Urteil des FG Münster vom 10.01.2008

FG Münster: mindesteinlage, neue tatsache, abtretung, kapital, erwerb, gegenleistung, beitrag, betrug, bemessungsgrundlage, einzahlung

Finanzgericht Münster, 1 K 4985/06 EZ
Datum:
10.01.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4985/06 EZ
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Streitig ist die Erbringung der Mindesteinlage der Klägerin als Mitglied der
O*********** Wohnbaugenossenschaft gemäß § 17 EigZulG für die Streitjahre 2003 bis
2006.
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Die Klägerin ist durch Beitrittserklärung am 11. Dezember 2003 Mitglied der
O*********** Wohnungsbaugenossenschaft eG (im Weiteren: Genossenschaft) geworden.
Sie beteiligte sich mit 46 Anteilen zu je 100 Euro. Das Eintrittsgeld betrug 230 Euro. Als
Gegenleistung wurde die Abtretung der ersten Eigenheimzulage in Höhe von 531 Euro
sowie die Zahlung von sechs Raten zu je 674,17 Euro, jeweils fällig am 20. März des
Jahres, vereinbart. Zusätzlich erwarb die Klägerin durch Anteilsabtretung vom 11.
Dezember 2003 weitere 6 Anteile zu je 100 Euro von dem Gründungsmitglied N*******
O***. Die hierauf entfallende Gegenleistung wurde bis zum 31. Dezember 2010
gestundet.
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Mit Schreiben vom 2. Februar 2004 übersandte die Genossenschaft einen Antrag auf
Eigenheimzulage der Klägerin an den Beklagten. Dem Antrag lag ein Kontoauszug der
Genossenschaft bei, wonach zum 31. Dezember 2003 eine Einzahlung von 638,34 Euro
durch die Klägerin erfolgt sein sollte.
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Der Beklagte legte als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Eigenheimzulage
gemäß § 17 EigZulG eine Einzahlung von 600 Euro zugrunde und erließ am 26.
Februar 2004 einen Eigenheimzulagenbescheid ab 2003, in dem für die Jahre 2003
Eigenheimzulage in Höhe von 530 Euro, für 2004 Eigenheimzulage in Höhe von 70
Euro und für die Jahre 2005 bis 2010 ein Betrag von 0 Euro festgesetzt wurde. Dabei
legte er 3% der geleisteten Einzahlungen und zwei Kinderzulagen als
Bemessungsgrundlage zugrunde.
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Die Klägerin reichte unter dem 14. Juni 2005 eine Bestätigung der Genossenschaft über
Einzahlungen in Höhe von insgesamt 1.766,87 Euro vom 31. Dezember 2003 bis 14.
Juni 2005 ein.
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Daraufhin erließ der Beklagte am 6. Juli 2005 einen Eigenheimzulagenbescheid ab
2005, in dem er für 2005 und 2006 Eigenheimzulage in Höhe von 566 Euro, für 2007
Eigenheimzulage in Höhe von 35 Euro und für die Jahre 2008 bis 2010 in Höhe von 0
Euro festsetzte.
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Nach Prüfung der Genossenschaft durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und
Steuerfahndung N******* wurde der Beklagte darauf hingewiesen, dass der mit dem
Kontoauszug dokumentierte Erwerb zwei Rechtsgeschäfte, nämlich zum einen den
Erwerb der Anteile und zum anderen die Abtretung von 6 Anteilen, betraf. Der Beklagte
ging daraufhin von zwei separat zu beurteilenden Rechtsgeschäften aus. Da aus seiner
Sicht demnach zwei Objekterwerbe i.S.d. § 17 EigZulG vorlägen, könne eine
Eigenheimzulagenförderung nur hinsichtlich des zeitlich vorgehenden Erwerbs der
Anteile stattfinden. Diesbezüglich wie auch hinsichtlich des weiteren Erwerbs durch
Abtretung fehle es aber an der für eine Eigenheimzulage nötigen Mindesteinlage von
5.113 Euro.
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Der Beklagte hob daraufhin die festgesetzte Eigenheimzulage in voller Höhe von 1.732
Euro durch Bescheid vom 18. Mai 2006 auf.
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Die Klägerin reichte am 23. Mai 2006 einen Kontoauszug der Genossenschaft ein, der
Einzahlungen vom 22. Dezember 2003 bis 7. April 2006 in Höhe von insgesamt
2.441,04 Euro auswies. Sie bat um Neufestsetzung der Eigenheimzulage, was jedoch
bislang nicht erfolgte.
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Am 29. Mai 2006 legte die Klägerin Einspruch gegen den Bescheid vom 18. Mai 2006
über die Aufhebung der Eigenheimzulage für die Jahre 2003 bis 2006 ein. Nach Ansicht
der Klägerin lag aufgrund der Verpflichtung zur Übernahme von Geschäftsanteilen im
Vertrag vom 11. Dezember 2003 ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, das auch den
Erwerb aufgrund der Abtretung umfasse. Im folgenden Einspruchsverfahren legte die
Klägerseite erstmals die Vertragsurkunden vom 11. Dezember 2003 vor.
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Durch Entscheidung vom 24. Oktober 2006 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die
Festsetzung der Eigenheimzulage 2003 bis 2006 als unbegründet zurück. In der
Einspruchsentscheidung führte er u.a. aus, dass im vorliegenden Fall eine
Berücksichtigung der Abtretung auch deshalb nicht möglich sei, weil hierdurch der
Genossenschaft kein neues eigenes Kapital des Begünstigten zugeflossen sei. Nach
seiner Ansicht sei die Rechtslage auf Grund der vorliegenden BFH-Rechtsprechung
eindeutig.
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Die Klägerin hat am 27. November 2006 Klage eingelegt. Sie wiederholt ihren Vortrag
aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt sie vor, dass § 17 Satz 3 EigZulG keine
eigene Einlage des Steuerpflichtigen verlange. Auch sei es möglich, die geleistete
Einlage durch einen Dritten finanzieren zu lassen. Eine solche Finanzierung sei in der
Stundungsvereinbarung zu sehen. Die aktuelle Entscheidung des BFH vom 5.
Dezember 2006 (IX R 32/05, BFH/NV 2007, 655) sei nicht einschlägig, da dort der
Eigenheimzulageanspruch nur deshalb abgelehnt worden sei, weil dieser als
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Gegenleistung der Einlage abgetreten worden sei.
Die Klägerin beantragt,
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unter Aufhebung des Eigenheimzulagenbescheides ab 2003 vom 18. Mai 2006 sowie
der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006 Eigen- heimzulage wie folgt
festzusetzen:
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für 2003 in Höhe von 530 Euro
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für 2004 in Höhe von 554 Euro
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für 2005 in Höhe von 566 Euro
18
für 2006 in Höhe von 586 Euro
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und im Falle des Unterliegens die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen und im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte wiederholt den Vortrag aus dem Einspruchsverfahren.
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Der Berichterstatter hat am 24. August 2007 mit den Beteiligten die Sach- und
Rechtslage erörtert. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat die für eine Förderung durch Eigenheimzulage nötige Mindesteinlage
in Höhe von 5.113 Euro gemäß § 17 Satz 1 EigZulG i.d.F. des Gesetzes vom 19.
Dezember 2000 (BGBl. I 2000, 1790) nicht gezeichnet. Die neben der eigenen
Beteiligung von 46 Anteilen zu je 100 DM erfolgte Abtretung von 6 Anteilen von einem
Gründungsgenossen ist insoweit nicht zu berücksichtigen.
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Gemäß § 17 Satz 1 EigZulG i.d.F. des Gesetzes vom 19. Dezember 2000 (a.a.O) setzt
die Förderung der Anschaffung von Genossenschaftsanteilen an einer
Wohnungsbaugenossenschaft eine Mindesteinlage voraus. Diese betrug für den
Zeitraum vom 1.1.2002 bis 31.12.2003 insgesamt 5.113 Euro. Durch Gesetz vom
29.12.2003 (BGBl. I 2003, 3076; BStBl. I 2004, 120) ist diese Mindesteinlage auf 5.000
Euro herabgesetzt worden. § 19 Abs. 8 Satz 2 EigZulG sieht eine Berücksichtigung
dieser reduzierten Mindesteinlage für nach dem 31.12.2003 erfolgte Beitritte der
Genossen vor, was hier nicht der Fall ist.
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Die Mindesteinlage ist nur geleistet, wenn das Mitglied der Genossenschaft sich
verpflichtet, an die Genossenschaft eine Bareinlage zu tätigen. Dies Erfordernis, eine
Bareinlage zu tätigen, ergibt sich schon aus dem Wortsinn des § 17 Satz 3 EigZulG, der
von einer "geleisteten" Einlage spricht. Hierdurch kommt klar zum Ausdruck, dass der
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Eigenheimzulage beanspruchende Genosse selbst einen Beitrag an die
Genossenschaft erbringen muss. Ein solcher eigenständiger Beitrag liegt nicht vor,
wenn der Anspruchsberechtigte einem anderen Genossen einen Teil der von diesem
gezeichneten Anteile abkauft (so auch BFH-Urteil vom 5. Dezember 2006 IX R 32/05,
BFH/NV 2007, 642).
Eine solche eigenständige Barleistung entspricht auch dem Zweck der Begünstigung
des Erwerbs von Anteilen an einer Wohnungsbaugenossenschaft durch § 17 EigZulG.
Durch diese Norm und die damit verbundene Förderung soll einer Genossenschaft die
Möglichkeit gegeben werden, zusätzliches privates Kapital zu erlangen (so schon
BTDrucks 13/2784, 40; BFH-Urteil vom 29. November 2005 IX R 68/04, BFH/NV 2006,
1065; vom 5. Dezember 2006 IX R 32/05, BFH/NV 2007, 642). Dieses zusätzliche
private Kapital fließt der Genossenschaft aber nicht zu, wenn der beitretende Genosse
einen Teil seiner Gelder einem anderen Genossen zuwendet.
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Im vorliegenden Fall führt dies dazu, dass die notwendige Mindesteinlage in Höhe von
5.113 Euro von der Klägerin durch die Zeichnung der 46 Anteile nicht erfüllt worden ist.
Dass die Klägerin nur 46 Anteile zu je 100 DM selbst zeichnete, war dem Beklagten bei
Erstveranlagung nicht bekannt gemacht worden, so dass insoweit eine neue Tatsache
i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vorliegt, die zwingend zu einer Aufhebung der zunächst
erlassenen Eigenheimzulagebescheide führen musste. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist
aufgrund der §§ 155 Abs. 4, 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2d AO neben der Spezialvorschrift
des § 11 EigZulG anwendbar (vgl. nur Stuhrmann in Bordewin/Brandt, § 11 EigZulG,
Rz. 4).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht erkennbar.
Aufgrund der Entscheidung des BFH vom 5. Dezember 2006 (IX R 32/05, BFH/NV
2007, 655) ist die Problematik, ob die Mindesteinlage auch durch Abtretung von
Genossenschaftsanteilen erbracht werden kann, geklärt. Eine darüber hinaus gehende
grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt dem vorliegenden Fall
auch nicht aufgrund einer ggf. vorliegenden Vielzahl gleich gelagerter Fälle der
betroffenen Wohnungsbaugenossenschaft zu. Aufgrund der Eindeutigkeit der Aussagen
des BFH in dem Urteil vom 5. Dezember 2006 (a.a.O.) ist auch der Revisionsgrund der
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht
gegeben.
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