Urteil des FG Münster vom 27.05.2010

FG Münster (schutz der ehe, adv, zweifel, gesetz, vollziehung, antrag, vollzug, diskriminierung, höhe, ast)

Finanzgericht Münster, 8 V 52/10 GrE
Datum:
27.05.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 V 52/10 GrE
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
I.
1
Streitig ist die ernstliche Zweifelhaftigkeit der Nichtanwendung von § 3 Nr. 5 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auf Übertragung eines hälftigen
Miteigentumsanteils zwischen den Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
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Die Antragstellerin (Astin.) war mit Frau J am 11.05.2004 vor dem Standesbeamten in K
die Lebenspartnerschaft eingegangen. Mit Urteil des Amtsgerichts I vom 20.11.2007 Az.:
... F .../07 ist die Lebenspartnerschaft aufgehoben worden. Mit notarieller Urkunde vom
06.07.2009 (UR-Nr. .../09 Notar Dr. M in I) übertrug Frau J ihren hälftigen Anteil der im
Grundbuch von I des Amtsgerichts I Blatt ... eingetragene Eigentumswohnung,
Gemarkung I, Flur ..., Flurstück ... verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung
im 6. Obergeschoss Haus ..., Nr. ... im Aufteilungsplan, auf die Astin. Diese übernahm
als Gegenleistung sämtliche im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte der
Sparkasse I. Wegen des Wortlauts wird auf den notariellen Vertrag vom 06.07.2009
Bezug genommen.
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Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) setzte mit Bescheid vom 22.10.2009
Grunderwerbsteuer (GrESt) in Höhe von 827 EUR ausgehend von einem Wert der
steuerlichen Gegenleistung in Höhe von 23.648 EUR entsprechend dem anteiligen Wert
der übernommenen Hypothek fest.
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Mit dem dagegen eingelegten Einspruch vom 20.11.2009 machte die Astin. geltend, die
Nichtanwendung von § 3 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG verstoße gegen Artikel 3 des
Grundgesetzes (GG) und berief sich hierzu auf die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 07.07.2009, 1 BvR 1164/07 (Der Betrieb - DB – 2009,
2441).
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Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des GrESt-Bescheides vom
22.10.2009 wurde vom FA am 25.11.2009 abgelehnt.
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Mit dem Antrag auf AdV beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 Abs. 3
Finanzgerichtsordnung (FGO) macht die Astin. wie im Einspruchsverfahren, das noch
nicht abgeschlossen ist, geltend, die Übertragung mit dem notariellen Vertrag vom
06.07.2009 sei im Wege der Auseinandersetzung der Lebenspartnerschaft erfolgt. Die
Nichtanwendung von § 3 Nr. 5 GrESt sei deshalb verfassungswidrig. Im ursprünglichen
Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher
Lebenspartnerschaften vom 16.02.2001, das am 01.08.2001 in Kraft getreten ist
(Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG -), seien Lebenspartnerschaften zwischen
gleichgeschlechtlichen Partnern rechtlich anerkannt. Sowohl in dem ursprünglichen
Gesetzentwurf als auch im Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts
vom 01.01.2005 seien die im ersten Gesetzentwurf enthaltenen und dann dem Entwurf
eines Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetzes zugewiesenen Regelungen,
insbesondere die darin vorgesehenen Änderungen des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG nicht
verwirklicht worden. Nach der Entscheidung des BVerfG in DB 2009, 2441 verbiete sich
auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung
einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten werde.
Die Anforderungen seien nach dieser Entscheidung bei einer Ungleichbehandlung von
Personengruppen umso strenger, je größer die Gefahr sei, dass eine Anknüpfung an
Persönlichkeitsmerkmale, die mit denen des Art. 3 Abs. 3 GG vergleichbar sind, zur
Diskriminierung einer Minderheit führte, wie dies bei der sexuellen Orientierung der Fall
sei. Insoweit sei der Begünstigungsausschluss von Lebenspartnerschaften im
Gegensatz zur Ehe in § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG verfassungswidrig.
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Nachdem die Astin. zur Erlangung der Unbedenklichkeitsbescheinigung die
festgesetzte GrESt beglichen hat, beantragt sie,
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die Vollziehung des GrESt-Bescheides vom 22.10.2009 aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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den Antrag zurückzuweisen.
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Es führt aus, die Befreiungsvorschrift von § 3 Nr. 5 GrEStG sei mangels wirksamer
Eheschließung nicht anwendbar. Der Begriff "Ehegatte" könne nur im Sinne eines
Partners einer Ehe des bürgerlichen Rechts verstanden werden. Partner einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft seien daher nicht begünstigt. Daran ändere auch
das LPartG nichts. Ferner beruft sich das FA auf das Urteil des BVerfG vom 17.07.2002,
1 BvF 1, 2/01 (Entscheidungen des BVerfG - BVerfGE - 105, 313). Dort habe dieses
entschieden, der Gesetzgeber könne den eingetragenen Lebenspartnern dieselben
Vergünstigungen einräumen wie Ehegatten, müsse dies aber nicht tun. Im Übrigen gehe
das BVerfG in diesem Beschluss hinsichtlich der steuerlichen Folgen einer
eingetragenen Lebenspartnerschaft ausdrücklich von einer getrennten Ausgestaltung im
2. Gesetz aus und nicht davon, dass es eines solchen nicht bedürfe, weil sich die
Angleichung an die steuerrechtlichen Folgen einer Ehe bereits aus dem
Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergebe. Auch aus Art. 3 Abs. 3 GG könne
die Pflicht des Gesetzgebers, die eingetragenen Lebenspartner grundsätzlich
steuerrechtlich den Ehegatten gleichzustellen, nicht hergeleitet werden (Hinweis auf
BFH-Urteil vom 01.02.2007 II R 43/05, nv. – Verfassungsbeschwerde anhängig 1 BvR
611/07 - und vom 20.06.2007 II R 56/05, BStBl. II 2007, 649). Ferner ist das FA der
Auffassung, dass der von der Astin. angeführte Beschluss in DB 2009, 2441 nicht
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einschlägig sei, da dieser zur Hinterbliebenenversorgung von Lebenspartnern ergangen
ist.
II.
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Der Antrag ist unbegründet.
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Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die GrESt-Befreiung für die Astin. bei
Anwendung der derzeit geltenden Fassung von § 3 Nr. 5 GrEStG nicht in Betracht
kommt. Das nach den besonderen Umständen des Streitfalls erforderliche besondere
Aussetzungsinteresse liegt nicht vor. Auf die Frage, ob ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angefochtenen GrESt-Bescheides im Sinne von § 69 Abs. 3 Satz 1
Abs. 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen, kommt es daher nicht an.
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Grundsätzlich ist bei Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines
angefochtenen Verwaltungsakts die Vollziehung auszusetzen oder aufzuheben. Nur in
besonderen Ausnahmenfällen kann trotz Vorliegens solcher Zweifel die AdV abgelehnt
werden (vgl. Beschluss des BFH vom 01.04.2010 II B 168/09, BFH/NV 2010, 1033 m. w.
N.).
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Bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts in
besonderen, atypischen Fällen, insbesondere wenn sich die ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts aus Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit
der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift ergeben, ist die
Gewährung der AdV zwar nicht ausgeschlossen, sie setzt jedoch nach der
Rechtsprechung des BFH wegen des Geltungsanspruchs jedes formell
verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes)
berechtigtes Interesse des Ast. an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus
(vgl. BFH in BFH/NV 2010, 1033 m. w. N.). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes
Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die
Gewährung von AdV sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es
einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des
angefochtenen Steuerbescheides eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und
andererseits auf die Auswirkungen einer AdV hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und
des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an. Das Gewicht der
ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der betroffenen Vorschrift ist bei dieser
Abwägung nicht von ausschlaggebender Bedeutung (vgl. BFH in BFH/NV 2010, 1033).
Die Anwendung des § 69 FGO in dieser Weise wird vom BVerfG nicht beanstandet (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 03.04.1992 2 BvR 283/92, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung – HFR – 1992, 726). Nach dem Beschluss des BFH in BFH/NV
2010, 1033 besteht z. B. ein besonderes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen
mit Vorrang vor den öffentlichen Interessen, wenn irreparable Nachteile durch den
sofortigen Vollzug zu befürchten sind.
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Wegen des verhältnismäßig geringen streitigen Betrages von 827 EUR, der in der
Zwischenzeit von der Astin. bereits bezahlt worden ist, scheidet das besondere
Aussetzungsinteresse wegen zu befürchtender irreparabler Nachteile durch den
sofortigen Vollzug aus. Der BFH hatte in der Entscheidung in BFH/NV 2010, 1033 die
Entrichtung einer Erbschaftsteuer in Höhe von 4.590 EUR, die lediglich knapp 20 v. H.
des dem Steuerpflichtigen des Verfahrens zugewendeten Geldbetrags betrug, als ohne
weiteres zumutbar bezeichnet.
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Der Senat sieht kein besonderes Aussetzungsinteresse der Astin. gegenüber dem bis
zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch der
§ 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG als formell verfassungsgemäß zustande gekommenes Gesetz, da
die AdV des GrESt-Bescheides im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung dieser
Vorschriften führt und demgegenüber die Schwere des durch die weitere Vollziehung
des angefochtenen Bescheides im Einzelfall bei der Ast. als eher gering einzustufen ist
sowie der Vollzug keine dauerhaft nachteilige Wirkung hat.
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Zu berücksichtigen ist auch, dass letztlich die vorläufige Nichtanwendung zahlreicher
steuerrechtlicher Begünstigungen der Ehe nicht nur im GrEStG, sondern auch im
Bereich der Einkommens- und Erbschaftsteuer zumindest mittelbar betroffen sind.
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Das besondere Aussetzungsinteresse ist auch nicht deshalb gegeben, weil das BVerfG
bereits eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hat (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV
2010, 1033 und vom 15.12.2000 IX B 128/99, BStBl. II 2001, 411). Eine solche
Entscheidung kann nicht in der des BVerfG in DB 2009, 2441 gesehen werden. Zwar
hat das BVerfG dort in der Ungleichbehandlung der Ehe und der eingetragenen
Lebenspartnerschaft im Bereich der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung für
Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes als mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen,
es handelt sich dabei aber um die Beurteilung der Satzung der Versorgungsanstalt des
Bundes und der Länder (VBL), der kein Gesetzesrang zukommt. Allerdings verkennt der
Senat nicht, dass die Ausführungen des BVerfG in dieser Entscheidung Zweifel
begründen an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Mitgliedern einer
eigengetragenen Lebenspartnerschaft auch von steuerlichen Vergünstigungen, die
Ehegatten gewährt werden, weil die darin liegende Diskriminierung der
gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe nicht mit bloßem
Verweis auf Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden darf. Der besondere Schutz der Ehe
in Art. 6 Abs. 1 GG erfordert es nicht, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu
benachteiligen. Danach ist es verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem
besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften mit
Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind. Insofern
bedarf es eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen
Regelungsgegenstand und –ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt
(vgl. BVerfG in DB 2009, 2441, Tz. 105). Zweifel dieser Art könnten nach weiterer
Prüfung eine Vorlage an das BVerfG im Klageverfahren der Hauptsache nach Art. 100
Abs. 1 GG, die für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes durch das
BVerfG vorgesehen ist, rechtfertigen.
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Schließlich hält der Senat eine Aufhebung der Vollziehung nicht für geboten, weil das
BVerfG mit der Entscheidung in BVerfGE 105, 313 bereits mit der besonderen
verfassungsrechtlichen Problematik der Regelungen des Rechts der eingetragenen
Lebenspartnerschaft, insbesondere der Teilung des ursprünglichen Gesetzentwurfs in
ein zustimmungsfreies Gesetz, das als LPartG in Kraft getreten ist und in das Gesetz zur
Ergänzung des Lebenspartnerschaftgesetzes und anderer Gesetze
(Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz – LPartGErgG), das u. a. auch die jetzt
streitige grunderwerbsteuerliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft
mit der Ehe vorsah. Dieses Gesetz hat die erforderliche Zustimmung im Bundesrat nicht
gefunden (Sitzung des Bundesrats vom 01.12.2000, Unterrichtung durch den Bundesrat,
Bundestagsdrucksache 14/4875) und ist deshalb nicht in Kraft getreten. Dabei hat das
BVerfG bereits im Urteil in BVerfGE 105, 313, 356 erkannt, dass es wegen des
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Nichtinkrafttretens des LPartErgG und der daraus folgenden steuerlichen
Ungleichbehandlung gegen-über Ehegatten zu Benachteiligungen von
Steuerpflichtigen, die in einer eingetragene Lebenspartnerschaft leben, kommen kann.
Da das LPartG Unterhaltsverpflichtungen für Lebenspartner normiert, die dadurch
entstehenden Unterhaltslasten jedoch nicht wie vorgesehen steuerlich begünstigt
worden sind, stellte sich schon für das BVerfG in BVerfGE 105, 356 die Frage, ob die
wirtschaftliche Belastung von unterhaltspflichtigen Lebenspartnern eine Änderung des
Rechtszustands bewirkt haben könnte, der diese Belastung einkommensteuerlich
gleichheitswidrig außer Betracht lässt. Das BVerfG hat die Entlastung nach § 33 a EStG
jedoch –damals- als Regelung angesehen, die in ausreichendem Maße den
Unterhaltsanspruch eines Lebenspartners einkommensteuermindernd berücksichtigt.
Schließlich sieht sich der Senat auch deshalb nicht zu einer AdV veranlasst, weil bisher
nicht weiter dargelegt und anscheinend auch nicht geprüft worden ist, ob im Streitfall die
Voraussetzungen von § 3 Nr. 5 GrEStG überhaupt vorlägen, wenn es sich um eine
Übertragung zwischen geschiedenen Ehegatten gehandelt hätte. Im
Hauptsacheverfahren sollte daher (vorsorglich) festgestellt werden, ob der
Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der
Aufhebung der Lebenspartnerschaft erfolgt ist. Die notarielle Urkunde gibt, anders als
von der Astin. vorgetragen, keinen ausdrücklichen Hinweis darauf.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Unanfechtbarkeit folgt aus
§ 128 Abs. 3 FGO.
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