Urteil des FG Niedersachsen vom 22.10.2012

FG Niedersachsen: angola, treu und glauben, vollziehung, firma, unterbrechung, aussetzung, arbeitslohn, einkünfte, staat, urlaub

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Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
Änderung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bei Abweichen der tatsächlichen
Angaben vom Inhalt eines beigefügten Vertrages.
Niedersächsisches Finanzgericht 4. Senat, Beschluss vom 22.10.2012, 4 V 181/12
§ 173 Abs 1 Nr 1 AO
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Gründe
Streitig ist in dem Hauptsacheverfahren, einem bei dem Antragsgegner, dem
Finanzamt (FA), anhängigen Einspruchsverfahren, ob das FA die
Einkommensteuerbescheide des Antragstellers für die Jahre 2007 bis 2010
gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ändern durfte.
Der Antragsteller ist als Prüfer für Luftfahrtgeräte bei der Firma X angestellt. Er
erzielt hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Am 10. August 2007 verlängerte er einen mit seiner Arbeitgeberin
abgeschlossenen Auslandsabordnungsvertrag. Damit war der Antragsteller
zeitlich befristet nach Angola abgeordnet worden. Als Einsatzbeginn war der
25. Mai 2007 und als voraussichtliches Einsatzende der 25. Dezember 2007
angegeben, wobei eine erneute Verlängerung als möglich erachtet wurde.
Während der Geltungsdauer der Auslandsabordnung ruhte der bisherige
Vertrag des Antragstellers. Weiterhin heißt es unter 1., dritter Absatz wie folgt:
„Der Mitarbeiter wird in …Angola in Arbeitsblöcken von vier Wochen
eingesetzt. Nach jedem Arbeitsblock erhält der Mitarbeiter einen
Freizeitblock von vier Wochen. Auf den Freizeitblock wird der anteilige
Jahresurlaub (von Arbeits- und Freizeitblock) angerechnet. Mit dem
Freizeitblock und der Vergütung nach den Ziffern 5 und 7 ist sämtliche
Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit (insbesondere Arbeit an
deutschen oder Feiertagen in …Angola) abgegolten. Der Mitarbeiter ist
verpflichtet, folgende Ereignisse unverzüglich …. mitzuteilen: - An- und
Abreisedaten - Alle Aufenthalte in Deutschland (arbeits- und
krankheitsbedingte sowie private).“
Auf Grundlage des Auslandsabordnungsvertrages war der Antragsteller in den
Streitjahren in Luanda, Angola tätig. Tatsächlich wechselten sich wie in dem
Auslandsabordnungsvertrag vorgesehen die Tätigkeitsblöcke in Angola sowie
die Freizeitblöcke, die er in Deutschland verbrachte, ab. Er war in Angola wie
folgt tätig:
Anreisetag Abreisetag Einsatzzeit in Tagen
25.05.2007 26.06.2007 32
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26.07.2007 04.09.2007 41
28.09.2007 31.10.2007 34
25.11.2007 24.12.2007 30
Anreisetag Abreisetag Einsatzzeit in Tagen
19.01.2008 20.02.2008 33
21.03.2008 24.04.2008 35
18.05.2008 24.06.2008 38
29.07.2008 28.08.2008 31
01.10.2008 06.11.2008 37
02.12.2008 06.01.2009 36
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Anreisetag Abreisetag Einsatzzeit in Tagen
01.02.2009 10.03.2009 38
05.04.2009 05.05.2009 31
31.05.2009 30.06.2009 31
26.07.2009 29.08.2009 35
20.09.2009 20.10.2009 31
15.11.2009 15.12.2009 31
Anreisetag Abreisetag Einsatzzeit in Tagen
07.01.2010 09.02.2010 34
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07.03.2010 06.04.2010 31
02.05.2010 02.06.2010 32
27.06.2010 27.07.2010 31
22.08.2010 21.09.2010 31
17.10.2010 16.11.2010 31
12.12.2010 11.01.2011 31
Die Firma X unterwarf die Arbeitsentgelte der Lohnsteuer.
Der Antragsteller reichte seine Einkommensteuererklärung für 2007, die durch
ein Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterbüro erstellt worden war, am 9. Mai 2008
bei dem FA ein. Auf der Anlage N erklärte der Antragsteller einen
steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn in Höhe von Y € sowie in Zeile 22 einen
steuerfreien Arbeitslohn nach Auslandstätigkeitserlass für den Staat Angola in
Höhe von Z €. Die „Aufteilung des Bruttoarbeitslohns in einen steuerpflichtigen
und einen steuerfreien Teil“ erfolgte in einer gesonderten Anlage. Darin heißt es
wie folgt:
„Tätigkeit in Angola vom 25.05.2007 bis 31.12.2007
Art der Tätigkeit:
Planung/Beratung bei der Inbetriebnahme und Instandsetzung des
Regierungsflugzeugs und beratende Tätigkeit beim Aufbau eines Hangars.
Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses vom 31. Oktober 1983:
Für die Tätigkeit ab 25.05.2007 sind die einzelnen Voraussetzungen des
Auslandstätigkeitserlasses erfüllt:
1. Die Art der Tätigkeit fällt unter die begünstigten Tätigkeiten lt. I. des
Erlasses
2. Die Tätigkeitsdauer beträgt abzüglich des Urlaubs länger als 3
Monate und die Tätigkeit wird in einem Staat ausgeübt, mit dem kein
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht. Die
Voraussetzungen lt. II des Erlasses sind somit ebenfalls erfüllt.
Das Gehalt wurde in 2007 nicht bereits vom Arbeitgeber steuerfrei gestellt,
so dass nunmehr – wie im Auslandstätigkeitserlass unter VI. Nr.2
vorgesehen – beantragt wird, das Gehalt anteilig in Höhe von € Z (siehe
beigefügte Ermittlung) bei der Veranlagung zur Einkommensteuer
steuerfrei zu stellen.“
Beigefügt war eine Tätigkeitsbeschreibung für das Jahr 2007, unterzeichnet von
einem Mitarbeiter Firma X. Die Bescheinigung datiert vom 10. Januar 2008 und
lautet wie folgt:
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„Sehr geehrter Herr …,
hiermit bestätigen wir Ihnen im Jahr 2007 in Luanda für unseren Kunden,
die Regierung des Landes Angola, bei der Inbetriebnahme und
Instandsetzung des Regierungsflugzeuges unterstützt und beraten zu
haben.
Zudem wurde für die weitere Entwicklung der Station Luanda (Aufbau und
der Ausstattung eines Hangars) eine beratende Tätigkeit ausgeführt.“
Der Antragsteller fügte ebenfalls eine Kopie des Auslandsabordnungsvertrags
vom 10.08.2007 sowie eine Ermittlung des steuerfreien Bruttoarbeitslohnes für
die Zeit ab dem 25.05. bis 31.12.2007 bei. Darin heißt es u. a.:
„Auslandstätigkeit in 2007 an 216 Tagen
=> Aufteilungsmaßstab für Sonderzahlungen (Urlaubs-/Weihnachtsgeld)
steuerfrei = 216/360
steuerpflichtig = 144/360“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Ermittlung wird auf Bl. 7 des
Einkommensteuerordners Bezug genommen.
Mit Einkommensteuerbescheid 2007 vom 1. Dezember 2008 folgte das FA den
Angaben in der Einkommensteuererklärung und berücksichtigte Einnahmen aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von … €. Die ausländischen Einkünfte in Höhe
von … € wurden in die Berechnung des Steuersatzes (Progressionsvorbehalt)
gemäß § 32b Einkommensteuergesetz (EStG) einbezogen. Das FA änderte
nachfolgend den Einkommensteuerbescheid für 2007 aus nicht
streitbefangenen Gründen gemäß § 165 Abs. 2 AO unter dem 18. Mai 2009.
In seiner am 3. April 2009 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2008,
die ebenfalls von seinem steuerlichen Berater erstellt worden war, gab der
Antragsteller an, dass der gesamte Arbeitslohn auf seine Auslandstätigkeit in
Angola entfalle und mithin steuerfrei sei. Den Arbeitslohn trug er in Zeile 22 der
Anlage N ein. In einer gesonderten „Erläuterung zum steuerfreien Arbeitslohn“
führte er die „Tätigkeit in Angola vom 01.01.2008 bis 31.12.2008“ an und machte
hierzu identische Ausführungen zur Art der Tätigkeit und zur Anwendung des
Auslandstätigkeitserlasses wie bei der Erklärung des Vorjahres 2007. Seine
Erläuterungen endeten mit dem Hinweis, dass der Auslands-
Abordnungsvertrag, der mit der Einkommensteuererklärung 2007 bereits
eingereicht worden sei, weiterhin gültig sei, es sei lediglich der Zeitraum der
Abordnung verlängert worden. Er reichte ferner eine Bescheinigung der Firma X
vom 30. Juni 2008 ein, worin diese eine voraussichtlich bis zum 28. Februar
2009 dauernde Abordnung bestätigt.
Das FA folgte wiederum den Angaben in der Einkommensteuererklärung und
setzte mit Bescheid vom 13. Juli 2009 Einkommensteuer 2008 in Höhe von 0 €
fest.
In seiner am 22. April 2010 abgegebenen Einkommensteuererklärung 2009
erklärte er auf der Anlage N in Zeile 22 einen steuerfreien Arbeitslohn nach
Auslandstätigkeitserlass für den Staat Angola in Höhe von A €. In einer
gesonderten Erläuterung wiederholte er die Angaben aus den vorhergehenden
Erklärungen. Er führte eine „Tätigkeit in Angola vom 01.01.2009 bis 31.12.2009“
auf und gab wiederum an, dass der Auslandsabordnungsvertrag weiterhin
Gültigkeit habe. Er fügte wie bei der Erklärung des Jahres 2007 eine
Tätigkeitsbeschreibung der Firma X nunmehr vom 4. Januar 2010 für das Jahr
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2009, die inhaltlich mit der Beschreibung für 2007 identisch war, bei. Wiederum
folgte das FA den Angaben in der Einkommensteuererklärung und setzte mit
Bescheid vom 14. August 2010 0 € an Einkommensteuer 2009 fest.
Mit seiner am 25. März 2011 abgegebenen Einkommensteuererklärung für 2010
gab der Kläger erneut in Zeile 22 der Anlage N an, steuerfreien Arbeitslohn nach
Auslandstätigkeitserlass in Angola in Höhe von B € erzielt zu haben. In einer
gesonderten Erklärung wiederholte er die Angaben der vorgenannten
Erklärungen, es heißt dort „Tätigkeit in Angola vom 01.01.2010 bis 31.12.2010“
und er wies erneut auf den Auslandsabordnungsvertrag, der mit der
Einkommensteuererklärung 2007 abgegeben worden war, hin. Wiederum
reichte er eine Erklärung der Firma X, nunmehr vom 10. Januar 2011 ein, die
auch inhaltlich den Tätigkeitsbeschreibungen für die Jahre 2007 und 2009
entsprach. Das FA folgte den Angaben in der Erklärung und setzte mit Bescheid
vom 28. Juli 2011 Einkommensteuer 2010 in Höhe von 0 € fest.
Am 15. März 2012 erhielt das FA eine Mitteilung der Fahndungsstelle des
Finanzamts A über die Eröffnung eines Steuerstrafverfahrens gegen den
Antragsteller und weitere Mitarbeiter der Firma X. Unter den von dem
Antragsteller durch seinen damaligen steuerlichen Berater vorgelegten
Unterlagen war u.a. eine E-Mail des Beraters vom 24. April 2008, worin dieser
angab, dass die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses streitig werden
könne. Wegen der weiteren Einzelheiten des Ermittlungsergebnisses wird auf
die Stellungnahme des Finanzamts A vom 11. Juli 2012 Bezug genommen (Bl.
38 ff d. Einspruchsakte).
Das FA änderte die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 des
Antragstellers mit Bescheiden vom 8. Mai 2012 (2007) und vom 15. Mai 2012
(Einkommensteuer 2008 bis 2010) gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte Aussetzung der
Vollziehung. Er berief sich darauf, dass der eingereichte
Auslandsabordnungsvertrag vom 10. August 2007 den Arbeitsrhythmus des
Antragstellers – vier Wochen Arbeit im Wechsel mit vier Wochen Freizeit –
korrekt wiedergebe. Die Unterlagen, die dem FA bei Abgabe der
Einkommensteuererklärung vorgelegen hätten, seien nicht unvollständig oder
unrichtig gewesen. Es sei zu beachten, dass es sich bei den Freizeitblöcken um
Urlaub im Sinne der Ziff. 2 Abs. 3 des Auslandstätigkeitserlasses handelten. Die
Regelung der Arbeits- und Freizeitblöcke von jeweils vier Wochen Dauer habe
sich deswegen ergeben, weil die angolanischen Behörden dem Antragsteller
keine Visa für jeweils drei Monate erteilt hätten. Der Antragsteller habe in Angola
nicht nur die regelmäßigen Wartungsarbeiten an dem Regierungsflugzeug
überwacht, sondern auch die dortige Fluggesellschaft beim Aufbau einer
entsprechenden Wartungsstation unterstützt. Der Antragsteller habe
insbesondere in Angola auch den Umbau des Materiallagers und die
Modernisierung des Lagers vorbereitet. Ferner habe er die Arbeitsgeräte der
angolanischen Fluggesellschaft inspiziert und festgestellt, dass auch hierbei
grundlegende Maßnahmen zur Verbesserung und Herstellung eines Standards,
der den Vorstellungen der Firma X entspreche, zu ergreifen gewesen seien.
Diese Modernisierungs- und Beratungsleistungen seien in der Zeit von 2007 bis
2010 erfolgt. Ebenso habe er bei den Umbaumaßnahmen und der
Modernisierung eines Hangars beraten.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2012 lehnte das FA den Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung der Änderungsbescheide ab.
Mit seinem gerichtlichen Aussetzungsantrag begehrt der Antragsteller
Aussetzung der Vollziehung der Änderungsbescheide 2007 bis 2010. Er
wiederholt zur Begründung des Antrags sein Vorbringen aus dem
Einspruchsverfahren. Er ist der Auffassung, dass keine neuen Tatsachen im
Sinne von § 173 AO vorlägen. Aus dem Inhalt des dem FA vorliegenden und bei
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der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 eingereichten
Auslandsabordnungsvertrags vom 10. August 2007 ergebe sich, dass der
Antragsteller in Angola in Arbeitsblöcken von vier Wochen eingesetzt worden
sei. Es gehe auch aus dem Vertrag hervor, dass er nach jedem Arbeitsblock
einen Freizeitblock von vier Wochen gehabt habe. Auf diesen Freizeitblock sei
der anteilige Jahresurlaub angerechnet worden. In den nachfolgenden
Erklärungen sei immer wieder auf den Vertrag hingewiesen worden. Das FA
habe daher bereits bei Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide
Kenntnis gehabt, dass hier nicht von dem Antragsteller eine Arbeitstätigkeit, die
vollumfänglich den gesamten Zeitraum umfasse, im Ausland abgeleistet worden
sei, sondern nur eine im Wechsel mit einem Arbeits-/Freizeit-/Urlaubsblock. Dies
habe sich schon damals aus den der jährlichen Einkommensteuererklärungen
beigefügten Unterlagen ergeben.
Nach den Regelungen des Auslandstätigkeitserlasses beginne eine begünstigte
Auslandstätigkeit mit der Reise ins Ausland und ende mit der endgültigen
Rückkehr ins Inland. Eine Unterbrechung der Tätigkeit im Falle eines Urlaubs
oder einer Krankheit sei unschädlich, unabhängig davon, wo sich der
Arbeitnehmer aufhalte. Daher hätte der Antragsteller unschädliche Zeiten wie
Urlaubszeiten gem. dem Auslandstätigkeitserlass nicht erklären müssen. Die
von dem FA vorgenommene Aufstellung der Urlaubszeiten zeige deutlich, dass
die Voraussetzungen für die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses
vorgelegen hätten. Entweder habe der Antragsteller in Angola gearbeitet oder
habe Urlaub gehabt. Durch das Strafermittlungsverfahren seien keine weiteren
Tatsachen hervorgetreten.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 vom
8. Mai 2012 (2007) sowie vom 15. Mai 2012 (2008 bis 2010) vom
Fälligkeitstag bis einen Monat nach Bekanntgabe der
Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Das FA ist der Auffassung, dass die Änderung der Bescheide zu Recht auf
§ 173 Abs. 1 AO gestützt worden sei. Im Streitfall seien dem FA nach der
abschließenden Zeichnung der Einkommensteuerveranlagungen
steuererhöhende Tatsachen bekannt geworden. Der Antragsteller habe in
seinen Einkommensteuererklärungen seine Auslandseinsätze als
ununterbrochene Auslandsaufenthalte dargestellt. Das FA habe keine
Veranlassung gehabt, an diesen Angaben zu zweifeln. In dem Vertrag, den der
Antragsteller bei seiner Einkommensteuererklärung 2007 eingereicht habe, sei
nur von geplanten Aufenthalten die Rede. Es werde zwar auf vierwöchige
Arbeitsblöcke hingewiesen. Allerdings habe der Antragsteller in seiner
Einkommensteuererklärung 2007 explizit behauptet, dass der Angolaaufenthalt
vom 25. Mai 2007 bis 31. Dezember 2007 und in der
Einkommensteuererklärung 2008, dass der Angolaaufenthalt vom 1. Januar bis
zum 31. Dezember 2008 und in der Einkommensteuererklärung 2009, dass der
Angolaaufenthalt vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 und in der
Steuererklärung 2010, dass der Angolaaufenthalt vom 1. Januar 2010 bis zum
31. Dezember 2010 gedauert habe, und habe Bestätigungen der Firma X vom
10. Januar 2007, vom 30. Juni 2008, vom 1. März 2010 und vom 10. Januar
2011 vorgelegt, wonach der Antragsteller im Jahr 2007 bzw. vom 25. Juli 2007
bis 28. Februar 2009 an, bzw. vom 31.12.2009 bis zum 31.12.2010 in Luanda
tätig gewesen sei. Das FA habe keine Kenntnis gehabt von der tatsächlichen
Aufenthaltsdauer des Antragstellers in Luanda. Dem FA hätten sich auch keine
Zweifel an der Darstellung des Antragstellers aufdrängen müssen.
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Im Übrigen habe der Antragsteller seine Mitwirkungspflichten verletzt und eine
Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 AO zu vertreten. Er hätte die für die
Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß
offenlegen müssen. Im Streitfall fehle es an der wahrheitsmäßigen Offenlegung
der Tatsachen. Der Antragsteller habe das FA vielmehr bewusst über die
tatsächliche Dauer der Auslandsaufenthalte in den Streitjahren getäuscht. Der
von ihm behauptete ununterbrochene Zeitraum sei von ihm wissentlich falsch
dargestellt worden. Bei Abgabe der Einkommensteuererklärungen habe er die
Dauer seiner Auslandsaufenthalte gekannt und hätte sie genau benennen
können bzw. müssen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer
Entscheidung durch den Berichterstatter gem. § 79 a Abs. 3, 4
Finanzgerichtsordnung (FGO) erteilt.
II.
Der Antrag ist unbegründet.
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3
Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die
Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen,
wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben
für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe
zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von
Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl.
Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83,
BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466).
Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Bei überschlägiger
Prüfung unterliegen die Einkünfte des Antragstellers der Besteuerung in
Deutschland. Sie sind nicht auf Grund des sog. Auslandstätigkeitserlasses
begünstigt.
aa) Gem. § 34c Abs. 5 EStG können die obersten Finanzbehörden der Länder
oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden mit Zustimmung des
Bundesministeriums der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende
deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen oder in einem
Pauschbetrag festsetzen, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen
zweckmäßig ist. Die Vorschrift erfüllt eine Auffangfunktion für den Fall, dass
andere, vorrangige Lösungen, wie die Anwendung eines DBA oder eine
Steueranrechnung im Einzelfall nicht zu einem sachgerechten,
volkswirtschaftlich erwünschten Ergebnis führen. Auf der
Ermächtigungsgrundlage des § 34c Abs. 5 EStG basiert der
„Auslandstätigkeitserlass“, das Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 31. Oktober 1983 VV DEU BMF 1983-10-31 IV B 6-S 2293-50/83,
Steuerliche Behandlung von Arbeitnehmereinkünften bei Auslandstätigkeiten
(BStBl I 1983, 470).
aaa) Im Streitfall finden bei summarischer Prüfung die Regelungen des
Auslandstätigkeitserlasses auf die Tätigkeit des Antragstellers in Angola keine
Anwendung.
Nach Tz. I des Erlasses ist u.a. begünstigt die Auslandstätigkeit für einen
inländischen Lieferanten, Hersteller, Auftragnehmer im Zusammenhang mit der
Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung,
Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken,
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ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie dem Einbau,
der Aufstellung oder Instandsetzung sonstiger Wirtschaftsgüter; außerdem ist
das Betreiben der Anlagen bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt
sowie die Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder
Organisationen im Hinblick auf Vorhaben im Sinne der Nummern 1 oder 2.
Nach Tz. II des Erlasses muss die begünstigte Auslandstätigkeit mindestens
drei Monate ununterbrochen in Staaten ausgeübt werden, mit denen kein
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, in das Einkünfte
aus nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind.
Die Auslandstätigkeit beginnt mit Antritt der Reise ins Ausland und endet mit der
endgültigen Rückkehr ins Inland. Eine vorübergehende Rückkehr ins Inland
oder ein kurzer Aufenthalt in einem Staat, mit dem ein Abkommen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, in das Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit einbezogen sind, gelten bis zu einer
Gesamtaufenthaltsdauer von zehn vollen Kalendertagen innerhalb der
Mindestfrist nicht als Unterbrechung der Auslandstätigkeit, wenn sie zur weiteren
Durchführung oder Vorbereitung eines begünstigten Vorhabens notwendig sind.
Dies gilt bei längeren Auslandstätigkeiten entsprechend für die jeweils letzten
drei Monate.
Eine Unterbrechung der Tätigkeit im Falle eines Urlaubs oder einer Krankheit ist
unschädlich, unabhängig davon, wo sich der Arbeitnehmer während der
Unterbrechung aufhält. Zeiten der unschädlichen Unterbrechung sind bei der
Dreimonatsfrist nicht mitzurechnen.
bbb) Nach der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung maßgebenden
Lage der Akten war der Antragsteller in den Streitjahren nicht mindestens drei
Monate lang ununterbrochen im Angola tätig.
Selbst wenn die Betreuung des Regierungsflugzeugs als Instandsetzung
sonstiger Wirtschaftsgüter im Sinne des Erlasses und die Beratung von
Baumaßnahmen auf dem Flughafen Luanda unter die Tätigkeiten gem. I des
Erlassen fallen, fehlt es doch an einer ununterbrochenen Tätigkeit in Angola
über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten. Der Antragsteller hielt sich in
den Streitjahren längstens an 41 Tagen ununterbrochen in Angola auf. Die
Auslandstätigkeit wechselte sich mit den sog. Freizeitblöcken, die der
Antragsteller nach Lage der Akten im Inland verbrachte, ab. Damit erfüllt der
Antragsteller nicht die dreimonatige Mindestaufenthaltsdauer im Ausland. Seine
sog. Freizeitblöcke dauerten auch immer länger als die allenfalls noch
begünstigten zehn Aufenthaltstage im Inland. Entgegen der Auffassung des
Antragstellers sind die Freizeitblöcke bei summarischer Prüfung nicht als
unschädliche Urlaubszeit anzusehen, die nach den Regelungen des Erlasses
nicht zu einer Unterbrechung des Auslandsaufenthaltes führt. Dagegen spricht
bereits deren Dauer, die gewöhnliche Urlaubsansprüche von ca. 30 Tagen pro
Jahr bei weitem überschreitet und etwa der Dauer der jeweiligen ca.
einmonatigen Auslandstätigkeit entsprochen hat. Ferner zeigt sich an den
Regelungen des Abordnungsvertrages, dass die sog. Freizeitblöcke auch aus
Sicht der Vertragsparteien keinen Urlaub darstellen sollten. Denn dem
Antragsteller stand auch Urlaub für die Dauer des Freizeitblocks zu. Dies ergibt
sich daraus, dass auf den Freizeitblock der Jahresurlaub von Arbeits-
und
Freizeitblock angerechnet wurde. Darüber hinaus sollten mit dem Freizeitblock
u.a. sämtliche Mehrarbeiten wie etwa Sonntags- und Feiertagsarbeit in Angola
abgegolten werden. Der Freizeitblock hatte also zusätzlich Entgeltcharakter.
bb) Das FA war bei summarischer Prüfung berechtigt, die
Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu
ändern.
aaa) Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern,
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soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer
höheren Steuer führen. Die Änderung eines Bescheides ist jedoch nach Treu
und Glauben ausgeschlossen, wenn dem Finanzamt die nachträglich bekannt
gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht
nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann
seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Bei der Bestimmung und
Begrenzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts kommt es wesentlich auf die
Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit der
steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt
zur Prüfung unterbreitet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R
18/98, BStBl II 1999, 286). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht
durch das Amt als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den
Steuerpflichtigen vor, so sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen
grundsätzlich gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteil vom 11. November 1987 I
R 108/85, BStBl II 1988, 115). Eine Bescheidänderung trotz
Ermittlungsverstößen des Finanzamts verstößt nicht gegen Treu und Glauben,
wenn ein Steuerpflichtiger bewusst irreführende, missverständliche oder
unvollständige Angaben macht und so das Finanzamt von weiteren
Ermittlungen abhält (BFH-Urteil vom 20. Mai 2004 IX R 39/01, BStBl II 2004,
1072).
bbb) Nach Maßgabe der vorstehenden Rechtsgrundsätze sind bei
überschlägiger Prüfung die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den
Erlass der Änderungsbescheide gegeben.
Dem FA war bei Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen des
Antragstellers nicht bekannt, dass der Antragsteller die Auslandstätigkeit in
Angola in Arbeitsblöcken von etwa einem Monat absolvierte und dass sich an
jedem Arbeitsblock ein etwa einmonatiger Freizeitblock anschloss. Der
Antragsteller hat dies in seinen Einkommensteuererklärungen nicht ausdrücklich
angegeben, vielmehr hat er u.a. auf eine „Tätigkeit in Angola in der Zeit vom
25.05.2007 bis 31.12.2007“ bzw. „vom 01.01.2008 bis 31.12.2008“ bzw.
„01.01.2009 bis 31.12.2009“ bzw. 01.01.2010 bis 31.12.2010“ hingewiesen.
Somit hätte das FA zur Bejahung einer Kenntnis aus den sonstigen ihm
vorliegenden Unterlagen schließen müssen, dass der Auslandsaufenthalt nur
jeweils ca. einen Monat andauerte. Einen solchen Schluss hat es ausweislich
der Akte nicht gezogen und konnte es auch nicht ziehen. Denn der Antragsteller
hatte bei seiner Einkommensteuererklärung für 2007 lediglich die Kopie des
Abordnungsvertrages vorgelegt. Zwar sind dort die Freizeitblöcke im Wechsel
mit den Arbeitsblöcken genannt. Gleichzeitig hat er aber bei der
Einkommensteuererklärung 2007 angegeben, dass die „Auslandstätigkeit in
2007 an 216 Tagen“ stattgefunden habe und eine entsprechende Aufteilung des
Bruttoarbeitslohns in einen steuerfreien und steuerpflichtigen Teil vorgenommen.
Damit hat er für das Jahr 2007 den Eindruck erweckt, dass die Bestimmungen
des Abordnungsvertrages tatsächlich nicht durchgeführt wurden. Da er in den
Einkommensteuererklärungen der nachfolgenden Jahre 2008 bis 2010 immer
auf das Jahr 2007 Bezug genommen hatte, konnte das FA annehmen, dass der
einmal als ununterbrochen dargestellte Auslandsaufenthalt unverändert in den
Folgejahren andauerte. Hinzu kommt, dass der Antragsteller für alle Streitjahre
auch Arbeitgeberbescheinigungen vorgelegt hatte, aus denen eine Tätigkeit in
Luanda in dem jeweiligen Jahr bestätigt wurde. Bestärkt wurde dieser Eindruck
des FA in allen Streitjahren auch durch die unmissverständlichen Angaben des
Bevollmächtigten des Antragstellers, der die Steuererklärungen erstellt hatte.
Dieser hatte jeweils ausdrücklich angegeben, dass die Tätigkeitsdauer
abzüglich des Urlaubs länger als drei Monate betragen habe und die
Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses erfüllt seien.
Das FA hatte deswegen bei summarischer Prüfung keinen Anlass, eigene
Ermittlungen anzustellen. Es brachte den Angaben des Antragstellers bzw.
dessen Bevollmächtigten nicht mit Misstrauen zu begegnen.
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Jedenfalls konnte das FA aus den eingereichten Steuererklärungen und
Anlagen nicht den streitigen Besteuerungssachverhalt erkennen.
Selbst wenn sich Ermittlungen für das FA aufgedrängt hätten, so müsste bei der
hier gebotenen überschlägigen Prüfung mit den gleichen Erwägungen eine
Änderungsmöglichkeit ungeachtet etwaiger eigener Ermittlungsfehler des FA
bejaht werden. Wie bereits oben ausgeführt hatte der Antragsteller durch seine
Angaben das FA zu der Annahme veranlasst, dass der Aufenthalt in Luanda
nicht in schädlicher Weise unterbrochen worden ist. Schon aufgrund der
Außergewöhnlichkeit des Besteuerungssachverhalts nach Betrag und
Begleitumständen hätte der Antragsteller die Tatsache des Wechsels zwischen
Freizeit- und Tätigkeitsblock im Einzelnen jedoch vortragen müssen. Es hätte
ihm im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht oblegen, dem FA den Sachverhalt
offen zur Prüfung zu unterbreiten, zumal ausweislich des E-Mail-Verkehrs
zwischen dem Antragsteller und seinem damaligen steuerlichen Berater
Unsicherheiten in Hinblick auf die Anwendbarkeit des
Auslandstätigkeitserlasses bestanden. Diesem Maßstab genügen die Angaben
des Antragstellers in seinen Steuererklärungen nicht. Bei summarischer Prüfung
wären bei einer Abwägung mit etwaigen Ermittlungsfehlern des FA dessen
Ermittlungsdefizite als geringer zu bewerten als die Obliegenheitsverletzungen
des Antragstellers.
b) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des
angefochtenen Bescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge
hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides
ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche
Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht
oder nur sehr schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn sogar die
wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom
24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus
den Akten ersichtlich, noch hat sie der Antragsteller substantiiert vorgetragen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.