Urteil des FG Münster vom 07.07.2004

FG Münster: gesetzlicher vertreter, vollziehung, steuerfestsetzung, aussetzung, nachlassgericht, stadt, erblasser, erwerb, verwandtschaftsverhältnis, 1919

Finanzgericht Münster, 3 V 1796/04 Erb
Datum:
07.07.2004
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 V 1796/04 Erb
Tenor:
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller
Die Beschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e:
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Streitig ist die Aufhebung der Vollziehung eines Erbschaftsteuer(ErbSt)-Bescheides.
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Der Antragsteller (Ast.) wurde am 22.01.1987 vom Amtsgericht/Nachlassgericht A-Stadt
zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des am 19.01.1987 tot aufgefundenen,
zuletzt in A-Stadt wohnhaft gewesenen Erblassers Herrn X......., geb. am 17.09.1900,
bestellt. Der Wirkungskreis der Nachlasspflegschaft umfasst die Sicherung und
Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben.
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Die Erben des Erblassers sind bisher durch Erbschein nicht festgestellt und auch sonst
nicht sicher bekannt, weder namentlich noch zahlenmäßig.
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Der Ag. erlangte durch Mitteilung des Amtsgerichts A-Stadt am 30.01.1987 Kenntnis
vom Tode des Erblassers und von der Bestellung des Ast. zum Nachlasspfleger. In den
folgenden Jahren gingen von verschiedenen Banken Mitteilungen gem. § 33
Erbschaftsteuergesetzt (ErbStG) über das Vermögen des Erblassers zum
Todeszeitpunkt bei dem Ag. ein. Hinsichtlich der einzelnen Nachlasswerte wird auf die
Mitteilungen Bl. 3-14b und 36 der Steuerakte verwiesen.
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Auf die mehrfachen Anfragen zum Stand der Erbenermittlung in den Jahren 1988 bis
2001 teilte der Ast. dem Ag. jeweils mit, dass noch keine erbberechtigten Personen
ermittelt worden seien. Im einzelnen wird hierzu auf Bl. 17 - 35 und 39 -51 der
Steuerakte verwiesen.
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Nach Aufforderung durch den Ag. benannte der Ast. mit Schreiben vom 04.04.2002 und
22.05.2002 die Nachlassgegenstände und teilte deren Werte zum Todestag des
Erblassers mit. Der Ast. führte weiter aus, dass die Summe der abziehbaren
Verbindlichkeiten noch nicht bekannt sei. Insbesondere sei noch nicht bekannt, wie
hoch die Kosten der Nachlassregelung seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den
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hoch die Kosten der Nachlassregelung seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den
Inhalt der vorgenannten Schreiben verwiesen (Bl. 52-53 u. 56 der Steuerakte).
Mit Schreiben vom 06.10.2003 teilte der Ast. dem Ag. mit, dass ein Erbscheinsantrag
vorliege, in dem von fünf Erben ausgegangen werde. Inwieweit diesem stattgegeben
würde, sei aber unklar. Es könnten auf Grund der Tatsache, dass die Erben wohl in der
4. Erbordnung zu suchen seien, durchaus noch in großer Zahl weitere Erben
hinzukommen.
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Der Aufforderung des Ag. mit Schreiben vom 14.11.2003, eine ErbSt-Erklärung
abzugeben, kam der Ast. nicht nach. Er schlug dem Ag. jedoch mit Schreiben vom
26.11.2003 vor, dass zunächst von sieben Erben ausgegangen werden möge. Die
Erben seien noch nicht bekannt. Im Hinblick auf die Höhe der Anteile möge davon
ausgegangen werden, dass es sieben Erben geben werde, die zu gleichen Teilen
erben. Die Höhe der Nachlassregelungskosten würden auf 132.000 EUR (253.169 DM)
geschätzt.
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Unter Zugrundelegung der mit Schriftsatz des Ast. vom 04.04.2002 angegebenen
Nachlasswerte erließ der Ag. am 12.01.2004 nach einem Abgleich dieser Werte mit den
vorliegenden Anzeigen gem. § 33 ErbStG einen ErbSt-Bescheid und gab diesen dem
Ast. mit dem Zusatz "dieser Bescheid ergeht an Sie als Nachlasspfleger im Erbfall Herrn
X....... für den Erwerber Erben unbekannt" bekannt. Bei der Steuerberechnung ging der
Ag. davon aus, dass der Erblasser von sieben Erben der Steuerklasse IV gem. § 15
Abs. 1 des ErbStG in der zum Todestag des Erblassers geltenden Fassung (ErbStG
a.F.) zu jeweils gleichen Anteilen beerbt wurde. Nach Abzug der vom Ast. geschätzten
Nachlassregelungskosten errechnete der Ag. einen unstreitigen Nachlasswert i.H.v.
882.182 DM sowie für jeden der 7 fiktiven Erben eine ErbSt i.H.v. 32.209 DM. Insgesamt
setzte der Ag. für alle Erben ErbSt i.H.v. 225.463 DM (7 x 32.209 DM) fest. Die
Steuerfestsetzung erging nach § 165 AO vorläufig. Der Steuerbescheid enthält
folgenden Vorläufigkeitsvermerk: "Der Bescheid ergeht in vollem Umfang vorläufig
hinsichtlich der persönlichen Freibeträge der bisher unbekannten Erben, der Anzahl der
Erben, der hinterlassenen Vermögenswerte, des Vomhundertsatzes in der Steuerklasse
(Progression) sowie der Nachlassverbindlichkeiten, weil die Erben bisher nicht ermittelt
werden konnten." Hinsichtlich der Einzelheiten der Steuerfestsetzung wird auf den
Steuerbescheid vom 12.01.2004 (Bl. 66-71 der Steuerakte) verwiesen.
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Gegen den ErbSt-Bescheid vom 12.01.2004 legte der Ast. mit Schreiben vom
10.02.2004 Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung
des Bescheides. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Ag. mit
Bescheid vom 05.03.2004 ab. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Die
festgesetzte ErbSt wurde inzwischen entrichtet.
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Mit seinem bei Gericht gestellten Antrag begehrt der Ast. die Aufhebung der Vollziehung
des angefochtenen ErbSt-Bescheides.
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Zur Begründung trägt der Ast. vor, dass es auf Grund der Tatsache, dass die Erbfolge
noch nicht abschließend geklärt sei, an einem konkreten Steuersubjekt fehle, welches
Voraussetzung für die Festsetzung einer Steuer sei. Es gebe keine gesetzliche
Ermächtigungsgrundlage für die Steuerfestsetzung. Es reiche für die Festsetzung der
ErbSt nicht aus, dass wahrscheinlich irgendwo Erben vorhanden seien, sondern die
Erbfolge müsse geklärt sein, in der Form, dass eine einzelne Person oder eine Gruppe
von Erben namentlich als Erben ermittelt sei und eine Auskehrung des Nachlasses an
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diese erfolgen könne. Erst nach Ermittlung der Erben durch den Nachlasspfleger
stünden die Steuerklasse und die Höhe der anzuwendenden Freibeträge fest. Eine
vorherige Festsetzung der Steuer könne bedeuten, dass die Einordnung in eine falsche
Steuerklasse erfolge und Freibeträge nicht ausreichend berücksichtigt würden, mit der
Folge, dass nach abschließender Klärung der Erbfolge bereits eingezogene
Steuerbeträge erstattet werden müssten.
Der Ast. beantragt,
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die Vollziehung des von dem Ag. erlassenen ErbSt-Bescheides vom 12.01.2004
an den Ast. als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Herrn X....... (StNr.
313/9983/0448) aufzuheben.
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Der Ag. beantragt,
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den Antrag abzuweisen.
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Zur Begründung führt der Ag. aus, der Nachlasspfleger sei gesetzlicher Vertreter der
Erben. Er werde für den oder die unbekannten oder noch ungewissen Erben tätig. Die
Steuerverwaltungsakte seien deshalb bis zur Aufhebung der Nachlasspflegschaft an ihn
zu richten. Im Rahmen seiner Aufgaben habe der Nachlasspfleger als gesetzlicher
Vertreter des oder der Erben auch die steuerlichen Pflichten der Erben zu erfüllen.
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Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist zulässig.
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Der Ast. ist antragsbefugt. Er ist als Nachlasspfleger nach Anordnung der
Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) bis zu deren
Aufhebung durch das Nachlassgericht (§§ 1960 Abs. 2, 1919, 1962 BGB) gesetzlicher
Vertreter der Erben und als solcher rechtsbehelfsbefugt (§§ 58 Abs. 2
Finanzgerichtsordnung -FGO- i.V.m. § 53 Zivilprozessordnung -ZPO-; vergl. BFH-
Beschluss vom 07.12.1992, VIII R 21/91, VIII B 139/91, VIII R 21/91, VIII B 139/91,
BFH/NV 1994, 247; BGH-Urteil vom 06.10.1982, IVa ZR 166/81, NJW 1983, 226).
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Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist jedoch nicht begründet.
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Nach § 69 Abs. 3 u. 4 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Finanzgericht (FG) die
Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. ganz oder teilweise aussetzen
bzw. aufheben, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen. Derartige
Zweifel sind anzunehmen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen
Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit
sprechenden Gründen gewichtige gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die
Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken
oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen aufwerfen (ständige Rechtsprechung,
vgl. BFH-Beschluss vom 24.02.2000, IV B 83/99, BStBl II 2000, 298 m.w.N.).
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Bei der im summarischen Verfahren der Aussetzung der Vollziehung bzw. Aufhebung
der Vollziehung gebotenen vorläufigen Prüfung haben sich ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, die eine Aufhebung der Vollziehung
rechtfertigen könnten, nicht ergeben.
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Die ErbSt nach dem Tode des bereits 1987 verstorbenen Erblassers ist noch nicht
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verjährt.
Die Festsetzungsfrist der ErbSt beträgt gem. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Sie
beginnt grundsätzlich gem. § 170 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres,
in dem die Steuer entstanden ist, frühestens jedoch mit Ablauf des Kalenderjahres, in
dem die Steuererklärung eingereicht wird und spätestens mit Ablauf des dritten
Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Darüber hinaus enthält § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO für den Beginn der Festsetzungsfrist der
ErbSt eine Sonderregelung. Danach beginnt die Festsetzungsfrist bei einem Erwerb von
Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von
dem Erwerb erlangt hat. Ein Erbe erlangt Kenntnis von seinem Erwerb, wenn er
zuverlässig erfahren und somit Gewissheit erlangt hat, dass er Erbe geworden ist.
Folglich beginnt bei (noch) unbekannten Erben die Feststellungsfrist gem. § 170 Abs. 5
Nr. 1 AO nicht zu laufen, bevor der oder die Erben bekannt sind. Da hier noch nicht
bekannt ist, wer Erbe geworden ist, kommt die Anlaufhemmung gem. § 170 Abs. 5 Nr. 1
AO zur Anwendung mit der Folge, dass die ErbSt noch nicht verjährt ist.
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Der Festsetzung der ErbSt steht auch nicht entgegen, dass der Beginn der
Verjährungsfrist noch gehemmt war. Denn die Vorschriften über die Festsetzungsfrist
regeln, dass eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr
zulässig sind, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO). Sie
hindern eine Festsetzung aber nicht vor Beginn der Festsetzungsfrist. Voraussetzung für
die Festsetzung ist, dass die Steuer entstanden ist. Die ErbSt ist gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG mit dem Tod des Erblassers entstanden. Nach der Mitteilung des Ast. im
Schriftsatz vom 06.10.2003, dass ein Erbscheinsantrag gestellt wurde und dass
durchaus noch Erben der 4. Erbordnung in großer Zahl hinzukommen könnten, ist
davon ausgehen, dass hier Erbschaftsteuer entstanden ist und nicht etwa das Erbrecht
des Fiskus (§ 1936 BGB) und damit Steuerfreiheit gem. § 13 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG a.F.
eingetreten ist.
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Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen ErbSt-Bescheides ergeben sich
auch nicht daraus, dass der Bescheid gegenüber dem Ast. ergangen ist. Der Ast. war
der richtige Adressat des angefochtenen ErbSt-Bescheides. Nach § 122 Abs. 1 AO ist
ein Steuerbescheid demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist.
Im Besteuerungsverfahren ist eine Steuerbescheid für denjenigen Beteiligten bestimmt,
der als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird oder werden soll (§ 124 Abs. 1
AO). ErbSt-Bescheide sind daher grundsätzlich an die Erben als Steuerschuldner (§ 20
Abs. 1 ErbStG) zu richten. Abweichend hiervon ist ein ErbSt-Bescheid dem
Nachlasspfleger bekanntzugeben, wenn dieser die ErbSt-Erklärung abgegeben hat (§
31 Abs. 6 i.V.m. § 32 Abs. 1 ErbStG). Der Nachlasspfleger ist zur Abgabe der ErbSt-
Erklärung verpflichtet (§ 31 Abs. 6 ErbStG), er hat für die Zahlung der ErbSt zu sorgen
und auf Verlangen des Finanzamtes aus dem Nachlass Sicherheit zu leisten (§ 32 Abs.
1 Satz 2, Abs. 2 ErbStG).
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Vorliegend hat der Ast. zwar keine ErbSt-Erklärung abgegeben. Ein Nachlasspfleger ist
jedoch nach Anordnung der Nachlasspflegschaft (§ 1960 Abs. 2 BGB) bis zu deren
Aufhebung durch das Nachlassgericht (§ 1960 Abs. 2, 1919, 1962 BGB) gesetzlicher
Vertreter der Erben, mit der Folge, dass gem. § 122 Abs. 1 i.V.m. §§ 34 Abs. 1 AO alle
die Erben betreffenden Steuerverwaltungsakte an ihn zu richten sind (siehe BFH-Urteil
vom 30.03.1982, VIII R 227/80, BStBl II 1982, 687). Im Rahmen seiner Aufgaben hat der
Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des oder der Erben auch deren steuerliche
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Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 AO). Nur ihm obliegen die Aufgaben i. S. d. § 34 AO
unabhängig davon, ob die Erben bekannt sind oder nur ungewiss ist, wer Erbe wird
(sieh BFH-Urteil vom 30.03.1982, VII R 227/80 a.a.O.). Infolgedessen sind die
grundsätzlich an die Erben zu richtenden Steuerbescheide für den Fall, dass die Erben
unbekannt sind und deshalb ein Nachlasspfleger bestellt wurde, an diesen bekannt zu
geben, ohne dass die Erben namentlich in den Steuerbescheiden aufgeführt werden
müssen.
Davon, dass eine ErbSt-Festsetzung gegenüber dem Nachlasspfleger als gesetzlichem
Vertreter der Erben nicht nur zulässig ist, wenn die Erben bereits bekannt sind, sondern
bereits dann, wenn die Erben noch unbekannt sind, ging offensichtlich auch der
Gesetzgeber aus. In der Regierungsvorlage zu § 32 ErbStG (siehe BR-Drucksache
140/72, zitiert in: Troll, Kommentar zum ErbStG, § 32 Rdn. 1) heißt es: "Die
Bekanntgabe (des ErbSt-Bescheides) an den Steuerschuldner erscheint jedoch in den
Fällen unzweckmäßig zu sein, in denen ein Testamentsvollstrecker oder ein
Nachlassverwalter bestellt ist, da diese Personen bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit die
eigentlichen Verfügungsberechtigten über den Nachlass sind; sie wäre im übrigen in
den Fällen der Nachlasspflegschaft erst möglich, nachdem der Nachlasspfleger die
Erben ermittelt hat. Unter diesen Umständen empfiehlt es sich, in den Fällen der
Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung und Nachlasspflegschaft den
Steuerbescheid ... dem Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger
bekannt zu machen und diese Personen zu verpflichten, für die Bezahlung der ErbSt zu
sorgen."
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Es ergeben sich darüber hinaus keine ernsthaften Zweifel an der formellen
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides daraus, dass der Ag. die ErbSt in
einem Bescheid festgesetzt hat. Zwar sind Miterben keine Gesamtschuldner der ErbSt
und § 155 Abs. 3 AO sieht nur für den Fall der Gesamtschuldnerschaft die Möglichkeit
eines zusammengefassten Steuerbescheides vor. Das bedeutet für die ErbSt
grundsätzlich, dass gegen jeden Erwerber die auf ihn entfallende Steuer durch
Einzelsteuerbescheid festzusetzen ist. Sind die Erben jedoch noch vollkommen
unbekannt und ist deshalb ein Nachlasspfleger bestellt, der die steuerlichen Pflichten für
die unbekannten Erben zu erfüllen hat und an den die an die Erben zu richtenden
Steuerbescheide bekannt zu geben sind, so bestehen nach Auffassung des Senats
keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken dagegen, dass die ErbSt in einem an den
Nachlasspfleger bekanntgegebenen Bescheid festgesetzt wird. Wenn die Erben der
Anzahl und dem Namen nach noch unbekannt sind, besteht im Hinblick auf die
erforderliche inhaltliche hinreichende Bestimmtheit des Steuerbescheides (§ 119 AO)
keine Notwendigkeit mehrere auch hinsichtlich der Bezeichnung des Steuerschuldners
(hier: Erbe unbekannt) vollkommen identische Steuerbescheide zu erlassen und diese
dem Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter aller noch unbekannten Erben bekannt
zu geben.
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Auch in materiellrechtlicher Hinsicht ergeben sich keine ernsthaften Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen ErbSt-Bescheides.
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Die Steuerfestsetzung beruht auf Schätzungen. Bei der vom Ag. fiktiv angenommen
Anzahl der Erben bzw. den sich daraus ergebenen Anteilen am Nachlass sowie dem
angenommenen Verwandtschaftsverhältnis der Erben zum Erblasser handelt es sich um
Besteuerungsgrundlagen der ErbSt. Diese Besteuerungsgrundlagen hat der Ag. bei der
Steuerfestsetzung geschätzt. Hierzu war der Ag. gem. § 162 Abs. 1, 2 AO berechtigt.
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Gem. § 162 Abs. 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu
schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist
insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende
Aufklärung zu geben vermag (§ 162 Abs. 2 S. 1 AO). Da der bzw. die Erben und dessen
bzw. deren Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser noch nicht bekannt sind und auch
vom Ag. nicht ermittelt werden konnten, lagen insofern die Voraussetzungen für eine
Schätzung gem. § 162 Abs. 1, 2 AO dem Grunde nach vor.
Wenn, wie im Streitfall, davon auszugehen ist, dass die ErbSt entstanden ist und
hinreichende Anhaltspunkte für die Zahl der Erben und deren Steuerklasse bekannt
sind, kann die ErbSt gegenüber einem Nachlasspfleger im Wege der Schätzung
festgesetzt werden, auch wenn die einzelnen Erwerbe von Todes wegen und die Erben
sowie deren Steuerklasse noch nicht konkret feststehen (so auch: Moench/Kein-
Hümbert, Kommentar zum ErbStG, § 31 Rdn. 17 u. § 32 Rdn. 15). Eine Schätzung "ins
Blaue hinein" ohne Anhaltspunkte über die Zahl der Erben und deren Steuerklassen ist
jedoch unzulässig.
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Der Senat vertritt im Streitfall keine von der Entscheidung des FG Düsseldorf vom
20.01.2003 (4 V 6586/02 A (Erb) n.v.) abweichende Auffassung. Das FG Düsseldorf hat
in dem vorgenannten Beschluss zwar die Vollziehung eines ErbSt-Bescheides, in dem
das Finanzamt ErbSt gegenüber einem Nachlasspfleger für unbekannte Erben
festgesetzt hatte, ausgesetzt. Das Gericht hat die Steuerfestsetzung gegenüber einem
Nachlasspfleger aber nicht grundsätzlich für unzulässig angesehen, solange die Erben
noch unbekannt sind. Vielmehr hat das FG Düsseldorf ausgeführt, dass bei ihrer Zahl
und ihrem Verwandtschaftsverhältnis nach unbekannten Erben abgewartet werden
müsse, bis die Erben, wenn auch nicht namentlich, dann jedenfalls so weit konkretisiert
worden seien, dass eine schätzungsweise Besteuerung möglich sei. Die Aussetzung
der Vollziehung in der vorgenannten Entscheidung erfolgte letztendlich auf Grund der
Feststellung des FG, dass die Steuerschuldner mit ihren jeweiligen Erbteilen noch nicht
einmal schätzungsweise feststanden und noch nicht einmal feststand, ob überhaupt
noch Erben vorhanden sind.
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Demgegenüber lagen dem Ag. hier aufgrund der Angaben des Ast. hinreichende
Anhaltspunkte über die Zahl der Erben und deren Steuerklasse vor, die zu einer auch
der Höhe bzw. dem Umfang nach nicht zu beanstandenden Schätzung durch den Ag.
geführt haben.
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Der Ag. konnte davon ausgehen, dass überhaupt Erben vorhanden sind, da nach den
Angaben des Ast. bereits für fünf Erben ein Erbscheinsantrag gestellt wurde. Zudem ist
der Ag. dem Vorschlag des Ast. gefolgt, dass zunächst von sieben Erben mit jeweils
gleichen Erbteilen ausgegangen werden möge. Davon, dass diese fiktiven Erben mit
großer Wahrscheinlichkeit der Steuerklasse IV gem. § 15 Abs. 1 ErbStG a.F.
zuzuordnen sind, konnte der Ag. nach dem Schreiben des Ast. vom 06.10.2003
ebenfalls ausgehen. Der Ast. hat in diesem Schreiben ausgeführt, dass die Erben wohl
in der 4. Erbordnung zu suchen seien. Zudem wurden der Steuerfestsetzung die vom
Ast. im Schreiben vom 04.04.2002 genannten Aktivwerte des Nachlasses nach dem
Abgleich mit den vorliegenden Mitteilungen gem. § 33 ErbStG zu Grunde gelegt.
Darüber hinaus hat der Ag. die vom Ast. geschätzten Nachlassregelungskosten in Höhe
von 132.000 Euro (258.169 DM) bei der Steuerfestsetzung Steuer mindernd
berücksichtigt. Da die Schätzung somit auf den Angaben des Ast. beruht, hat der Ag.
alle Unwägbarkeiten, die mit der Schätzung verbunden sind, sachgerecht berücksichtigt.
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Der Ag. konnte auf Grund der besonderen Sachnähe des Ast. bei der Steuerfestsetzung
davon ausgehen, dass die auf den Angaben des Ast. beruhenden geschätzten
Besteuerungsgrundlagen mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit sachlich richtig
sind.
Schließlich sind nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
Vollziehung des Bescheides eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche
Interessen gebotene Härte zur Folge hätten. Der Umstand, dass nach Klärung der
Erbfolge möglicherweise ErbSt erstattet werden muss, führt nicht zu einer unbilligen
Härte. Im übrigen sieht § 236 AO für die Zeit der Rechtshängigkeit unter den dort
genannten Voraussetzungen eine Verzinsung möglicher Erstattungsbeträge vor.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Beschwerde wird gem. §§ 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der
grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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