Urteil des FG Münster vom 12.03.2004

FG Münster (Kaufpreis, Genehmigung, Grundstück, Abschreibung, Kaserne, Verpachtung, Kaufvertrag, Abspaltung, Gesellschaft, Erwerb)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 4 K 1251/01 E
12.03.2004
Finanzgericht Münster
4. Senat
Urteil
4 K 1251/01 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Beteiligten streiten darum, ob das Verfüllvolumen eines Deponiegrundstückes als
selbstständiges, der Abschreibung unterliegendes Wirtschaftsgut zu behandeln ist.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt
werden. Der Kl. ist von Beruf Maurermeister und Geschäftsführer der T Bau Verwaltungs
GmbH. Am Stammkapital dieser Gesellschaft ist er mit 20.000,- DM (40 %) und die Klin. mit
30.000,- DM (60 %) beteiligt. Die T Bau Verwaltungs GmbH ist Komplementärin der T Bau
GmbH & Co. KG. Kommanditisten dieser Gesellschaft sind die Kinder der Kl., nämlich M, N
und J T mit einer Kommanditeinlage von je 10.000,- DM.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 09.04.1998 (Nr. 264 der Urkundenrolle des Notars D1 in
C1 für 1998) kaufte der Kl. von der Bundesrepublik Deutschland (Bundesfinanzverwaltung)
insgesamt 10,9048 ha Grund und Boden der Gemarkung I in C2 bei Q. Es handelt sich
dabei um das Gelände der ehemaligen D2-Kaserne, ein nicht mehr genutztes
Munitionsdepot der belgischen Armee. Neben den ehemals rein militärisch genutzten
Baulichkeiten (u. a. Munitionsbunker) bestanden die Grundstücksflächen aus Hochwald,
Wiesenbrache, Schotterrasen sowie versiegelten Wege- und Lagerflächen. Der Kaufpreis
betrug 654.288 DM. § 3 Abs. 4 des notariellen Kaufvertrages lautet wie folgt: "Bei der
Bemessung des Kaufpreises sind die Parteien von der Erwartung des Käufers
ausgegangen, das Kaufobjekt als Bodendeponie nutzen zu können. Hinsichtlich der
Genehmigungsfähigkeit dieses Vorhabens ist jede Gewährleistung ausgeschlossen."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Text des notariellen Vertrages verwiesen.
Unter dem 17.07.1998 beantragte der Kl. die Genehmigung zur Errichtung einer
Bodendeponie auf dem Gelände der ehemaligen D2-Kaserne. Diesen Antrag ergänzte der
Kl. mit Schreiben vom 18.09.1998 hinsichtlich der Zulassung des vorzeitigen Beginns gem.
§ 33 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der
umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz -
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KrW/AbfG-) vom 27.09.1994 (BGBl. I 1994, 2705). Der Oberkreisdirektor des Kreises Q
entsprach diesen Anträgen mit Genehmigungsbescheiden vom 05.10.1998 (Zulassung des
vorzeitigen Beginns der Ablagerungen von unbelastetem Bodenaushub) und vom
24.09.1999 (endgültige Genehmigung der Bodendeponie). Diese Bescheide beinhalten
neben den abfallrechtlichen Genehmigungen zugleich die baurechtliche Genehmigung
nach § 63 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein - Westfalen (BauO NRW) für die
Aufschüttung. Wegen der weiteren Einzelheiten der dem Kl. erteilten Genehmigungen und
Auflagen wird auf die Bescheide vom 05.10.1998 und 24.09.1999 verwiesen.
Mit Wirkung vom 01.10.1998 hatte der Kl. den größten Teil des Geländes (rd. 80.000 m²)
als Bodendeponie an die Fa. T Bau GmbH & Co. KG für einen monatlichen Pachtzins von
14.000,- DM zzgl. USt überlassen. Wegen der Einzelheiten der getroffenen
Vereinbarungen wird auf den Pachtvertrag Bezug genommen.
Im Rahmen der ESt-Erklärung 1998 erklärte der Kl. einen Verlust aus der Verpachtung des
Deponiegeländes i. H. v. 23.583,- DM. Ausweislich der beigefügten Erläuterung zur Anlage
V hatte der Kl. den Wert des Grund und Bodens mit 20 Pfennigen je m² zzgl. Nebenkosten
berechnet. Danach ergab sich ein Wert von insgesamt 22.784,64 DM. Den restlichen
Kaufpreis zzgl. der Kosten zur Erlangung der Deponiegenehmigung i. H. v. insgesamt
698.875,- DM behandelte der Kl. als abschreibungsfähiges immaterielles Wirtschaftsgut
(Lizenz/Deponienutzung). Unter Ansatz einer Deponielaufzeit von 147 Monaten errechnete
der Kl. danach eine AfA von 14.262,- DM (anteilig für 3 Monate des Jahres 1998).
Der Bekl. folgte dem nicht und berücksichtigte lediglich eine AfA von 755,- DM, der -
unstreitige - Kosten für den Erwerb der Deponiegenehmigung i. H. v. 36.953,- DM
zugrundeliegen. Für das Jahr 1999 erhöhte sich dieser Wert infolge nachträglicher
Genehmigungsgebühren etc. auf 42.742,- DM. Der Bekl. ging bei diesen Berechnungen
davon aus, dass der gesamte im notariellen Kaufvertrag vom 09.04.1998 ausgewiesene
Kaufpreis von 654.288,- DM auf den Grund und Boden entfalle. Es habe - zumindest zum
damaligen Zeitpunkt - kein gesondertes Wirtschaftsgut "Deponienutzungsrecht" bestanden.
Der Antrag auf Genehmigung der Deponienutzung sei vom Kl. erst nach dem Erwerb der
Flächen gestellt worden. Die Regelung in § 3 Abs. 4 des notariellen Kaufvertrages führe zu
keinem anderen Ergebnis, da hier lediglich von der Erwartung des Käufers, das Kaufobjekt
als Bodendeponie nutzen zu können, gesprochen werde. Eine Kaufpreisminderung für den
Fall, dass sich diese Erwartung nicht erfüllen würde, hätten die Vertragsparteien jedoch
nicht vereinbart.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage, mit der die Kl. ihr
Begehren weiterverfolgen. Sie vertreten die Ansicht, dass der Kaufpreis von 654.288,- DM -
wie von ihnen berechnet - größtenteils auf das Wirtschaftsgut "Deponienutzungsrecht"
entfalle. Das ehemalige Militärgelände sei ansonsten fast wertlos, sodass ein Ansatz mit 20
Pfennigen je m² angemessen erscheine. Der Wert der Grundstücke bestehe ausschließlich
in der Möglichkeit einer Nutzung als Bodendeponie. Da sich dieses immaterielle
Wirtschaftsgut im Verlaufe der gut 12-jährigen Nutzungsmöglichkeit erschöpfe, sei eine
entsprechende AfA gem. § 7 Abs. 1 EStG berechtigt. Die AfA-Bemessungsgrundlage
haben die Kl. zuletzt auf 698.875 DM (1998) und 704.664 DM (1999) beziffert. Hinsichtlich
des Zeitraums für die vollständige Verfüllung des Deponiegrundstücks gehen die
Beteiligten übereinstimmend von 147 Monaten aus. Streitig ist danach ein AfA-Volumen
von 661.922 DM.
Die Kl. beantragen,
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unter Änderung der ESt-Bescheide 1998 vom 06.04.2000 und 1999 vom 22.10.2002 für
1998 weitere Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in
Höhe von 13.507 DM und für 1999 in Höhe von 54.034 DM zu berücksichtigen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält an seiner bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest,
wonach der vom Kl. gezahlte Kaufpreis von 654.288,- DM ausschließlich auf den
erworbenen Grund und Boden entfalle. Die Möglichkeit, das Grundstück als Bodendeponie
nutzen zu können, habe frühestens ab der ersten Genehmigung vom 05.10.1998
(Zulassung des vorzeitigen Beginns der Ablagerungen) bestanden. Im Übrigen - so die
Vertreterin des Bekl. in der mündlichen Verhandlung - handele es sich bei dieser
Nutzungsmöglichkeit auch nicht um ein eigenständiges Wirtschaftsgut gegenüber dem
Grund und Boden. Bereits aus diesem Grunde komme die von den Kl. begehrte
Abschreibung nicht in Betracht.
Der Senat hat in der Sache mündlich verhandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 12.03.2004 verwiesen.
a.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen ESt-Bescheide 1998 und 1999 sind rechtmäßig und verletzen die Kl.
nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung
durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen
Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der
Anschaffungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die
Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt (Absetzung für Abnutzung
in gleichen Jahresbeträgen). Bei Bergbauunternehmen, Steinbrüchen und anderen
Betrieben, die einen Verbrauch der Substanz mit sich bringen, ist Absatz 1 entsprechend
anzuwenden; dabei sind Absetzungen nach Maßgabe des Substanzverzehrs zulässig
(Absetzung für Substanzverringerung), § 7 Abs. 6 EStG.
Die von den Kl. begehrte Abschreibung käme deshalb allenfalls dann in Betracht, wenn die
Möglichkeit, das ehemalige Militärgelände als Bodendeponie zu nutzen, als
eigenständiges Wirtschaftsgut - neben dem Grund und Boden - zu bewerten wäre. Der Kl.
hat jedoch neben dem reinen Grund und Boden kein weiteres selbständiges Wirtschaftsgut
"Auffüllrecht" erworben. Zwar ist der Begriff des Wirtschaftsguts weit gespannt. Nach der
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der der Senat folgt, zählen dazu Sachen,
Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb,
deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die einer selbständigen
Bewertung zugänglich sind (BFH, Urteil vom 19.06.1997 - IV R 16/95 -, Bundessteuerblatt -
BStBl - II 1997, 808). Von den selbständigen Wirtschaftsgütern abzugrenzen sind jedoch
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die unselbstständigen Teile und die wertbildenden Faktoren, wie z. B. die Nutzungsvorteile
eines Wirtschaftsgutes. Daher ist die Möglichkeit, ein Grundstück unter Beachtung der
öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften für ein konkretes Bauvorhaben zu nutzen, untrennbar
mit dem Grund und Boden verbunden. Diese Nutzungsmöglichkeit ist zwar ein
werterhöhender Faktor des Grundstücks, jedoch kein besonderes Wirtschaftsgut neben
dem Grund und Boden (BFH, Urteil vom 20.03.2003 - IV R 27/01 -, BStBl II 2003, 878).
Dementsprechend entsteht nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, mit der
Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Klärschlammzwischenlagers weder
in der Person des veräußernden Grundstückseigentümers noch in der Person des das
betreffende Grundstück erwerbenden Bauantragstellers ein vom Grund und Boden
verselbständigtes Wirtschaftsgut "Auffüllrecht" mit Klärschlamm (BFH, Urteil vom
20.03.2003 - IV R 27/01 -, a. a. O.). Der BFH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass
weder die von der Veräußerin durch deren Sandabbau auf dem Grundstück geschaffene
Grube noch das dadurch bestehende Verfüllvolumen als eigenständige - gegenüber dem
Grund und Boden verselbständigte - Wirtschaftsgüter anzusehen seien. In dem vom Senat
zu beurteilenden Sachverhalt liegt ein gesondertes Wirtschaftsgut "Auffüllrecht" ebenfalls
nicht vor. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass im Streitfall keine vorhergehende
Abgrabung/Auskofferung erfolgte, sondern lediglich Aufschüttungen auf das bestehende
Bodenniveau vorgenommen werden.
Entgegen der Ansicht der Kl. ist der vorliegende Fall auch nicht vergleichbar mit dem dem
Urteil des BFH vom 14.10.1982 (IV R 19/79, BStBl II 1983, 203) zugrundeliegenden
Sachverhalt. In dieser Entscheidung hat der BFH durch Aussolung unter einem
landwirtschaftlich genutzten Grundstück entstandene unterirdische Hohlräume, die der
Landwirt gegen Entgelt einem Erdölunternehmen als Tiefspeicher für Erdöl überlassen
hatte, als gesondertes Wirtschaftsgut bewertet. Entscheidend für diese Wertung des BFH
war jedoch, dass diese Hohlräume in einem anderen Nutzungs- und
Funktionszusammenhang standen als die weiterhin landwirtschaftlich genutzte Oberfläche
des Grund und Bodens. Dieser unterschiedliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang
(Abspaltung des als Tiefspeicher genutzten Hohlraumes vom landwirtschaftlich genutzten
Grund und Boden) rechtfertigte es, von zwei selbstständigen Wirtschaftsgütern
auszugehen. Bei den Deponieflächen des Kl. besteht demgegenüber ein einheitlicher
Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Auch dies steht der Abspaltung des
Verfüllvolumens als selbstständiges Wirtschaftsgut entgegen.
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass sich der verhältnismäßig hohe Kaufpreis für
das ehemalige Militärgelände nach dem vom Bekl. nicht bestrittenen Vortrag der Kl. allein
durch die in Aussicht genommene Nutzung als Bodendeponie erklärt. Diese
Nutzungsmöglichkeit der Flächen, für die der Kl. den hohen Kaufpreis zu zahlen bereit war,
ist aber nur ein wertbestimmender Faktor des Wirtschaftsguts Grund und Boden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird zugelassen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs.
2 Nr. 1 FGO).