Urteil des FG Münster vom 11.11.2005

FG Münster: vergleich, rücklage, buchwert, ohg, bemessungsgrundlage, nominalwert, verminderung, herstellungskosten, neubewertung, prüfer

Finanzgericht Münster, 9 K 6525/01 K
Datum:
11.11.2005
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 6525/01 K
Tenor:
Der Körperschaftsteuerbescheid für 1999 vom 29.10.2001 wird in der
Weise geändert, dass der Jahresüberschuss für 1999 - unter Anpassung
der Gewerbesteuerrückstellung - um 904.000 DM vermindert wird.
Die Berechnung des geänderten Steuerbetrages wird dem Beklagten
übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
1
I.
2
Streitig ist die Höhe einer Rücklage nach § 52 Abs. 16 Satz 3 Einkommensteuergesetz
in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (EStG n. F.).
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Die Klägerin (Klin.) betreibt als Anstalt des öffentlichen Rechts ein Kreditinstitut. Sie
verfügte zum 31.12.1999 gegenüber zahlreichen Kunden über Kreditforderungen, auf
die sie in vergangenen Jahren Teilwertabschreibungen vorgenommen hatte. Das
Wirtschaftsjahr der Klin. entspricht dem Kalenderjahr.
4
Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, waren für den Forderungsbestand nach § 6
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 3 i. V. m. Nr. 1 Satz 4 EStG n. F. Wertaufholungen
vorzunehmen, weil die Grundlage für die Vornahme von Teilwertabschreibungen
insoweit entfallen war. Die Klin. hat den Wertaufholungsbetrag für den gesamten
Forderungsbestand mit 7.694.151,29 DM ermittelt. Dieser Betrag entfällt in Höhe eines
Teilbetrages von 1.620.000 DM auf fünf teilwertberichtigte Kreditforderungen
(Forderungen Q....., X..... GmbH, Y....., Z..... oHG und W.....) im Nominalwert von
insgesamt 9.336.000 DM, die die Klin. zum 31.12.1998 mit einem Buchwert von
insgesamt 6.119.000 DM erfasst hatte. Die Schuldner haben auf diese Forderungen im
Jahre 1999 Tilgungsbeträge von insgesamt 1.192.000 DM geleistet. Zum 31.12.1999
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sind die Forderungen – wie zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist – nach
Abzug der Tilgungsbeträge und unter Berücksichtigung der Wertaufholung mit
6.547.000 DM in Ansatz zu bringen.
Die Klin. bildete im Jahresabschluss zum 31.12.1999 Gewinn mindernd eine Rücklage
nach § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG n. F. in Höhe von (4/5 des von ihr ermittelten
Wertaufholungsbetrages von 7.694.151,29 DM =) 6.155.321,03 DM. Am 18.08.2000
reichte sie eine entsprechende Körperschaftsteuer(KSt)– Erklärung für 1999 nebst
Jahresabschluss beim Beklagten (Bekl.) ein. Der Bekl. folgte den Angaben der Klin.
zunächst und erließ am 25.09.2000 einen gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung stehenden KSt-Bescheid für 1999.
6
Im Jahre 2001 fand bei der Klin. eine Betriebsprüfung (Bp) für die
Veranlagungszeiträume 1997 bis 1999 statt. Der Prüfer vertrat u.a. die Ansicht, die von
der Klin. ermittelte Bemessungsgrundlage für die Rücklage nach § 52 Abs. 16 Satz 3
EStG n. F. in Höhe von 7.694.151,29 DM sei um einen Betrag von 1.130.000 DM auf
6.564.151,29 DM zu vermindern. Dies folge daraus, dass die Klin. bei der Berechnung
des Wertaufholungsbetrages für die im Jahre 1999 teilweise getilgten Forderungen
(Forderungen Q....., X..... GmbH, Y....., Z..... oHG und W.....) zu Unrecht
Wertaufholungsbeträge in Höhe von insgesamt 1.620.000 DM zugrunde gelegt habe.
Der Umfang der Wertaufholung, der sich durch die erstmalige Anwendung von § 6 Abs.
1 Nr. 2 EStG n. F. zum 31.12.1999 ergebe, sei durch einen Vergleich des
Bilanzansatzes der Kreditforderungen zum 31.12.1999 mit dem Bilanzansatz der
Kreditforderungen zum 31.12.1998 zu ermitteln. Bei einem solchen Vergleich ergebe
sich für eine der fünf Forderungen (Forderung W.....) kein rücklagefähiger
Wertaufholungsbetrag, da der im Jahre 1999 auf diese Forderung geleistete
Tilgungsbetrag von 343.000 DM die Verminderung der Einzelwertberichtigung (um
280.000 DM) überstiegen und der Buchwert der Forderung zum 31.12.1999 (mit
1.214.000 DM) daher unter dem Buchwert zum 31.12.1998 (1.277.000 DM) gelegen
habe. In Bezug auf die verbleibenden vier Forderungen ergebe sich bei einem Vergleich
der Buchwerte gegenüber dem von der Klin. ermittelten Wertaufholungsbetrag von
1.340.000 DM ein rücklagefähiger Wertaufholungsbetrag, der um die auf die vier
Forderungen vereinnahmten Tilgungsbeträge von insgesamt 850.000 DM zu
vermindern sei. Die von der Klin. für die fünf Forderungen ermittelte
Bemessungsgrundlage für die Bildung der Wertaufholungsrücklage i. H. v.
1.620.000 DM sei mithin um (280.000 DM zzgl. 850.000 DM =) 1.130.000 DM auf
490.000 DM zu vermindern. Im Ergebnis schlug der Prüfer damit vor, den Gewinn der
Klin. für 1999 – unter Anpassung der GewSt-Rückstellung - um (4/5 von 1.130.000 DM
=) 904.000 DM zu erhöhen. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 25 des Bp-Berichts
vom 06.08.2001 nebst Anlagen verwiesen.
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Der Bekl. folgte den Vorschlägen des Prüfers und erließ am 29.10.2001 einen
entsprechend geänderten KSt-Bescheid für 1999. Hiergegen hat die Klin. am
25.11.2001 Sprungklage zum Finanzgericht erhoben. Der Bekl. hat der Erhebung der
Sprungklage mit Schreiben vom 06.12.2001, eingegangen bei Gericht am 11.12.2001,
zugestimmt.
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Die Klin. macht zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen geltend, die Beurteilung
durch den Bekl. widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes, denn nach § 52 Abs. 16 Satz
3 EStG n. F. sei für jede Forderung eine vergleichende Bewertung nach altem und nach
neuem Recht vorzunehmen. Nur durch eine solche Berechnung lasse sich ermitteln,
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inwieweit sich auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. ein Gewinn durch das
Rückgängigmachen früher vorgenommener Teilwertabschreibungen ergeben habe.
Dass der vom Bekl. vorgenommene Vergleich des Buchwertes der Forderungen zum
31.12.1998 mit dem Buchwert der Forderungen zum 31.12.1999 nicht geeignet sei, den
sich aus der Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. ergebenden Gewinn zu
ermitteln, zeige sich bereits daran, dass sich bei einer Ausweitung des
Kreditengagements nach der Berechnung des Bekl. auch dann ein rücklagefähiger
Gewinn anfalle, wenn tatsächlich keine Wertaufholung eingetreten sei.
Die Auffassung des Bekl. entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn
aus der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-DrS 14/265, S.
187) sei zu entnehmen, dass die Rücklage dazu dienen solle, Gewinne auf fünf Jahre
zu verteilen, die sich im ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr aus der
durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. vorgeschriebenen Neubewertung des Anlage- und
Umlaufvermögens, also aus der Zuschreibung früher vorgenommener
Teilwertabschreibungen, ergäben.
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Die Beurteilung durch den Bekl. stehe ferner nicht im Einklang mit der BFH-
Rechtsprechung (Urteil vom 12. Oktober 1995 I R 179/94, BFHE 180, 30, BStBl II 1996,
402), wonach der niedrige Teilwert einer Forderung zunächst um den Tilgungsbetrag zu
ermäßigen sei, wenn der Schuldner die Forderung teilweise erfülle. Entgegen der
Ansicht des Bekl. führe die Vereinnahmung der Tilgungsbeträge daher nicht um Ansatz
eines laufenden Gewinns, sondern erfolge im Rahmen eines Aktivtausches
erfolgsneutral.
11
Schließlich stütze ein BMF-Schreiben (vom 30. Oktober 2000 IV A 6 – S 2171 b – 1/00)
zur Berechnung des Wertaufholungsgewinns im Falle eines Girosammeldepots die
Auffassung der Klin., denn auch insoweit werde der Wertaufholungsgewinn als der
Mehrbetrag bestimmt, der sich aus einem Vergleich des Buchwerts des
Nominalbestands zum 31.12.1998 und des Teilwerts dieses Bestandes zum 31.12.1999
ergebe. Daraus folge, dass auch insoweit eine Schattenbewertung außerhalb der
Bilanzansätze durchgeführt werden müsse. Gleiches ergebe sich aus den
Ausführungen in Tz. 35 ff. des BMF-Schreibens vom 26. Mai 2005 (IV B 2-S 2175-7/05,
BStBl I 2005, 699) zur Bildung einer Rücklage nach § 52 Abs. 16 Satz 11 EStG n. F. im
Zusammenhang mit der Abzinsung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen nach § 6
Abs. 1 Nrn. 3 und 3a EStG n. F. Dieser Verwaltungsregelung lasse sich ebenfalls
entnehmen, dass der Rücklage ausschließlich die Gewinne zugrunde gelegt werden
sollten, die sich aus der erstmaligen Anwendung des Wertaufholungsgebotes ergäben;
andere Gewinnauswirkungen seien durch entsprechende Korrekturen des
Ausgangswertes (Buchwert der Verbindlichkeiten oder Rückstellungen zum 31.12.1998)
aus der Bemessungsgrundlage für die Wertaufholungsrücklage zu eliminieren.
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Die Klin. beantragt,
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die Bemessungsgrundlage für die Rücklage nach § 52 Abs. 16 EStG zum 31.
Dezember 1999 um DM 1.130.000 zu erhöhen, die vorgenommene Erhöhung des
Gewinns 1999 um DM 904.000 rückgängig zu machen und den KSt-Bescheid für
1999 vom 29.10.2001 entsprechend abzuändern.
14
Der Bekl. beantragt,
15
die Klage abzuweisen,
16
hilfsweise,
17
die Revision zuzulassen.
18
Er ist der Ansicht, nach dem Gesetzeswortlaut sei der Wertaufholungsgewinn durch
einen Vergleich des Bilanzansatzes der Forderungen zum 31.12.1998 mit dem
Bilanzansatz der Forderungen zum 31.12.1999 zu ermitteln, da § 52 Abs. 16 S. 3 EStG
n. F. für die Ermittlung der Wertaufholungsrücklage auf den durch die Anwendung von
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. im Erstjahr entstehenden Gewinn Bezug nehme und § 6
EStG die Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bilanztechnisch
als Bilanzansatz behandele. Da sich die Teiltilgungen mindernd auf den Bilanzansatz
der Forderungen zum 31.12.1999 ausgewirkt hätten, seien diese Beträge folglich auch
von der Bemessungsgrundlage der Wertaufholungsrücklage abzuziehen. Die der
Bemessung der Rücklage zugrunde zu legende Wertaufholung liege damit in Höhe der
Teiltilgungsbeträge niedriger als die rückgängig gemachten Wertberichtigungen. Die
Auffassung der Klin. beruhe demgegenüber auf der Annahme eines fiktiven
Bilanzansatzes für 1999, bei dem die Teiltilgungen gänzlich außer Betracht blieben.
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Das von der Klin. zitierte BFH-Urteil (vom 12. Oktober 1995 I R 179/94, BFHE 180, 30,
BStBl II 1996, 402) sei für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn zum einen
betreffe das Urteil die hier nicht streitige Ermittlung von Teilwerten, zum anderen seien
die Ausführungen des BFH zur Verrechnung von Teiltilgungen mit dem niedrigen
Teilwert einer Forderung ab dem 01.01.1999 nicht mehr anwendbar. Die Teiltilgungen
seien daher im Umfang von 1.130.000 DM als laufender Gewinn und nicht als ein
Gewinn anzusehen, der auf der erstmaligen Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F.
beruhe.
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Entgegen der Ansicht der Klin. ließen sich aus dem BMF-Schreiben vom 30.10.2000
keine Folgerungen für den Streitfall ziehen, da es den Besonderheiten des
Girosammeldepots Rechnung trage. Auch die Grundsätze des BMF-Schreibens vom
26.05.2005 seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, denn die Notwendigkeit
der Berechnung von Zwischenwerten ergebe sich ausschließlich aus der im Streitfall
nicht vorliegenden Zinsproblematik. Unabhängig davon sei dem BMF-Schreiben vom
26.05.2005 zu entnehmen, dass Rückführungen / Tilgungen, die zu einer
Gewinnerhöhung führten, nicht Bestandteil des rücklagefähigen Gewinns sein könnten.
21
II.
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Die Klage ist zulässig und begründet.
23
Der KSt-Bescheid für 1999 ist rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten. Der
Bekl. hat die von der Klin. auf der Grundlage von § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG n. F.
gebildete Wertaufholungsrücklage zu Unrecht Gewinn erhöhend um 904.000 DM
vermindert.
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Nach § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG n. F. kann in dem ersten nach dem 31.12.1998
endenden Wirtschaftsjahr eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage i. H. v. 4/5
des in diesem Jahr durch die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. entstehenden
Gewinns gebildet werden. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. sind Wirtschaftsgüter des
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Umlaufvermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren
Stelle tretenden Wert anzusetzen. Ist der Teilwert auf Grund einer voraussichtlich
dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 2 EStG n. F.). Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres zum Umlaufvermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, sind nach §
6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG n. F. in den folgenden
Wirtschaftsjahren jedoch (wieder) mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder
dem an deren Stelle tretenden Wert anzusetzen, soweit der Steuerpflichtige nicht
nachweist, dass ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden kann. Demgegenüber konnte
nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz EStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April
1997 (EStG a. F.) ein zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in Ansatz
gebrachter niedriger Teilwert auch dann beibehalten werden, wenn sich der Wert des
Wirtschaftsgutes im laufenden Wirtschaftsjahr erhöht hatte.
Die Beteiligten haben keine Einwände gegen die Verfassungsmäßigkeit der in § 6 Abs.
1 Nr. 2 EStG n. F. enthaltenen Neuregelungen zur Wertaufholung geäußert. Auch der
Senat geht in Anbetracht des Umstandes, dass durch die Wertaufholungsrücklage (§ 52
Abs. 16 Satz 3 EStG n. F.) eine Abmilderung erstmalig nach dem 31.12.1998 auf der
Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. zu erfassender Wertaufholungsgewinne
erreicht wird, davon aus, dass die Neuregelungen verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden sind (vgl. auch Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 20. August 2003
3 K 2970/00, EFG 2003, 1681 sowie Schmidt/Glanegger, Einkommensteuergesetz, 24.
Aufl. § 6 Rz. 53). Zwischen den Beteiligten ist im Ausgangspunkt ferner unstreitig, dass
die Forderungen Q....., X..... GmbH, Y....., Z..... oHG und W..... zum 31.12.1998 (auf der
Grundlage von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F.) bei einem Nominalwert von insgesamt
9.363.000 DM mit 6.119.000 DM und zum 31.12.1999 (auf der Grundlage von § 6 Abs. 1
Nr. 2 EStG n. F.) bei einem Nominalwert von insgesamt 8.144.000 DM mit 6.547.000 DM
zu bewerten waren.
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Entgegen der Ansicht des Bekl. ist durch die Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG n. F. in Bezug auf die o. g. Forderungen im Wirtschaftsjahr 1999 nicht nur ein
rücklagefähiger Wertaufholungsgewinn i. H. v. 490.000 DM, sondern i. H. v.
1.620.000 DM entstanden.
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Der Senat vermag insbesondere nicht der Auffassung des Bekl. zu folgen, dem Verweis
in § 52 Abs. 16 Satz 3 EStG n. F. auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. sei zwingend zu
entnehmen, dass der rücklagefähige Gewinn durch einen Vergleich der Buchwerte
(Bilanzansätze) der Forderungen zu ermitteln ist. Denn zum einen schreibt § 52 Abs. 16
Satz 3 EStG n. F. lediglich vor, dass Gewinne rücklagefähig sind, die im Erstjahr durch
die Anwendung der veränderten Bewertungsregelungen in § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F.
entstehen. Der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass die Höhe dieser Gewinne durch
einen Buchwertvergleich ermittelt werden muss.
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Zum anderen widerspricht die Ermittlung des rücklagefähigen Gewinns durch den vom
Bekl. vorgenommenen Buchwertvergleich auch der Intention des Gesetzgebers, eine
Verteilung derjenigen Gewinne auf einen Zeitraum von fünf Jahren zu ermöglichen, die
sich im Erstjahr durch Wertaufholung, also durch Rückgängigmachung früher
vorgenommener Teilwertabschreibungen ergeben (vgl. die Gesetzesbegründung in BT-
DrS 14/2645, S. 187). Im vorliegenden Fall ergab sich in Bezug auf die Forderungen
Q....., X..... GmbH, Y....., Z..... oHG und W....., wie sich aus einem Vergleich der in den
Bilanzansätzen für die o. g. Forderungen zum 31.12.1998 und zum 31.12.1999
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enthaltenen Einzelwertberichtigungen ablesen lässt, aus der Anwendung von § 6 Abs. 1
Nr. 2 EStG n. F. nicht nur ein Wertaufholungsgewinn i. H. v. 490.000 DM, sondern i. H. v.
1.620.000 DM. Denn während im Forderungsbestand zum 31.12.1998 noch
Einzelwertberichtigungen von insgesamt (9.336.000 DM ./. 6.119.000 DM =)
3.217.000 DM enthalten waren, beliefen sich die im Forderungsbestand zum 31.12.1999
enthaltenen Einzelwertberichtigungen nur noch auf einen Betrag von (8.144.000 DM ./.
6.547.000 DM =) 1.597.000 DM. Die Summe der Einzelwertberichtigungen lag zum
31.12.1999 mithin um 1.620.000 DM niedriger als zum 31.12.1998. Diese Verminderung
der Einzelwertberichtigungen stellt auch eine durch die Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2
EStG n. F. verursachte Wertaufholung dar, denn nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F. hätte
die Klin. bei der Bewertung des Forderungsbestandes zum 31.12.1999 die - um die
Tilgungsbeträge verminderten - niedrigeren Teilwerte beibehalten können (vgl. BFH-
Urteil vom 12. Oktober 1995 I R 179/94, BFHE 180, 30, BStBl II 1996, 402).
Unabhängig davon erscheint der vom Bekl. zur Ermittlung des Wertaufholungsgewinns
vorgenommene Buchwertvergleich auch deshalb nicht sachgerecht, weil dieser außer
Betracht lässt, dass sich der nominelle Umfang der Kreditforderungen zum 31.12.1999
gegenüber dem Ansatz zum 31.12.1998 aufgrund der Tilgungsleistungen vermindert
hat. Ein Buchwertvergleich ist jedoch nur dann zur Ermittlung von
Wertaufholungsgewinnen aus der Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. geeignet,
wenn die Wirtschaftsgüter, deren Buchwerte verglichen werden, zu beiden Stichtagen
nach Art und Umfang identisch sind. Nur in diesem Fall ist gewährleistet, dass mit der
Differenz zwischen den Buchwerten ausschließlich eine Wertveränderungen aus der
Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. erfasst wird. Liegen demgegenüber auch
Wertveränderungen vor, die nicht auf einer Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F.,
sondern auf Verminderungen oder Erhöhungen des Forderungsbestandes (durch
Tilgungsleistungen oder durch Aufstocken des Kreditengagements) beruhen, so kann
der rücklagefähige Wertaufholungsgewinn nur dann durch einen Buchwertvergleich
ermittelt werden, wenn diese Umstände vor dem Vergleich durch entsprechende Zu-
oder Abschläge auf die Buchwerte ausgeglichen werden (zur vergleichbaren Korrektur
des "Ausgangswertes" von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen vor der Ermittlung
des rücklagefähigen Abzinsungsbetrages i.S.d. § 52 Abs. 16 Satz 7 und Satz 10 EStG n.
F. siehe Tz. 37 des BMF-Schreibens IV B 2 - S 2175 – 7/06 vom 26. Mai 2005, BStBl I
2005, 699).
30
Im vorliegenden Fall betrug der Nominalwert des gesamten Forderungsbestandes der
Klin. zum 31.12.1998 insgesamt 9.336.000 DM, während er sich zum 31.12.1999
aufgrund von Tilgungsleistungen nur noch auf 8.144.000 DM belief. Für einen
zutreffenden Buchwertvergleich auf der Grundlage nominell gleichwertiger
Forderungsbestände ist daher in Höhe der Tilgungsleistungen von (9.336.000 DM ./.
8.144.000 DM =) 1.192.000 DM entweder ein Zuschlag zum Buchwert der Forderungen
zum 31.12.1999 (6.547.000 DM) oder ein Abschlag vom Buchwert der Forderungen zum
31.12.1998 (6.119.000 DM) zu machen. In beiden Fällen ergibt sich jedoch bei einem
Vergleich der insoweit korrigierten Buchwerte für das Wirtschaftsjahr 1999 eine
Wertaufholung von (7.739.000 DM ./. 6.119.000 DM bzw. 6.547.000 DM ./. 4.927.000 DM
=) 1.620.000 DM.
31
Schließlich widerspricht die vom Bekl. auf der Grundlage seiner Berechnungsmethode
vertretene Auffassung, bei dem unstreitig im Zusammenhang mit dem Ansatz der
Forderungen Q....., X..... GmbH, Y....., Z..... oHG und W..... zum 31.12.1999 in Ansatz zu
bringenden Gesamtgewinn von 1.620.000 DM handele es sich in Höhe eines auf
32
Tilgungsleistungen entfallenden Teilbetrages von 1.130.000 DM um einen laufenden
Gewinn und nur in Höhe des verbleibenden Betrages von 490.000 DM um einen aus
der Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. resultierenden Gewinn, allgemeinen
Bilanzierungsregeln. Denn Tilgungsleistungen, die auf einzelwertberichtigte
Forderungen eingehen, sind nicht mit dem teilwertberichtigten Betrag zu verrechnen,
sondern zunächst von den Buchwerten der Forderungen abzuziehen (s. BFH-Urteil vom
12. Oktober 1995 I R 179/94, BFHE 180, 30, BStBl II 1996, 402). Die Erfassung von
Tilgungsleistungen als außerordentlicher Ertrag kommt erst dann in Betracht, wenn die
Tilgungen – was im Streitjahr nicht der Fall war - die jeweiligen Buchwerte der
Forderungen übersteigen. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, warum die Änderung der
Bewertungsregelungen durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. zu einer Umkehr dieser
Grundsätze geführt haben soll (unabhängig davon wäre der im Streitjahr erstmalig
anfallende laufende Gewinn aus den Tilgungsleistungen nach dem Wortlaut von § 52
Abs. 16 Satz 3 EStG n. F. dann ebenfalls rücklagefähig). Die Klin. ist daher zu Recht
davon ausgegangen, dass zum 31.12.1999 der zum 31.12.1998 mit einem Buchwert
von insgesamt 6.119.000 DM ausgewiesene Forderungsbestand zunächst um die im
Verlaufe des Jahres 1998 vereinnahmten Tilgungsleistungen von 1.192.000 DM auf
4.927.000 DM zu vermindern und erst im Anschluss daran auf der Grundlage von § 6
Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. eine Neubewertung des Forderungsbestandes mit dem
unstreitigen Wert von 6.547.000 DM vorzunehmen war. Aus der erstmaligen
Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG n. F. ergibt sich mithin auch auf der Grundlage
dieser Berechnung für die o. g. Forderungen ein rücklagefähiger Wertaufholungsgewinn
von (6.547.000 DM ./. 4.927.000 DM =) 1.620.000 DM.
Die danach von der Klin. in zutreffender Höhe gebildete Rücklage ist auch nicht wegen
der von den Schuldnern geleisteten Tilgungen (teilweise) gem. § 52 Abs. 16 Satz 4 ff.
EStG n. F. im Jahre 1999 aufzulösen, denn diese Regelungen beziehen sich nach dem
insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht auf das erste nach dem 31.12.1998
endende Wirtschaftsjahr (Erstjahr), sondern ausschließlich auf die diesem Jahr
folgenden vier Wirtschaftsjahre (Auflösungszeitraum).
33
Die Berechnung des geänderten Steuerbetrages wird dem Bekl. übertragen (§ 100 Abs.
2 Satz 2 FGO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO; die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
35
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen
(§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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