Urteil des FG Münster vom 26.09.2008

FG Münster: rücklage, investition, anerkennung, herstellungskosten, unternehmer, mietvertrag, auflösung, buchführung, anforderung, verzinsung

Finanzgericht Münster, 11 K 465/07 E
Datum:
26.09.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 465/07 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
T a t b e s t a n d :
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Zu entscheiden ist, ob der Beklagte einer von dem Kläger gebildeten Ansparrücklage zu
Recht die steuerliche Anerkennung versagt hat.
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Der Kläger ist Inhaber eines Unternehmens, dessen Gegenstand u. a. auch der Verleih
medizinisch-technischer Geräte ist. Den Gewinn aus seiner gewerblichen Tätigkeit
ermittelt der Kläger gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG.
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In seiner beim Beklagten eingereichten Bilanz zum 31.12. des Streitjahres 2003 stellte
der Kläger auf der Passivseite u. a. unter Berufung auf § 7 g EStG auch einen
"Sonderposten mit Rücklageanteil" in Höhe von ......... Euro gewinnmindernd ein. Der
Beklagte versagte dieser von dem Kläger gebildeten Bilanzposition jedoch die
steuerliche Anerkennung, nachdem der Kläger seiner (des Beklagten) Bitte, das
einzelne Wirtschaftsgut bzw. die einzelnen Wirtschaftsgüter, für das bzw. für die er die in
die Bilanz eingestellte Rücklage gemäß § 7 g EStG in seiner Bilanz zum 31.12. des
Streitjahres gebildet hatte, genau zu bezeichnen sowie das Wirtschaftsjahr der
voraussichtlichen Anschaffung oder Herstellung und die Höhe der voraussichtlichen
Anschaffungs- und Herstellungskosten anzugeben, lediglich in der Form
nachgekommen war, dass er auf einem ihm zu diesem Zweck von dem Beklagten
übersandten Vordruck in der Rubrik "Genaue Bezeichnung des einzelnen
Wirtschaftsgutes, für das eine Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG gebildet wird" das Wort
"Hilfsmittelpool", in der Rubrik "Wirtschaftsjahr der voraussichtlichen Anschaffung oder
Herstellung" die Zahlen "2004/2005" und in der Rubrik "Voraussichtliche Anschaffungs-
oder Herstellungskosten" den Betrag "....... €" eingetragen hatte.
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Entsprechend seiner Rechtsauffassung setzte der Beklagte mit Bescheid vom
05.07.2005 die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines
gegenüber dem von dem Kläger erklärten um ......... Euro erhöhten gewerblichen
Gewinns auf ...... Euro fest, allerdings unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Mit Schreiben vom 20.09.2005 beantragte der Kläger die Einkommensteuerfestsetzung
für das Streitjahr zu ändern und die von ihm gebildete Ansparrücklage in Höhe von .........
Euro doch noch gewinnmindernd zu berücksichtigen. Zur Begründung seines
Änderungsantrags führte er aus, dass er seiner Auffassung nach sein
Investitionsvorhaben, für das er die Ansparrücklage gebildet habe, mit der Angabe
"Hilfsmittelpool" hinreichend konkret umschrieben habe und dementsprechend der
Beklagte der von ihm (dem Kläger) gebildeten Ansparrücklage zu Unrecht die
steuerliche Anerkennung versagt habe.
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Als "Hilfsmittelpool" würden diejenigen Rehabilitationsmittel bezeichnet, die von seinem
Unternehmen an die Mitglieder der Krankenkassen leihweise überlassen würden.
Welche Hilfsmittel die künftigen Ausleiher benötigen würden, hänge dabei von der Art
ihrer Erkrankung und von der letztlich durch die einzelne Krankenkasse genehmigten
Versorgung ab. Beides sei jedoch nicht vorhersagbar, so dass die Investitionen in den
Hilfsmittelpool lediglich aus der Erfahrung der Vergangenheit in der Gesamtheit
geschätzt werden könnten.
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Hinzu komme, dass es sich bei den für den Hilfsmittelpool jährlich anzuschaffenden
Gegenständen um eine Vielzahl von Einzelstücken handele. So habe er zum Beispiel
im Jahre 2004 rund 350 unterschiedliche Einzelstücke angeschafft. Bei dieser Sachlage
stelle es eine unangemessene Forderung dar, die künftigen Zugänge des
Hilfsmittelpools vorher zu sagen. Dies käme einem Lottospiel gleich.
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Mit Bescheid vom 04.11.2005 lehnte der Beklagte die von dem Kläger begehrte
Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr ab.
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Hiergegen richtet sich die von dem Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage.
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Der Kläger ist auch weiterhin der Auffassung, dass der Beklagte der von ihm in seiner
Bilanz zum 31.12.2003 gewinnmindernd gebildeten Ansparrücklage deshalb, weil er die
einzelnen Wirtschaftsgüter, für die er die Ansparrücklage gebildet habe, nicht habe
benennen können, zu Unrecht die steuerliche Anerkennung versagt habe. Denn die von
dem Beklagten zwecks Konkretisierung der geplanten Investition verlangte Vorhersage,
welche konkreten Wirtschaftsgüter voraussichtlich in den Jahren 2004 und 2005
angeschafft werden müssten, könne er nicht treffen, da die anzuschaffenden
Wirtschaftsgüter nicht in seinem Belieben stünden. Vielmehr bestimme die Kundschaft,
also die Krankenkassen, aufgrund der jeweiligen ärztlichen Verordnung das jeweilige
Hilfsmittel für ihr Mitglied und damit die erforderliche Investition. Er könne daher - anders
als ein Unternehmer, der ohne Fremdeinfluss bestimmen könne, welches Wirtschaftsgut
angeschafft werden solle – die Bestimmung des anzuschaffenden Wirtschaftsgutes nicht
im Vorhinein treffen, sondern lediglich aus den Erfahrungen der Vergangenheit die
voraussichtlich erforderlichen Investitionen in den Hilfsmittelpool "in Summe"
abschätzen, die Details dagegen nicht.
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Die Investitionen in den Hilfsmittelpool könnten auch in seiner Buchführung
nachvollzogen werden, da sämtliche Neuzugänge in den Hilfsmittelpool mit einem
speziellen Mietvertrag für dieses Hilfsmittel gekoppelt seien. Damit sei ausgeschlossen,
dass die von ihm gebildete Ansparrücklage durch Investitionen in andere
Unternehmensbereiche kompensiert werden könne. Abgesehen davon, gehe die von
dem Beklagten aufgestellte Forderung nach der Vorhersage der einzelnen für den
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Hilfsmittelpool anzuschaffenden Hilfsmittel über die von dem Gesetz geforderten
Voraussetzungen zur Bildung einer Ansparrücklage hinaus. Natürlich wisse er, dass er
die Mietaufträge der Krankenkassen annehmen wolle. Mithin wisse er auch, dass er
künftig investieren wolle. Allerdings wisse er nicht, welche ärztlichen Verordnungen zur
Behebung oder Linderung krankheitsbedingter Behinderungen zu bedienen sein
würden. Insofern unterscheide sich seine Situation von den übrigen "normalen"
Unternehmern. Vor diesem Hintergrund könne die unangepasste Übertragung der von
dem Beklagten zusätzlich aufgestellten, jedoch über den Gesetzeswortlaut und –zweck
hinausgehenden Anforderungen an die Bildung einer Ansparrücklage nicht zu einem
akzeptablen Ergebnis führen.
Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 7 g EStG sicherlich nicht bezwecken
wollen, einzelne Unternehmer aufgrund ihrer Unternehmensbesonderheiten von der
Inanspruchnahme der Ansparabschreibung auszuschließen. In seinem Fall müsse es
daher für die Inanspruchnahme der Regelung in § 7 g EStG ausreichen, dass die
Investitionen, für die er die Ansparrücklage gebildet habe, möglich gewesen seien und
er die geplanten Investitionen mit "Investitionen in den Hilfsmittelpool" so genau wie
möglich umschrieben habe, so dass eine Verwechselung mit anderen Investitionsgütern
nicht möglich sei. Hinzukomme, dass wegen der durch das Verhalten der
Krankenkassen geänderten Verhältnisse die überhaupt mobilisierbaren
Finanzierungsmittel durch den Aufbau des Hilfsmittelpools gebunden gewesen seien
und er daher auf jede Finanzierungshilfe dringend angewiesen gewesen sei.
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Der Kläger beantragt,
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die Einspruchsentscheidung vom 02.01.2007 aufzuheben und die
Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines um .........
Euro geringeren gewerblichen Gewinns niedriger festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, dass der von dem Kläger gebildeten Ansparrücklage die
steuerliche Anerkennung schon deshalb zu versagen sei, weil der Kläger für die
Wirtschaftsgüter, die voraussichtlich angeschafft oder hergestellt werden sollten, nicht
jeweils eine gesonderte Rücklage gebildet habe. Darüber hinaus habe der Kläger aber
auch die einzelnen Wirtschaftsgüter, für die er die Rücklage gebildet habe, nicht
ausreichend bezeichnet. Ein Hinweis auf tatsächlich durchgeführte Investitionen im
Streitjahr und im Folgejahr ersetze die erforderliche Benennung der geplanten
Investitionen nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie die von dem Beklagten vorgelegten Steuerakten verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Beklagte hat der von dem Kläger in seiner Bilanz zum 31.12. des Streitjahres
gebildeten Ansparrücklage i. H. v. ......... EUR zu Recht die steuerliche Anerkennung
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versagt.
Nach § 7 g Abs. 3 bis 5 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können
Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen
Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden.
Diese sog. Ansparrücklage darf 40 v. H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten des
begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige
"voraussichtlich" bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden
Wirtschaftsjahres anschaffen oder herstellen wird. Spätestens am Ende des zweiten auf
die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres muss die Rücklage
gewinnerhöhend aufgelöst werden (vgl. § 7 g Abs. 4 S. 2 EStG). Bildung und Auflösung
der Rücklage müssen buchmäßig verfolgt werden können (vgl. § 7 g Abs. 3 S. 3 Nr. 3
EStG). Soweit die Investition, für die eine Ansparrücklage gebildet wurde, unterbleibt, ist
der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle
Wirtschaftsjahr, in welchem die Rücklage bestanden hat, um 6 v. H. des aufgelösten
Rücklagebetrages zu erhöhen (vgl. 7 g Abs. 5 EStG).
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Aus der gesetzlichen Anordnung eines Gewinnzuschlags für den Fall des Unterbleibens
der begünstigten Investition ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl.
u. a. Urteil vom 11.10.2007 – X R 1/06, BFH/NV 2008, 152) herzuleiten, dass die
Investition, für welche die Rücklage gebildet wurde, nicht durch eine andere Investition
ersetzt werden kann. Deshalb muss die voraussichtliche Investition bereits bei Bildung
der Rücklage so genau bezeichnet werden, dass im Investitionsjahr ermittelt werden
kann, ob die vorgenommene Investition derjenigen entspricht, zu deren Finanzierung
die Rücklage gebildet wurde. Dazu sind hinreichend präzise Angaben zur Funktion und
den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des betreffenden
Wirtschaftsguts erforderlich. Sammelbezeichnungen und Oberbegriffe reichen hierfür
grundsätzlich nicht aus.
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Aus der gesetzlichen Regelung folgt – so der Bundesfinanzhof (vgl. Urteil vom
11.10.2007 – X R 1/06, a. a. O.) – des Weiteren, dass grundsätzlich für jedes
Wirtschaftsgut, das voraussichtlich angeschafft oder hergestellt werden soll, eine
gesonderte Rücklage zu bilden ist. Dementsprechend sind bei mehreren künftigen
Investitionen die einzelnen Rücklagen buchmäßig prinzipiell getrennt zu behandeln.
Sammelbuchungen für mehrere Wirtschaftsgüter sind daher in aller Regel
ausgeschlossen. Ist indessen die Anschaffung mehrerer vollkommen gleichartiger
Wirtschaftsgüter geplant, so kann allerdings ausnahmsweise eine Sammelbuchung
dann für genügend erachtet werden, wenn die Summe der voraussichtlichen
Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht über den für den einzelnen Bilanzstichtag
in § 7 g Abs. 3 S. 5 EStG statuierten Höchstbetrag der begünstigten Investitionen
hinausgeht.
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Diesen Anforderungen entspricht die von dem Kläger in seiner Bilanz zum 31.12. des
Streitjahres gebildete Ansparrücklage nicht.
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So hat er entgegen der ausdrücklichen Anforderung in § 7 g Abs. 3 S. 1 EStG für die
Wirtschaftsgüter, deren Anschaffung er plante, nicht jeweils eine gesonderte Rücklage
gebildet, sondern vielmehr eine Sammelbuchung vorgenommen. Auch hat er entgegen
der ausdrücklichen Aufforderung des Beklagten die Wirtschaftsgüter, für die er die
Rücklage nach § 7 g Abs. 3 EStG gebildet hatte, nicht im Einzelnen genau bezeichnet.
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Demgegenüber kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die Besonderheiten seines
Betriebs berufen. Denn nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 7 g Abs. 3 S. 1 EStG
ist die Bildung einer Ansparrücklage nicht bereits bei Bestehen einer allgemeinen
Investitionsabsicht, sondern nur in Bezug auf die geplante Anschaffung oder Herstellung
konkretisierter Wirtschaftsgüter möglich.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei den für den Hilfsmittelpool
jährlich anzuschaffenden Gegenständen um eine Vielzahl von Einzelstücken handelt.
Zum einen ist in diesem Zusammenhang wiederum auf den ausdrücklichen Wortlaut
des § 7 g Abs. 3 S. 1 EStG zu verweisen. Zum anderen handelt es sich bei den für den
Hilfsmittelpool jährlich anzuschaffenden Gegenständen zwar um eine Vielzahl von
Einzelstücken, die sich jedoch ohne weiteres in mehrere Gruppen gleichartiger
Wirtschaftsgüter gliedern lassen, sodass insoweit nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs jeweils eine Sammelbuchung zulässig gewesen wäre.
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Schließlich ist der Kläger auch nicht damit zu hören, dass er am Ende eines Jahres
noch nicht genau wisse, welche Wirtschaftsgüter er tatsächlich im nächsten Jahr
anschaffen werde. Insoweit unterscheidet sich das "Risiko" des Klägers, das er mit der
Bildung einer Ansparrücklage für den Fall der Nichtdurchführung der geplanten
Investition im Hinblick auf eine dann vorzunehmende Verzinsung eingeht, in nichts von
dem "Risiko" das andere Unternehmer mit der Bildung einer Ansparrücklage eingehen.
Denn auch andere Unternehmer wissen am Ende eines Jahres in der Regel nicht, ob
sie eine von ihnen geplante Investition, für die sie eine Ansparrücklage gebildet haben,
letztlich tatsächlich durchführen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO
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