Urteil des FG Münster vom 18.01.2010

FG Münster (nicht öffentlich, teilnahme, einkünfte, könig, gegenleistung, form, glücksspiel, bezug, leistung, höhe)

Finanzgericht Münster, 5 K 1986/06 E
Datum:
18.01.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1986/06 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten darüber, ob Erlöse aus der Beteiligung an einem sog.
"Schenkkreis" Einkünfte aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) darstellen.
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Die Kläger (Kl.) waren im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagte
Eheleute. Der Kl. war als Immobilienmakler gewerblich tätig, die Klägerin (Klin.)
unterhielt einen Friseursalon.
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Daneben beteiligte sich der Kl. an einem Schenkkreis, der in Form von "Tafelrunden"
durchgeführt wurde. Das System unterlag folgenden Regeln: Jede einzelne Tafel war
pyramidenförmig aufgebaut und bestand aus 15 Positionen (P1 bis P15). An der Spitze
stand ein König (P1). Auf der zweiten Ebene standen zwei Edelmänner (P2 und P3), auf
der dritten Ebene vier Ritter (P4 bis P7) und auf der untersten Ebene acht Knappen (P8
bis P15). Neue Mitspieler stiegen stets als Knappen ein und mussten, um teilnehmen zu
können, an den König der jeweiligen Tafel einen Betrag von 2.500,- € bzw. 5.000,- €
zahlen. Sobald alle Positionen einer Tafel besetzt waren, wurde die Tafel geteilt. Der
König schied aus und alle anderen Teilnehmer stiegen in einer der beiden neuen Tafeln
jeweils um eine Ebene auf.
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In verschiedenen Gaststätten fanden Treffen statt, in denen neue Mitspieler als Knappen
in die Tafeln einstiegen und vorformulierte "Schenkungsurkunden" unterzeichneten, mit
denen sie sich verpflichteten, dem jeweiligen König ihren Beitrag zu überweisen. In den
Urkunden ist ausdrücklich aufgeführt, dass das Geschenk an keinerlei Verpflichtungen
gebunden sei und dass kein Recht bestehe, das Eigentum zurückzufordern. Die
Urkunden wurden jeweils vom Schenker und einem Zeugen, der nicht mit dem
Beschenkten identisch war, unterzeichnet.
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Auf dem Konto des Kl. gingen im Streitjahr Beträge aus derartigen Schenkungen in
Höhe von insgesamt 210.000,- € ein. Über die einzelnen Schenkungen waren jeweils
Schenkungsurkunden in der o.g. Form ausgestellt worden. Sein Einsatz für die
Teilnahme an den Tafelrunden betrug insgesamt 15.000,- €.
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Die Regeln waren im Internet unter der Adresse www.tafelrunden.net abrufbar.
Spätestens ab dem Jahr 2003 befand sich unter dieser Internetadresse daneben auch
ein "Ehrenkodex", nach dem es jedem Teilnehmer oblag, mindestens zwei neue
Personen zur Tafelrunde zu inspirieren. Wem dies bis zum Erreichen der zweiten Ebene
(Edelmann) nicht gelingen sollte, konnte von den übrigen Mitgliedern der Tafel gegen
Rückzahlung seines Geschenks ausgeschlossen werden.
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In ihrer am 2.4.2004 eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2002
gaben die Kl. keine Einkünfte aus der Teilnahme an den Tafelrunden an. Eine vom
Beklagten (Bekl.) beim Kl. durchgeführte Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass es
sich bei den Erlösen um sonstige Einkünfte nach § 22 EStG handele. Wegen der
Einzelheiten wird auf Tz. 2.2.4 des Prüfungsberichts vom 16.6.2005 Bezug genommen.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 9.11.2005 setzte der Bekl. unter Berücksichtigung
von Einkünften aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 195.000,- €. die
Einkommensteuer für 2002 auf 82.132,- € fest.
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Hiergegen legten die Kl. am 9.12.2005 Einspruch ein, den sie damit begründeten, dass
die Teilnahme an den Tafelrunden keine steuerpflichtigen Einkünfte auslösten. Da es
sich um Schenkungen handele, stellten die Zahlungen keine Gegenleistungen für
Leistungen i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG dar. Es handele sich nach den "Schenkungsurkunden"
ausdrücklich um Zuwendungen, für die keine Gegenleistung erwartet und für die keine
Verpflichtung eingegangen werde. Eine andere Auslegung der Urkunden sei wegen
ihres eindeutigen Wortlauts nicht zulässig. Es habe keine Verpflichtung zur Anwerbung
neuer Mitspieler bestanden und es sei auch keine Provision für das Anwerben neuer
Spieler gezahlt worden. Insoweit unterscheide sich der Schenkkreis erheblich von dem
dem BFH-Beschluss vom 14.5.1997 (Az. XI B 145/96) zugrunde liegenden Spiel "Life".
Es handele sich vielmehr um ein reines Glücksspiel, da der Erhalt von Geschenken
allein vom Zufall abhänge.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 7.4.2006 wies der Bekl. den Einspruch als
unbegründet zurück. Die Tafelrunde sei kein reines Glücksspiel, da der Kl. durch
Anwerben neuer Mitspieler die Möglichkeit gehabt habe, seinen eigenen Gewinn
erheblich zu beeinflussen. Er habe den neuen Teilnehmern seiner Tafelrunde mit der
Räumung der Königsposition die Möglichkeit eingeräumt, selbst teilzunehmen und
durch Anwerbung neuer Mitspieler ihrerseits Gewinne zu erzielen. Da die Zahlungen
auf den Erhalt dieser Gegenleistungen gerichtet gewesen seien, seien die
"Schenkungsverträge" als entgeltliche Verträge auszulegen.
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Am 10.5.2006 haben die Kl. Klage erhoben. Neben ihrem Vorbringen im
Einspruchsverfahren behaupten sie, der Kl. habe niemals aktiv andere Personen für die
Teilnahme an der Tafelrunde angeworben. Vielmehr habe es sich um ein reines
Internetsystem gehandelt. Es habe auch keine Verpflichtung zur Anwerbung bestanden.
Der Ehrenkodex, der die Obliegenheit zur Anwerbung mindestens zweier neuer
Teilnehmer enthält, habe in dieser Form im Streitjahr noch nicht existiert, sondern sei
erst Ende 2003 oder Anfang 2004 vom damaligen Webmaster eingeführt worden. Zum
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Beweis dieser Tatsache wird die Vernehmung des damaligen Webmasters sowie dreier
weiterer Personen beantragt. Da der Webmaster auch darüber entschieden habe, ob ein
neuer Teilnehmer einer Tafel als Knappe beitreten durfte, habe der Kl. auch nicht die
Möglichkeit gehabt, gegenüber den neuen Teilnehmern Leistungen in Form der
Einräumung bestimmter Positionen zu erbringen.
Die Kl. beantragen sinngemäß,
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den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 9.11.2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 7.4.2006 dahingehend abzuändern, dass die
sonstigen Einkünfte um 195.000,- € geringer angesetzt werden.
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Der Bekl. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, bereits im Streitjahr 2002 habe der Ehrenkodex gegolten, nach dem die
Obliegenheit zum Anwerben neuer Mitspieler bestanden habe. Der Kl. habe sich auch
tatsächlich aktiv an der Anwerbung neuer Mitspieler beteiligt.
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Am 22.1.2009 hat ein Termin zur Erörterung des Sach- und Streitstands vor dem
Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 16.3.2009 hat der Bekl. Unterlagen aus den Ermittlungen der
Steuerfahndung C vorgelegt. Daraus ergebe sich, dass der Kl. der erste König gewesen
sei und damit zu den Gründern der Tafelrunde gehört habe. Bei der Tafelrunde habe es
sich nach diesen Ermittlungen nicht um ein reines Internetsystem gehandelt. Die
Internetseite sei gar nicht öffentlich zugänglich, sondern vielmehr durch ein Passwort
geschützt gewesen, das nur den Teilnehmern bekannt gewesen sei. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz nebst Anlagen (Bl. 176 bis 198 GA)
Bezug genommen.
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Der Kl. bestreitet, dass die Internetseite im Streitjahr 2002 nicht öffentlich zugänglich
gewesen sein soll. Sämtliche vom Bekl. mit Schriftsatz vom 16.3.2009 vorgelegten
Unterlagen beträfen nicht das Streitjahr, sondern spätere Zeiträume.
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Das Gericht hat im Wege der schriftlichen Vernehmung (§ 377 Abs. 3 der
Zivilprozessordnung, ZPO) der in den Schenkungsurkunden benannten Teilnehmer des
Schenkkreises als Zeugen Beweis erhoben. Auf die eingegangenen Zeugenaussagen
(Bl. 199 ff. GA) wird Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 14.1.2010 auf die Durchführung einer
mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 9.11.2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 7.4.2006 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kl. nicht in
ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO).
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Die seinen Einsatz übersteigenden Einnahmen des Kl. aus der Teilnahme am
Schenkkreis in Höhe von insgesamt 195.000,- € stellen im Streitjahr 2002
steuerpflichtige Einkünfte aus Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG dar. Die
Einnahmen sind Entgelte für das Anwerben neuer Teilnehmer für den Schenkkreis.
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Eine Leistung in diesem Sinne ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand
eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst (BFH-Urteil
vom 28.11.2007 IX R 39/06, BStBl. II 2008, 469). Entscheidend ist, dass die
Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst ist Es ist nicht
erforderlich, dass der Leistende bereits beim Erbringen seiner Leistung eine
Gegenleistung erwartet. Das Verhalten selbst kann zunächst steuerlich indifferent sein.
Ausreichend ist vielmehr, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem
Tun, Dulden oder Unterlassen gewährte Gegenleistung als solche annimmt (BFH-Urteil
vom 21.9.2004 IX R 13/02, BStBl. II 2005, 44). Leistungsempfänger und Zahlender
müssen nicht identisch sein (BFH-Urteile vom 12.11.1985 IX R 183/84, BStBl. II 1986,
890 und vom 21.9.2004 IX R 13/02, BStBl. II 2005, 44).
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Einnahmen aus einem reinen Glücksspiel sind nicht steuerbar, weil sie kein Entgelt für
eine Leistung des Spielers sind. Dieser setzt nur einen Geldbetrag ein und erhält
dadurch eine Gewinnchance, die keine Teilnahme am Wirtschaftsleben darstellt (BFH-
Beschluss vom 28.6.1996 X B 15/96, BFH/NV 1996, 743). Wird dagegen ein Entgelt für
die Anwerbung neuer Interessenten zur Teilnahme an Informationsveranstaltungen
gezahlt, liegt kein reines Glücksspiel, sondern eine steuerpflichtige Leistung vor (BFH-
Beschlüsse vom 28.6.1996 X B 15/96, BFH/NV 1996, 743 und vom 14.5.1997 XI B
145/96, BFH/NV 1997, 658).
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Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kl. neue
Interessenten für die Teilnahme am Schenkkreis angeworben hat. Nach der Aussage
des Zeugen G (Bl. 202 Rückseite) hat der Kl. nicht nur ihn auf die Tafelrunde
aufmerksam gemacht und ihn mehrfach angesprochen, sondern auch andere Personen,
die dem Zeugen von der Anwerbung durch den Kl. berichtet haben. Diese Aussage wird
durch die Aussage des Zeugen T (Bl. 213) bestätigt, wonach der Kl. "sehr aktiv" war und
viele Personen angesprochen hat. Auch der Zeuge H bestätigt diese Aussagen (Bl.
291).
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Für den Senat sind keine Gründe erkennbar, an der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen zu
zweifeln. Auch die Aussagen der übrigen Zeugen stehen nicht im Widerspruch zu den
Aussagen dieser drei Zeugen. Die Aussagen sind für die Frage, ob der Kl. potentielle
Teilnehmer angeworben hat, unergiebig. Die Zeugen AA, BA, CA, DA, EA, FA, GA, HA,
IA, JA, KA, LA, MA, NA, OA und PA geben an, den Kl. gar nicht zu kennen. Die übrigen
Zeugen, die angeben, den Kl. zu kennen oder ihm zumindest einmal begegnet zu sein,
bestätigen zwar nicht, dass der Kl. potentielle Teilnehmer angeworben hat. Diese
Aussagen sind jedoch nicht geeignet, die Aussagen der Zeugen G, T und H zu
widerlegen. Die Aussagen widersprechen sich nicht, da die Zeugen lediglich angeben,
dass ihnen derartige Aktivitäten des Kl. nicht bekannt seien.
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Der Senat hält es nicht für erforderlich, einzelne Zeugen zu laden (§ 377 Abs. 3 Satz 3
ZPO). Eine persönliche Vernehmung ist zur weiteren Klärung der Beweisfrage nicht
notwendig, da sich weder seitens der Beteiligten noch seitens des Gerichts weitere
Nachfragen an die Zeugen ergeben haben und keine Anhaltspunkte dafür bestehen,
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dass die Zeugen falsche Angaben gemacht haben.
Durch das Anwerben neuer Teilnehmer hat der Kl. Leistungen an diese neuen
Teilnehmer erbracht, da er ihnen die Möglichkeit eröffnet hat, an der Tafelrunde
teilzunehmen. Zugleich hat er Leistungen an andere Mitglieder der Tafel erbracht, da
sich durch die Teilnahme neuer Knappen deren Chancen auf den Erhalt von
"Geschenken" erhöht hat. Die von ihm vereinnahmten Geldbeträge stellen
Gegenleistungen dar, da sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den
Anwerbungsleistungen des Kl. stehen (vgl. auch FG Münster, Urteil vom 22.4.2009 12 K
3308/07 E, EFG 2009, 1190).
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Dabei ist es unerheblich, ob der Kl. die Zahlungen unmittelbar von den von ihm
angeworbenen Teilnehmern oder von Dritten erhalten hat. Ebenso unbeachtlich ist,
dass der Kl. zum Zeitpunkt der Erbringung seiner Leistungen keinen konkreten
Anspruch auf den Erhalt von Zahlungen erworben hat. Da bereits der wirtschaftliche
Zusammenhang ausreicht, braucht die zwischen den Beteiligten streitige Frage der
zivilrechtlichen Auslegung der "Schenkungsurkunden" nicht entschieden zu werden.
Die ebenfalls streitige Frage, ob im Streitjahr bereits der Ehrenkodex galt, nach dem
eine Obliegenheit zur Anwerbung mindestens zweier neuer Teilnehmer bestand, kann
offen bleiben. Da bereits feststeht, dass der Kl. Leistungen im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG
ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob er dazu aufgrund eines Ehrenkodexes
verpflichtet war oder ob er dies freiwillig tat. Einer Beweisaufnahme bedurfte es insoweit
nicht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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