Urteil des FG Münster vom 24.06.2003

FG Münster (Wiedereinsetzung in den Vorigen Stand, Rücklage, Die Post, Vorzeitige Auflösung, Gesetzliche Frist, Steueraufschub, Klagefrist, Sonntag, Verschulden, Datum)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 2 K 4635/02 E
24.06.2003
Finanzgericht Münster
2. Senat
Urteil
2 K 4635/02 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
:
Formell ist zu entscheiden, ob die Klagefrist gewahrt ist bzw. ob Wiedereinsetzung gewährt
werden kann; materiell ist zu entscheiden, ob im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) bei unterjähriger Auflösung einer
Ansparabschreibung ein Erhöhungsbetrag gem. § 7 g Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 EStG
anzusetzen ist.
Die Kläger (Kl.) sind verheiratet und werden im Streitjahr 2000 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt aus seiner Tätigkeit als Arzt Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit. Er ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG. Ausweislich
der vorliegenden Gewinnermittlung war eine im Jahre 1998 gebildete Ansparabschreibung
i.H.v. 248.000,- DM nach § 7g Abs. 3 EStG im Streitjahr gewinnerhöhend aufgelöst und ein
Gewinn von 331.342,72 DM ermittelt worden. Darüberhinaus war außerhalb der
Gewinnermittlung ein Gewinnzuschlag gem. § 7g Abs. 5 EStG i.H.v. 29.760,- DM
hinzugerechnet worden. Die Kl. wurden mit Bescheid vom 29.01.2002 antragsgemäß unter
Ansatz des erklärten Gewinns von 361.112 DM veranlagt. Die Einkommensteuer wurde
(zzgl. des Kindergeldes von 3.240,- DM) auf 132.506 DM (67.749,24 EUR) festgesetzt.
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch vertraten sie die Auffassung, dass ein
Erhöhungsbetrag nur i.H.v. 14.880,- DM in Ansatz zu bringen sei, da der Kl. die gebildete
Rücklage bereits Ende Oktober 2000 aufgelöst habe. Mithin habe die Rücklage nur für ein
volles Wirtschaftsjahr i.S.v. § 7g Abs. 5 EStG (1999) bestanden.
Der Beklagte (Bekl.) wies den Einspruch mit seiner Entscheidung vom 18.07.2002 als
unbegründet zurück. Diese ist ebenfalls am 18.07.2002 mit einfachem Brief an den
Prozessbevollmächtigten der Kl. abgesandt worden.
Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, die am 22.08.2002 beim Finanzgericht
eingegangen ist. Der vorliegende Briefumschlag weist einen Poststempel vom 19.08.2002
auf. Ausweislich eines Vermerkes der Post war die Sendung wegen unkorrekter Anschrift
nachadressiert worden. Im Anschriftenfeld der Klageschrift war anstatt der zutreffenden
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Postleitzahl 4
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Prozessbevollmächtigten der Kl. per Telefax das Datum des Klageeingangs mitgeteilt
worden.
Mit ihrem am 17.09.2002 beim Finanzgericht eingegangenen Antrag begehren die Kl. unter
Vorlage eines Auszuges aus dem Postausgangsbuch Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen Versäumung der Klagefrist. Die Fristversäumung sei durch einen nicht zu
vertretenden, länger als 2 Tage dauernden Postlauf verursacht. Mit weiterem Schriftsatz
wird ausgeführt, dass die falsche Adressierung lediglich auf einem nicht leicht zu
erkennenden Zahlendreher in der Postleitzahl beruhe. Im Übrigen arbeite das
Büropersonal des Prozessbevollmächtigten zuverlässig, da Fristen durch ein
Fristenkontrollprogramm überwacht und der Postausgang stets in ein Postausgangsbuch
eingetragen werde.
In der Sache tragen die Kl. vor, dass sich die Höhe des Gewinnzuschlages nach dem
Wortlaut des § 7 g Abs. 6 i.V.m. Abs. 5 EStG nach der Anzahl der vollen Wirtschaftsjahre
richte, für die die Rücklage bestanden habe. Bei der Einnahme-Überschuss-Rechnung
träten die Gewinnauswirkungen nicht erst am Schluss des Wirtschaftsjahres ein, da eine
Bewertung von Vermögensgegenständen und Schuldposten zum Schluss eines
Wirtschaftsjahres - wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG - nicht vorgesehen
sei. Der Kl. habe damit in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung von Drenseck in
Schmidt, EStG § 7 g Rz. 26, Lambrecht in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 g Rdnr. G
13 und Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7 g EStG, Anm. 127 von seinem Recht als
Überschussermittler Gebrauch gemacht, die Rücklage bereits vorzeitig innerhalb des
Wirtschaftsjahres aufzulösen. Das von dem Bekl. zur Begründung seiner
Einspruchsentscheidung zitierte BFH-Urteil vom 26.10.1989 IV R 83/88, BFHE 159, 133,
BStBl. II 1990, 290 sei nicht einschlägig, da es die Rücklagenverzinsung eines
Steuerpflichtigen behandele, der seinen Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 29.01.2002 in der
Fassung des Änderungsbescheides und der Einspruchsentscheidung vom 18.07.2002 den
erklärten Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit um 14.880,- DM zu kürzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf seine
Einspruchsentscheidung. Auch bei Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 3 EStG könne der
Erhöhungsbetrag nicht dadurch umgangen werden, dass die Rücklage innerhalb des
laufenden Wirtschaftsjahres aufgelöst werde. Mit § 7 g Abs. 5 EStG sei eine
vereinfachende Regelung getroffen worden, durch die der jährlich eintretende
Steueraufschub der Ansparabschreibung kompensiert werden solle. Für die Verzinsung
nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG sei höchstrichterlich geklärt, dass die unterjährige Auflösung
der Rücklage keine Auswirkung auf den damit verbundenen Steueraufschub habe. Dieser
Steueraufschub trete bei Einnahme-Überschuss-Rechnern ebenso wie bei
Gewinnermittlern nach § 4 Abs. 1 EStG zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres ein. So
gehöre die Bildung und Auflösung der Rücklage auch bei der Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG zu den Abschlussarbeiten. Für die Ermittlung des Zinszeitraums sei aber
gerade auf diesen Steueraufschub und nicht auf die buchungstechnische Abwicklung
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abzustellen. Im Übrigen sei die begehrte Besserstellung des Einnahme-Überschuss-
Rechners gegenüber dem bilanzierenden Steuerpflichtigen sachlich nicht gerechtfertigt.
Soweit die Kl. ihre Rechtsauffassung auf den Wortlaut des § 7 g Abs. 6 EStG stützten,
stünde dies im Widerspruch zu Sinn und Zweck des Gewinnzuschlages nach § 7 g Abs. 5
EStG, wonach z.B. auch keine unterjährige Verzinsung vorgesehen sei. § 7 g Abs. 6 EStG
regele lediglich die technische Abwicklung der ansonsten auf den bilanzierenden
Steuerpflichtigen zugeschnittenen Vorschriften des § 7 g Abs. 1 bis 5 EStG.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2
Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist nicht
zulässig. Die am 22.08.2002 eingegange Klage ist nicht fristgerecht eingelegt; eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden.
Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der
Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, § 47 Abs. 1
Satz 1 FGO. Nach § 366 Satz 2 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein
schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, als am dritten Tage nach
der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die am 18.07.2002 zur Post aufgegebene
Einspruchsentscheidung, gilt demzufolge als am 21.07.2002 (Sonntag) bekannt gegeben;
die Klagefrist endete daher mit Ablauf des 21.8.2002 (Mittwoch).
Eine andere Berechnung der Klagefrist kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt erfolgen,
dass der 21.07.2002 ein Sonntag war. Der erkennende Senat folgt nicht der
Rechtsauffassung des IX. Senates des BFH in seinem Vorlagebeschluss vom 17.09.2002
IX R 68/98 BFHE 199, 493, BStBl. II 2003, 2, wonach sich auch die Dreitagesfrist des § 122
Abs. 2 Nr. 1 AO gem. oder entsprechend § 108 Abs. 3 AO bis zum nächsten Werktag
verlängert, wenn der fiktive Bekanntgabezeitpunkt auf einen Sonntag, gesetzlichen
Feiertag oder Sonnabend fällt. Er schließt sich vielmehr der bisherigen ständigen
höchstrichterlichen BFH-Rechtsprechung an. Danach gilt § 108 Abs. 3 AO für Fristen und
nicht für die in § 122 Abs. 2 AO geregelte widerlegliche Zugangsvermutung im Sinne eines
Anscheinsbeweises (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.12.1999 III R 37/97 BFHE 190, 292,
BStBl. II 2000, 175; grundlegend BFH-Urteil vom 05.03.1986 II R 8/84 BFHE 146, 27,
BStBl. II 1986, 462). Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in Literatur und anderen
Verwaltungsgerichtsbarkeiten wird auf den Beschluss vom 17.09.2002 IX R 68/98 aaO
verwiesen.
Den Kl. kann auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der
Klagefrist gemäß § 56 FGO gewährt werden. Der mit Schreiben am 17.09.2002 bei Gericht
eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung ist nicht innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2
Satz 1 FGO angebracht worden.
Gem. § 56 Abs. 1 FGO ist einem Kläger auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die
Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über
den Antrag glaubhaft zu machen, § 56 Abs. 2 Satz 1 und 2 FGO. Nach ständiger
Rechtsprechung ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der Sätze 1 und 2, dass
auch die der Antragsbegründung dienenden Tatsachen innerhalb der Antragsfrist des § 56
Abs. 2 Satz 1 FGO vorzubringen sind (vgl. Tipke/Kruse § 56 FGO Tz. 21; Söhn in
Hübschmann/Hepp/Spitaler (HHSp) § 56 FGO, Rn. 349,356 jew. m.w.N.).
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Bei einer verspätet erhobenen Klage entfällt das Hindernis i.S.d. § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO
spätestens mit Zugang der Eingangsbestätigung des Finanzgerichtes über die Klage beim
Prozessbevollmächtigten. Ein Hinweis des Gerichts auf den verspäteten Klageeingang ist
nicht erforderlich (Söhn in HHSp § 56 FGO, Rz. 321). Die Prozessbevollmächtigten hatten
damit auf Grund der per Telefax übermittelten Eingangsbestätigung spätestens am
28.08.2002 Kenntnis davon, dass ihre Klage erst am 22.08.2002 beim Finanzgericht
eingegangen war. Da sie erst mit am 17.09.2002 eingegangenem Schreiben einen Antrag
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und begründet haben, ist die am
11.09.2002 endende zweiwöchige Antragsfrist deutlich überschritten.
Soweit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch
ohne Antrag gewährt werden kann, wenn die versäumte Rechtshandlung (hier:
Klageerhebung) innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden ist, fehlt es im Streitfall
daran, dass die zur weiteren Begründung vorzutragenden Umstände nicht innerhalb der
Begründungsfrist des Abs. 2 Satz 1 angebracht worden sind. Denn in den Fällen des § 56
Abs. 2 Satz 4 ersetzt die Nachholung der versäumten Handlung nur den
Wiedereinsetzungsantrag; die Begründungspflicht des Beteiligten gilt auch hier (Söhn in
HHSp § 56 FGO Rz. 346, 356). Zwar ist aus den Akten ersichtlich, dass die Klage
spätestens am 19.8.2002 in den Machtbereich der Post gelangt und dass eine falsche
Postleitzahl verwendet worden war. Nicht offenkundig ist jedoch, dass dem
Prozessbevollmächtigten der Kl. insoweit ein Verschulden nicht angelastet werden kann.
So ist nicht erkennbar, ob die beauftragte Bürokraft zuverlässig arbeitet oder
gegebenenfalls besonderer Kontrolle bedurfte. Soweit die Kl. ihren
Wiedereinsetzungsantrag auf das BFH-Urteil vom 10.6.1999 V R 33/97 BFHE 189, 573,
BStBl. II 2000 , 235 stützen, führt dies nach der Auffassung des erkennenden Senates zu
keinem abweichenden Ergebnis. In dem zu entscheidenden Fall hat der BFH eine
Wiedereinsetzung gewährt, weil innerhalb der Antragsfrist mitgeteilt worden war, dass
innerorganisatorische Fehler auszuschließen waren.
Unabhängig von den formellen Rechtsfragen ist die Klage auch nicht begründet. Der Bekl.
hat zu Recht einen Erhöhungsbetrag i.H.v. 14.880,- DM auch für das Wirtschafts- und
Kalenderjahr 2000 berücksichtigt. Die Voraussetzungen des § 7 g Abs. 5 i.V.m. Abs. 6
EStG sind insoweit erfüllt. Die freiwillige unterjährige Auflösung der Rücklage bereits zum
31.10.2000 steht dem nicht entgegen.
Gem. § 7 g Abs. 5 EStG ist bei der Auflösung einer Rücklage, soweit sie nicht auf Abs. 4
Satz 1 beruht, der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für
jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten
Rücklagenbetrages zu erhöhen. In § 7 g Abs. 6 EStG ist bestimmt, dass bei einem
Steuerpflichtigen, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, die Absätze 3 bis 5 mit
der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass die Bildung der Rücklage als
Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu
behandeln ist; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die
Rücklage bestanden hat.
Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesetzeszweck des § 7 g Abs. 5 EStG oder aus
den allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen ergibt sich eine Rechtfertigung für die
begehrte Besserstellung eines Überschussrechners.
Der Wortlaut des § 7 g Abs. 5 EStG, wonach ein Erhöhungsbetrag für jedes volle
Wirtschaftsjahr in Ansatz zu bringen ist, eröffnet dem Einnahme-Überschuss-Rechner nicht
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die Möglichkeit der Zuschlagsvermeidung durch freiwillige unterjährige Auflösung der
Rücklage. Zum einen kann sich der Kl. als Einnahme-Überschuss-Rechner nicht
unmittelbar auf den Wortlaut dieser Vorschrift berufen, da die Absätze 1 bis 5 des § 7 g
EStG nur bilanzierende Steuerpflichtige betreffen. § 7 g Abs. 5 EStG ist nur über die
Vorschrift des § 7 g Abs. 6 EStG auf Gewinnermittler nach § 4 Abs. 3 EStG entsprechend
anzuwenden. Zum anderen verweist der Bekl. zutreffend auf die Entscheidung des BFH
vom 26.10.1989 IV R 83/88 aaO S. 291 1b a.E. Dort ist zu dem Begehren eines
bilanzierenden Steuerpflichtigen im Rahmen des § 6 b EStG ausgeführt, dass mit dem
Begriff des vollen Wirtschaftsjahres lediglich ausgeschlossen werden solle, dass ein
Zuschlag auch für das Wirtschaftsjahr erfolge, in dem die Rücklage erstmals gebildet
worden sei. Diese Überlegung ist entgegen der Auffassung der Kl. auch auf den
Gewinnzuschlag bei unterjähriger Auflösung im Rahmen einer Einnahme-Überschuss-
Rechnung übertragbar.
Soweit die Kl. sich für ihre Rechtsauffassung auf maßgebliche Literaturmeinungen stützen,
kann sich der erkennende Senat dem nicht anschließen. So vertritt Drenseck aaO zwar
unter Hinweis auf Lambrecht aaO ebenfalls die Auffassung, dass ein Überschussrechner
durch vorzeitige Auflösung der Rücklage innerhalb eines Wirtschaftsjahres ein volles
Wirtschaftsjahr und damit den Gewinnzuschlag "umgehen" könne. Im weiteren wird jedoch
ausgeführt, dass § 7 g Abs. 6 EStG dem § 6 c EStG nachgebildet sei (§ 6 c EStG regelt die
entsprechende Anwendung des § 6 b EStG bei der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs.
3 EStG oder nach Durchschnittssätzen). In der Kommentierung zu § 6 c EStG wird jedoch
von Glanegger unter Hinweis auf § 6 b Abs. 7 EStG und die dortige Kommentierung unter
Rz. 98 ausgeführt, dass der Zinszuschlag auch dann verwirkt sei, wenn die Rücklage vor
Ablauf der Reinvestitionsfrist (freiwillig) aufgelöst werde (Schmidt/Glanegger, EStG 2003 §
6 c Rz. 11).
Die Begründung, die sich im Wesentlichen auf die unterschiedlichen
Gewinnermittlungstechniken und den aus dem systematischen Zusammenhang der
Gesetzesvorschrift des § 7 g EStG herausgelösten Begriff des vollen Wirtschaftsjahres
stützt, überzeugt im Übrigen nicht.
Die Auslegung des Begriffs "volles Wirtschaftsjahr" im Sinne der Klage steht auch nicht in
Einklang mit dem Gesetzeszweck des § 7 g Abs. 5 EStG. Durch den gewinnerhöhenden
Ansatz des Erhöhungsbetrages soll der durch die Rücklagenbildung eingetretene
Steueraufschub (Stundung) kompensiert werden, wobei aus steuertechnischen Gründen
die Steuer nicht individuell ermittelt und verzinst, sondern mit einem pauschalen
Gewinnaufschlag verzinst wird (BFH-Urteil vom 23.10.1989 IV R 83/88 aaO 291 1. b und
Urteil des Senates vom 20.09.2001 2 K 7625/00 G,F EFG 2002, 387). Der für ein
angefangenes Wirtschaftsjahr eingetretene Steueraufschub tritt nämlich unabhängig davon
ein, ob die Auflösung der Rücklage unterjährig oder erst zum Ende des Jahres erfolgt. Die
Auswirkungen des Steueraufschubes können erst nach Ablauf des Wirtschaftsjahres und
die Einreichung der Einkommensteuererklärung (§ 149 Abs. 2 AO) und der
Gewinnermittlung für dieses Jahr durch die Festsetzung der entsprechenden
Einkommensteuer kompensiert werden. Da dieser Steueraufschub unabhängig von der
Gewinnermittlungsart eintritt, muss er - insbesondere angesichts des Postulates der
Totalgewinnidentität - unabhängig hiervon kompensiert werden.
Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Absatz 2 Nummer 1 FGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung zum einen im Hinblick auf den Vorlagebeschluss vom
17.09.2002 IX R 67/98 aaO zu. Zum anderen ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob bei
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einer unterjährigen Auflösung der Ansparabschreibung nach § 7 g EStG für das Jahr der
Auflösung der Rücklage ein Erhöhungsbetrag anzusetzen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.