Urteil des FG Münster vom 27.07.2005

FG Münster: arbeitsvermittlung, abmeldung, verfügung, rückforderung, sucht, unterbrechung, einzelrichter, einspruch, arbeitslosigkeit, rückzahlung

Finanzgericht Münster, 10 K 5038/04 Kg
Datum:
27.07.2005
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 5038/04 Kg
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
G r ü n d e:
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Streitig ist die Aufhebung des festgesetzten Kindergeldes sowie seine Rückforderung.
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Die Klägerin erhielt für ihren am 26.06.1985 geborenen Sohn F***** nach Beendigung
der schulischen Ausbildung seit September 2003 Kindergeld. Dieser hatte sich bei der
Beklagten am 24.09.2003 als arbeitssuchend gemeldet. Da er nach Mitteilung der
Arbeitsvermittlung einen Termin am 12.03.2004 ohne Angabe von Gründen nicht
wahrnahm, meldete die Arbeitsverwaltung das Bewerberangebot des Sohnes der
Klägerin am 15.03.2004 ab. Aufgrund eines entsprechenden Bearbeitungshinweises
erhielt die Familienkasse Kenntnis von dem Meldeversäumnis sowie der Abmeldung.
Da der Sohn der Klägerin auch nicht in der Berufsberatung als Bewerber um einen
Ausbildungsplatz gemeldet war, stellte die Beklagte die Kindergeldzahlung ab Juni
2004 ein. Mit Bescheid vom 23.06.2004 hob die Beklagte sodann die Festsetzung des
Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ab April 2004 auf.
Zugleich forderte sie die Klägerin zur Rückzahlung des für April und Mai 2004 zu
Unrecht gezahlten Kindergeldes in Höhe von 308,- EUR gemäß § 37 Abs. 2
Abgabenordnung (AO) auf. Nachdem der Sohn der Klägerin seine Meldung als
arbeitssuchend am 01.07.2004 erneuert hatte, nahm die Beklagte die
Kindergeldzahlung ab Juli 2004 wieder auf.
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Den gegen den Bescheid vom 23.06.2004 gerichteten Einspruch lehnte die Beklagte
durch Einspruchsentscheidung vom 07.09.2004 ab.
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Die Klägerin trägt vor, das Verhalten der Beklagten entspreche nicht den gesetzlichen
Vorgaben im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Eine Meldung als arbeitssuchend
erlösche unter den Voraussetzungen des § 122 Abs. 2 SGB III nur bei mehr als
sechswöchiger Unterbrechung der Arbeitslosigkeit bzw. mit Aufnahme einer
Beschäftigung. Die von der Agentur für Arbeit vorgenommene stillschweigende
Abmeldung entspreche nicht diesen gesetzlichen Vorgaben. Im übrigen habe weder sie
- die Klägerin - noch ihr Sohn auf weitere Bemühungen zur Arbeitsvermittlung durch die
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Agentur für Arbeit verzichtet. Eine Verpflichtung zur Rückmeldung nach Ablauf von drei
Monaten bestehe nach Aufhebung des § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III in 1999 nicht mehr.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 23.06.2004 idF der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2004
aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, eine Kindergeldzahlung für den Sohn F***** der Klägerin komme nicht in
Betracht. Insbesondere erfülle der Sohn der Klägerin nicht die Voraussetzungen des §
32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG. Danach werde ein Kind, das wie im Streitfall das 18.
Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe, dann berücksichtigt,
wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und bei einer inländischen
Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet sei. Eine Beschäftigungssuche iSd §
119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III setze voraus, dass die betreffende Person den
Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe. Hieran fehle es im
Streitfall. Der Nachweis, dass ein Kind als arbeitssuchend gemeldet sei, erfolge durch
eine Bescheinigung der zuständigen inländischen Agentur für Arbeit. Entsprechende
Prüfungen der Familienkasse seien insoweit nicht erforderlich (DA-FamEStG 2004
63.3.1 Abs.3, BStBl. I 2004, 742). Im übrigen habe sich der Sohn der Klägerin auch nicht
innerhalb von drei Monaten seit seiner Meldung als Arbeitsuchender bei der
Arbeitsvermittlung gemeldet. Die Agentur für Arbeit sei hiernach gehalten gewesen, die
Vermittlung nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III einzustellen. Die Agentur für Arbeit könne
nur vermitteln, wenn sie von der Arbeitsuche Kenntnis habe und die Vermittlung nicht
mangels Mitwirkung einstellen müsse. Bleibe der Betroffene untätig, begründe dies die
tatsächliche Vermutung, dass er an einer Vermittlung nicht mehr ernsthaft interessiert
sei.
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Der Senat hat durch Beschluss vom 04.07.2005 die Entscheidung des Rechtsstreits
dem Einzelrichter übertragen.
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Die Klage ist nicht begründet.
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Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sowie die Rückforderung des Kindergeldes
für die Monate April und Mai 2004 war rechtmäßig. Durch den Bescheid vom 23.06.2004
ist der rechtliche Grund für die Kindergeldzahlung an die Klägerin entfallen.
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Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 32 Abs. 4 EStG wird ein Kind, welches das 18. Lebensjahr
vollendet hat, bei der Zahlung von Kindergeld nur noch berücksichtigt, wenn die in § 32
Abs. 4 EStG geregelten besonderen Voraussetzungen vorliegen. Der Sohn der Klägerin
war hiernach nicht arbeitslos - § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als einzige in Betracht
kommende Alternative - im Sinne des SGB III. Arbeitslos ist danach, wer
beschäftigungslos und beschäftigungssuchend ist (§ 118 Abs. 1, § 119 Abs. 1 SGB III).
Nach § 119 Abs. 1 SGB III sucht eine Beschäftigung, wer nicht in einem
Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden
(Eigenbemühungen) und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur
Verfügung steht (Verfügbarkeit). Dies setzt voraus, dass das betroffene Kind sich
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arbeitslos meldet (§ 122 SGB III) und nach § 38 SGB III bei der Vermittlung durch die
Agentur für Arbeit mitwirkt. Wirkt ein Kind nicht ausreichend mit, kann die Agentur für
Arbeit die Vermittlung gemäß § 38 Abs. 2 SGB III einstellen. Wenn - wie im Streitfall -
keine Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts beansprucht werden, ist nach § 38
Abs. 4 SGB III die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten einzustellen. Der
Arbeitsuchende kann jedoch die Arbeitsvermittlung erneut in Anspruch nehmen.
Erforderlich ist allerdings, dass die Agentur für Arbeit von der Arbeitsuche Kenntnis hat
(§ 122 SGB III).
Im Streitfall stand der Sohn der Klägerin den Vermittlungsbemühungen der Agentur für
Arbeit nach Abmeldung des Bewerberangebots am 15.03.2004 ab April 2004 nicht mehr
zur Verfügung. Er war damit nicht arbeitslos iSd der Vorschriften des SGB III. Nach einer
entsprechenden Mitteilung der Arbeitsvermittlung hatte die Familienkasse
dementsprechend die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 EStG
aufheben müssen. Ob der Bearbeitungshinweis der Arbeitsvermittlung an die
Familienkasse nach den Vorschriften des SGB III zu Recht erfolgte, war von dieser nicht
zu überprüfen (DA-FamEStG 2004 63.3.1. Abs. 3, a.a.0.). Das Gericht sieht in der
Abmeldung des Sohnes der Klägerin als Arbeitsuchender eine den Vorschriften des
SGB III entsprechende Handlungsweise der Arbeitsvermittlung, weil dieser einer
Einladung zu einem Termin ohne Angaben von Gründen nicht gefolgt war (vgl. auch
Urteil des BFH vom 15.07.2003 VIII R 56/00, BStBl. II 2004, 104). Da er sich auch nicht
innerhalb von drei Monaten seit seiner Meldung als Arbeitsuchender gemeldet hatte,
konnte die Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III die Arbeitsvermittlung
beenden. Hierin liegt entgegen der Ansicht der Klägerin keine Wiedereinführung der in
1999 aufgegebenen Vorschrift des § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III. Diese Vorschrift regelte
die Bedingungen für die Zahlung von Entgeltersatzleistungen (Arbeitslosengeld),
während § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III die hier einschlägigen Bedingungen für eine
Arbeitsvermittlung betrifft. Die Bemühungen der Agentur für Arbeit können hiernach nur
in Anspruch genommen werden, wenn die Arbeitsvermittlung aufgrund entsprechender
Mitwirkung des Betroffenen von der Arbeitsuche Kenntnis hat. Andernfalls ist die
Vermittlung - wie geschehen - nach drei Monaten einzustellen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
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