Urteil des FG Münster vom 23.08.2006
FG Münster: vermietung, verpachtung, hohes alter, mietvertrag, verzicht, tod, vermieter, abtretung, kapitalvermögen, einkünfte
Finanzgericht Münster, 1 K 4816/04 E
Datum:
23.08.2006
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4816/04 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für Umbaumaßnahmen an einem
mit Nießbrauch belasteten Geschäftshaus durch den Eigentümer in den Streitjahren
1999 und 2000.
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Der Kläger ist Eigentümer eines 1954 von seinem Vater errichteten
Geschäftsgrundstückes in H*******, J******* Str. x. Für die dort wohnende Frau U***** ist
neben einer Grundschuld in Höhe von 55.000 DM, bestellt durch
Grundschuldbestellungsurkunde vom 16.2.1976, ein lebenslanges Nießbrauchsrecht im
Grundbuch eingetragen. Das Nießbrauchsrecht ist vom Vater des Klägers,
aufschiebend bedingt auf seinen Tod, in 1984 bestellt und vom Kläger u.a. im Erbvertrag
vom 4.4.1986 mit Frau U***** anerkannt worden. Der Vater des Klägers verstarb am
22.4.1984. Frau U***** war das frühere Kindermädchen des Klägers und seines Bruders
und führte dem Vater des Klägers bis zu dessen Tod den Haushalt. Bereits zu dieser
Zeit war in dem Haus ein Ladenlokal vermietet. Im Erbvertrag mit Frau U*****
verpflichtete sich der Kläger gegenüber Frau U*****, diese bei der Vermietung des
Ladenlokals zu unterstützen (Absatz II Nr. 8 dieses Vertrages).
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1999 wurde das Ladenlokal in diesem Geschäftsgrundstück renoviert. Dabei fielen
Herstellungskosten in Höhe von 61.000 DM und Renovierungskosten von 21.192 DM
an. Die Kosten übernahm der Kläger. Zum 1.10.1999 erfolgte dann eine Vermietung an
das Unternehmen einer Frau C**********, die dort einen Laden unter der Bezeichnung
C*********Mode führte. Der Mietvertrag wurde zwischen dem Kläger und Frau C**********
abgeschlossen. Dabei war der Kläger als "Vermieter (…), handelnd im Auftrag von Frau
N***** U*****" bezeichnet worden. Neben dem Kläger und Frau C********** hat Frau
U***** diesen Vertrag als Nießbrauchsberechtigte unterzeichnet. Frau C**********
verpflichtete sich nach § 3 dieses Vertrages eine monatliche Miete von brutto 1.600 DM
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nebst brutto 25 DM für einen Stellplatz sowie brutto 300 DM für Nebenkosten zu zahlen.
Die Zahlung des Gesamtbetrages von 1.925 DM sollte gemäß § 4 in Höhe von 1.800
DM auf ein Konto von Frau U***** und in Höhe von 125 DM auf ein Konto der Kläger
erfolgen. In der Präambel des Mietvertrages wird darauf hingewiesen, dass das Objekt
in 1999 mit hohem Aufwand renoviert und modernisiert worden ist und die hierzu
benötigten Geldmittel vom Kläger bereitgestellt worden sind. Dies sei der Grund, warum
Frau U***** dem Kläger einen Anteil an der Miete einräume. Diesbezüglich wurde
seitens der Kläger im Einspruchsverfahren eine Vereinbarung zwischen dem Kläger
und Frau U***** vom 6.7.1999 eingereicht. Dort heißt es:
"Da Frau U***** sich nicht mit Krediten belasten will, übernimmt Herr Q********** die
Beschaffung der Geldmittel. Zu diesem Zwecke tritt Frau U***** aus der ihr zustehenden
Mieteinnahme des Ladenlokals für die Dauer der Kreditlaufzeit, längstens jedoch bis
zum Erlöschen des Nießbrauchrechts 125,-- DM der Monatsmiete aus dem Ladenlokal
an Herrn Q********** ab."
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Die Kläger reichten erstmals für das Streitjahr 1999 eine Anlage V für das Objekt in
H******* ein. Dort erklärten sie Mieteinnahmen in Höhe von 375 DM und
Werbungskosten von 17.524 DM (Zinsen in Höhe von 1.313 DM, AfA 2,5% vom
Gesamtgebäudewert ergab 10.455 DM, Erhaltungsaufwand von 21.192 DM auf 5 Jahre
verteilt, also 4.239 DM sowie sonstige Kosten (Fahrt u.ä.) in Höhe von 1.534 DM, davon
125 DM für Geschenk). Für das Streitjahr 2000 reichten die Kläger zunächst eine
Anlage V ein, in der Mieteinnahmen in Höhe von 19.500 DM aus der Vermietung an
Frau C********** und 9.600 DM für eine Vermietung an Frau U***** und Werbungskosten
in Höhe von 6.128 DM erklärt wurden. Neben Zinsen in Höhe von 3.360 DM wurde eine
AfA in Höhe von 2.060 DM ausgehend von dem Gesamtgebäudewert sowie
Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 638,50 DM und sonstige Kosten in Höhe von 79
DM, davon 74 DM für Bewirtung (ohne Beleg) geltend gemacht. In Höhe von 28.800 DM,
also ohne die Einnahmen für die Stellflächenvermietung von 300 DM, wurde ein
Sonderausgabenabzug als dauernde Last beantragt. Hinsichtlich der Einzelheiten der
geltend gemachten Aufwendungen wird auf die Einkommensteuerakte und die Akte
"Grundbesitzvorgänge" verwiesen.
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Der Beklagte berücksichtigte Einkünfte aus dem Objekt in H******* aufgrund des
Nießbrauchs der Frau U***** in den Einkommensteuerbescheiden 1999 (18.4.2000) und
2000 (1.6.2001) nicht. Die Kläger legten u.a. deswegen Einspruch gegen diese
Bescheide ein, und zwar am 8.5.2000 gegen den Einkommensteuerbescheid 1999 und
am 12.6.2001 gegen den Einkommensteuerbescheid 2000. Im Einspruchsverfahren
korrigierten die Kläger ihre Einkommensteuererklärung 2000 dahingehend, dass sie
nunmehr nur Mieteinnahmen i.H.v. 1.500 DM (125 DM x 12) berücksichtigt wissen
wollten. Auf den beantragten Sonderausgabenabzug verzichteten sie. Der Beklagte
wies die Einsprüche, die sich auch gegen die Nichtberücksichtigung von Verlusten aus
einer Ferienwohnungsvermietung richteten, mit Entscheidung vom 10.8.2004 als
unbegründet zurück.
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Die Kläger legten am 9.9.2004 Klage ein und verfolgten bis nach dem Erörterungstermin
hiermit die Berücksichtigung sowohl der Verluste aus Vermietung des Objekts in
H******* wie auch die Berücksichtigung des Verlustes aus einer
Ferienwohnungsvermietung fort. Letzteres wurde aufgrund des Schriftsatzes der
Klägerseite vom 19.10.2005 nicht mehr aufrechterhalten.
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Zwischenzeitlich ist zwischen den Parteien der Höhe nach unstreitig geworden, dass für
den Fall des Obsiegens der Klage für das Streitjahr 1999 ein weiterer Verlust aus
Vermietung und Verpachtung in Höhe von 23.383 DM und für das Streitjahr 2000 ein
weiterer Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 2.638 DM zu
berücksichtigen wäre.
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Die Klägerseite ist der Ansicht, dass Frau U***** auf ihr Nießbrauchsrecht in Höhe des
dem Kläger zustehenden Anteils von 125 DM an der Miete verzichtet habe. So sei die
Abtretung in der Vereinbarung vom 6.7.1999 zu verstehen. Der Nießbrauch sei als
Sicherungsnießbrauch zu werten und deshalb im Grundbuch nicht verändert worden.
Die Baumaßnahmen im Objekt H******* wären nötig geworden, da ansonsten eine
Vermietung des Objektes nicht mehr möglich gewesen sei. So hätten sich verschiedene
Mitwettbewerber der späteren Mieterin das Ladenlokal angeschaut, aber eine Nutzung
im vorhandenen Zustand abgelehnt. Frau C********** habe Frau U***** und den Kläger
ebenfalls auf die Nichtvermietbarkeit hingewiesen. Daraufhin habe man die
Renovierung bzw. Erweiterung beschlossen. Weil Frau U***** selbst praktisch keine
Kredite hätte erhalten können, habe man sich hinsichtlich der Finanzierung und der
späteren Miete so geeinigt, dass die Finanzierung der Kläger übernähme und dafür den
Neubauteil nießbrauchfrei erhalte. Hierfür sollte er den Teil der Miete sowie die weiteren
Erhöhungen der Miete erhalten, um die aufgenommenen Kredite finanzieren zu können.
Der Kläger habe diese Finanzierung in Erwartung auf die spätere lastenfreie Nutzung
vorgenommen. Die Erhaltungs- und Umbaumaßnahmen seien deshalb zumindest als
vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen.
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Die Kläger beantragen,
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die Einkommensteuerfestsetzung 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
10.08.2004 dahingehend zu ändern, dass ein weiterer Verlust aus Vermietung und
Verpachtung in Höhe von 23.383 DM berücksichtigt wird sowie die
Einkommensteuerfestsetzung 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
10.08.2004 dahingehend zu ändern, dass ein weiterer Verlust aus Vermietung und
Verpachtung in Höhe von 2.638 DM berücksichtigt wird und im Unterliegensfall die
Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, dass eine Berücksichtigung von Werbungskosten schon
aufgrund des in den Streitjahren bestehenden Nießbrauchs der Frau U***** nicht
möglich sei. Diese sei als Vermieterin Einkünfteerzielerin gewesen. Der Mietvertrag sei
insoweit eindeutig. Ein Verzicht auf den Nießbrauch sei nicht erkennbar. Mangels
wiederkehrender Versorgungsleistungen könne auch kein Sicherungsnießbrauch
vorliegen. Da das Ende der Nutzung durch Frau U***** nicht erkennbar sei, könnten
auch keine vorab entstandenen Werbungskosten angesetzt werden. Mangels
Verwandtschaftsverhältnis zu Frau U***** sei auch ein Verzicht auf den Nießbrauch
sogar eher unwahrscheinlich. Es fehle somit an dem für Werbungskosten notwendigen
wirtschaftlichen Zusammenhang.
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Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 2.9.2005
erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die
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beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
18
Die geltend gemachten Aufwendungen können weder als (vorab entstandene)
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in den Streitjahren
berücksichtigt werden.
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Da der Kläger in den Streitjahren keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
erzielte, scheidet eine Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung schon aus diesem Grunde aus. Der
Kläger ist nicht als Vermieter tätig geworden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem
Mietvertrag mit der Mieterin Frau C**********, da dort nur Frau U***** als Vermieterin
genannt worden ist und der Kläger ausdrücklich in deren Auftrag handelte. Hiervon
gingen auch der Kläger und Frau U***** aus, wenn sie in der eingereichten
Vereinbarung vom 6.7.1999 nur eine Abtretung der Mieteinnahmen der Frau U***** im
Gegenzug zur Geldmittelbeschaffung vereinbarten. Der Kläger sollte nach dieser
Vereinbarung nicht die Position eines Vermieters erhalten. Die im Mietvertrag mit Frau
C********** in § 4 vereinbarte Zahlung von 125 DM auf ein Konto der Kläger erfolgte
allein zur Abkürzung des Zahlungsweges. Dies war Frau C********** als Mieterin
aufgrund der Präambel des Mietvertrages auch bekannt.
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Mangels Vorliegens einer Vermieterstellung des Klägers bedurfte es im vorliegenden
Fall auch keiner einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gemäß § 180 Abs. 1
Nr. 2a Abgabenordnung (AO).
21
Die von Klägerseite geltend gemachten und der Höhe nach auch unstreitigen
Aufwendungen sind aber auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten der Kläger
bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Hinblick auf eine spätere
Vermieterstellung des Klägers zu berücksichtigen. Diesbezüglich fehlt es am
notwendigen Zusammenhang zwischen Aufwand und zukünftigen Einnahmen des
Klägers. Die BFH-Rechtsprechung verneint einen solchen notwendigen
Zusammenhang dann, wenn wie im vorliegenden Fall bei einem dinglich gesicherten,
lebenslänglichen Nutzungsrecht das Ende der Nutzung durch diesen
Nutzungsberechtigten nicht absehbar ist. Dies gilt auch dann, wenn der
Nutzungsberechtigte bereits ein hohes Alter erreicht hat (BFH-Urteile vom 8.5.2001 IX R
63/98, BFH/NV 2001, 1257; vom 10.6.1998 IX B 47/98, BFH/NV 1998, 1346; vom
4.7.1996 IX R 84/94, BFH/NV 1996, 808). Dieser Ansicht folgt der erkennende Senat,
wenn er auch nicht verkennt, dass die Aufwendungen der Kläger wirtschaftlich gesehen
nur im Hinblick auf die bei Tod der Frau U***** mögliche lastenfreien Nutzung durch den
Kläger erklärbar sind. Dennoch setzt die Berücksichtigung von vorab entstandenen
Werbungskosten mehr als nur eine Ursächlichkeit zwischen Aufwendungen und
späterer Einkünfteerzielung voraus. Der Nutzungsbeginn muss zumindest erkennbar
sein, was hier aufgrund einer fehlenden zeitlichen Fixierbarung nicht gegeben ist. Ein
Verzicht auf das Nießbrauchsrecht durch Frau U***** ist nicht erkennbar.
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Die Aufwendungen können auch nicht in Höhe der von der Klägerseite getragenen
Finanzierungszinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
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berücksichtigt werden. Es fehlt diesbezüglich eindeutig die notwendige
Einkünfteerzielungsabsicht. Den von Klägerseite zu tragenden Zinsen in Höhe von
jährlich 3.360 DM stehen lediglich Einnahmen von 1.500 DM entgegen, so dass ein
Überschuss nicht denkbar ist.
Die Revision wird auch im Hinblick auf das Revisionsverfahren IX R 13/05 gemäß § 115
Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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