Urteil des FG Münster vom 08.03.2006

FG Münster: einkünfte, freibetrag, gebäude, organisation, käufer, trennung, inventar, einzelunternehmer, lieferant, lokal

Finanzgericht Münster, 1 K 908/04 E,G
Datum:
08.03.2006
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 908/04 E,G
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 1997 und der
Gewerbesteuermessbescheid 1997, beide in Gestalt der
Einspruchsentscheidungen vom 2.2.2004, sind nach der Maßgabe der
Entscheidungsgründe zu ändern.
Die Kosten trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
Kostenerstattungsanspruchs der Klägers abwenden, soweit nicht die
Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
T a t b e s t a n d
1
Streitig ist das Vorliegen eines Teilbetriebes.
2
Der Kläger, geboren am 27.2.1938, betrieb im Streitjahr 1997 in seinem Unternehmen
eine Schankwirtschaft und in zwei angemieteten Geschäftslokalen in unmittelbarer
Nähe zueinander (T************* Straße bzw. L***********Straße, beide in H*************),
zwei Eisdielen, sowie einen Eiswagen. Das Eis stellte er selbst zentral her. Einen Teil
der Eisproduktion verkaufte er an Wiederverkäufer.
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Den Gewinn des Unternehmens ermittelte der Kläger durch
Betriebsvermögensvergleich. Eine Trennung der Gewinne erfolgte nur zwischen den
Betriebsteilen Eisdielen/Eiswagen und der Schankwirtschaft. Für die mit dem
Kalenderjahr identischen Wirtschaftsjahre 1996 und 1997 wurden folgende Zahlen
ermittelt:
4
in DM 1996 1997
5
Erlöse Eisdiele 7% 128.748,39 86.955,51
6
Erlöse Wiederverkäufer 7% 28.869,96 41.477,73
7
Erlöse Eisdiele 15% 39.928,74 28.808,43
8
Automatenerlöse Eisdiele 17.816,00 3.083,48
9
Automatenerlöse Wirtschaft 6.141,79 5.821,74
10
Die Erlöse Eisdiele (ohne Erlöse Wiederverkäufer und Automatenerlöse) betrugen 1998
insgesamt 73.048,63 DM, was einer Minderung gegenüber 1996 von 95.628,50 DM
entspricht.
11
In den Vorjahren schwankten die Automatenerlöse Eisdiele zwischen 6.167,56 DM
(1990) und 9.113,04 DM (1995). Es handelt sich bei diesen Erlösen um sog.
Wirteprovisionen.
12
Die Mietzahlungen für die beiden Eisverkaufsstellen betrugen zwischen 1990 und 1996
durchschnittlich 23.800 DM.
13
Das Geschäftslokal in der T************* Straße war als Eisdiele eingerichtet.
Spielautomaten waren dort nicht aufgestellt worden. Im angemieteten Geschäftslokal an
der L***********Straße waren zwei Spielautomaten aufgestellt. Dort wurde von April bis
September des jeweiligen Jahres Eis verkauft.
14
Mit Wirkung zum 1.4.1997 hat der Kläger das Inventar des Geschäftslokals an der
L***********Straße an Frau S**** verkauft. Frau S**** war als Automatenaufstellerin tätig.
Ihr Ehemann, der Zeuge S****, war als Brauereivertreter beschäftigt. Der Verkaufspreis
betrug 55.200 DM. Zum verkauften Inventar gehörten neben den für den Eisverkauf
typischen Wirtschaftsgütern u.a. auch 7 Tische, 14 Stühle, 1 Eckbank und 4 Bänke zum
Verkaufspreis von 13.800 DM brutto. Der Kaufvertrag stand unter der Bedingung, dass
die Käuferin einen Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Gebäudes abschloss. Ein
Wettbewerbsverbot für den Kläger in Bezug auf den Verkauf von Eis wurde nicht
vereinbart.
15
Die zwei in diesem Geschäftslokal aufgestellten Automaten waren bis zum 27.3.1997
von der B*************************** oHG angebracht worden.
16
Der Kläger beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 1997 einen
Veräußerungsgewinn für das verkaufte Geschäftslokal in Höhe von 24.072,91 DM als
steuerfrei zu belassen. Diesen Wert berechnete er aus der Differenz des Bruttoerlöses
der Eisdiele von 48.173,91 DM und einem Restbuchwert für die Eisdiele von 24.101
DM. Der Veräußerungserlös der Eisdiele wurde einer Umsatzbesteuerung von 15%
unterworfen.
17
Im Einkommensteuerbescheid vom 12.4.1999 behandelte der Beklagte diesen Betrag
von 24.072 DM als Veräußerungsgewinn gemäß § 16 Abs. 4 EStG und ließ ihn
aufgrund des dort geregelten Freibetrages von insgesamt 60.000 DM steuerfrei. Die
Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden antragsgemäß mit 78.973 DM berücksichtigt.
18
Dieser Einkommensteuerbescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der
entsprechende Gewerbesteuermessbescheid vom 07.04.1999 stand ebenfalls unter
dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen der 1999/2000 durchgeführten steuerlichen Außenprüfung des Beklagten
wurde seitens des Prüfers des Beklagten das Vorliegen eines begünstigten Teilbetriebs
in Gestalt der verkauften Eisdiele verneint. Außerdem wurden Anlageabgänge, die im
Zusammenhang mit der Veräußerung der Eisdiele gebucht worden waren, in Höhe von
20.449 DM (Tz. 18 des Betriebsprüfungsberichts vom 26.6.2000) gewinnerhöhend
korrigiert. Hinsichtlich dieser Korrektur besteht zwischen den Parteien Einigkeit.
19
Der Beklagte erließ am 18.7.2000 einen Einkommensteueränderungsbescheid, in dem
er die Ergebnisse der steuerlichen Außenprüfung berücksichtigte. Dieser
Änderungsbescheid wies nunmehr Einkünfte aus Gewerbebetrieb von insgesamt
130.890 DM aus. Ein Veräußerungsgewinn wurde nicht gesondert ausgewiesen. Der
Änderungsbescheid über den Gewerbesteuermessbescheid für 1997 wurde am
21.7.2000 von der Stadt H************* zur Post gegeben. Der Kläger legte am 11.8.2000
gegen beide Bescheide Einsprüche ein, die durch Einspruchsentscheidungen vom
2.2.2004 als unbegründet zurückgewiesen wurden. Mit den Einsprüchen hatte der
Kläger einen Bescheid des Versorgungsamtes H************* eingereicht, in dem ihm ein
Grad der Behinderung von 50% ab dem 20.12.1997 bescheinigt wurde.
20
Der Kläger hat am 23.2.2004 Klage eingelegt, mit der er sein Ziel weiterverfolgt, den
Verkauf der Eisdiele als Teilbetrieb zu berücksichtigen. Er verweist diesbezüglich auf
die unterschiedliche Kundenstruktur. In der veräußerten Eisdiele seien zwei Automaten
aufgestellt gewesen. Dies habe dazu geführt, dass insbesondere Witwen dieses
Geschäftslokal aufgesucht hätten, um unerkannt spielen zu können. Der Eisumsatz in
diesem Geschäftslokal sei eher unerheblich gewesen. Ursprünglich sei das Lokal auch
als Stehcafe betrieben worden. Eis sei erst später angeboten worden. Aufgrund dieser
Kundschaft habe auch die Käuferin, die ein Automatenaufstellungsgeschäft betrieben
habe, diesen Betrieb gekauft. Eine gesonderte Vergütung des Geschäftswertes sei nicht
erzielt worden. Vielmehr sei der Kläger aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme an
einem schnellen Verkauf interessiert gewesen. Eine Weiterlieferung mit Eis an den
verkauften Betriebsteil sei deshalb erfolgt, weil die Käuferin keinen anderen Lieferanten
gefunden habe, der so geringe Mengen hätte liefern wollen. Später habe nach seiner
Erinnerung ein anderer Lieferant dieses Eis geliefert.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
22
den Einkommensteuerbescheid 1997 und den
Gewerbesteuermessbescheid 1997, jeweils in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 2.2.2004, dahingehend zu ändern, dass
als laufender Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Betrag von 78.642 DM
zugrunde gelegt wird.
23
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Ansicht, dass der verkaufte Unternehmensteil kein Teilbetrieb i.S.d.
§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist. Vielmehr sei nur eine unselbständige Verkaufsfiliale
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veräußert worden. Hierfür spräche das Betreiben einer zweiten Eisdiele in unmittelbarer
Nähe. Ein eigener, vom übrigen Eisdielenbereich zu trennender Kundenstamm sei auch
nach der Beweisaufnahme nicht erkennbar. Zu beachten sei diesbezüglich, dass ein
Geschäftswert für einen speziellen Kundenstamm nicht vergütet worden sei. Auch
reiche allein das Vorhandensein eines eigenen Kundenstamms nicht aus, um einen
eigenständigen Teilbetrieb in der Eisdiele L***********Straße annehmen zu können.
Weiter spricht nach Ansicht des Beklagten gegen das Vorliegen eines Teilbetriebs, dass
der Kläger dieses Geschäftslokal weiter mit seinem Eis belieferte.
Der Berichterstatter hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 13.10.2004
erörtert. Durch Beschluss vom 2.6.2005 ist er vom Senat mit der Vernahme der Zeugen
S**** beauftragt worden. Herr S**** ist vom Berichterstatter am 28.6.2005 als Zeuge
vernommen worden. Die Zeugin S**** ließ sich wegen Kreislaufbeschwerden
entschuldigen. Auf die Vernahme der Zeugin S**** wurde seitens der Parteien
verzichtet. Sie erklärten sich in diesem Termin mit einer Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung durch den Senat einverstanden. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wie auch wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
27
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28
Der Senat entscheidet aufgrund der Einwilligung der Parteien gemäß § 90 Abs. 2 FGO
ohne mündliche Verhandlung.
29
Die Klage ist begründet. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ist um den steuerfrei
bleibenden Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung des Teilbetriebs "Eisdiele
L***********Straße" zuzüglich einer Differenz aus der Korrektur der
Gewerbesteuerrückstellung auf 84.650 DM zu reduzieren.
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Gemäß § 16 Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der für das
Streitjahr 1997 gültigen Fassung ist der Gewinn aus der Veräußerung eines Teilbetriebs
nur dann steuerpflichtig, wenn er einen Betrag von 60.000 DM übersteigt. Dabei ist
dieser Freibetrag aufgrund einer Gesetzesänderung seit dem VZ 1996 stets in voller
Höhe zu gewähren, unabhängig davon, ob ein Gewerbebetrieb im Ganzen oder ein
Teilbetrieb veräußert wird (vgl. nur Wacker in Schmidt, EStG, 24. Aufl. 2005, § 16 Rz.
575). Weitere Voraussetzungen für eine Gewährung des vollen Freibetrags ist, dass der
Veräußerungsgewinn den Betrag von 300.000 DM nicht übersteigt (§ 16 Abs. 4 Satz 3
EStG). Außerdem muss der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet haben oder
im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd erwerbsunfähig sein (§ 16 Abs. 4 Satz
1 EStG). Auch ist der Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG dem Steuerpflichtigen
nur einmal im Leben zu gewähren. Letztere Voraussetzungen liegen vor, da der
Verkaufsgewinn, wie später noch dargestellt, den Betrag von 300.000 DM nicht
übersteigt. Der Kläger ist bei Verkauf 59 Jahre alt gewesen. Mangels anderer Angabe
seitens der Beteiligten kann der Senat davon ausgehen, dass der Freibetrag dem
Steuerpflichtigen bislang noch nicht gewährt worden ist.
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Die Eisdiele des Klägers an der L***********Straße ist auch als Teilbetrieb i.S.d. § 16
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der für den VZ 1997 gültigen Fassung zu qualifizieren.
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Der Begriff des Teilbetriebs ist im Gesetz selbst nicht definiert worden. Die
Rechtsprechung versteht hierunter einen mit einer gewissen Selbständigkeit
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ausgestatteten, organisatorisch in sich geschlossenen und für sich lebensfähigen Teil
eines Gesamtbetriebs (BFH-Urteil vom 4.11.2004 IV R 17/03, BFH/NV 2005, 436; BFH-
Urteil vom 5.6.2003 IV R 18/02, BFH/NV 2003, 1631; BFH-Urteil vom 10.10.2001 XI R
35/00, BFH/NV 2002, 336; BFH-Urteil vom 10.3.1998 VIII R 31/95, BFH/NV 1998, 1209
jeweils m.w.N.). Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche
Selbständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beim Veräußerer zu
entscheiden (vgl. nur BFH-Urteil vom 5.6.2003 IV R 18/02, BFH/NV 2003, 1631). Den
üblichen Abgrenzungsmerkmalen, etwa räumliche Trennung vom Hauptbetrieb,
gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eigene Verwaltung, selbständige
Organisation, eigenes Anlagevermögen, ungleichartige betriebliche Tätigkeit, eigener
Kundenstamm, kommt je nachdem, welche Art von Betrieb vorliegt, unterschiedliches
Gewicht zu. Ein Dienstleistungsbetrieb ist beispielsweise primär vom persönlichen
Arbeitseinsatz des Betriebsinhabers oder seiner Beschäftigten und von den
Beziehungen zur Kundschaft abhängig (BFH-Urteil vom 5.6.2003 IV R 18/02, BFH/NV
2003, 1631). Im Falle der Beurteilung der Teilbetriebsfähigkeit einer Spielhalle hat der
BFH lediglich eine gewisse Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb verlangt,
wobei er auf das separate Betreiben der Spielhalle abstellte, was sich wieder in dem
relativ hohen Kaufpreis abbilden sollte, der von der betrieblichen Organisation und den
Gewinnaussichten geprägt sei (BFH-Urteil vom 10.10.2001 XI R 35/00, BFH/NV 2002,
336). Bei Handelsbetrieben soll insbesondere auf die deutliche Abgrenzung der
Betriebsstätte von der Hauptbetriebsstätte, einen eigenen Kundenstamm, ein eigenes
Gebäude, fachkundige Mitarbeiter und eine ausreichende eigene Organisation
abzustellen sein (BFH-Urteil vom 10.3.1998 VIII R 31/95, BFH/NV 1998, 1209).
Im vorliegenden Fall spricht aus Sicht des Senats bei der Eisdiele an der
L***********Straße entscheidend für das Vorliegen eines Teilbetriebs, dass diese
Eisdiele nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine organisatorische Selbständigkeit
besitzt und diese Eisdiele auch im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs auf die
Käuferin selbständig lebensfähig war. Nicht entscheidend ist dagegen, dass der Kläger
die mit diesem Teilbetrieb verbundene Tätigkeit des Eisverkaufs in anderen
Geschäftsbereichen fortführte.
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Im vorliegenden Fall ist aus Sicht des Senats die nötige Selbständigkeit vor allem
deshalb gegeben, weil die verkaufte Eisdiele einen gegenüber der anderen Eisdiele
und dem Restunternehmen klar abgrenzbaren Kundenstamm besaß, nämlich die
insbesondere auch die beiden Spielautomaten nutzenden Besucher. Dies ist durch die
Aussage des Zeugen S**** glaubhaft und glaubwürdig bestätigt worden. Der Zeuge
S**** erläutete nämlich, dass diese Eisdiele vor allem von älteren Leuten besucht
wurde, die nicht gesehen werden wollten. Dieser Kundenstamm war nach der Aussage
des Zeugen S**** der Grund, warum dieses Lokal gekauft worden sei. Die Aussage des
Zeugen S**** ist glaubhaft. So hat er im Rahmen des stattgefundenen Beweistermins
auf seine Tätigkeit hingewiesen, die auch zu Geschäftskontakten zu dem
Automatenaufsteller I*************** geführt habe. Auch erklärte er, dass seine Frau später
selbst ein Automatengeschäft mit Spielautomaten betrieben habe. Der Zeuge S**** war
also hinsichtlich des Automatengeschäfts branchenkundig. Anhaltspunkte, die gegen
seine Glaubwürdigkeit sprechen, sind nicht erkennbar. Vielmehr schränkt er von sich
aus seine Aussage hinsichtlich der Kunden ein und erklärt, dass er nicht genau wüsste,
ob diese die gleichen gewesen seien, die schon zu Zeiten des Klägers die Eisdiele
besucht hätten.
35
Der so beschriebene Kundenstamm der verkauften Eisdiele unterschied sich schon
36
deshalb von dem der anderen Eisdiele, weil in letzterer unstreitig keine Automaten
aufgestellt worden waren.
Nach Ansicht des Senats ist für die Beurteilung der nötigen Selbständigkeit auch
verstärkt auf die Käufersicht abzustellen. Soweit der Käufer den Bereich eines
Unternehmens unverändert fortführt, zeigt dies deutlich, dass eine solche
Selbständigkeit gegeben ist. Andernfalls würde der Käufer aufgrund seiner
Interessenlage diesen Bereich nur verändert fortführen.
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Die veräußerte Eisdiele wurde auch räumlich getrennt von den anderen Betriebsstätten
betrieben. Sie verfügte über ein angemietetes eigenes Gebäude und Personal, welches
zumindest aufgrund der räumlichen Trennung nicht im gleichen Augenblick in den
anderen Betriebsstätten eingesetzt werden konnte.
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Eine Unselbständigkeit dieser Eisdiele liegt nicht vor, weil der Kläger auch nach dem
Verkauf der Eislieferant geblieben ist. Insoweit hat der Zeuge S**** die Aussage des
Klägers bestätigt, dass aufgrund des verhältnismäßig geringen Eisumsatzes ein anderer
Lieferant nicht gefunden werden konnte. Die Aussage des Zeugen S****, dass man
dieses Eiscafe nicht mit einem typischen italienischen Eiscafe vergleichen könne, da
dort auch Frühstück gereicht worden sei, zeigt das aus seiner Sicht mangelnde
Interesse an dem Eisverkauf in dieser Betriebsstätte aus Sicht der Käuferin. Weitere
Aussagen des Zeugen S****, die immer wieder das besondere Interesse an dem
Automatengeschäft betonen, unterstreichen dies. Etwas anderes lässt sich auch nicht
aus seiner Aussage herleiten, dass er auch mal ein anderes Eis probieren wollte, dies
aber aufgrund der geringen Menge nicht konnte und das Eis des Klägers dort eingeführt
gewesen sei. Diese Aussage bestätigt nur seine bisherigen Aussagen, dass für ihn der
Eisumsatz eher nebensächlich gewesen ist. Insoweit ist auch zu beachten, dass in
diesem Geschäftslokal nicht ganzjährig Eis zum Kauf angeboten worden ist.
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Der Senat verkennt nicht, dass der Eisumsatz der verkauften Eisdiele ausweislich der
unstreitig vorliegenden Zahlen nicht unbedeutend war. Dies zeigt insbesondere die
Minderung des Erlöses aus dem Eisverkauf in 1998 gegenüber 1996 von 95.628,50 DM.
Dennoch tritt der Eisumsatz aufgrund der dargestellten Aussagen des Zeugen S****
hinter den Charakter der Eisdiele als Automatenstandort zurück. Dies zeigt auch die
räumliche Nähe der zwei Eisdielen zueinander. Ohne einen differenzierten
Kundenstamm wäre ein solches Betreiben von zwei konkurrierenden Betriebsstätten
nicht denkbar. Dabei ist aus Sicht des Senats allein der vom Käufer erstrebte
Kundenstamm entscheidend. Aufgrund dieses Kundenstammes wurde die Eisdiele
gekauft und nicht etwa aufgrund der auch vorhandenen Laufkundschaft, die ein Eis in
dieser Eisdiele und nicht in der anderen Eisdiele kaufte. Unterstrichen wird dies
dadurch, dass der Kläger keinem vertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegt.
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Unerheblich ist hier, dass der Kläger den Kundenstamm nicht separat in Rechnung
stellte. Bei Verkauf des Inventars in Verbindung mit dem Pachtvertrag für das Gebäude,
welches zur Bedingung für die Wirksamkeit des Kaufvertrages gemacht wurde, ging der
Kundenstamm unentgeltlich auf die Käuferin über. Anhaltspunkte dafür, dass hier
überhöhte Kaufpreise für das Inventar gezahlt worden sind, bestehen nicht. Dies ist
auch vom Beklagten nicht vorgetragen worden.
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Die verkaufte Eisdiele ist auch selbständig lebensfähig gewesen. Dies ergibt sich schon
daraus, dass die Käuferin zum Weiterbetrieb keine Änderungen vornahm. Lediglich die
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Automaten wurden ausgetauscht. Keine Veränderungen sieht der Senat auch in Bezug
auf den Kundenstamm vorliegen. Dies ergibt sich aus der inhaltlichen Übereinstimmung
zwischen der Aussage des Zeugen S**** und den Behauptungen des Klägers. Beide
stellen auf Rentner als Kunden ab. Unerheblich ist, dass der Zeuge S**** insoweit eine
Einschränkung macht, dass er nicht wisse, ob es genau die gleichen Kunden waren.
Die Kundenstruktur wird, dies ist entscheidend, von ihm dagegen bestätigt.
Unerheblich ist aus Sicht des Senats im vorliegenden Fall, dass der Kläger auch in
anderen Betriebsstätten Eis verkaufte. Entscheidend ist diese Tätigkeit im Fall der
verkauften Eisdiele, wie bereits gezeigt, nicht. Entscheidend muss für das Vorliegen
eines selbständig lebensfähigen Teilbetriebs allein sein, dass die mit diesem Teilbetrieb
verbundene Tätigkeit aufgegeben wird (BFH-Urteil vom 10.3.1998 VIII R 31/95, BFH/NV
1998, 1209). Dies liegt hier vor, da der Kläger seine Tätigkeiten an diesem Standort
aufgab. Dabei handelt es sich vor allem um das Anbieten von Spielautomaten wie auch
von Speisen und Getränken. Der Kläger hat diese Tätigkeit auch nicht etwa durch die
Aufstellung von Automaten in der anderen Eisdiele fortgesetzt.
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Der Veräußerungsgewinn, der sich für die verkaufte Eisdiele an der L***********Straße
ergibt, ist steuerfrei, da er den Freibetrag von 60.000 DM nicht übersteigt. Der
Verkaufspreis beträgt einschließlich 15% Umsatzsteuer 55.200 DM. Von diesem Betrag
ist der Buchwert dieser Eisdiele in Abzug zu bringen. Aufgrund der insoweit unstreitigen
Korrekturen aus dem Ergebnis der steuerlichen Außenprüfung beträgt der Buchwert nur
3.652 DM. Dies ergibt einen Veräußerungsgewinn von 51.548 DM. Von diesem Betrag
haben die Parteien einen Betrag von 7.027 DM als Umsatzsteuer abgezogen, als sie
nur von einem Bruttoveräußerungspreis von 48.173 DM ausgingen. Ob der
Veräußerungsvorgang steuerbar ist oder unter § 1 Abs. 1 a UStG fällt, kann hier
dahinstehen, da auch eine Erhöhung des Veräußerungsgewinns um die Umsatzsteuer
in Höhe von 7.027 DM nicht zu einer Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns führen
kann. Der Freibetrag in Höhe von 60.000 DM ist auch in voller Höhe zu gewähren, da
der Veräußerungspreis 300.000 DM nicht übersteigt.
44
Die Gewerbesteuerrückstellung ist wie folgt zu ändern:
45
Gewerbeertrag 130.899 DM
46
- Veräußerungsgewinn - 51.548 DM
47
Gewinn aus Gewerbebetrieb 79.351 DM
48
Hinzurechnungen w/Dauerschulden + 1.468 DM
49
Zwischensumme 80.819 DM
50
Abgerundet auf volle 100 DM 80.800 DM
51
Kürzung um Freibetrag - 48.000 DM
52
Gewerbeertrag 32.800 DM
53
Messbetrag 416 DM
54
Hebesatz 450%
55
Gewerbesteuer 1.872 DM
56
5/6-Methode 1.560 DM
57
bisher 6.859 DM
58
Differenz 5.299 DM
59
Folge ist, dass die laufenden Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb wie folgt zu
ändern sind:
60
Einkünfte als Einzelunternehmer 130.899 DM
61
- Veräußerungsgewinn - 51.548 DM
62
+ Differenz Gewerbesteuerrückstellung + 5.299 DM
63
Einkünfte als Einzelunternehmer neu 84.650 DM
64
Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen 51.548 DM
65
- Freibetrag, max. 60.000 DM - 51.548 DM
66
Einkünfte aus Veräußerungsgewinnen neu 0 DM
67
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 84.650 DM
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Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
Das Unterliegen des Klägers, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 78.642 DM
berücksichtigt wissen wollte, ist im Verhältnis von untergeordneter Bedeutung.
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