Urteil des FG Münster vom 19.07.2001

FG Münster: leistungsfähigkeit, anteil, erwerb, firma, abgabenordnung, begünstigung, privatvermögen, freibetrag, steuerbefreiung, erbgang

Finanzgericht Münster, 3 K 2387/98 Erb
Datum:
19.07.2001
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 2387/98 Erb
Tenor:
Unter Änderung der Erbschaftsteuerbescheide vom 15.09.1997 in der
Fassung der Einspruchsentscheidung vom 06.02.1998 wird die
Erbschaftsteuer für jeden der Kläger auf 431.483 DM festgesetzt.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
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Die Parteien streiten darüber, ob der Freibetrag gem. § 13 Abs. 2 a
Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) für ererbtes Betriebsvermögen wegfällt, wenn die
Kommanditgesellschaft, deren Anteile vererbt wurden, innerhalb von 5 Jahren nach dem
Erbfall in Konkurs fällt.
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Die Kläger (Kl.) beerbten die am 24.03.1994 verstorbene Frau I******* B******zu je 1/2.
Bestandteil des Nachlasses war ein Kommanditanteil an der Firma
B*****************GmbH &Co. KG, ********.
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Für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung gaben die Kl. den Wert des Kommanditanteils
mit 613.221 DM an. Zur Ermittlung dieses Betrages wurde der Anteil der Verstorbenen
am Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 01.01.1994 in Höhe von 715.438 DM
um die durch Entnahmen entstandenen Veränderungen auf dem
Gesellschafterdarlehenskonto Januar bis März 1994 von 6.264,50 DM sowie um den
Anteil am vorläufigen Jahresfehlbetrag 1994 zeitanteilig für 3 Monate von 95.952 DM
gemindert.
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Der Beklagte übernahm den so ermittelten Wert und setzte mit Bescheiden vom
12.01.1996 die ErbSt für jeden Kl. auf 406.341 DM fest. Dabei rechnete der Beklagte
den Wert des ererbten Betriebsvermögens entsprechend der Erbquote zu und gewährte
jedem Kl. ebenfalls entsprechend der Erbquote den Freibetrag für Betriebsvermögen im
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Sinne des § 13 Abs. 2 a ErbStG. In der Anlage zum Bescheid verwies der Beklagte
darauf, daß die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit wegfalle, soweit
innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb der Anteil an der B**************** GmbH &Co.
KG veräußert oder aufgegeben werde.
Am 28.11.1995 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma
B*******************GmbH &Co. KG eröffnet. Auf Anfrage des für die Besteuerung der KG
zuständigen Finanzamts erklärte der Konkursverwalter mit Schreiben vom 04.07.1996,
daß die Konkursmasse unzulänglich sei und weder die bevorrechtigten noch die
einfachen Konkursgläubiger mit einer Konkursquote rechnen könnten (Bl. 36 der
Vollstreckungsakte der B*****************GmbH &Co KG).
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Mit gem. §§ 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG und 175 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO)
geänderten ErbSt-Bescheiden vom 15.09.1997 setzte der Beklagte die ErbSt der Kl.
ohne Berücksichtigung des Freibetrages gem. § 13 Abs. 2 a ErbStG fest. Die hiergegen
gerichteten Einsprüche der Kl. wurden durch Einspruchsentscheidung (EE) vom
06.02.1998 zurückgewiesen.
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Mit ihrer am 09.03.1998 beim Finanzgericht Düsseldorf erhobenen und durch Beschluß
vom 02.04.1998 an das Finanzgericht Münster verwiesenen Klage verfolgen die Kl. ihr
Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, daß die Eröffnung des Konkursverfahrens
über das Vermögen der B*****************GmbH &Co KG weder eine Veräußerung noch
eine Aufgabe des Gewerbebetriebs im Sinne des § 13 Abs. 2 a ErbStG darstelle.
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Die Kl. beantragen,
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die geänderten ErbSt-Bescheide vom 15.09.1997 in der Fassung der
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EE vom 06.02.1998 ersatzlos aufzuheben,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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das Betriebsvermögen insgesamt mit nur noch 500.000 DM anzusetzen
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und anteilig auf die Kl. zu verteilen und im übrigen die Klage abzuweisen;
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Zur Begründung verweist er darauf, daß nach dem Erlaß des Finanzministers des
Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.03.1994 (S 3812-20-VA 2) als Aufgabe des
Gewerbebetriebes im Sinne des § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG auch der Konkurs gelte.
Es könne kein Unterschied gemacht werden, ob die Weitergabe des Betriebsvermögens
freiwillig oder erzwungenermaßen erfolge. Maßgeblich sei die ertragsteuerliche
Betrachtungsweise, wonach die Aufgabe eines Gewerbebetriebes als Veräußerung des
gesamten Gewerbebetriebes gelte (§ 16 Abs. 3 Satz 1 EStG).
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Der Senat hat am 19.07.2001 mündlich verhandelt. Dabei sind die Parteien
übereingekommen, daß das ererbte Betriebsvermögen für beide Erben zusammen
tatsächlich mit 500.000 DM zu bewerten ist. Zu den Einzelheiten wird auf das
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Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgemäß erhoben. Daß die Klage
zunächst beim örtlich unzuständigen Finanzgericht Düsseldorf eingereicht wurde, ist
unschädlich (vgl. Tipke/Kruse, § 47 FGO, Rz. 11 mit Verweis auf die Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts).
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Die Klage ist jedoch nur insoweit begründet, als das ererbte Betriebsvermögen für beide
Kl. zusammen nur mit 500.000 DM zu bewerten ist.
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Darüber hinaus ist die Klage unbegründet.
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Der Beklagte hat zu Recht durch gem. § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG i.V.m. § 175 Abs. 1
Nr. 2 AO geänderte ErbSt-Bescheide vom 15.09.1997 die Gewährung des Freibetrages
für Betriebsvermögen rückgängig gemacht und die ErbSt entsprechend höher
festgesetzt.
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Gemäß § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG fällt die Steuerbefreiung mit Wirkung für die
Vergangenheit weg, soweit innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb ein
Gewerbebetrieb, ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einer Gesellschaft im Sinne des § 15
Abs. 1 Nr. 2 des EStG veräußert wird; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des
Gewerbebetriebes.
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Die Nachsteuerregelung des § 13 Abs. 2 a ErbStG knüpft hinsichtlich der
Tatbestandsmerkmale an die §§ 14 und 16 Einkommensteuergesetz (EStG) und an vom
Ertragsteuerrecht geprägte Begriffe an. Das rechtfertigt es, für die Auslegung der
Vorschrift die Auslegung der entsprechenden Begriffe im Ertragsteuerrecht
heranzuziehen (vgl. Troll / Gebel / Jülicher, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 250). Danach ist die Veräußerung eines
Gewerbebetriebs oder Mitunternehmeranteils die entgeltliche Übertragung des
gesamten Betriebes mit seinen wesentlichen Grundlagen auf einen Erwerber, der den
Betrieb fortführen kann. Dagegen liegt die Aufgabe eines Gewerbebetriebes vor, wenn
alle wesentliche Betriebsgrundlagen innerhalb kurzer Zeit und damit in einem
einheitlichen Vorgang entweder in das Privatvermögen überführt oder an verschiedene
Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen
überführt werden und damit der Betrieb als selbständiger Organismus des
Wirtschaftslebens nicht mehr besteht. Soweit es im Falle eines Konkursverfahrens zu
einer Betriebsaufgabe kommt, erfolgt diese nicht bereits mit Eröffnung des
Konkursverfahrens, sondern maßgeblich ist auch hier, wann die Veräußerung der
wesentlichen Betriebsgrundlagen erfolgt ( vgl. BFH - Urteil vom 19.01.1993 VIII R 128 /
84, BStBl. II 1993, 594).
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Danach wurde der Betrieb der Firma B*****************GmbH &Co KG im Laufe des
Jahres 1996 aufgegeben, da in diesem Zeitraum infolge des Konkursverfahrens die
wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens veräußert wurden. (Auf die Bilanz
zum 31.12.1996 in den Steuerakten der KG wird Bezug genommen). Die
tatbestandlichen Voraussetzungen für den Wegfall des Freibetrages gem. § 13 Abs. 2 a
Satz 3 ErbStG sind damit erfüllt.
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Der Senat teilt nicht die von den Kl. vertretene Auffassung, § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG
sei dann dem Wortlaut gegenüber einschränkend auszulegen, wenn die Veräußerung
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oder Aufgabe des ererbten Betriebsvermögens wie hier im Rahmen eines
Konkursverfahrens erzwungenermaßen erfolge.
Die Kommentierungen zu § 13 Abs. 2 a bzw. zu § 13 a ErbSt gehen überwiegend davon
aus, daß es für den Wegfall des Freibetrages ohne Belang ist, welche Ursachen oder
Motive für die Veräußerung bzw. die Aufgabe von ererbten Betriebsvermögen vorlagen
(vgl. Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 13 a Rz. 111; Meincke,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 22; Kapp / Ebeling,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 a Rz. 116). Jülicher dagegen (DStR
1997, 1949) und Troll / Gebel / Jülicher (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, §
13 a Rz. 252 bis 254) halten unter Hinweis auf die Auslegung nach dem Sinn und
Zweck der Vorschrift in einer Reihe von Einzelfällen, insbesondere auch bei einer
Betriebsaufgabe infolge Konkurses, eine einschränkende Auslegung für geboten.
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Die Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 2 a ErbSt hat sich ausgehend vom Wortlaut
am Gesetzeszweck zu orientieren.
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§ 13 Abs. 2 a ErbStG wurde durch das Standortsicherungsgesetz mit Wirkung vom
01.01.1994 in das ErbStG eingeführt. Der Erwerb von Betriebsvermögen sollte
erbschaftsteuerlich entlastet werden, um der verminderten Leistungsfähigkeit der
Erwerber von Betriebsvermögen Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hält betrieblich
gebundenes Vermögen für weniger fungibel; seinen Erwerbern falle es demgemäß
schwerer als den Erwerbern anderer Vermögensarten, aus diesem erworbenen
Vermögen Beträge zur Zahlung der ErbSt aufzubringen. Darüber hinaus sei
Betriebsvermögen in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und
gemeinwohlverpflichtet, da es Produktivität und Arbeitsplätze sichere (vgl. dazu
Weinmann, DStR 1993, 1238 und Jülicher, DStR 1997, 1949 mit entsprechenden
Nachweisen zum Gesetzgebungsverfahren). Aus eben diesen Erwägungen hat auch
das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 22.06.1995 (II BvR 552/91,
BStBl. II 1995, 671/674) darauf hingewiesen, der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz) gebiete es, die ErbSt-Last eines Erben, der einen Betrieb in seiner
Sozialgebundenheit aufrecht erhalte, so zu bemessen, daß die Fortführung des
Betriebes steuerlich nicht gefährdet werde.
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Zur Absicherung des Gesetzeszwecks, durch die Freibetragsregelung ererbtes
Betriebsvermögen aus den oben genannten Gründen zu entlasten, hat der Gesetzgeber
die Gewährung der Begünstigung an eine Behaltensregelung gekoppelt. Dabei ist zu
berücksichtigen, daß die gesetzliche Regelung die gesamte Bandbreite von Fällen
erfaßt, in denen Betriebsvermögen vererbt wird. Die Begünstigung kommt jedem Erben
von Betriebsvermögen zugute, sei es, daß er das Betriebsvermögen als einen
Vermögensgegenstand unter vielen erwirbt, sei es, daß das ererbte Betriebsvermögen
auch dem Erben als Existenzgrundlage dient. Je nach Lage des Einzelfalls stehen
dabei die mit dem Gesetz verfolgten Zwecke der Erhaltung von Betriebsvermögen im
Interesse der Allgemeinheit und der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Erben
in einem unterschiedlichen Spannungsverhältnis.
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Insofern hat der Gesetzgeber zulässigerweise eine typisierende Regelung geschaffen,
die zunächst allen Erben von Betriebsvermögen zugutekommt und die daran anknüpft,
daß die "Versilberung" des Betriebsvermögens entweder durch Veräußerung oder
Aufgabe des Gewerbebetriebes regelmäßig dem Gesetzeszweck zuwiderläuft.
Veräußert nämlich der Erbe das Betriebsvermögen gegen entsprechendes Entgelt, so
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unterscheidet er sich nicht mehr von einem Erben, der im Erbgang Kapitalvermögen
oder auch Grundvermögen erhält. Seine Leistungsfähigkeit ist nicht mehr in dem Maße
beeinträchtigt, wie sie es durch die Fortführung des ererbten Betriebes in seiner
Sozialgebundenheit wäre. Aber auch wenn der ererbte Betrieb aufgegeben wird, sei es
freiwillig und mit Gewinn, sei es gezwungenermaßen mit Verlust, so ist auf jeden Fall
der Gesetzeszweck, Betriebsvermögen auch im Erbfall in seiner Sozialgebundenheit zu
erhalten und fortzuführen, verfehlt.
Unabhängig davon, auf welche Weise und aus welchen Gründen sich der Erbe von
ererbtem Betriebsvermögen trennt, kommt es also zur Verfehlung beider oder zumindest
eines der gesetzgeberischen Zwecke. Unterschiede ergeben sich dahingehend, ob im
Einzelfall mehr die Leistungsfähigkeit des Erben oder mehr die Sozialgebundenheit des
Betriebes tangiert ist.
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Zur Lösung dieses Spannungsverhältnisses bedarf es nach Auffassung des Senats
keiner einschränkenden Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG. Eine
Wertigkeit der von ihm mit der Regelung des § 13 Abs. 2 a ErbStG verfolgten Zwecke
hat der Gesetzgeber nicht vorgegeben, so daß sie im Grundsatz gleichwertig
nebeneinander stehen. Der Senat verkennt nicht, daß es in Fällen der durch einen
Konkurs erzwungenen Betriebsaufgabe regelmäßig nicht zu einer Erhöhung der
Leistungsfähigkeit des Erben kommt, die es rechtfertigt, ihm weitere Steuerlasten
aufzuerlegen. Jedoch sind die in derartigen Fällen zur Verfügung stehenden
Billigkeitsmaßnahmen der Abgabenordnung geeignet und auch ausreichend, das
generelle Interesse des Gesetzgebers an der Verwirklichung seiner gesetzgeberischen
Ziele und das Interesse des betroffenen Einzelnen an der zutreffenden Berücksichtigung
seiner Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen.
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Darüber hinaus birgt die von den Kl. erstrebte einschränkende Auslegung des § 13 Abs.
2 a Satz 3 ErbStG die Gefahr, daß derjenige bevorzugt wird, der das Unternehmen bis
zum Konkurs fortführt, gegenüber demjenigen, der durch rechtzeitige Veräußerungs-
oder Vergleichsmaßnahmen unter Hintanstellung seiner eigenen Leistungsfähigkeit
zumindest die Sozialgebundenheit des Betriebsvermögens erhält. Eine derartige
Verfahrensweise widerspricht dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO).
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Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache zugelassen.
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