitteln und den Einsatz von
Betriebshelfern in den Mitgliedsbetrieben insbesondere bei Sozial- und
Notfällen zu organisieren. Keinesfalls wurde dort ein Anspruch der Mitglieder
gegenüber dem Verein geregelt, dass dieser Betriebshelfer selbst im eigenen
Namen und für eigene Rechnung zur Verfügung zu stellen hatte. Dass die
Vertragsparteien selbst von dem Bestehen eines reinen
Vermittlungsverhältnisses ausgegangen sind, belegt schließlich die vom
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Maschinenring gegenüber dem Kläger praktizierte Abrechnungspraxis. Nach
der vom Kläger beispielhaft vorgelegten Gutschrift des Maschinenrings vom
4. Dezember 2008 erfolgte die Abrechnung der Arbeiten gegenüber dem
Leistungsempfänger im Namen und Auftrag des Klägers.
Entgegen der Ansicht des Beklagten können die Verträge, die der LMR Nds.
mit dem LSV-Träger abgeschlossen hat und denen der Maschinenring am 31.
Januar 2007 beigetreten ist, für die Auslegung der Vertragsbeziehungen
zwischen dem Kläger und dem Maschinenring nicht entscheidungserheblich
herangezogen werden. Zwar spricht insbesondere der Wortlaut des Vertrages
vom 12. September 2006 zwischen dem LSV-Träger und dem LMR Nds. für
die Ansicht des Beklagten, dass der LMR Nds. sich dort verpflichtete, auf
Anforderung des LSV-Trägers eine geeignete Ersatzkraft zur Verfügung zu
stellen.
Nach dem Wortlaut des Vertrages vom 12. September 2006 stellt der LMR
Nds. dem LSV-Träger auf dessen Anforderung eine geeignete Ersatzkraft zur
Verfügung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages). Die Rechnungsstellung hat durch
den LMR Nds. zu erfolgen (Anlage 1 i. V. m. § 2 Abs. 4 des Vertrages). Die
Leistung von Betriebs- oder Haushaltshilfe umfasst den im Einzelfall
erforderlichen Einsatz einer Ersatzkraft in dem durch den bewilligenden
Bescheid des LSV-Trägers bestimmten Umfang (§ 4 Abs. 2 des Vertrages).
Der LMR Nds. verpflichtet die Ersatzkraft, dass sie täglich den Umfang und die
Dauer ihres Einsatzes sowie die von ihr verrichteten Tätigkeiten auf den mit
den LSV-Träger abgestimmten Vordrucken erfasst. Die Vordrucke sind vom
LMR Nds. bereitzuhalten und dem LSV-Träger zu übersenden (§ 5 Abs. 2 des
Vertrages). Die LSV-Träger vergüten die im Rahmen der Betriebs- oder
Haushaltshilfe erbrachten Leistungen der Trägerorganisationen nach den in
einer eigenen Vergütungsvereinbarung geregelten Vergütungssätzen (§ 7
Abs. 1 des Vertrages). Die Trägerorganisation übernimmt als vertragliche
Nebenpflicht die Gewähr für die Einhaltung des Datenschutzes und
Sicherstellung der Schweigepflicht durch ihre Mitarbeiter und die ihr zur
Verfügung stehenden Einsatzkräfte (§ 8 Abs. 1 des Vertrages). Auch die
Vergütungsvereinbarung spricht für eine Leistungsbeziehung des LMR Nds.
zu den LSV-Trägern und gegen eine bloße Vermittlungsleistung. Ob die
Stellungnahme des Spitzenverbandes der landwirtschaftlichen
Sozialversicherung vom 25. Oktober 2012 als nachträgliche Äußerung über
den Inhalt des Rechtsgeschäfts nach §§ 133, 157 BGB bei der Auslegung zu
berücksichtigen ist und ob die von den Vertragsparteien dieses
Vertragsverhältnisses in ihrer Geschäftsverbindung herausgebildeten
Usancen – insbesondere bei der Abrechnung – mit zu berücksichtigen sind,
kann der Senat im Streitfall jedoch offenlassen, weil die ggf. widersprüchliche
Vertragslage des Maschinenrings zum LSV-Träger einerseits und zum Kläger
andererseits für die Auslegung der vertraglichen Beziehungen des
Maschinenrings zum Kläger keine Bedeutung erlangen kann.
Ob der Kläger letztlich seine Dienstleistungen unmittelbar gegenüber dem
einzelnen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erbracht hat, wofür zur
Überzeugung des Senats die Regelungen in der Bereitschaftserklärung vom 6.
Februar 2008 und die Praxis der Auftragsvergabe sprechen, oder aber
gegenüber dem LSV-Träger, sofern der Kläger dem Umstand rechtliche
Bedeutung beimaß, dass seine Leistungen vom Maschinenring diesem
gegenüber abgerechnet wurden, kann offen bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
(FGO), die übrigen Nebenentscheidungen auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m.
§§ 708 Nr. 10 und 711 Zivilprozessordnung.