Urteil des FG Münster vom 05.08.2010

FG Münster (höhe, bildung, antrag, einkünfte, vollziehung, angemessene frist, örtliche zuständigkeit, zweifel, konzept, gestaltung)

Finanzgericht Münster, 5 V 1142/10 F
Datum:
05.08.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 V 1142/10 F
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Der Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung
des verrechenbaren Verlusts nach § 15b Abs. 4 EStG vom 17.3.2009
wird ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung
über den Einspruch bzw. dessen anderweitiger Erledigung ausgesetzt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin zu 93% und der
Antragsgegner zu 7%.
Gründe:
1
I.
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Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Bildung einer Ansparrücklage nach §
7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie über die Frage, ob die Verluste der
Antragstellerin (Astin.) dem Verlustausgleichsverbot nach § 15b Abs. 1 EStG
unterliegen.
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Die Astin. wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 18.12.2006 gegründet.
Gründungskommanditisten waren Herr S und Herr T mit einem Kommanditanteil von
jeweils 80.000,- EUR. Die Komplementärin, die J Geschäftsführungs-GmbH (Im
Folgenden: GmbH), war nicht am Kapital beteiligt. Der GmbH oblag die
Geschäftsführung der Astin. Der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedurfte
es nach § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages nur für Rechtshandlungen, die über den
gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Gegenstand des Unternehmens der
Astin. ist laut § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der Handel, die Vermietung und das
Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Die GmbH erhält für
Vorlaufkosten gemäß Investitionsplan eine einmalige Zahlung in Höhe von 15.000,-
EUR (§ 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages). Gemäß § 11 des Gesellschaftsvertrages
soll die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters zu
dessen Ausscheiden führen. Der Unternehmenssitz war zunächst in I. Am 29.12.2006
erfolgte die Eintragung in das Handelsregister.
4
erfolgte die Eintragung in das Handelsregister.
Der Gesellschaftsgründung liegt ein "Konzeptionspapier zur Gründung einer
Leasinggesellschaft" zugrunde, das seitens der Initiatoren der Komplementärin für J
Leasinggesellschaften herausgegeben worden war. Das Konzeptpapier enthält
Investitions- und Finanzierungsplanungen sowie eine Ertragsplanung, die bei einer
Investition in Höhe von 320.000,- EUR in einem Zeitraum von acht Jahren (Jahre 1 bis 8
bzw. 2007 bis 2010) zu einem Gesamtüberschuss in Höhe von 71.038,- EUR führt.
Bereits ab dem Investitionsjahr (Jahr 1) sollen danach positive Jahresergebnisse erzielt
werden. Die Berechnung enthält die Ergebnisse vor Steuern. Steuerliche Hinweise
enthält das Konzeptpapier nicht.
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Ein anderes Konzeptpapier für J Leasingfonds, das eine Ertragsplanung für neun Jahre
(Jahre 0 bis 8 bzw. 2003 bis 2011) enthält, berücksichtigt dagegen die Bildung einer
Ansparrücklage nach § 7g EStG im Investitionsjahr (Jahr 0), was für dieses Jahr zu
einem Verlust in Höhe von 135.000,- EUR führt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf die beiden in den Steuerakten befindlichen Konzeptionspapiere Bezug genommen.
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Die Astin. reichte am 6.9.2007 eine Feststellungserklärung und am 22.12.2007 eine
berichtigte Feststellungserklärung für das Streitjahr 2006 ein. In der berichtigten
Erklärung gibt sie Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -91.217,60 EUR an. In der
beigefügten Steuerbilanz wurde eine Ansparrücklage nach § 7g EStG in Höhe von
90.000,- EUR gebildet, die nach einer Aufstellung auf die geplante Anschaffung von
Informationssystemen (voraussichtliche Anschaffungskosten: 157.500,- EUR) und
Baktinettenständern (voraussichtliche Anschaffungskosten: 67.500,- EUR) entfallen
sollte. Nach Zurechnung eines Gewinns in Höhe von 15.000,- EUR für die GmbH
entfielen danach auf die Kommanditisten Verlustanteile in Höhe von 53.109,38 EUR S
bzw. 53.108,22 EUR T.
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Mit Gesellschafterbeschluss vom 1.8.2008 berief die Astin. die GmbH von der
Geschäftsführung ab und setzte den Kommanditisten T mit Wohnsitz in U zum neuen
Geschäftsführer ein.
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Über das Vermögen der GmbH wurde am 1.12.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Der Antragsgegner (Ag.) erließ am 17.3.2009 einen Bescheid für 2006 über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, den er mit
einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren
Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG auf den 31.12.2006 verband. Die Einkünfte der Astin.
aus Gewerbebetrieb stellte er mit -1.217,59 EUR fest. Dabei versagte er die
Anerkennung der Ansparrücklage, da die Leasinggüter dem Leasingnehmer und nicht
der Astin. zuzurechnen seien. Außerdem sei zum 31.12.2006 noch keine verbindliche
Bestellung der Leasinggegenstände erfolgt. Die Einkünfte wurden in Höhe von 15.000,-
der GmbH, in Höhe von -8.109,38 EUR S und in Höhe von -8.108,22 EUR T
zugerechnet. In gleicher Höhe wurden für S und T verrechenbare Verluste nach § 15b
EStG festgestellt, da es sich bei der Astin. um ein Steuerstundungsmodell i. S. v. § 15b
Abs. 2 Satz 1 EStG handele.
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Die Astin. legte am 9.4.2009 Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der
Vollziehung der Bescheide beim Ag. Mit dem Einspruchsschreiben wurde der
Gesellschafterbeschluss vom 1.8.2008 eingereicht. Der Ag. hat bisher weder über den
Einspruch noch über den Aussetzungsantrag entschieden.
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Mit Gesellschafterbeschluss vom 21.7.2009 wurde die Astin. aufgelöst und T zum
Liquidator bestellt.
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Am 29.3.2010 hat die Astin. einen Aussetzungsantrag bei Gericht gestellt. Sie ist der
Ansicht, dass die Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG zulässig sei, da die
Wirtschaftsgüter ihr zuzurechnen seien. Selbst wenn man von einer Zurechnung beim
Leasingnehmer ausgehen sollte, sei die Bildung der Rücklage zulässig gewesen, weil
subjektiv eine Anschaffung getätigt werden sollte. Die Investitionsgüter seien tatsächlich
im Jahr 2007 angeschafft worden. Eine verbindliche Bestellung bis zum 31.12.2006 sei
nicht erforderlich gewesen, da die Betriebseröffnung bereits mit Gründung der Astin.
abgeschlossen gewesen sei. Lediglich der eingerichtete Geschäftsbetrieb stelle die
wesentliche Betriebsgrundlage eines Leasingunternehmens dar. Da die
Finanzierungsfunktion im Verhältnis zum Leasingnehmer im Vordergrund stehe, sei die
Art der Leasinggüter für das Unternehmen der Astin. irrelevant; sie seien frei
austauschbar.
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Da Astin. ist ferner der Ansicht, dass es sich bei ihr nicht um ein Steuerstundungsmodell
im Sinne von § 15b Abs. 2 EStG handele. Der Ag., bei dem insoweit die Beweislast
liege, habe die Modellhaftigkeit nicht nachgewiesen. Die Beteiligung sei allein aus
wirtschaftlichen, nicht aus steuerlichen Gründen eingegangen worden. Es habe kein
vorgefertigtes Konzept gegeben, in dem mit einer Verlustzuweisung geworben wurde.
Da allein die Kommanditisten über die Investitionen und über die Bildung der
Ansparrücklage entschieden hätten, sei die Rücklage nicht in die Beurteilung des
Steuerstundungsmodells einzubeziehen. Es sei zudem maßlos, § 15b EStG
anzuwenden, wenn gleichzeitig die Bildung der Rücklage versagt werde. Die vom Ag.
festgestellten Verluste resultierten allein aus der Geschäftsführervergütung der GmbH.
Für derartige Verluste sei § 15b EStG nicht geschaffen worden. Überdies bestünden
erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von § 15b EStG, da die im Gesetz
enthaltenen Begriffe "Einkunftsquelle", "Steuerstundungsmodell", "modellhafte
Gestaltung" und "vorgefertigtes Konzept" aus der Umgangssprache stammten und sich
nicht hinreichend genau definieren ließen.
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Die Astin. beantragt,
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den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlusts nach § 15b Abs. 4
EStG vom 17.3.2009 von der Vollziehung auszusetzen.
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Der Ag. beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er ist der Ansicht, dass die Bildung der Ansparrücklage bereits deshalb zu versagen sei,
weil die einzelnen Wirtschaftsgüter nicht nach Art, Funktion und voraussichtlichen
Anschaffungskosten bezeichnet worden seien. Zudem sei zum 31.12.2006 eine
verbindliche Bestellung erforderlich gewesen, da die Leasinggegenstände
Anlagevermögen und damit wesentliche Betriebsgrundlagen der Astin. darstellten und
die Betriebseröffnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei.
Anderenfalls seien die Leasinggegenstände gar nicht der Astin. zuzurechnen.
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Die Astin. habe keine Argumente angeführt, die die Anwendung von § 15b EStG als
zweifelhaft erscheinen ließen. Es bestünden keine Zweifel daran, dass ein
vorgefertigtes Konzept vorliege. Hierfür sprächen die große Zahl der nach demselben
oder ähnlichem Konzept aufgelegten Gesellschaften, die Ausgabe von
Verkaufsprospekten und die Vermarktung im Internet und durch Vertriebsbeauftragte.
Den Kommanditisten seien vielfältige Leistungen zur Verfügung gestellt worden wie
Know-how im Bereich des Leasings, Geschäftsverbindungen, Akquisition und
Finanzierung der Wirtschaftsgüter und Verwaltung der Leasingverträge. Die Regelung
in § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages, nach der die GmbH eine Vergütung für die
Erstellung eines Investitionsplans enthält, spreche ebenfalls für das Vorliegen eines
Modells. Dass die einzelnen Kommanditisten über die Höhe ihrer Investitionen frei
entschieden hätten, sei unerheblich. Weitere Entscheidungen über die Investitionen
hätten die Kommanditisten nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht
treffen können. Mit der modellhaften Gestaltung sollten steuerliche Vorteile in Form von
negativen Einkünften erzielt werden. Maßgeblich seien die prognostizierten, nicht die
tatschlich erzielten Verluste. Die Bildung der Ansparabschreibung sei unabhängig
davon in die Prognose einzubeziehen, dass diese im Konzeptpapier nicht genannt sei.
Anders als beim Konzeptpaper der X-fonds KGen sei bei den S KGen das
Investitionsjahr 0 bei der Ertragsplanung weggelassen worden. Dies sei allein deshalb
erfolgt, um eine Anwendung des § 15b EStG zu umgehen. Tatsächlich sei in allen dem
Ag. bekannten Fällen eine Ansparabschreibung im Investitionsjahr gebildet worden. Da
es bisher keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebe, sei § 15b EStG
nicht als verfassungswidrig anzusehen.
20
Mit Schriftsatz vom 29.7.2010 stimmte das für T zuständige Finanzamt E der Fortführung
des Einspruchsverfahrens durch den Ag. gemäß § 26 Satz 2 der Abgabenordnung (AO)
zu.
21
II.
22
Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet.
23
Der Antrag wurde insbesondere gegen den richtigen Antraggegner gerichtet. Die
Passivlegitimation richtet sich bei einem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der
Vollziehung (§ 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung, FGO) danach, welches Finanzamt
für die behördliche Aussetzung der Vollziehung zuständig ist. Dies ist nach § 361 Abs. 2
Satz 1, 1. Halbs. AO grundsätzlich das Finanzamt, welches den angefochtenen
Verwaltungsakt erlassen hat. Ist hingegen nachträglich eine andere Finanzbehörde
zuständig geworden, so entscheidet diese, es sei denn, die alte Finanzbehörde führt
das Einspruchsverfahren mit Zustimmung der nunmehr zuständigen Finanzbehörde fort
(§§ 361 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs., 367 Abs. 1 Satz 2, 26 Satz 2 AO). Die örtliche
Zuständigkeit für gesonderte Feststellungen bei gewerblichen Betrieben richtet sich
gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 AO vorrangig nach dem Sitz der Geschäftsleitung. Der
Wechsel der örtlichen Zuständigkeit tritt in dem Zeitpunkt ein, in dem eine der beiden
Finanzbehörden von den den Wechsel begründenden Umständen erfährt (§ 26 Satz 1
AO).
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Im Streitfall ist der Sitz der Geschäftsleitung der Astin. mit dem Gesellschafterbeschluss
vom 1.8.2008 von I nach U verlegt worden, da der einzige Geschäftsführer T hier seinen
Wohnsitz hat. Dieser Umstand ist dem Ag. erst nach Erlass des Bescheids mit dem
zusammen mit dem Einspruch eingereichten Beschluss am 9.4.2010 bekannt
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geworden. Das nunmehr zuständig gewordene Finanzamt E hat der Fortführung des
Einspruchsverfahrens durch den Ag. am 29.7.2010 zugestimmt. Dass diese Zustimmung
erst nach Antragstellung erfolgt ist, ist unerheblich, da es sich bei der Passivlegitimation
um eine Sachentscheidungsvoraussetzung und nicht um eine Zugangsvoraussetzung
handelt (vgl. Koch in Gräber, FGO, 6. Auflage 2006, § 69 FGO Rn. 59).
Die für einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erforderliche
besondere Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO ist ebenfalls erfüllt. Zwar hat
der Ag. den Antrag der Astin. nicht zuvor abgelehnt. Dies ist jedoch nicht erforderlich,
wenn die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes
in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO).
Aus dem Umstand, dass der Ag. nach Einspruchseinlegung und Antragstellung in
einem Zeitraum von fast einem Jahr weder über den Antrag entschieden hat, noch in
diesem Verfahren auf andere Weise tätig geworden ist, ergibt sich, dass eine
angemessene Frist deutlich überschritten wurde.
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Der Antrag ist nur im Hinblick auf den Verlustfeststellungsbescheid nach § 15b Abs. 4
EStG begründet. Soweit er die Feststellung der Einkünfte betrifft, ist er unbegründet.
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Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht auf Antrag des
Steuerpflichtigen die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen,
wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen oder
wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende
öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BFH bestehen ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes, wenn bei summarischer
Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts neben den für die Rechtmäßigkeit
sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu
Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der
Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatsachenfragen bewirken und sich
der Verwaltungsakt bei abschließender Klärung dieser Fragen als rechtswidrig
erweisen könnte. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsakts
sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 22.1.1976 V
B 75-76/75, BStBl II 1976, 250). Im Rahmen dieser Prüfung sind nur präsente
Beweismittel zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 22.3.1988 VII R 39/84, BFH/NV
1990, 133). Wie im Hauptsacheverfahren gelten auch im Verfahren der Aussetzung der
Vollziehung grundsätzlich die Regeln über die objektive Feststellungslast (BFH-
Beschluss vom 26.8.2004 V B 243/03, BFH/NV 2005, 255).
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Bei summarischer Prüfung anhand der präsenten Beweismittel bestehen für den Senat
keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids über die gesonderte
und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17.3.2009. Der Ag. hat
die Bildung der Ansparrücklage zu Recht nicht anerkannt.
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Gemäß § 7g Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG
a. F.) können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen
beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine gewinnmindernde
Ansparabschreibung bilden. Die Ansparabschreibung kann auch gebildet werden, wenn
dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7g Abs. 3 S. 4 EStG a. F.). Die
Rechtsprechung des BFH (siehe z. B. BFH-Urteil vom 19.09.2002, X R 51/00, BStBl. II
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2004, 184) verlangt bei bestehenden Betrieben keinen Nachweis der konkreten Absicht
des künftigen Erwerbs der Investitionsgüter. Die Investition muss jedoch ausreichend
konkretisiert sein, um eine Prüfung zu ermöglichen, ob die Wirtschaftsgüter überhaupt
begünstigt sind und ob später vorgenommene Investitionen denjenigen entsprechen, für
die die Ansparabschreibung vorgenommen wurde. Das setzt voraus, dass die
anzuschaffenden Wirtschaftsgüter nach Art, Funktion und voraussichtlichen
Anschaffungs- oder Herstellungskosten bezeichnet sind. (BFH-Urteil vom 12.12.2001,
XI R 13/00, BStBl II 2002, 385). Dagegen ist nach der Rechtsprechung des BFH für erst
noch zu eröffnende Betriebe zu verlangen, dass die Investitionsentscheidung
hinsichtlich der wesentlichen Betriebsgrundlagen ausreichend konkretisiert ist. Sollen
die wesentlichen Betriebsgrundlagen angeschafft werden, setzt das ihre verbindliche
Bestellung voraus (BFH-Urteil vom 25.4.2002 IV R 30/00, BStBl II 2004, 182). Bei einem
Leasingunternehmen gehören nach Ansicht des BFH, der der Senat folgt, solche
Leasinggüter, die als Anlagevermögen anzusehen sind, zu den wesentlichen
Betriebsgrundlagen in diesem Sinne (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2004 X R 38/02,
BFH/NV 2005, 846 unter II. 4. c) aa) der Gründe).
Der Senat kann offen lassen, ob die Astin. in der dem Jahresabschluss zum 31.12.2006
beigefügten Aufstellung die Leasinggüter nach Art, Funktion und voraussichtlichen
Anschaffungskosten hinreichend konkret bezeichnet hat. Jedenfalls wurden die
Leasinggegenstände bis zum 31.12.2006 - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist -
nicht verbindlich bestellt. Sollte dagegen die Ansicht der Astin. zutreffend sein, dass die
Leasinggegenstände nicht zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, weil die
Finanzierungsfunktion im Vordergrund stehe, wäre die Bildung einer Ansparrücklage
bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Gegenstände dann gar nicht zum
Anlagevermögen der Astin. gehörten. Sie wären vielmehr gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO
dem Leasingnehmer zuzurechnen (siehe zur wirtschaftlichen Zurechnung bei den
verschiedenen Arten von Leasingverträgen Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Tz.
64 ff.).
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Es bestehen jedoch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom
17.3.2009 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren
Verlustes nach § 15b Abs. 4 EStG.
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Gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG ist der nach Abs. 1 nicht ausgleichsfähige Verlust
jährlich gesondert festzustellen. Diese Feststellung ist einheitlich durchzuführen, wenn
es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft i. S. v. § 180 Abs. 1 Nr. 2a
AO handelt und die Feststellung mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der
Einkünfte verbunden wird (§ 15b Abs. 4 Satz 5, 2. Halbs. EStG). Nach § 15b Abs. 1 Satz
1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell weder mit
Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten
ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Ein
Steuerstundungsmodell in diesem Sinne liegt vor, wenn auf Grund einer modellhaften
Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies
ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die
Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition
Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Belang, auf welchen
Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15b Abs. 2 EStG).
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Im Streitfall sprechen erhebliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines vorgefertigten
Konzepts und damit einer modellhaften Gestaltung, da der Gründung der Astin. ein
35
Konzeptpapier zugrunde lag, das für eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle erstellt wurde.
Letztlich kann aber offen bleiben, ob eine modellhafte Gestaltung vorliegt, da ernstliche
Zweifel daran bestehen, dass durch das Konzept die Möglichkeit geboten werden sollte,
negative Einkünfte zu erzielen. Da typische Anlaufverluste in der
Existenzgründungsphase nicht unter § 15b EStG fallen (Begründung des
Gesetzesentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, BT-Drucksache 16/107
vom 29.11.2005 S. 6; BMF-Schreiben vom 17.7.2007, BStBl I 2007, 542 Tz. 1; Seeger in
Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 15b Rn. 2), führen die Umstände, dass die GmbH
gemäß § 9 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages eine einmalige Zahlung in Höhe von
15.000,- EUR erhält sowie die sonstigen, mit der Gründung der Astin. im Streitjahr im
Zusammenhang stehenden Aufwendungen, nicht zur Erzielung steuerlicher Vorteile i. S.
v. § 15b Abs. 2 EStG.
36
Die von der Astin. angestrebte Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG
führt ebenfalls nicht dazu, dass steuerliche Vorteile in Aussicht gestellt wurden. Das
Konzeptpapier für J-Leasinggesellschaften, das der Gründung der Astin. zugrunde lag,
enthält in der Ertragsberechnung keine Hinweise auf die Bildung einer Ansparrücklage.
Dass ein anderes - offenbar älteres - Konzeptpapier derselben Initiatoren für J-
Leasingfonds Hinweise auf die Bildung einer Ansparrücklage enthält, lässt nicht
zweifelsfrei den Schluss zu, dass diese Hinweise auf das im Streitfall gewählte
Anlagemodell übertragbar sind. Entgegen der Ansicht des Ag. ist es nicht schädlich,
dass die Initiatoren als Reaktion auf die Einführung der gesetzlichen Regelung ein
Konzept entwickelt haben, das die Voraussetzungen für ein Steuerstundungsmodell i. S.
v. § 15b Abs. 2 EStG gerade nicht erfüllt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des
BFH ist es dem Steuerpflichtigen grundsätzlich nicht verwehrt, seine rechtlichen
Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe steuerliche Belastung
ergibt (z. B. BFH-Urteil vom 17.3.2010 IV R 25/08, BStBl II 2010, 622; BFH-Beschluss v.
29.11.1982 GrS 1/81, BStBl II 1983, 272, unter C. III. der Gründe).
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Weitere Anhaltspunkte dafür, dass durch das Konzept der J KGen die Möglichkeit
geboten werden sollte, negative Einkünfte zu erzielen, sind vom Ag., der insoweit die
Feststellungslast trägt, nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Im
Konzeptpapier werden steuerliche Aspekte nicht angesprochen. Vielmehr sollten
danach ab dem Investitionsjahr positive Einkünfte erzielt werden.
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Da bereits erhebliche Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15b
Abs. 2 EStG vorliegen, muss der Senat nicht auf die von der Astin. angesprochene
Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift eingehen (so auch BFH-Beschluss
vom 8.4.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437).
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Im Ergebnis ist vorläufig von Einkünften der Astin. in Höhe von -1.270,60 EUR
auszugehen, die in den Folgebescheiden der Gesellschafter wie folgt anzusetzen sind:
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a. 8.109,38 EUR
b. 8.108,22 EUR
c. +15.000,00 EUR.
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42
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Bei der Verteilung der
Kosten geht der Senat von einer steuerlichen Auswirkung hinsichtlich des Bescheids
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in Höhe
von 25% der beantragten Ansparrücklage und hinsichtlich des Bescheids über die
gesonderte und einheitliche Feststellung des verrechenbaren Verlustes in Höhe von
10% der festgestellten Verluste aus.
43
I. ... ...
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