Urteil des FG Münster vom 29.05.2001

FG Münster: berufliche tätigkeit, lehrer, verfügung, einspruch, schriftsteller, beschränkung, nebentätigkeit, begriff, wohnung, ausstattung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 1 K 2681/00 E
29.05.2001
Finanzgericht Münster
1. Senat
Urteil
1 K 2681/00 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
T a t b e s t a n d:
Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für 2 Arbeitszimmer bei den Einkünften
des Klägers (Kl.) aus nichtselbständiger und freiberuflicher Tätigkeit.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute. Der Kl. ist als Berufschullehrer nichtselbständig und
daneben ab dem Jahre 1990 als Schriftsteller freiberuflich tätig. Die Klägerin (Klin.) ist
angestellte Erzieherin und als geringfügig Beschäftigte dem Kl. bei dessen
schriftstellerischer Arbeit behilflich. Sie ist Alleineigentümerin des gemeinsam bewohnten
Hauses H****** Straße 166a in H*** mit einer Gesamtnutzfläche von 148 qm, das, wie unter
den Beteiligten unstreitig ist, zu 75 v.H. mit Mitteln des Kl. finanziert worden war. Mit ihrer
Einkommensteuer(ESt)-Erklärung beantragten die Kl., die Aufwendungen für ein für die
Ausübung der Lehrtätigkeit beruflich genutztes Zimmer in der Größe von 12,96 qm in Höhe
von 4.055,89 DM bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger Arbeit mit 2.400 DM als
Werbungskosten (WK) zu berücksichtigen (Arbeitszimmer 1). Bei der Ermittlung des für
1997 erklärten Verlustes aus der schriftstellerischen Tätigkeit des Kl. i.H.v. 5.205 DM waren
darüber hinaus die Kosten für ein vom Kl. für seine schriftstellerische Tätigkeit genutztes
Arbeitszimmer in der Größe von 18,11 qm in Höhe von 8.929,69 DM, Aufwendungen für
Arbeitsmittel in Höhe von 3.165,53 DM eingeschlossen, als Betriebsausgaben (BA)
angesetzt worden (Arbeitszimmer 2).
Dem folgte der Bekl. mit dem am 25.02.1998 ergangenen ESt-Bescheid für das Streitjahr
1997 nicht. Er vertrat die Ansicht, daß die Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der
gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Kl. bildeten und die Aufwendungen
für die beiden Arbeitszimmer deshalb gem. § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 4 Nr. 6 b EStG
insgesamt lediglich mit max. 2.400 DM berücksichtigt werden könnten. Dieser Betrag sei im
Verhältnis der Einnahmen aus der Tätigkeit als Berufschullehrer und der Einnahmen aus
schriftstellerischer Tätigkeit aufzuteilen, so daß von den steuerlich anzuerkennenden
Kosten der Arbeitszimmer 1.926 DM WK bei den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger
Arbeit und 474 DM als BA bei den Einkünften aus schriftstellerischer Tätigkeit zu
berücksichtigen seien.
Dagegen legten die Kl. Einspruch ein. Sie trugen vor, aufgrund des Umfangs der
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schriftstellerischen Tätigkeit des Kl. liege der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit
in den häuslichen Büros. Im Übrigen unterhalte der Kl., was seine schriftstellerische
Tätigkeit anbelange, im eigenen Haus eine Betriebsstätte. Zur Begründung ihrer Ansicht
beriefen sich die Kl. insbesondere auf Schmidt, Kommentar zum EStG, § 4, Rz. 593 und
596.
Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 27.03.2000 als unbegründet
zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Bekl. aus, der unbegrenzte Abzug von Kosten
für ein Arbeitszimmer sei nur dann zulässig, wenn dieses den Mittelpunkt der gesamten
betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bilde. Der unbegrenzte Abzug scheide daher aus,
wenn neben einer Haupttätigkeit, deren Mittelpunkt sich in dem häuslichen Arbeitszimmer
befinde, eine weitere Tätigkeit mit anderweitigem Mittelpunkt ausgeübt werde und diese
weitere Tätigkeit nicht von untergeordneter Bedeutung sei. Die Berufschullehrertätigkeit
des Kl., deren Mittelpunkt sich in der Schule befinde, sei nicht von untergeordneter
Bedeutung, was sich schon einem Vergleich des Bruttoarbeitslohns als Lehrer in Höhe von
87.009 DM mit den Einnahmen aus schriftstellerischer Tätigkeit in Höhe von 21.388,71 DM
entnehmen lasse. Im Übrigen halte sich der Kl. zu mehr als 50 v.H. seiner gesamten
beruflichen Tätigkeit in seinen beiden Arbeitszimmern auf, so daß die Kosten eines
Arbeitszimmers mit dem höchst zulässigen Betrag von 2.400 DM als WK bzw. als BA bei
den Einkünften des Kl. aus nichtselbständiger und aus freiberuflicher Tätigkeit zu
berücksichtigen seien.
Dagegen richtet sich die Klage.
Die Kl. tragen vor, neben seiner Tätigkeit als Berufschullehrer sei der Kl. seit einigen
Jahren Co-Autor bei 7 Schulbüchern betreffend Allgemeine Wirtschaftslehre, die jährlich zu
überarbeiten bzw. neu zu schreiben seien. Dafür benötige er ein Arbeitszimmer. Das
häusliche Büro (Arbeitszimmer) sei Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen und
betrieblichen Tätigkeit. Dies ergebe sich aus folgender Aufstellung:
Tätigkeit
Jahreszeit
Arbeitszeit
Wochen
Berufsschule
Arbeitszimmer
h
h
h
Unterricht
24,5
40,0
980,0
U-Vorbe- reitung
14,0
40,0
560,0
Verlagsar- beit
12,0
45,0
540,0
980,0
1.100,0
Die Kl. sind der Auffassung, der Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung
richte sich entgegen der Meinung des Bekl. nicht nach dem Schwerpunkt aller ausgeübten
Tätigkeiten. Dieser Begriff finde weder im Gesetz noch in der Literatur eine Stütze. Käme es
allein auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an, so könnten z.B. Freiberufler, deren Tätigkeit
sich zeitlich überwiegend außerhalb des eigenen Büros abwickle, aber ohne Vor- und
Nacharbeit im häuslichen Büro undenkbar wäre, ihre WK oder BA für das häusliche
Arbeitszimmer nicht geltend machen. Entgegen der Ansicht des Bekl. sei auch nicht
erforderlich, daß der Mittelpunkt jeder einzelnen Tätigkeit sich im Arbeitszimmer befinden
müsse. Ansonsten wären nämlich die Kosten eines Arbeitszimmers, das für die Ausübung
einer hauptberuflichen Tätigkeit genutzt würde, nicht mehr berücksichtigungsfähig, wenn
daneben eine weitere Tätigkeit betrieben würde, deren Mittelpunkt nicht das häusliche
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Arbeitszimmer wäre.
Die Kl. beantragen,
in Abänderung des ESt-Bescheides 1997, zuletzt geändert mit Bescheid
vom 23.11.1999 und der EE vom 27.03.2000 die für beide Arbeitszimmer
geltend gemachten Kosten als WK bei den Einkünften des Kl. aus nicht-
selbständiger Arbeit bzw. als BA bei dessen Einkünften aus freiberuflicher
Tätigkeit anzuerkennen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt er seine Ausführungen im Einspruchsverfahren und beruft sich
auf Tz. 8 des BMF-Schreibens vom 22.01.1998 IV B 2-S 2145 - 3/98 in DStR 7/98. Es sei
unstreitig, daß der Mittelpunkt der Lehrtätigkeit des Kl. sich an der Schule und nicht im
häuslichen Büro befinde, und somit das Erfordernis, daß sich der Mittelpunkt jeder Tätigkeit
im Arbeitszimmer befinde, nicht erfüllt sei. Die Kosten der Arbeitszimmer seien daher nur
insgesamt i.H.v. 2.400 DM abzugsfähig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Kosten der Arbeitszimmer mit lediglich 2.400 DM als BA
bzw. WK bei den Einkünften des Kl. aus freiberuflicher bzw. nichtselbständiger Tätigkeit
anerkannt.
Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG dürfen Aufwendungen für ein häusliches
Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als BA den Gewinn mindern. Dies
gilt nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50
v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die
betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG). In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren
Aufwendungen auf 2.400 DM begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn
das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung
bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG). Gemäß § 9 Abs. 5 EStG gilt § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 6 b für den Abzug von Aufwendungen als WK sinngemäß.
Im Streitfall traf der Kl. seine Unterrichtsvorbereitungen im Arbeitszimmer 1 und benutzte für
seine schriftstellerischen Arbeiten einen weiteren Raum, dessen Kosten ebenfalls nur unter
den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG abziehbar sind. Denn auch der
für die freiberufliche Tätigkeit genutzte Raum bildete einen Teil der Wohnung der Kl.
Gegenteiliges ist nicht vorgetragen worden und nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. War
der vom Kl. für seine schriftstellerische Tätigkeit genutzte Raum aber Teil der Wohnung der
Kl. und damit in die private Sphäre eingebunden, so unterlag auch der vom Kl. für
schriftstellerische Tätigkeit genutzte Raum den Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5
Satz 1 Nr. 6 b EStG. Dies folgt, wie der BFH mit überzeugenden Gründen in seinem Urteil
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vom 23.09.1999 VI R 74/98, BStBl. II 2000, 7 entschieden hat, aus der Rückausnahme des
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3, 2. Halbsatz EStG, die einen unbegrenzten Abzug eröffnet,
sofern das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen
Betätigung des Steuerpflichtigen bildet. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn Büro- und
Praxisräume trotz ihrer Einbindung in die private Lebenssphäre von vornherein nicht als
häusliches Arbeitszimmer anzusehen wären. Zudem rechtfertigt sich die Beschränkung des
WK-Abzugs bei in die private Sphäre eingebundenen Büro- und Praxisräumen durch die
Berührung mit der privaten Lebensführung und die damit verbundene fehlende
Kontrollmöglichkeit der Nutzung durch die Finanzbehörden. Aus den vorgenannten
Gründen schließt sich der Senat der vom FG München mit Urteil vom 08.11.2000 1 K
3219/99, EFG 2001, 264 vertretenen Auffassung, daß zur Vermeidung einer ansonsten
gegebenen Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG der Begriff des
Arbeitszimmers restriktiv auszulegen sei, nicht an.
Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, daß die Kosten der beiden Arbeitszimmer nicht
vom Abzug als BA oder WK ausgeschlossen sind, da dem Kl. sowohl für die Unterrichtsvor-
und -nachbereitung (s. BfH, Urteil vom 21.11.1997 VI R 4/97, BStBl. II 1998, 351) als auch
für die schriftstellerische Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Damit
sind die Kosten der beiden Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3 1. Halbsatz EStG
jedenfalls i.H.v. 2.400 DM als WK bzw. BA abziehbar, auch wenn entsprechend der
Beteiligung des Kl. an der Finanzierung des Wohnhauses abweichend von der Erklärung
der Wertverzehr des Gebäudes im Wege der AfA nicht zu 100 v.H., sondern nur zu 75 v.H.
als WK bzw. BA zu berücksichtigen war (s. dazu BFH, Beschluß vom 23.08.1999 GrS 1/97,
BStBl. II 1999, 778). Der Betrag von 2.400 DM verdoppelt sich auch angesichts dessen,
daß der Kl. zwei Räume als Arbeitszimmer nutzte, nicht, da der Höchstbetrag personen-
und nicht zimmerbezogen ist (s. dazu Schmidt/Heinicke, § 4 EStG, Rz. 598). Für die
steuerliche Beurteilung kann es keinen Unterschied machen, ob für die Tätigkeiten zu
Hause ein größerer Raum oder zwei kleinere Räume genutzt werden. Im Streitfall kann
dahingestellt bleiben, ob die Zuordnung des Höchstbetrages, die vom Beklagten nach dem
Verhältnis der Einnahmen aus der Tätigkeit als Lehrer und aus der Tätigkeit als
Schriftsteller vorgenommen worden ist, zutreffend ist oder die Zuordnung nach dem
Verhältnis der Nutzung hätte getroffen werden müssen (s. dazu Drenseck, DB 1995,
Beilage Nr. 16, S. 13; BMF-Schreiben vom 22.01.1998, DStR 1998, 244, danach ist
Maßstab die entsprechende Nutzung). Denn die Zuordnung der Aufwendungen ist im
Streitfall ohne steuerliche Bedeutung, da der Wk-Pauschbetrag des § 9 a Abs. 1 Nr. 1 EStG
aus anderen Gründen bereits voll ausgeschöpft ist.
Entgegen der Auffassung der Kl. kommt ein unbeschränkter Abzug der Aufwendungen für
die beiden Arbeitszimmer nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr.
6 b Abs. 3, 2. Halbsatz EStG sind nicht erfüllt. Nach der Entscheidung des BFH VI R 74/98,
a.a.O. ist die vorgenannte Vorschrift in der Weise zu verstehen, daß der Mittelpunkt der
gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung nicht isoliert für einzelne Tätigkeiten,
sondern nur für sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen bestimmt werden kann. Dies
bedeutet, daß bei mehreren Betätigungen, der Mittelpunkt jeder ausgeübten Tätigkeit im
häuslichen Arbeitszimmer liegen muß. Allenfalls kann das Tatbestandsmerkmal
"Mittelpunkt" dahingehend verstanden werden, daß geringfügige Nebentätigkeiten dem
Abzug der gesamten Kosten nicht entgegenstehen (so OFD Hannover, Verfügung vom
10.07.1998, DStR 1999, 160, Rz 8; Söhn, in Kirchhof/Söhn, EStG, § 4 Rn. 208, 211;
Heuermann/Wagner, Lohnsteuerrecht, F Rn 502; Schmidt/Drenseck, EStG, § 19 Rz. 60).
Dem folgt der Senat bei seiner Entscheidung.
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Im Streitfall liegt der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit des
Kl. nicht in den beiden Arbeitszimmern. Soweit der Kl. als Lehrer tätig ist, ist Mittelpunkt
dieser Tätigkeit auch nach dem Vortrag der Kl. bereits aufgrund des zeitlichen Umfangs die
Schule (s. dazu auch BFH VI R 4/97 a. a. O.). Da die Tätigkeit des Kl. als Lehrer seine
Haupttätigkeit und die damit im Zusammenhang stehende schriftstellerische Betätigung,
deren Mittelpunkt der Ausübung im Arbeitszimmer liegt, die Nebentätigkeit darstellt, ist ein
ausnahmsweiser unbeschränkter Abzug der Aufwendungen für die Arbeitszimmer nicht
geboten. Dieser wäre allenfalls dann in Erwägung zu ziehen, wenn umgekehrt die
schriftstellerischer Betätigung sich als Hauptbetätigung und die Tätigkeit des Kl. als Lehrer
sich als (geringfügige) Nebentätigkeit darstellte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.