Urteil des FG Münster vom 13.07.2006

FG Münster: berufliche ausbildung, erste hilfe, kurs, ergänzung, steuerbefreiung, grundausbildung, verordnung, begriff, erwerb, erzieher

Finanzgericht Münster, 5 K 1641/05 U
Datum:
13.07.2006
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1641/05 U
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
1
I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Umsätze der Klägerin im Zusammenhang
mit der Durchführung von Kursen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen
umsatzsteuerbefreit sind.
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Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Durchführung von Schulungen zur
Unfallverhütung und Rettung. Sie hat insbesondere die Kurse "Sofortmaßnahmen am
Unfallort", die in den Streitjahren fast ausschließlich von Fahrschülern besucht worden
sind, und "Erste Hilfe" für die Berufsvorbereitung und Berufsbegleitung für
Berufskraftfahrer, Krankenschwestern, Sportlehrer und Erzieher im ganzen
Bundesgebiet durchgeführt. Daneben hat sie auch Sehtests durchgeführt und
Broschüren verkauft.
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Die Bezirksregierung B hatte der Klägerin am 19. August 2003 für die Zeit vom 1.1.2003
bis 31.12.2005 gem. § 4 Nr. 21 a) bb) des Umsatzsteuergesetzes – UStG – bescheinigt,
dass sie mit folgender Maßnahme auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts abzulegenden Prüfung ordnungsgemäß vorbereite:
"Kurse für Sofortmaßnahmen am Unfallort" und "Erste Hilfe" berufsvorbereitend und
berufsbegleitend für Berufskraftfahrer, Krankenschwestern, Sportlehrer und Erzieher."
Eine entsprechende Bescheinigung hatte sie auch von den Bezirksregierungen E für
"Unfallhilfskurse" und L sowie dem Regierungspräsidium D und für ihre Zweigstelle im
T von dem Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales des T erhalten.
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In ihren USt-Voranmeldungen behandelte die Klägerin die Umsätze aus der
Durchführung von Sehtests und dem Verkauf der Broschüren als steuerpflichtig und die
Umsätze aus der Durchführung der vorgenannten Kurse als steuerfrei.
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Bei einer für den Voranmeldungszeitraum Januar bis Juni 2003 durchgeführten USt-
Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Umsätze aus diesen Kursen
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Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die Umsätze aus diesen Kursen
nur insoweit steuerbefreit seien, als sie für die in der Bescheinigung genannten
Berufsgruppen erteilt worden seien. Dagegen seien die Umsätze der Kurse
"Sofortmaßnahme am Unfallort" steuerpflichtig, soweit sie an Fahrschüler im Rahmen
ihrer Fahrausbildung erteilt worden seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den
Prüfungsbericht vom 20. Januar 2004 Bezug genommen. Aus Vereinfachungsgründen
erließ der Beklagte nur einen geänderten USt-Vorauszahlungsbescheid für Juni 2003.
In der Folgezeit führte der Beklagte erneut eine USt-Sonderprüfung für den
Voranmeldungszeitraum Juli bis Dezember 2003 bei der Klägerin durch, bei der die
Prüferin zu denselben rechtlichen Feststellungen wie bei der vorherigen USt-
Sonderprüfung gelangte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom
22. Juni 2004 Bezug genommen.
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Den Prüfungsfeststellungen folgend erließ der Beklagte am 24. August 2004 einen USt-
Bescheid für 2003.
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Mit Einspruchsentscheidungen vom 22. März 2005 wies der Beklagte den Einspruch
gegen den USt-Vorauszahlungsbescheid Juni 2003 in Gestalt des Jahresbescheides
vom 24. August 2003 als unbegründet zurück.
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Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage führt die Klägerin aus, dass die
Umsätze im Zusammenhang mit der Durchführung des Kurses "Sofortmaßnahmen am
Unfallort" in Höhe von 1.688.017,- Euro (brutto) umsatzsteuerfrei seien. Aus der
Bescheinigung der Bezirksregierung B gehe eindeutig hervor, dass dieser Kurs
ordnungsgemäß auf eine Prüfung vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
vorbereite.
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Der Kurs vermittele Kenntnisse, die im Rahmen der theoretischen Prüfung zur
Erlangung der Fahrerlaubnis abgefragt würden. Insoweit erfolge durch den Kurs eine
Vorbereitung auf die Führerscheinprüfung. Die Fahrprüfung werde auch vor einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts abgelegt. Der Prüfer werde dabei nach h.M.
als Verwaltungshelfer der Fahrerlaubnisbehörde angesehen. Entsprechend müsse auch
sein Handeln dieser Behörde zugeordnet werden. Eine Schulung, die auf die
Fahrprüfung vorbereite, müsse daher im Ergebnis als eine Vorbereitung auf eine vor
einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung angesehen
werden.
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Sie sei auch eine allgemeinbildende Einrichtung. Aus dem als Anlage beigefügten
Lehrplan sei ersichtlich, dass sich der Kurs mit der Vermittlung von Wissen in Bezug auf
rechtliche Grundlagen wie auch auf die Vermittlung von Techniken befasse, die bei der
Rettung von Menschen aus einem Gefahrenbereich oder dem Erkennen von
lebensbedrohlichen Störungen eines Menschen hilfreich seien. Diese Lehrinhalte
stellten auch wichtige Inhalte der Allgemeinbildung dar. Sämtliche Maßnahmen, die
erlernt würden, könnten zudem nicht nur bei Verkehrsunfällen, sondern auch bei
Berufsunfällen, bei Unfällen im Haushalt oder im Bereich des Sports sowie der Freizeit
eingesetzt werden. Die von ihr angebotenen Kurse bereiteten gerade nicht
ausschließlich auf die Fahrprüfung vor, sondern vielmehr auf den Umfang und das
Helfen in Notsituationen.
12
Auch gehe z.B. aus einem Runderlass des Kultusministeriums NRW hervor, dass die
Grundausbildung in Erster Hilfe im Rahmen oder in Ergänzung des Unterrichts
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Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 als Kurs angeboten werde.
Die vom BFH im Urteil vom 14. März 1974 (V R 54/73) gezogenen Folgerungen,
wonach Fahrschulen nicht als allgemeinbildende Einrichtungen anzuerkennen seien,
seien heute nicht mehr haltbar, denn das Autofahren gehören heute zur
Allgemeinbildung.
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Schließlich sei durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2002 eine Ergänzung des
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§ 4 Nr. 21 UStG erfolgt. Hierin komme in jedem Fall zum Ausdruck, dass eine
einschränkende Auslegung der neuen Befreiungsvorschrift nicht geplant sei, sondern im
Gegenteil eine weite Auslegung. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird Bezug
genommen auf das von der Klägerin vorgelegte Gutachten von Prof. G .
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Der Beklagte hat am 8. November 2005 aus hier nicht strittigen Gründen im Anschluss
an eine Lohnsteueraußenprüfung einen geänderten USt-Bescheid für 2003 erlassen.
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Die Klägerin beantragt,
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den USt-Bescheides 2003 vom 8. November 2005 dahingehend zu ändern, dass
von den als steuerpflichtig zu 16 v.H. angesetzten Umsätzen ein Teilbetrag von
1.455.187,00 € als umsatzsteuerfrei mit einem Bruttobetrag von 1.688.017,00 €
erfasst wird, wobei gleichzeitig der Vorsteuerabzug entsprechend anzupassen ist,
19
im Unterliegensfall.
20
die Revision zuzulassen.
21
Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen,
23
hilfsweise im Fall des Unterliegens,
24
die Revision zuzulassen.
25
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in den
Einspruchsentscheidungen vom 22. März 2005.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin erbringt mit ihren Kursen "Sofortmaßnahmen am Unfallort" steuerbare
Umsätze gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Diese Umsätze sind – soweit sie nicht an
besondere Berufsgruppen wie z.B. Berufskraftfahrer, Krankenschwestern, Sportlehrer
und Erzieher erteilt werden – nicht umsatzsteuerbefreit und damit umsatzsteuerpflichtig.
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Gem. § 4 Nr. 21a) bb) UStG sind von der Umsatzsteuer die unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender
oder berufsbildender Einrichtungen befreit, wenn die zuständige Landesbehörde
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bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet.
Ungeachtet der Bescheinigung der Bezirksregierung B vom 19. August 2003 und der
zwischen der Beteiligten strittigen Frage, wie diese Bescheinigung auszulegen ist, hat
der beschließende Senat in eigener Zuständigkeit zu überprüfen, ob die Klägerin
bezüglich der von ihr erteilten Kurse "Sofortmaßnahmen am Unfallort" eine
allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung i.S. der vorgenannten Vorschrift ist.
Zwar entfaltet die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde, dass eine der in § 4
Nr. 21 UStG bezeichneten Einrichtungen "auf einen Beruf oder eine vor einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß
vorbereitet", Bindungswirkung für die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte (vgl.
BFH-Urteil vom 3. Mai 1989 V R 83/84, BStBl II 1989, 815). Diese Bindungswirkung
erstreckt sich jedoch nur auf den Regelungsgehalt der Bescheinigung. Dieser erfasst –
wie der Wortlaut des § 4 Nr. 21 a) bb) UStG und auch die von der Klägerin vorgelegte
Bescheinigung bestätigen – lediglich eine der beiden Voraussetzungen für die
Steuerbefreiung. Zu der Frage, ob diese Einrichtung eine private Schule oder eine
andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung im Sinne des 1. Halbsatzes
dieser Vorschrift ist, nimmt diese Bescheinigung nicht Stellung. Diese weitere
Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist von den Finanzbehörden gesondert zu prüfen
und unterliegt auch der vollen Nachprüfbarkeit durch die Finanzgerichte.
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In Bezug auf die von ihr erteilten Kurse "Sofortmaßnahmen am Unfallort" ist die Klägerin
weder als private Schule noch als allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung
zu beurteilen.
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Eine Begriffsbestimmung des Wortes "Schule" sieht das Umsatzsteuerrecht nicht vor.
Private Schulen i.S. des Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes – GG - sind Ersatzschulen und
Ergänzungsschulen. Die Ersatzschulen entsprechen in ihren Bildungszielen den
öffentlichen Schulen, die Ergänzungsschulen haben andere (ergänzende)
Bildungsziele. Im rechtlichen Sinne ist eine Schule eine auf bestimmte Dauer
berechnete, an fester Stätte unabhängig vom Wechsel der Lehrer und Schüler in
überlieferten Formen organisierte Einrichtung der Erziehung und des Unterrichts, die
durch planmäßige und methodische Unterweisung eines größeren Personenkreises in
einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer bestimmte Bildungs-
und Erziehungsziele zu verwirklichen bestrebt ist und die nach Sprachsinn und
allgemeiner Auffassung als Schule angesehen wird (vgl. Schuhmann in
Rau/Dürrwächter, § 4 Nr. 21 UStG Anm. 6).
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Da eine "Schule" einen planmäßigen Unterricht voraussetzt, fällt die Veranstaltung von
einzelnen Vorträgen, Kursen, Seminaren usw. – wie sie die Klägerin vorliegend betreibt
- nicht unter den Begriff "Schule" (vgl. Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 21
UStG Rn. 10).
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Auch stellt die Klägerin in Bezug auf die hier strittigen Kurse – soweit sie von
"normalen" Fahrschülern besucht werden - keine berufbildende Schule oder Einrichtung
dar. Berufsbildende Schulen oder Einrichtungen sind Einrichtungen, die Leistungen
erbringen, die ihrer Art nach den Zielen der Berufsaus- oder der Berufsfortbildung
dienen (BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 84/98, BStBl II 1999, 578). Sie müssen
spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln, die zur Ausübung bestimmter
beruflicher Tätigkeiten notwendig sind (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2003 V R
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62/02, BStBl II 2004, 252). Darunter fallen die vorliegend strittigen Kurse der Klägerin
nicht. Sie bereiten die Kursteilnehmer auf keinen bestimmten Beruf, sondern auf die
Fahrprüfung vor.
Die Klägerin ist hinsichtlich der vorliegend strittigen Umsätze nach Auffassung des
erkennenden Senates auch nicht als allgemeinbildende Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21
a) bb) UStG anzusehen.
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Mit dem Begriff der "allgemeinbildenden Einrichtung" will das Gesetz alle Einrichtungen
erfassen, die Allgemeinbildung vermitteln, ohne die Organisationsform einer Schule zu
haben. Allgemeinbildend ist eine Einrichtung, wenn sie Wissen vermittelt, das
Gegenstand der Allgemeinbildung ist und auf diese Weise Grundlagen für die Bildung
und Ausbildung der Schüler schafft.
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Die Klägerin vermittelt in den Kursen "Sofortmaßnahmen am Unfallort" den
Kursteilnehmern die nach § 19 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von
Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) erforderlichen
Kenntnisse.
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Nach § 19 Abs. 1 FeV müssen Bewerber um eine Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B,
BE, L, M oder T an einer Unterweisung in lebensrettenden Sofortmaßnahmen
teilnehmen. Die Unterweisung soll dem Bewerber um eine Fahrerlaubnis durch
theoretischen Unterricht und durch praktische Übungen die Grundzüge der
Erstversorgung von Unfallverletzten im Straßenverkehr vermitteln, ihn insbesondere mit
der Rettung und Lagerung von Unfallverletzten sowie mit anderen lebensrettenden
Sofortmaßnahmen vertraut machen.
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Die Klägerin vermittelt Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die das
Straßenverkehrsgesetz und die auf ihm beruhende Fahrerlaubnis-Verordnung von
einem Bewerber für die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen fordern. Dabei
besteht die überwiegende Ausbildungstätigkeit in der Einübung von Verhaltensweisen
am Unfallort. Es kann dahingestellt bleiben, ob solche Fähigkeiten überhaupt nach
allgemeinem Verständnis des Begriffs zu den Merkmalen zu rechnen sind, die die
"Allgemeinbildung" ausmachen. Denn in jedem Fall kann der von der Klägerin
vermittelte begrenzte und spezielle Lehrstoff höchstens als notwendiger Bestandteil
einer Allgemeinbildung angesehen werden; er ist weit davon entfernt, für sich allein ein
geistiges Gut zu vermitteln, das als Allgemeinbildung bezeichnet werden kann (so für
die Tätigkeit einer Fahrschule ausdrücklich BFH, Urteil vom 14. März 1974 14 V 54/73,
BStBl II 1974, 527).
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Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Ausbildung in Erster Hilfe nach den
Runderlassen verschiedener Kultusministerien Teil der Ausbildung der Schülerinnen
und Schüler sein soll, macht die dort vermittelten Kenntnisse nicht automatisch zur
Allgemeinbildung, denn die Grundausbildung erfolgt dort im Rahmen einer
kontinuierlichen Gesamterziehung, die neben der Allgemeinbildung insbesondere auch
soziale Verhaltensweisen umfasst. Auch erfolgt die Ausbildung in Erster Hilfe an den
Schulen in freien Arbeitsgruppen, Arbeitsgemeinschaften oder als Wahlunterricht bzw.
in Ergänzung des Unterrichts auf freiwilliger Basis. Sie ist damit nicht Bestandteil des
Pflichtstoffes an Schulen.
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Zwar ist auch eine die Schule unterstützende und sich auf die Verarbeitung oder
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Repetition des von der Schule angebotenen Stoffes beschränkende Tätigkeit
Vermittlung von Allgemeinbildung (vgl. Urteil des BVerwG vom 3. Dezember 1976 VII C
73.75, BStBl II 1977, 334 für einen privaten Schularbeitskreis).
Vorliegend dienen die Kurse "Sofortmaßnahmen am Unfallort" jedoch – anders als ein
privater Schularbeitskreis oder anders als Nachhilfeunterricht - nicht der Verarbeitung
und Repetition der nach dem Runderlass verschiedener Kultusministerien für die
Klassen 8 bis 10 vorgesehenen Kurse in Erster Hilfe. Denn die Schülerinnen und
Schüler, die im Rahmen oder in Ergänzung des Schulunterrichts an der
Grundausbildung in Erster Hilfe teilnehmen und nach Abschluss des Lehrgangs eine
Teilnahmebescheinigung erhalten, mit der auch die Voraussetzungen erfüllt werden, die
bei Antragstellung auf Erteilung der Fahrerlaubnis als Nachweis über die Unterweisung
in Sofortmaßnahmen am Unfallort vorgeschrieben sind (vgl. Runderlass des
Kultusministeriums NRW vom 24.5.1976 unter 1.8), benötigen gerade nicht die von der
Klägerin angebotenen Kurse. Diese werden vielmehr nur von denjenigen
Fahrprüflingen besucht, die bislang keinen entsprechenden Kurs besucht haben.
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Selbst wenn es – entsprechend dem von der Klägerin eingereichten Gutachten des Prof.
G - aber bei dem von der Klägerin vermittelten Lehrstoff (zumindest teilweise) um Inhalte
der Allgemeinbildung gehen sollte, reicht dieser gleichsam als Grundlage für den
Erwerb des Führerscheins vermittelte allgemeinbildende Anteil des Lehrstoffs nicht aus,
um die Klägerin auch in Hinblick auf die hier strittigen Kurse "Sofortmaßnahmen am
Unfallort" als allgemeinbildende Schule oder Einrichtung i.S. des § 4 Nr. 21 UStG
1993/1999 anzusehen, denn die Kurse stehen in unmittelbaren Zusammenhang mit
dem Erwerb der Fahrerlaubnis. Der BFH hat in diesem Zusammenhang bereits mit
Urteil vom 14. März 1974 (V R 54/73, BStBl II 1974, 527) entschieden, dass Fahrschulen
grundsätzlich keine allgemein bildenden oder berufsbildenden Einrichtungen sind,
soweit sie auf den Erwerb der Fahrerlaubnis in den (seinerzeit noch so bezeichneten)
Klassen 1 und 3 vorbereiten. Damit entfällt aber auch für die eng mit der Vorbereitung
zur Fahrprüfung für diese Führerscheine zusammenhängenden Kurse
"Sofortmaßnahmen am Unfallort" die Möglichkeit der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 a)
bb) UStG. Eine Ausnahme ist nur für die – vorliegend nicht strittigen – Kurse der
Klägerin geboten, die den jeweiligen Teilnehmer auf eine Tätigkeit als Berufskraftfahrer
vorbereiten oder die Voraussetzung für eine Berufsausübung z.B. als Sportlehrer etc.
sind, da sie in unmittelbaren Zusammenhang mit der Berufsausbildung bzw. –ausübung
stehen.
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Dieses Verständnis des § 4 Nr. 21 UStG entspricht auch gemeinschaftsrechtlichen
Vorgaben.
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Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage - um.
Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer:
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"...
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die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die
Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng
verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen
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des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere
Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer
Zielsetzung;"
Da die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Richtlinie
77/388/EWG umschrieben sind, Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz
darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der
Umsatzsteuer unterliegt, sind sie eng auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile
des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften – EuGH - vom 15. Juni 1989 Rs.
348/87 -Stichting Uitvoering Financiele Akties -, Slg. 1989, 1737, Umsatzsteuer- und
Verkehrsteuer-Recht -UVR- 1989, 307, Rdnr. 11, 13, und vom 5. Juni 1997 Rs. C-2/95 -
Sparekassernes Datacenter-, Slg. 1997, I-3017, UVR 1997, 288, Rdnr. 20). Dies spricht
dafür, die Begriffe "die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung" in
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass nur
die berufliche Ausbildung, die berufliche Fortbildung oder die berufliche Umschulung
gemeint sind.
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In diese Richtung weisen im Übrigen auch die französische ("la formation ou le
recyclage professionnel") und englische ("vocational training or retraining")
Sprachfassung. Da der BFH keinen Zweifel daran gelassen hat, dass § 4 Nr. 21 UStG
mit Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG in Einklang steht (so
ausdrücklich im BFH-Urteil vom 18.12.2003, a.a.O.), ist der im UStG in § 4 Nr. 21 a) bb)
UStG verwendete Begriff der "allgemein bildenden Einrichtung" entsprechend
richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass – entsprechend dem von der
Befreiungsvorschrift verfolgten Zweck, die schulische und berufliche Ausbildung und
Fortbildung zu fördern und zugleich eine gleichmäßige umsatzsteuerliche Behandlung
der privaten und der öffentlichen Schulen herbeizuführen – Leistungen, wie die im
Streitfall von der Klägerin durchgeführten Kurse "Sofortmaßnahmen am Unfallort, die
nicht der schulischen oder beruflichen Aus-, Fort- oder Weiterbildung dienen, die
Steuerbefreiung zu versagen ist.
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Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung hat der Gesetzgeber mit der
Ergänzung des § 4 Nr. 21 UStG durch Art. 18 Abs. 2 des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 (vom 4. März 1999, BGBl I, 402) auch keine generelle weite Auslegung
der bisherigen Regelung verfolgt, sondern lediglich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der 6.
EG-RL richtlinienkonform umgesetzt (so ausdrücklich BT-Drucks. 14/443, 80 f.).
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Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zugelassen, da bislang nicht hinreichend geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen
eine Einrichtung ggf. als allgemeinbildend anzusehen ist.
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