Urteil des FG Münster vom 24.11.2010

FG Münster (steuerhinterziehung, höhe, haftung, beihilfe, zahlung, bezug, strafverfahren, stpo, vollstreckung, gehilfe)

Finanzgericht Münster, 8 K 4132/07
Datum:
24.11.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 4132/07
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Der angefochtene Haftungsbescheid vom 27.01.2006 zur St-Nr. ... in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30.08.2007 wird in Höhe von
... EUR (Zinsen zur Einkommensteuer 2001) aufgehoben;
im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 88 % und der Beklagte
12 % zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Streitig ist die Haftung des Klägers (Kl.) gemäß § 71 Abgabenordnung (AO) für
Einkommensteuer (ESt) 2001, Zinsen zur ESt 2001, Solidaritätszuschlag 2001 und
römisch-katholische Kirchensteuer 2001 des Steuerschuldners M.
2
Der Kl. ist verheiratet. Die Eheleute schlossen am 09.06.2001 mit dem Finanzbeamten
M (nachfolgend: M) notariell beurkundete Kaufverträge - UR-Nr. des Notars N .../01,
.../01 und .../01 - über vier Wohnungen im Objekt N-straße ... in O. Die Eheleute
erwarben die Wohnungen zu 1/2 Anteil. Auf Drängen des M vereinbarte der Kl. mit M,
dass neben dem beurkundeten Kaufpreis eine weitere Zahlung von 50.000,00 DM zu
erfolgen habe. Sowohl M als auch der Makler H (nachfolgend: Makler) machten dem Kl.
deutlich, dass das Zustandekommen der Kaufverträge von der "Schwarzzahlung"
abhängig sei.
3
Im März 2001 leistete der Kl. von den vereinbarten 50.000,00 DM einen Teilbetrag an M
in Höhe von 15.000,00 DM. Nach Angaben des Kl. gelang es ihm, unbemerkt von den
übrigen Vertragsparteien, einen Teilbetrag in Höhe von 15.000,00 DM in die
4
Grundstückskaufverträge aufnehmen zu lassen. Am Tag der Vertragsunterzeichnung
händigte der Kl. an den Makler einen Briefumschlag aus, der den vereinbarten
Restbetrag in Höhe von 35.000,00 DM enthielt. Dabei war dem Kl. bewusst, dass dieser
Betrag von M nicht versteuert werden sollte.
Im Rahmen einer beim M durchgeführten Außenprüfung des Finanzamtes für
Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O deckte der Prüfer auf, dass M von den
35.000,00 DM lediglich 30.000,00 DM erhielt. Der Makler behielt nach den
Feststellungen des Prüfers 5.000,00 DM aus dem Briefumschlag für sich. M
berücksichtigte den in bar erhaltenen Betrag in Höhe von 30.000,00 DM im Rahmen
seiner Gewinn- und Verlustrechnung für seinen Betrieb "gewerblicher
Grundstückshandel" im Veranlagungszeitraum 2001 nicht.
5
Im Anschluss an die Außenprüfung des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und
Steuerfahndung O änderte der Beklagte (Bekl.) am 12.08.2005 die ESt-Festsetzung
2001 für M dergestalt, dass - unter Berücksichtigung eines weiteren Gewinnes bei den
Einkünften nach § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von 30.000,00 DM - die
ESt um ... EUR, die römisch-katholische Kirchensteuer um ... EUR und der
Solidaritätszuschlag um ... EUR erhöht wurden. Ferner setzte der Bekl. Zinsen zur ESt
2001 nach § 233a AO in Höhe von ... EUR fest. M zahlte diese Beträge nicht.
6
Am 03.08.2005 wurde über das Vermögen des M das Insolvenzverfahren eröffnet. Der
Bekl. hat die mit ESt-Bescheid vom 12.08.2005 festgesetzten Steuern für das Jahr 2001
am 22.08.2005 als nicht titulierte Forderung zur Tabelle angemeldet. Nachdem der
Insolvenzverwalter u. a. diese Forderung zunächst beschritt, nahm er am 27.10.2005
seinen Widerspruch zurück, so dass am 23.12.2005 die Feststellung der hier streitigen
Beträge in voller Höhe zur Tabelle erfolgte. Das Insolvenzverfahren wurde am
31.05.2007 mangels Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben und die
Restschuldbefreiung angekündigt.
7
Mit Haftungsbescheid vom 27.01.2006 nahm der Bekl. den Kl. sowie dessen Ehefrau für
die Mehrsteuern des M unter Hinweis auf §§ 5, 71, 191, 219 AO in Haftung. Zur
Begründung für die Inanspruchnahme führte der Bekl. aus, dass der Kl. durch die
Vereinbarung einer außerhalb des notariellen Vertrages bar zu leistenden Zahlung für
die oben genannten Wohnungen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des M geleistet habe.
Die Inanspruchnahme sei ermessensgerecht, da M die festgesetzten Mehrsteuern nicht
gezahlt habe. Im Haftungsbescheid wies der Bekl. darauf hin, dass der Makler ebenfalls
für die Mehrsteuern in Haftung genommen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf den Inhalt des Haftungsbescheides vom 27.01.2006 Bezug genommen und
verwiesen.
8
Der Kl. legte am 28. Februar 2006 gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein.
9
Mit Bescheid vom 09.03.2006 nahm der Bekl. den angefochtenen Haftungsbescheid,
soweit er sich auf die Haftung der Ehefrau des Klägers erstreckte, zurück. Der Bekl. wies
zugleich darauf hin, dass nach § 124 Abs. 2 AO der Haftungsbescheid nach Maßgabe
der inhaltlichen Beschränkung durch die Teilrücknahme fortgelte.
10
Am 29.01.2007 wurde das gegen den Kl. eingeleitete Strafverfahren nach § 153a
Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
11
Der Kl. begründete seinen Einspruch mit Schriftsatz vom 22.07.2007 und warf die Frage
auf, ob die Verwirklichung einer eigenen Steuerhinterziehung als Täter zugleich Beihilfe
hinsichtlich der Steuerhinterziehung eines Mittäters sein könne. Jedenfalls sei in seiner
Person der erforderliche doppelte Gehilfenvorsatz fraglich und dürfte nicht erweislich
sein.
12
Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30.08.2007 wies der Bekl. den Einspruch gegen
den Haftungsbescheid als unbegründet zurück.
13
Zur Begründung wies der Bekl. darauf hin, dass der Kl. Beihilfe zur Steuerhinterziehung
des M geleistet habe. Der Bekl. sah M als den Haupttäter einer Steuerhinterziehung
nach § 370 Abs. 1 AO an, da dieser die vereinnahmte Summe in Höhe von 30.000,00
DM nicht bei der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte berücksichtigt habe. Diese
Haupttat des M habe der Kl. objektiv dadurch unterstützt, dass er die Barzahlung
geleistet habe. Der Bekl. ging darüber hinaus von einem bedingten Beihilfevorsatz des
Kl. aus, da dieser damit gerechnet haben müsse, dass die zusätzliche Barzahlung zur
Begehung einer Steuerhinterziehung genutzt werden sollte und er damit gerechnet
habe, dass die Steuerhinterziehung durch die Zahlung objektiv gefördert werde. Der
Bekl. verwies auf die vom Kl. gemachte Aussage vom 18.02.2005, wonach vor
Vertragsschluss bereits die Rede von einer Schwarzzahlung gewesen sei und man sich
erst nach Verhandlungen mit M man sich auf die Summe von 50.000,00 DM geeinigt
habe. Der Kl. habe daher billigend in Kauf genommen, dass der Taterfolg mit hoher
Wahrscheinlichkeit eintreffen werde. Der Bekl. sah die Barzahlung auch ursächlich zum
Ausfall der Steuern, da bei pflichtgemäßem Verhalten des Kl. die Steuer des M höher
festgesetzt worden sei, so dass es nicht zu der Steuererstattung gekommen wäre, wie
es im erstmaligen Steuerbescheid für 2001 des M erfolgt ist.
14
Der Bekl. sah es als ermessensgerecht an, den Kl. dem Grunde und der Höhe nach in
Anspruch zu nehmen und verwies darauf, dass es bei einer vorsätzlichen Beihilfe zu
einer Steuerhinterziehung zu einer Vorprägung der Ermessensentscheidung komme.
Die Haftung in voller Höhe sei deshalb ermessengerecht, da der Kl. durch die
Schwarzzahlung die Straftat des M erst ermöglicht habe. Da der Bekl. auch den Makler
in Haftung genommen habe, seien weitere Ausführungen zum Auswahlermessen
entbehrlich (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom
27.01.2005, 3 K 40/02, EFG 2005, 662). Für die Haftung nach § 71 AO komme es nicht
darauf an, dass das Amtsgericht das Strafverfahren nach § 153a StPO eingestellt habe.
Die Frage, wie die Haftungsschuld zwischen den Gesamtschuldnern aufzuteilen ist, sei
zivilrechtlicher Natur und für die haftungsrechtliche Inanspruchnahme nach § 71 AO
unbeachtlich.
15
Am 28. September 2007 hat der Kl. Klage gegen den Haftungsbescheid in Gestalt der
EE erhoben.
16
Der Kl. beruft sich auf die Unschuldsvermutung, da das Strafverfahren beim Amtsgericht
gegen Zahlung einer Geldauflage nach § 153a StPO eingestellt wurde. Er vertritt die
Auffassung, dass der Bekl. die Fragen von Täterschaft und Teilnahme nicht
abschließend festgestellt habe. Der Bekl. habe nicht umfassend gewürdigt, wer
gegenüber wem mit welchem Tatbeitrag Unregelmäßigkeiten im Bezug auf den Verkauf
der Wohnungen veranlasst bzw. sich daran beteiligt hat. Darüber hinaus ist der Kl. der
Auffassung, dass es der Bekl. ermessensfehlerhaft unterlassen habe, eine nur quotale
Haftung des Kl. zu überprüfen. Da der Bekl. lediglich Auszüge der Finanzamtsakten des
17
M vorgelegt hat, sei nicht ersichtlich, ob und welche Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
gegen den M und den Makler ohne Erfolg durchgeführt wurden. M habe als
Finanzbeamter im aktiven Dienst über Dienstbezüge verfügt. Die Nichtvorlage der
kompletten Steuerakten des M und des Maklers hindere ihn, sich zu verteidigen und
verstoße gegen das Gebot eines fairen Verfahrens.
Der Kl. beantragt,
18
den Haftungsbescheid des Bekl. vom 27.01.2006 in der Fassung der EE vom
30.08.2007 aufzuheben,
19
hilfsweise,
20
die Einspruchsentscheidung wegen Verletzung des Entschließungsermessens
aufzuheben.
21
Der Bekl. beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Der Bekl. weist darauf hin, dass in Folge der Insolvenzeröffnung über das Vermögen
des M Vollstreckungsmaßnahmen unterbleiben mussten. Er vertritt die Ansicht, dass
spätestens mit der Feststellung zur Tabelle am 23.12.2005 wirksam Steuerbeträge
gegenüber M festgesetzt wurden. Bei einer Haftungsinanspruchnahme sei die
Festsetzung der Steuerschuld gegenüber dem Steuerschuldner nicht erforderlich.
Ausreichend sei, dass die Steuer entstanden ist. In der laufenden Wohlverhaltensphase
sei eine Vollstreckung nach der Insolvenzordnung ausgeschlossen. Da eine
Masseunzulänglichkeit vorliege, habe eine Vollstreckung keine Aussicht auf Erfolg
gehabt.
24
Der Berichterstatter hat den Sach- und Rechtsstreit mit den Beteiligten am 12.08.2010
erörtert. Auf das Protokoll der Sitzung wird verwiesen und Bezug genommen.
25
Der Senat hat am 24.11.2010 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift hierüber wird
Bezug genommen. Die vom Bekl. geführte Haftungsakte des Kl. war Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
26
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
27
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
28
Soweit der Kl. für die Zinsen zur ESt 2001 nach § 233a AO in Haftung genommen wird,
ist der Haftungsbescheid rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten. Die
Haftung nach § 71 AO erstreckt sich nicht auf Zinsen nach § 233a AO, sondern umfasst
lediglich Steuerhinterziehungszinsen nach § 235 AO (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, § 71
AO, Rn. 15).
29
Im Übrigen ist der Haftungsbescheid in Gestalt der EE rechtmäßig und verletzt den Kl.
nicht in seinen Rechten (§ 100 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
30
Bei der nach § 191 Abs. 1 AO zweigliedrigen Entscheidung (vgl. Urteil des BFH vom
31
04.10.1988 VII R 53/85, BFH/NV 1989, 274) über die Inhaftungnahme des Kl. für die
Steuerschulden des M hat der Bekl. die haftungsbegründenden Voraussetzungen des §
71 i. V. m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Recht bejaht und - auch unter Beachtung von § 191
Abs. 3 und Abs. 5 AO - sein nur im Rahmen des § 102 FGO nachprüfbares
Verwaltungsermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Nach dem Gesamtergebnis des Klageverfahrens steht zur Überzeugung des
erkennenden Senats fest, dass sich der Kl. an der aktiven Steuerhinterziehung des M
nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in Mittäterschaft oder zumindest in der ebenfalls nicht nur
steuerstrafrechtlich, sondern auch steuerhaftungsrechtlich wahlfeststellungsfähigen
Teilnahme der vorsätzlichen Beihilfe beteiligt hat. Entgegen der Auffassung des Kl. ist
es unerheblich, ob der Kl. Mittäter oder Hilfeleistender zur Steuerhinterziehung gewesen
ist. Denn steuerhaftungsrechtlich reicht eine Wahlfeststellung aus (vgl. FG O, Urteil vom
15.10.2003 1 K 165/99, EFG 2004, 542, m. w. N.).
32
Eine Steuerhinterziehung des M ist nach Überzeugung des Senats gemäß § 370 Abs. 1
Nr. 1 AO gegeben. Nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO liegt eine Steuerhinterziehung dann vor,
wenn den Finanzbehörden gegenüber steuerlich relevanten Tatsachen unrichtige,
unvollständige Angaben gemacht werden. Indem M die als "Schwarzzahlung"
vereinnahmten Beträge in seiner Gewinnermittlung über den gewerblichen
Grundstückshandel nicht berücksichtigt hat, hat er Steuern verkürzt. Die Zahlung
außerhalb der Grundstückkaufverträge sollte nach den Vorstellungen des M die wahren
Einnahmen verschleiern und so die Finanzbehörden zu einer niedrigeren
Steuerfestsetzung veranlassen.
33
Zu dieser vorsätzlichen Straftat des M hat der Kl. jedenfalls Beihilfe geleistet. Beihilfe
leistet, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger
Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung
anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert,
ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. Beihilfevorsatz liegt vor, wenn
der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem
Bewusstsein handelt, durch seine Beihilfe das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Er
braucht die Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.1996
1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, NJW 1996, 2517, BB 1996, 1997, NStZ 1997, 272). Dabei
kommt es nicht darauf an, ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber
vermeiden würde oder die Tat ausdrücklich missbilligt. Es genügt, dass die Hilfe an sich
geeignet ist, die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat zu fördern oder zu erleichtern und
der Hilfeleistende dies weiß (vgl. FG O, Urteil vom 20.09.2006 5 K 4518/02, EFG 07,
488; Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 10.12.2002 II 536/00, DStR 03, 1251; FG Köln,
Urteil vom 19.12.2001 10 K 2330/96, EFG 2002, 513; FG O, Urteil vom 11.12.2001 1 K
3470/98, EFG 2002, 728). Der Gehilfe erbringt einen von der Haupttat losgelösten
Beitrag. Beihilfe durch Tat kann nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH a.a.O.)
schon begehen, wer dem (Haupt)Täter ein entscheidendes Tatmittel willentlich an die
Hand gibt und damit bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade
dieses Mittels typischerweise geförderte Haupttat verübt wird.
34
Unstreitig hat der Kl. dem M mindestens 30.000,00 DM ausgehändigt, ohne dass diese
30.000,00 DM im Kaufvertrag erwähnt wurden. Dem Kl. war bewusst, dass es sich
hierbei um eine "Schwarzzahlung" handelt. Damit war für den Kl. erkennbar, dass es
dem M darauf ankam diese Zahlung ohne Nachweis zu erlangen. Aus dem Begriff der
"Schwarzzahlung" ergibt sich, dass dem Kl. bewusst war, dass der M nicht
35
beabsichtigte, diese Einnahmen bei seiner ESt-Erklärung zu erwähnen. Zwar hat sich
der Kl. darauf eingelassen, dass für ihn lediglich die Verkürzung der GrESt von
Interesse sei; dies führt jedoch nicht dazu, dass die Beihilfehandlung, nämlich die
Zahlung des Geldes, nicht vom Vorsatz des Kl. getragen wurde. Denn der Kl. hat in der
Besprechung vom 18.02.2005, die in den Diensträumen des Finanzamtes für
Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O im Beisein seines Prozessbevollmächtigten
erfolgte, mitgeteilt, dass ihm bewusst war, dass die Gelder von M nicht versteuert
werden sollten. Insoweit hatte der Kl. den erforderlichen Doppelvorsatz, nämlich sowohl
den Vorsatz bzgl. der Haupttat des M als auch hinsichtlich seiner Beihilfehandlung.
Denn der Kl. nahm billigend in Kauf, dass der M, mangels Nachweise, die
vereinnahmten 30.000 DM nicht der Besteuerung zuführen würde. Denn die
Schwarzzahlung ist typischerweise geeignet, die Steuerhinterziehung als Haupttat zu
fördern und diese zu erleichtern. Dem Kl. war bewusst, dass der M nur diejenigen
Zahlungen in der Gewinnermittlung berücksichtigen werde, die sich aus dem
Kaufvertrag ergeben. Dies hat der Kl. dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er die
bereits gezahlten 15.000 DM - vom M unbemerkt - im Grundstückskaufvertrag
unterbrachte.
Entgegen der Auffassung des Kl. musste der Bekl. nicht umfassend feststellen, wer
gegenüber wem mit welchem Tatbeitrag Unregelmäßigkeiten im Bezug auf den Verkauf
der Wohnungen veranlasst bzw. sich daran beteiligt hat. Im Rahmen der
Rechtmäßigkeitsprüfung des angefochtenen Bescheides ist ausreichend, dass der Bekl.
diejenigen Tatumstände ermittelte und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, die auf
die Strafbarkeit des Kl. schließen lassen. Die strafrechtliche Verantwortung des Kl.
entfällt nicht dadurch, dass der Makler möglicherweise einen gleichen oder anderen
Tatbeitrag zur Steuerhinterziehung des M geleistet hat.
36
Der Bekl. hat auch nicht gegen die Unschuldvermutung verstoßen. Denn der Bekl. hat
beim Erlass des angefochtenen Haftungsbescheides in tatsächlicher Hinsicht nicht
darauf abgestellt, dass der Kl. der Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO
zugestimmt hat. Die Entscheidung des Bekl. stützt sich auf die Ermittlungsergebnisse
des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung O. Für die Anwendung des
§ 71 AO ist unerheblich, dass das Strafverfahren des Kl. im amtsgerichtlichen Termin
nach § 153a StPO eingestellt wurde. Denn die Haftungsinanspruchnahme erfolgt
unabhängig davon, welchen Ausgang das Strafverfahren nimmt. Da die
tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme eine vom Gericht
in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung ist, ist das erkennende Gericht
nicht an die Wertungen des Strafgerichtes gebunden (vgl. Loose, in: Tipke/Kruse, § 71
AO, Rn. 13). Die Frage der Steuerhinterziehung ist für das Gericht lediglich eine
Vorfrage, über die es im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung selbständig zu
entscheiden hat (vgl. Loose, a.a.O.).
37
Im Streitfall hat der Bekl. den Kl. unter Berücksichtigung des ihm eingeräumten
Ermessens zu Recht als Haftenden gemäß § 71 AO in Anspruch genommen. Der
Entschluss, den Kl. in Anspruch zu nehmen, ist nicht bereits deshalb zu beanstanden,
weil die Vollstreckung beim Steuerschuldner oder einem anderen Haftungsschuldner
ohne Erfolg geblieben ist. Denn über das Vermögen des M wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet. Aus diesem Grunde kann die vom Kl. aufgeworfene Frage,
ob und inwieweit der Bekl. Zwangsvollstreckungsversuche gegen M unternommen hat,
unbeantwortet bleiben. Der Einwand des Kl., dass hinsichtlich des Maklers nicht
ersichtlich ist, welche Vollstreckungsmaßnahmen durch den Bekl. vorgenommen
38
worden sind, vermag nicht zum Klageerfolg zu verhelfen, denn der Kl. hat die
Haftungssumme gezahlt. Ab diesem Zeitpunkt konnte und durfte der Bekl. keine weitere
Vollstreckung gegen den Makler mehr durchführen, da die Folgerung des Bekl. durch
Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen ist. Es wäre rechtsfehlerhaft gewesen, gegen
den Makler weitere Vollstreckungsmaßnahmen nach der Zahlung durch den Kl. noch
durchzuführen. Denn die festgesetzten Mehrsteuern kann der Bekl. insgesamt nur
einmal fordern. Mit der Zahlung durch den Kl. war die Forderung getilgt.
Fehler im Auswahlermessen des Bekl. sind nicht erkennbar. Rechtsfehlerfrei hat der
Bekl. den Kl. neben dem Makler in Haftung genommen. Kommen mehrere
Steuerhinterzieher als Haftungsschuldner in Betracht, so wäre es ermessensfehlerhaft,
nur einen von ihnen in Anspruch zu nehmen. Steuerhinterzieher stehen bei der
Ausübung des Auswahlermessens vielmehr grundsätzlich gleichrangig nebeneinander
(vgl. BFH, Urteil vom 28.2.1991 VII R 3/90, BFH/NV 1991, 504).
39
Zutreffend hat der Bekl. auch auf die Vorprägung der Ermessensentscheidung
hingewiesen. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 08.09.2004 XI R 1/03,
HFR 05, 293), der der Senat folgt, ist bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur
Steuerhinterziehung die Inanspruchnahme des Gehilfen als Haftungsschuldner auch
ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägung als ermessensgerecht nach § 102
FGO anzusehen. Die Vorprägung ist nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde
nach, sondern auch für die Inanspruchnahme der Höhe nach gegeben. Das hat zur
Folge, dass - entgegen der Auffassung des Kl. - bei der Bemessung des
Haftungsbetrages nicht zu berücksichtigen ist, dass der Steuervorteil nicht nur ihm
(niedrigere GrESt), sondern dem M (niedrigere ESt) zugute gekommen ist. Eine
Differenzierung nach der Rolle der jeweiligen Beteiligten im Tatgeschehen und dem aus
der Tat gezogenen Nutzen ist bei Steuerhinterziehern regelmäßig nicht geboten (vgl.
BFH, Beschluss vom 04.03.2005 VII B 154/04, BFH/NV 05, 1240).
40
Ob und in welchem Umfang die Gesamtschuld zwischen den in Haftung Genommenen
aufzuteilen ist, brauchte der Bekl. nicht in seinen Ermessenserwägungen zu
berücksichtigen. Sowohl gegen den Kl. als auch gegen den Makler erließ der Bekl.
Haftungsbescheide und wies den Kl. darauf hin, dass er neben dem Makler hafte.
Insoweit besteht eine Gesamtschuld. Sofern der Kl. eine anteilige Haftung anstrebt, ist er
auf das zivilrechtliche Verfahren zu verweisen. Nach Maßgabe der Regelung des § 426
Abs. 1 BGB sind Gesamtschulden im Innenverhältnis aufteilbar.
41
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135, 136 Abs. 1 FGO.
42
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 ff.
Zivilprozessordnung.
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