Urteil des FG Niedersachsen vom 27.08.2013

FG Niedersachsen: öffentliche aufgabe, anschrift, pressefreiheit, konkretisierung, anzeige, aufwand, form, rasterfahndung, auskunftserteilung, abgabenordnung

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Zulässigkeit eines Auskunftsersuchen gegenüber
Zeitungen
Ein (Sammel-)Auskunftsersuchen ist zu unbestimmt, soweit für den
Empfänger nicht hinreichend erkennbar ist, nach welchen Kriterien die
Auskunft zu erteilen ist. Ein solches Ersuchen kann jedoch im
Einspruchsbescheid auf ein zulässiges Maß beschränkt werden.
Niedersächsisches Finanzgericht 8. Senat, Urteil vom 27.08.2013, 8 K 55/12
§ 93 AO, § 208 AO
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt für Fahndung und
Strafsachen ein rechtmäßiges Sammelauskunftsersuchen gegenüber der
Klägerin erlassen hat.
Die Klägerin gibt den 2 X wöchentlich erscheinenden „…-Report“ heraus. Dort
findet sich im Anzeigenteil u.a. die Rubrik „Kontakte/Bars“ bzw.
„Verschiedenes“. Die Klägerin versieht die Anzeigen dabei intern mit dem
Rubrikenschlüssel XXX. Sie in nutzt zur Verwaltung und zum Vertrieb die
Verlagssoftware „JJK fliess“, die u.a. eine Exportfunktion auf Excel anbietet.
Die Anzeigen werden durch Mitarbeiter der Klägerin, insbesondere die Zeugin
Y, nach Vorlage eines Gewerbescheins aufgenommen.
Das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen (im Folgenden: FA FuSt)
richtete am 20.10.2011 ein Sammelauskunftsersuchen unter Bezugnahme auf
§ 208 Abs. 1 Nr. 3 Abgabenordnung (AO) an die Klägerin. Darin bat es
entsprechend einer vorherigen persönlichen Rücksprache mit einem
Mitarbeiter der Klägerin um Übersendung folgender Unterlagen:
1. Aufstellung mit Personen- und Auftragsdaten (Name und Anschrift,
Anzeigenverlauf bzw. Stichwort, Ausgabennummer- Datum
gegebenenfalls Kontodaten) aller Anzeigenauftragsgeber für den
Zeitraum 1. Januar 2011 bis dato und
2. ab dato bis 31. Dezember 2012 zusätzlich zu den vorstehenden
Angaben den Anzeigentext,
soweit die Anzeigen mit Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im
Zusammenhang stehen.
Die Aufstellung zu 2. sollte wöchentlich, letztmalig nach Ablauf des 31.12.2012
übersandt werden.
Gegen das Auskunftsersuchen richtete sich die Klägerin durch Einspruch, mit
dem sie geltend machte, die Beklagte habe die Voraussetzungen für ein
Sammelauskunftsersuchen nicht hinreichend belegt, so dass nicht
nachvollzogen werden könne, ob tatsächlich ein berechtigter Anlass für das
Ersuchen bestanden habe. Außerdem sei das Ersuchen nicht verhältnismäßig
und die Auskunft zu weit gefasst und unbestimmt, da die Aufforderung sich auf
sämtliche Anzeigen, die mit Personen des Rotlichtmilieus in (irgendeinem)
Zusammenhang stünden (beispielsweise auch ein privater Pkw-Verkauf)
erstrecke.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück und vertrat die
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Auffassung, dass FA FuSt sei auf Grund eines hinreichenden Anlasses zur
Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle im Sinne von § 208 Abs. 1
Nr. 3 AO tätig geworden. Aufgrund der in der Vergangenheit geschalteten
Anzeigen und der allgemeinen Erfahrung der Finanzbehörde, des
Bundesrechnungshofes und des Niedersächsischen Landesrechnungshofes,
wonach Vollzugsdefizite bei der Besteuerung von Einnahmen und Einkünften
bei Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus bestünden, gebe es
hinreichende Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen. Das Auskunftsersuchen
erstrecke sich zudem nur auf solche Anzeigen, in denen erkennbar
Prostituierte ihre Dienstleistungen anböten oder Betriebe des Rotlichtmilieus
beworben würden (Einspruchsentscheidung Seite 4 unter c). Das
Auskunftsersuchen sei zur Sachverhaltsaufklärung auch geeignet und
notwendig gewesen und die Pflichterfüllung für die Klägerin möglich und ihre
Inanspruchnahme geeignet, erforderlich und zumutbar gewesen. Soweit die
Klägerin rüge, auch ein möglicher Pkw-Verkauf sei vom Auskunftsersuchen
erfasst, treffe dies nicht zu. Schließlich sei nicht ersichtlich, dass technische
Gründe einer Auskunftserteilung entgegenstünden. Eine Selektion der
Anzeigen sei ohne weiteres möglich, da bei der Auftragsannahme für jede
Annonce ein Rubrikschlüssel vergeben werde. Dies sei bei der Klägerin die
Nr. XXX mit der Bezeichnung „Verschiedenes“. In den Druckausgaben der
Zeitung finde man dort nach den bisherigen Feststellungen ausschließlich
Angebote aus dem Rotlichtbereich.
Hiergegen richtet sich nunmehr die Klage. Die Klägerin ist nach wie vor der
Auffassung, dass Auskunftsersuchen sei rechtswidrig bzw. sogar nichtig.
Die im Einspruchsbescheid vom Beklagten vorgenommene Konkretisierung
auf „solche Anzeigen, in denen erkennbar Prostituierte ihre Dienstleistungen
anbieten oder Betriebe des Rotlichtmilieus beworben werden“ genüge
rechtsstaatlichen Grundätzen nicht. So könne durch die Klägerin, die ihre
Auskunft nach bestem Wissen abzugeben habe, nicht exakt bestimmt werden,
ob beispielsweise das Angebot einer Massage unter Angabe einer
Telefonnummer ohne einen konkreten Hinweis auf Prostitution oder eine
Anzeige mit Hinweis auf einen „Swinger-Club“ noch zum Umfang der
Sammelauskunft gehöre. Die Auslegung des Verwaltungsaktes dürfe nicht der
Klägerin auferlegt werden. Das Sammelauskunftsersuchen müsse aus sich
heraus so bestimmt sein, dass eine eindeutige Identifizierung der Anzeigen für
die Klägerin möglich sei. Insbesondere der Hinweis der der Beklagten, dass
die Klägerin gegebenenfalls einen internen Schlüssel zur Zuordnung der
Anzeigen benutze, reiche zur Konkretisierung des Verwaltungsaktes nicht aus.
Denn die Zuordnung durch die Klägerin erfolge innerhalb der Rubriken im
Anzeigenteil, der die Rubrik „Rotlichtmilieu“ oder ähnliches nicht vorsehe.
Insoweit stehe zu vermuten, dass unter dem verwendeten internen Schlüssel
nur ein nicht eindeutig zu bestimmender Anteil der Anzeigen tatsächlich in den
Bereich des Rotlichtmilieus falle. Ein bestimmbarer Verwaltungsakt hätte vor
diesem Hintergrund zumindest etwaige Kriterien zur Identifizierung der Anzeige
enthalten müssen. Zudem seien in der Rubrik XXX auch private
Kontaktgesuche mit eindeutiger sexueller Ausrichtung denkbar, die die
Klägerin nicht unter den „normalen“ Bekanntschaftsanzeigen veröffentlichen
wolle. Auch sei eine zu unbestimmte Begründung nicht nach § 126 AO
nachholbar.
Des Weiteren bestünden Bedenken am Vorliegen eines hinreichenden
Anlasses. Das Ersuchen sei vielmehr als unzulässige Rasterfahndung
anzusehen.
Schließlich sei das Sammelauskunftsersuchen auch unverhältnismäßig. Dies
treffe jedenfalls hinsichtlich solcher Anzeigen zu, die keine Chiffre-Adressen
enthielten. Denn nur bei Anzeigen, die eine Chiffre-Adresse enthielten, sei die
Finanzverwaltung nicht selbst in der Lage, den Anzeigenerstatter festzustellen.
Es sei zudem unverständlich, den Ermittlungsaufwand der Klägerin
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aufzubürden, die nur „Dritte“ und nicht selbst am Besteuerungsverfahren
beteiligt sei.
Es sei zudem für die Klägerin unmöglich, sämtliche Anzeigen der Rubrik XXX
danach zu selektieren, ob tatsächlich ein Bezug zum Rotlichtmilieu bestehe,
oder ob die Anzeigenaufgeber lediglich persönliche Neigungen verfolgen und
nicht erwerbswirtschaftlich handeln. Von der Steuerverwaltung gewonnene
Erkenntnisse hinsichtlich eines Besteuerungsdefizits im Rotlichtmilieu aus
anderen Teilen der Bundesrepublik seien schließlich nicht ohne weiteres auf
den Streitfall übertragbar.
Die Klägerin beantragt,
das Sammelauskunftsersuchen in der geänderten Fassung vom
heutigen Tage aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt nach wie vor die Auffassung, das Auskunftsersuchen sei rechtmäßig.
Insbesondere sei es inhaltlich hinreichend bestimmt. Auf welche Anzeigen das
Auskunftsersuchen abziele, sei der Klägerin in Person von Frau Y in einem
persönlichen Gespräch am 11. Oktober 2011 umfassend erläutert worden. Bei
der schriftlichen Abfassung des Auskunftsersuchens habe es deshalb
ausgereicht, die tatsächlich verwendete Umschreibung zur Konkretisierung
des gewünschten Auskunftsersuchens zu verwenden. Außerdem habe der
Beklagte im Einspruchsbescheid vom 9. Februar 2012 konkretisiert, dass sich
das Ersuchen lediglich auf die Anzeigen der Rubrik mit der Schlüsselnummer
XXX unter der Bezeichnung „Verschiedenes“ erstrecke. Auf eine weitere
Konkretisierung habe der Beklagte verzichtet, weil das FA FuSt Frau Y zum
einen die Zielsetzung des Auskunftsersuchens erläutert habe und zum
anderen sie selbst die Rubrikschlüsselbezeichnung für die „Rotlichtanzeigen“
in dem Gespräch am … 2011 in den Räumen der Klägerin als mögliches
Abgrenzungsmerkmal benannt habe. Das Auskunftsersuchen sei auch
notwendig zur Ermittlung der handelnden Personen. Allein die Angabe der
Telefonnummer in einer Anzeige sei nicht ausreichend, um den Dienstleister
und dahinter stehende Personen zu ermitteln. Entsprechende Anfragen bei der
Bundesnetzagentur bzw. den Telekommunikationsunternehmen hätten nur in
etwa der Hälfte der Fälle dazu geführt, den Anschlussinhaber zu ermitteln.
Eine Einschränkung des Auskunftsersuchens auf Sachverhalte, bei denen der
Beklagte den Anschlussinhaber nicht bei der Bundesnetzagentur ermittelt
konnte, wäre zudem unverhältnismäßig, da dies für die Klägerin mehr
Ermittlungsaufwand beinhalten würde. Außerdem seien die Angaben der
Prostituierten auf entsprechende Nachfrage nach den hinter ihnen stehenden
Personen überwiegend nicht ausreichend, da unter anderem Sprachprobleme,
Unwissenheit oder angebliche Kenntnis nur hinsichtlich der Vornamen der
„Hintermänner“ die Identifikation der „Hintermänner“ erschwerten.
Schließlich sei auch ein unverhältnismäßig hoher Aufwand der Klägerin bei der
Auskunftserteilung nicht ersichtlich. Aufgrund der Exportfunktion nach Excel
seien die Angaben problemlos und ohne viel Aufwand in eine Datei
exportierbar. Die Klägerin benutzte für die Anzeigenverwaltung das Programm
„JJK fliess“, welches eine Exportfunktion nach Excel anbiete.
Das Gericht hat durch Vernehmung der Zeugin Y Beweis erhoben zu der
Frage, wie es zur der Anzeigenaufnahme kommt und was sie in diesem
Zusammenhang und mit dem Auskunftsersuchen mit Herrn Müller von der
Steuerfahndung besprochen hat. Die Zeugin Y hat u.a. bekundet, dass die
Anzeigenkunden der Rubrik XXX jeweils Personalausweis und die Rubrik
Gewerbeschein vorlegen. Die Zeugin könne auch anhand der Anzeigentexte
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zuordnen, welche Anzeigen dem Rotlichtmilieu zuzuordnen seien. Der
Aufwand, die angeforderten Auskünfte zu erteilen, betrage ca. 10 Minuten je
Ausgabe der Zeitung. Zu den weiteren Einzelheiten der Aussage wird auf das
Sitzungsprotokoll verwiesen.
Der Vertreter des Beklagten hat im Verlauf des mündlichen Verhandlung sein
Auskunftsersuchen dergestalt eingeschränkt, dass eine Auskunft nicht zu
erteilen sei für Betriebe, deren Anschriften sich aus den Anzeigen ergebe (vgl.
Sitzungsprotokoll).
Zu den weiteren Einzelheiten das Sach- und Streitstandes wird auf die
Schriftsätze der Beteiligten sowie die Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Das von dem Beklagten an die Klägerin gerichtete Auskunftsersuchen in der
im Rahmen der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung ist rechtmäßig.
Das FA FuSt hat im Rahmen der ihm zustehenden Befugnisse gehandelt und
das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
1. Nach § 68 FGO ist Gegenstand des Verfahrens das Auskunftsersuchen in
der geänderten Fassung mit der Einschränkung in der mündlichen
Verhandlung, nach der eine Auskunft nicht zu erteilen ist, soweit Betriebe mit
Anschrift genannt werden. Das Auskunftsersuchen ist nach Bekanntgabe der
Einspruchsentscheidung geändert, so dass das geänderte Ersuchen als neuer
Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens wird.
2. Bei der Überprüfung einer konkreten Tätigkeit der Steuerfahndung auf ihre
Rechtmäßigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zwischen
der Aufgabenzuweisung einerseits (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 AO) und
den zur Erfüllung dieser Auf-gaben verliehenen Befugnissen andererseits
(§ 208 Abs. 1 Satz 2 AO) zu unterscheiden (BFH-Beschlüsse vom 16.12.1997
VII B 45/97, BStBl II 1998, 231, und in BFH/NV 1998, 424, 428, m.w.N.). Eine
konkrete Maßnahme des FA FuSt ist hiernach rechtmäßig, wenn sich das FA
FuSt dabei im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs gehalten hat
(nachfolgend 3.) und ihm die in Anspruch genommene Befugnis nach dem
Gesetz zusteht (nachfolgend 4.).
3. Das FA FuSt hat sich im Rahmen des ihm zugewiesenen Aufgabenbereichs
gehalten.
a) Das FA FuSt hat das Sammelauskunftsersuchen ausdrücklich auf § 208
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gestützt und damit zum Ausdruck gebracht, dass es
nicht im Strafverfahren, sondern im Besteuerungsverfahren zur Aufdeckung
und Ermittlung unbekannter Steuerfälle tätig werden will. Die Angaben über
Personen- und Auftragsdaten der Anzeigenauftraggeber im Zusammenhang
mit dem Rotlichtbereich und dem Rubrikschlüssel XXX, mit dem Ziel der
Auswertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse, unterfällt grundsätzlich dem
Aufgabenbereich des § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO. Die Aufdeckung und
Ermittlung unbekannter Steuerfälle umfasst Nachforschungen sowohl nach
unbekannten Steuerpflichtigen als auch nach bisher unbekannten steuerlichen
Sachverhalten (vgl. BFH-Beschluss in BStBl II 2000, 643;
Gesetzesbegründung des Finanzausschusses, BTDrucks 7/4292 zu § 208
AO). Etwaige Kontrollmitteilungen über die Anzeigenaufgabe ermöglichen dem
für die Besteuerung jeweils zuständigen Finanzamt (FA) die Kontrolle, ob die
jeweils im Rotlichtbereich tätige Person dort als Steuerpflichtige erfasst ist und
ob die erzielten Einnahmen einer ordnungsgemäßen Besteuerung unterworfen
worden sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre ein dem FA bisher
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unbekannter Steuerpflichtiger ermittelt bzw. ein bisher unbekannter
steuerlicher Sachverhalt aufgedeckt.
b) Allerdings hat der BFH im Anschluss an die Rechtsprechung des BFH zum
Recht der früheren Abgabenordnung (§ 201 der Reichsabgabenordnung)
unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung sowie der Bedeutung der
allgemeinen Steueraufsicht für die Sicherung der Staatseinnahmen, ferner
unter Abwägung des hohen Stellenwerts, den das Gebot der Steuergleichheit
und Steuergerechtigkeit für die Allgemeinheit hat, gegen die Rechte und
Interessen des von einer Maßnahme des FA FuSt im Einzelfall Betroffenen, in
ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Aufgabenerfüllung des FA
FuSt nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO erst dann einzusetzen hat, wenn für
ein Tätigwerden ein hinreichender Anlass besteht. Ein solcher liegt vor, wenn
aufgrund konkreter Anhaltspunkte (z.B. wegen der Besonderheit des Objektes
oder der Höhe des Wertes) oder aufgrund allgemeiner Erfahrung (auch
konkreten Erfahrungen für bestimmte Gebiete) die Möglichkeit einer
Steuerverkürzung in Betracht kommt und daher eine Anordnung bestimmter
Art angezeigt ist (BFH v. 16.5.2013 II R 15/12, Juris). Ermittlungen "ins Blaue
hinein", Rasterfahndungen, Ausforschungsdurchsuchungen oder ähnliche
Ermittlungsmaßnahmen sind unzulässig (vgl. BFH-Urteile vom 29.10.1986 VII
R 82/85, BStBl II 1988, 359 -Chiffreanzeigen betreffend den Verkauf von
ausländischem Grundbesitz durch Inländer-; vom 24.3.1987 VII R 30/86, BStBl
II 1987, 484 -Vermittlungsprovisionen an Kreditvermittler-; vom 17.3.1992 VII R
122/91, BFH/NV 1992, 791 -Verkaufsanzeigen für Yachten im Anzeigenheft
eines Yachtmaklers-; s. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 424).
c) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Fall
ergibt sich, dass das FA FuSt hinreichenden Anlass zur Einholung der
Auskünfte bei der Klägerin hatte. Ein hinreichendes Moment für ein
Tätigwerden des FA FuSt ergab sich aus der Zusammenschau der diesem zur
Kenntnis gelangten Umstände und Fakten im Zusammenhang mit den
vorhandenen Erfahrungswerten im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu.
Insoweit war ein Verdachtsgrad erreicht, der --wie bereits der Große Senat des
BFH zu § 201 AO (in der bis 1977 geltenden Fassung) entschieden hat
(Beschluss des Großen Senats des BFH vom 13. 2.1968 GrS 5/67, BStBl II
1968, 365)-- sog. Vorfeldermittlungen mindestens rechtfertigt, wenn nicht gar
gebietet, um die vom Gesetzgeber mit der Aufgabenstellung in § 208 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 AO beabsichtigte möglichst lückenlose Verhinderung von
Steuerverkürzungen zu gewährleisten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein
hinreichender Anlass für Ermittlungen der Steuerfahndung zur Aufdeckung
unbekannter Steuerfälle nach den §§ 93, 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO auch
dann vorliegen kann, wenn bei Betriebsprüfungen Steuerverkürzungen
aufgedeckt worden sind, die durch bestimmte für die Berufsgruppe typische
Geschäftsabläufe begünstigt worden sind. Da im Rotlichtbereich erzielte
Einnahmen kaum für die Finanzverwaltung erkennbar sind und oftmals nicht
erklärt werden, liegen diese Voraussetzungen vor. Sogar eine (relativ) geringe
Anzahl bereits festgestellter Steuerverkürzungen steht der Aufnahme von
Vorfeldermittlungen nicht entgegen (vgl. BFH v. 5.10.2006 VII R 63/05, BStBl. II
2007, 155). Denn der Anlass für das Auskunftsverlangen ergab sich im
Streitfall primär aus einem die Möglichkeit einer Steuerverkürzung
begünstigenden Geschäftsablauf, aber auch vor dem Hintergrund, dass im
Rotlichtmilieu bekanntermaßen in einer Vielzahl von Fällen keine
ordnungsmäßige Versteuerung erfolgt. Es überschreitet auch nicht die
Grenzen des dem FA FuSt bei der gebotenen vorweggenommenen
Beweiswürdigung eingeräumten Ermessens, aus den in der Vergangenheit
aufgedeckten Fälle zu schließen, dass zur Aufklärung weiterer
Hinterziehungen über die einzelfallbezogene Betriebsprüfung hinausgehende
Ermittlungen geboten sind.
d) Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse des FA FuSt sind die
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Ermittlungsmaßnahmen auch nicht als Rasterfahndung oder Ermittlung ins
Blaue zu qualifizieren. Dem steht die (möglicher Weise) größere Zahl der von
den Ermittlungsmaßnahmen betroffenen Personen nicht entgegen. Denn, wie
ausgeführt, liegen hinsichtlich der im Rotlichtbereich tätigen Personen
hinreichende Anhaltspunkte für ein statistisch relevantes und mehr als nur
unerhebliches Nichtbefolgen der steuerlichen Erklärungspflichten vor. Eine
unzulässige Rasterfahndung kann zwar auch vorliegen, wenn das FA FuSt
aufgrund strafrechtlicher Ermittlungshandlungen unabhängig von der Höhe der
festgestellten Beträge oder von sonstigen Besonderheiten Vorgänge auf ihre
steuerlich korrekte Erfassung prüft. Im Streitfall verfügte das FA FuSt indes, wie
ausgeführt, auch unter Berücksichtigung etwaiger regionaler Unterschiede
über Erkenntnisse, die den Verdacht begründeten, dass in erheblichem
Umfang erzielte Einnahmen nicht versteuert worden sind. Überdies entspricht
der Umstand, dass entgeltlich angebotene sexuelle Dienstleistungen in einer
relevanten Anzahl von Fällen nicht der Besteuerung unterworfen werden, vor
dem Hintergrund diverser Verfahren beim erkennenden Gericht auch
gerichtsbekannten Erkenntnissen.
4. Dem FA FuSt stehen die in Anspruch genommenen Befugnisse auch zu.
a) Nach § 208 Abs. 1 Satz 2 AO stehen das FA FuSt in
steuerverfahrensrechtlicher Hin-sicht grundsätzlich die Ermittlungsbefugnisse
zu, die die FÄ im Besteuerungsverfahren haben. Wie die FÄ kann daher auch
das FA FuSt zur Ermittlung der Besteuerungsgrund-lagen die
Beweiserhebungs- und Ermittlungsbefugnisse der §§ 93 ff. AO in Anspruch
nehmen, wobei das FA FuSt bei seiner Aufgabenerfüllung nach § 208 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 AO im Interesse einer ordnungsgemäßen
Gewährleistung des Steueraufkommens sogar von bestimmten
Beschränkungen, die für die FÄ gelten, befreit ist (§ 208 Abs. 1 Satz 3 erster
Halbsatz AO), mithin also noch weiter gehende Befugnisse als die FÄ hat (vgl.
BFH-Beschluss in BStBl II 2001, 624, m.w.N.). § 93 Abs. 1 Satz 1 AO gibt
hiernach dem FA FuSt das Recht, von den Beteiligten (§ 78 AO) und anderen
Personen die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen
Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu verlangen. Dies gilt nicht nur für ein
auf einen Einzelfall beschränktes Auskunftsersuchen, sondern im Interesse
der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von
Steuerverkürzungen auch für Sammelauskunftsersuchen (vgl. BFH-Urteil in
BStBl II 1987, 484). Wie der BFH bereits entschieden hat, gehen die
Anforderungen für die Einholung einer Sammelauskunft gemäß § 93 Abs. 1
Satz 1 AO im Rahmen der Steuerfahndung nicht über die Anforderungen
hinaus, die der Steuerfahndung bei den Ermittlungen nach § 208 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 AO auferlegt sind (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1988, 359).
b) Das Sammelauskunftsersuchen genügt auch den allgemeinen
rechtsstaatlichen Grenzen. Diese Grenzen sind eingehalten, wenn das
Auskunftsverlangen zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und, gemessen an
der Bedeutung der Angelegenheit, notwendig und verhältnismäßig erscheint,
sowie dem Adressaten des Ersuchens die Erteilung der Auskunft möglich und
zumutbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 33/95, BStBl II 1997,
499, m.w.N.). Das Auskunftsersuchen muss zudem hinreichend bestimmt sein.
Das Finanzamt hat das Auskunftsersuchen ausreichend begründet (§§ 121
Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO). Das Ersuchen ist auch nicht wegen
fehlender Bestimmtheit nichtig (vgl. hierzu Beermann/Hartmann, Steuerliches
Verfahrensrecht, § 93 AO Rz. 23; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster,
AO/FGO, § 93 AO Rz. 32 ff).
aa) Das Ersuchen muss gem. § 119 Abs. 1 AO einen bestimmbaren Inhalt
haben und ist gem. § 121 AO zu begründen. § 119 Abs. 2 S. 1 AO bestimmt,
dass anzugeben ist, über welchen Sachverhalt Auskunft gegeben werden soll.
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Im Ausgangsbescheid wird die Klägerin dazu aufgefordert, zu den unter Ziff. 1
und 2 aufgeführten Umständen Stellung zu nehmen, „soweit die Anzeigen mit
Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen“.
bb) Dieses Ersuchen in seiner ursprünglichen Form wäre ohne die
ergänzenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung zu unbestimmt
gewesen, da für den Empfänger nicht hinreichend erkennbar ist, nach welchen
Kriterien der Begriff „Rotlichtmilieu“ zu definieren ist. Zwar wird Rotlichtmilieu
zum Teil als eine soziale Umgebung (Milieu) definiert, „welches im Umfeld des
sexorientierten Gewerbes, etwa der Prostitution, anzutreffen ist und oft seinen
Schwerpunkt in einem Rotlichtviertel hat“ (z.B. Wikipedia,
http://de.wikipedia.org/wiki/Rotlichtmilieu). Der Senat würde es indes als zu
weitgehend erachten, es dem Verlag aufzuerlegen, die Beurteilung, ob die
Anzeige einen Zusammenhang zu einem solchen Umfeld hat, aufzuerlegen,
soweit hiermit erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten verbunden sind.
Derartige Schwierigkeiten wären gegeben, wenn sich das Ersuchen auf
sämtliche Rubriken erstrecken würde. Da sich das Ersuchen sich auf die
Rubriken „Verschiedenes“ bzw., wie auch die Zeugin Y bestätigte, ab ca. Mitte
2012 - „Kontakte/Bars“ bezieht und insoweit – auch nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme – nach der Intention der Klägerin ausschließlich gewerbliche
Gesuche enthalten sein sollten, bedarf es einer weiteren Selektion in
problematischen Abgrenzungsfällen indes grundsätzlich nicht. Aufgrund der
Aussage der Zeugin Y, wonach ein in Bezug zur Rubrik stehender
Gewerbeschein und Personalausweis bei Aufgabe der Annonce vorzulegen
waren und nur Annoncen mit hinreichend eindeutigem Zusammenhang zu
entgeltlichen sexuellen Dienstleistungen in der Rubrik mit dem Schlüssel XXX
platziert wurden, war eine Aufgabe privater Annoncen oder Anzeigen, die
keinen Zusammenhang mit sexuellen Dienstleistungen aufwiesen, lediglich
aufgrund eines Versehens denkbar. Nur wenn – was nach den übersandten
Annoncen eine seltene Ausnahme war - erkennbar keine gewerblichen
Leistungen angeboten würden, wäre die Klägerin insoweit nicht zur Auskunft
verpflichtet. Die Begründung in der Einspruchsentscheidung (dort insbes. Seite
5) war zur Auslegung des Umfangs des Auskunftsersuchens entsprechend §§
133, 157 BGB (Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont) mit
heranzuziehen.
Im Übrigen wäre dem Geheimhaltsinteresse etwaiger privater Kontaktgesuche
und dem Steuergeheimnis auch dann hinreichend genüge getan, wenn der
Beklagte einzelne Gesuche aussondert, sofern die Klägerin dies
(versehentlich) nicht schon erledigt.
cc) Zudem und unabhängig von den obigen Erwägungen (unter aa) und bb)
kann eine Auskunft auch mündlich eingeholt werden. Die Form der
Auskunftserteilung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben; sie kann schriftlich,
elektronisch, mündlich oder fernmündlich erfolgen (§ 93 Abs. 4 S. 1). Die Form
richtet sich in erster Linie nach der Art der Auskunft und der Bedeutung für das
Steuerverfahren. Vor diesem Hintergrund war ergänzend die Zeugenaussage
der Zeugin Y zu berücksichtigen, wonach sich das Auskunftsersuchen auf
Annoncen im Zusammenhang mit dem Rotlichtbereich bezog.
dd) Der Umstand, dass zum Teil auch Verkaufsanzeigen von Clubs enthalten
sind, stand einer Auskunft dem Grunde nach (zum Umfang des Ersuchens
siehe ee)) nicht entgegen, da auch die Anzeigenaufgeber in diesem Fall ggf.
Rückschlüsse der o.g. Art zulassen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
war die mündliche Absprache indes eindeutig und ließ keinen Spielraum für
weitere Deutungen zu. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass aufgrund der
Absprache mit der Zeugin Y die Angaben für sämtliche Anzeigenerstatter in
der Rubrik XXX zu machen waren. Durch den Zusatz „soweit die Anzeigen mit
Betrieben und Personen des Rotlichtmilieus im Zusammenhang stehen“ wird
auch klargestellt, dass versehentlich in der Rubrik enthaltene private
Annoncen nicht von dem Auskunftsverlangen umfasst sein sollten.
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ee) Das Auskunftsersuchen ist zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und
notwendig, die Auskunft ist für die Klägerin möglich und ihre Inanspruchnahme
erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar. Es kann dahinstehen, welche
dieser Modalitäten rechtliche Grenzen für das Auskunftsverlangen nach § 93
AO sind und welche das Finanzamt lediglich im Rahmen einer
Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat (BFH-Urteile vom 22.2.2000
VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; vom 24.10.1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198).
Denn im Streitfall ist das angefochtene Auskunftsersuchen unter keinem dieser
Gesichtspunkte rechtlich zu beanstanden.
(1) Das Auskunftsverlangen war zur Sachverhaltsaufklärung geeignet. Das
Auskunftsersuchen erging, um gewerblich erbrachte sexuelle Leistungen der
Besteuerung unterwerfen zu können. Dabei genügt es, das ein solcher Erfolg
möglich ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 18.2.1997 VIII R 33/95, BStBl II 1997,
499, unter B. III. 4. a) dd)).
Eine „Selektion der in Frage kommenden Anzeigen war nicht unmöglich“, wie
von der Klägerin vorgetragen. Die unter der Rubrik XXX mit der Bezeichnung
„Verschiedenes“ veröffentlichten Anzeigen betreffen, soweit anhand der
vorgelegten Annoncen (GA Bl. 56 ff.) ersichtlich sowie nach der
Zeugenaussage der Zeugin Y (Sitzungsprotokoll), ausschließlich solche aus
dem Rotlichtbereich.
Das (zivilrechtliche) Vertragsverhältnis mit den Anzeigenaufgebern steht dem
Auskunftsverlangen nicht grundsätzlich entgegen. Bücher, Aufzeichnungen,
Geschäftspapiere und andere Urkunden, die sich im Herrschaftsbereich des
Auskunftspflichtigen befinden, stehen ihm nicht allein deshalb nicht zur
Verfügung i.S. des § 93 Abs. 3 Satz 2 AO, weil sich der Auskunftspflichtige in
einem zivilrechtlichen Vertrag gegenüber einem Dritten zu deren
Geheimhaltung verpflichtet hat. Die Pflicht zur Beantwortung von
Auskunftsersuchen der Finanzbehörden nach dieser Vorschrift kann durch
zivilrechtliche Verträge nicht wirksam ausgeschlossen oder beschränkt
werden. Sie unterliegt nicht der Disposition Privater. Auskunfts- und
Vorlageverweigerungsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, wie sie
die §§ 101, 102, 103 und 104 AO enthalten.
(2) Das Auskunftsersuchen war erforderlich, weil sich der Beklagte die
geforderten Angaben nicht auf amtlichem Wege oder sonst einfacher hatte
beschaffen können (Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO
Rz. 66). Der Beklagte hatte – bis auf die Werbeannoncen für Clubs, die mit
Anschrift im Inserat vorhanden waren - alle erfolgsversprechenden
Auskunftsquellen ausgeschöpft und konnte hieraus keine weiteren
Erkenntnisse gewinnen. Für Clubs, die mit Anschrift im Inserat vorhanden
waren, hat der Beklagte sein Ersuchen zudem eingeschränkt (vgl.
Sitzungsprotokoll).
Das FA FuSt durfte sein Auskunftsverlangen unmittelbar an die Klägerin
richten (§ 208 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz, § 93 Abs. 1 Satz 3 AO), zumal die
möglichen Steuerpflichtigen dem FA FuSt auch gar nicht bekannt waren (vgl. §
30a Abs. 5 Satz 2 AO). Ein Auskunftsersuchen der Steuerfahndung wäre im
Regelfall nur dann als nicht notwendig bzw. als unverhältnismäßig und
unzumutbar zu werten, wenn die Steuerfahndung von einem Dritten Auskünfte
fordern würde, die sie auf andere Weise einfacher und ohne größere
Belastung Dritter erlangen könnte, z.B. wenn diese aus einem vom
Auskunftspflichtigen herausgegebenen, regelmäßig erscheinenden
Mitteilungsorgan ("Deck- und Belegnachrichten") entnommen werden können
(BFH-Urteil in BStBl II 1987, 484, unter 2.). Wie der BFH bereits entschieden
hat, kann die Steuerfahndung von einer Tageszeitung die Benennung der
Inserenten von zwei Chiffre-Anzeigen fordern, ohne sich zunächst selbst über
Chiffre an die unbekannten Inserenten zu wenden (BFH-Urteil in BStBl II 1988,
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359, unter II.4.c). Die Klägerin kann das FA somit erst recht nicht auf eine
Vielzahl von Einzelabfragen verweisen (hierzu BFH v. 16.5.2013 II R 15/12,
Juris). Im Übrigen kann ein Dritter die Auskunft grundsätzlich nicht unter
Hinweis darauf verweigern, dass das Finanzamt auch andere Personen um
Auskunft ersuchen könne (BFH-Urteile vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II
2000, 366; vom 26.8.1980 VII R 42/80, BStBl II 1980, 699).
Die vom Beklagten angeführten Anfragen bei der Bundesnetzagentur bzw.
den Telekommunikationsunternehmen führte zudem lediglich in rund der Hälfte
aller Fälle dazu, den Namen des Anschlussinhabers und dessen Anschrift zu
erhalten. Eine Beschränkung dieses Auskunftsersuchens, dahingehend, dass
nur Anzeigen abgefragt werden, bei denen Anschlussinhaber über eine
Anfrage bei der Bundesnetzagentur bzw. den
Telekommunikationsunternehmen nicht ermittelt werden konnte, würde indes
kein milderes Mittel für die Klägerin darstellen. In diesem Falle hätte die
Klägerin einen nicht unbeachtlichen Mehraufwand, weil sie anhand der
Auftragsnummern im Einzelfall prüfen müsste. Darüber hinaus ist zu
bedenken, dass Anschlussinhaber und Anzeigenaufgeber nicht identisch sein
müssen und nach den Auswertungen des Beklagten in rund einem Drittel der
ausgewerteten Fälle identisch waren.
(3) Das Auskunftsersuchen war unter Berücksichtigung aller Umstände nicht
unverhältnismäßig im engen Sinne oder unzumutbar (vgl. zu diesen Kriterien
etwa Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 72). Im
Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit des
Auskunftsersuchens sind insbesondere die geschäftlichen Interessen der
Klägerin zu berücksichtigen und die durch die Ermittlungstätigkeit des FA zu
wahrenden Rechtsgüter der Allgemeinheit abzuwägen (vgl. BFH-Urteile in
BStBl II 1988, 359, unter II.4.e, 5.a, und in BStBl II 1987, 484, unter 3.b; BFH-
Beschluss in BStBl II 2002, 495, unter II.2.c bb).
Bei dieser Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Daten, die die
Klägerin dem FA aufgrund des Auskunftsersuchens übermittelt, dem
Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen und daher die von der Abfrage
betroffenen Anzeigenaufgeber durch die Offenbarung der Daten gegenüber
dem FAFuSt im Regelfall abgesehen von den möglichen steuerlichen und
steuerstrafrechtlichen Folgen nicht belastet werden. Das etwaige Vertrauen
der betroffenen Nutzer darauf, dass aufgrund der durch die Verwendung von
Pseudonymen weitgehend gewährleisteten Anonymität der Anzeigenaufgeber
Steuern gefahrlos verkürzt werden könnten, ist nicht schutzwürdig (BFH v.
16.5.2013 II R 15/12, Juris).
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles ist das (in der
mündlichen Verhandlung abgeänderte) Auskunftsersuchen angemessen und
zumutbar. Die Klägerin benutzte für die Anzeigenverwaltung das Programm
„JJK fliess“, welches eine Exportfunktion nach Excel anbietet. Vor diesem
Hintergrund kann die Klägerin die Angaben ohne größeren Aufwand machen,
zumal der Beklagte Hilfestellung angeboten hat (vgl. auch GA Bl. 55). Auch
unter Berücksichtigung des durch das Vertragsverhältnis zwischen der
Klägerin und den Anzeigenaufgebern geschaffenen Vertrauensverhältnisses
wertet der Senat das Interesse des Staates an einer Ermittlung möglicher
Steuerverkürzungen höher als das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin,
zumal das FAFuSt nach eigenem Bekunden gleichmäßig entsprechende
Auskunftsersuchen gegenüber sämtlichen Verlagen im regionalen
Einzugsbereich der Klägerin erlassen hat.
Das Ersuchen war auch rechtmäßig, soweit es auf zukünftige Zeiträume
(November 2011 bis Ende 2012) gerichtet war. Auch insoweit ist es bestimmt,
geeignet, erforderlich und angemessen. Wenn die Art der Annoncen in der
Rubrik XXX sich im besagten Zeitraum geändert hätte und die Annoncen in
einer Rubrik mit einer anderen Schlüsselziffer oder eine anderen Bezeichnung
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platziert worden wären, wäre das Ersuchen ebenso wie für die Vergangenheit
sachgerecht gewesen, da die vom Beklagten vorzunehmende Prognose für
die zukünftigen Zeiträume zum Zeitpunkt des Erlasses des
Auskunftsersuchens anzustellen ist. In diesem Falle wäre durch Auslegung
nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB entsprechend) zu
ermitteln, ob das Ersuchen sich auf die geänderte Rubrik bezieht.
Auch der Umfang der vom Beklagten geforderten Angaben ist nicht zu
beanstanden. Name und Anschrift, Anzeigenverlauf bzw. Stichwort,
Ausgabennummer- Datum sowie „gegebenenfalls“ Kontodaten sind für weitere
Ermittlungsmaßnahmen grundsätzlich erforderlich. Auch ist die Abfrage der
Kontodaten nicht unverhältnismäßig, da diese im Rahmen etwaiger
Ermittlungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung sein können.
5. Das Auskunftsverlangen bzw. die diesem zugrunde liegenden
Rechtsvorschriften verstoßen schließlich auch nicht gegen vorrangige
Rechtsvorschriften.
Dem Auskunftsverlangen steht das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß
§ 102 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht entgegen, da sich dieses nur auf den
redaktionellen Teil, nicht auf den Anzeigen- oder Werbeteil von Zeitungen
bezieht (vgl. auch Rätke in Klein, Kom. zur Abgabenordnung, § 102 Rz. 31;
Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 78).
Das Grundrecht der Pressefreiheit (Art 5 GG) ist schließlich durch das
Auskunftsersuchen nicht verletzt. Zwar umfasst der Schutzbereich der
Pressefreiheit auch den Anzeigenteil einer Zeitung, weil der Anzeigenteil die
öffentliche Aufgabe der Presse mit erfüllt (BVerfGE 21, S. 271/278 ff.; 64,
108/114f.). Art 5 Abs. 2 GG erlaubt indes Eingriffe in den Schutzbereich der
Pressefreiheit im Rahmen der allgemeinen Gesetze. Die §§ 93 ff, 208 AO
stellen allgemeine Gesetze dar, die mithin einen Eingriff (auch) in das
Grundrecht der Pressefreiheit gestatten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die
genannten Vorschriften der AO verfassungswidrig sind.
6. Die Kostenfolge beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Kosten waren
nicht zu teilen, da das Obsiegen der Klägerin nur geringfügig zu bewerten war
und die Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen war. Annoncen, bei
denen Betriebe sich unter Angabe der Anschrift beworben haben, waren in
den vorliegenden Anzeigen nur ganz vereinzelt enthalten und vielen im
Verhältnis zu den übrigen Annoncen nicht ins Gewicht.