Urteil des FG Münster vom 31.10.2005

FG Münster: pferdezucht, steuersatz, nebenbetrieb, eugh, unternehmer, pauschalierung, hauptbetrieb, futter, forstwirtschaft, unterordnungsverhältnis

Finanzgericht Münster, 15 V 3498/05 U
Datum:
31.10.2005
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 V 3498/05 U
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe:
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I. Streitig ist, ob Umsätze an "Nichtlandwirte" aus einer Pensionspferdehaltung, bei
der das Futter der Tiere weitgehend aus eigenem Anbau stammt, der
Pauschalbesteuerung nach § 24 UStG oder dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12
Abs. 2 Nr. 3 UStG unterliegen.
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Die Antragstellerin (Astin.) betreibt auf eigenen und angepachteten Flächen eine
Pferdezucht und eine – gemäß ihrem eigenen Vortrag – "umfangreiche"
Pensionspferdehaltung an "Nichtlandwirte". Die Leistungen der
Pensionspferdehaltung bestehen darin, die Pferde in Laufställen mit freiem Auslauf
zu halten und Hufpflege zu betreiben. Die Pensionspferdehaltung erfolgt im
wesentlichen mit selbst erzeugtem Futter. Zugekauft werden von der Astin. z.B.
Mineralstoffe.
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Die Astin. erklärte für den streitbefangenen Zeitraum I/2005 Umsätze und Vorsteuern
aus der Pensionspferdehaltung und unterlegte diese dem ermäßigten Steuersatz. Der
Antragsgegner (Ag.) berücksichtigte demgegenüber die Umsätze aus der
Pensionspferdehaltung zum Regelsteuersatz (Bescheid über Umsatzsteuer-
Vorauszahlung für das I. Kalendervierteljahr 2005 vom 28.07.2005).
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Dagegen erhob die Astin. Sprungklage (15 K 3176/05 U), der der Ag. zugestimmt hat.
Über diese Klage ist noch nicht entschieden. Der Antrag der Astin., die Umsatzsteuer
für das I. Kalendervierteljahr 2005 in Höhe von 3.901,85 Euro von der Vollziehung
auszusetzen, wurde vom Ag. mit Bescheid vom 10.08.2005 abgelehnt. Dagegen
richtet sich der bei Gericht gestellte AdV-Antrag.
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Die Astin. trägt vor, der vom BFH mit Urteil vom 22.01.2004, BStBl. II 2004, 757
entschiedene Fall sei anders gelagert als der Streitfall. Die Astin. betreibe den
Pensionspferdebetrieb im Gegensatz zum soeben genannten BFH-Fall auf eigener
Futtergrundlage. Die Pferde würden von den Eigentümern im Gegensatz zu
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Reitpferden auch nicht ständig zur Ausübung von Freizeitsport genutzt. Sie würden
teilweise wochen- oder monatelang nicht von den Eigentümern geritten. Außerdem
handele es sich teilweise um reine Zuchtpferde, die als Pensionspferde im Betrieb
der Astin. "aufgestallt" würden. In der Literatur werde vertreten, dass die bloße
Pensionstierhaltung mit eigener Futtergrundlage ohne Pflegeleistungen als
Hilfstätigkeit der landwirtschaftlichen Tierhaltung unter den Geltungsbereich des § 24
UStG falle. Im Streitfall erbringe die Astin. bis auf die Hufpflege keine
Pflegeleistungen.
Die Astin. beantragt,
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den Bescheid über Umsatzsteuervorauszahlung für das 1. Kalendervierteljahr 2005
vom 28.07.2005 von der Vollziehung auszusetzen.
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Der Ag. beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er meint, Pensionspferdehaltung unterliege nach der jüngeren BFH-Rechtsprechung
dem Regelsteuersatz. Es sei unerheblich, ob der Unternehmer nur eine Pferdebox
bereitstelle und den Weidegang ermögliche oder zusätzlich weitere Leistungen
erbringe. Auch die Frage, ob die Pensionspferdehaltung auf eigener Futtergrundlage
betrieben werde oder Futterzukauf erfolge, sei unerheblich.
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II. Der Antrag ist unbegründet.
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Bei summarischer Prüfung (§ 69 Abs. 2, Abs. 3 FGO) ist der angefochtene
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid nicht rechtswidrig und verletzt die Astin. nicht
in ihren Rechten.
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1. Die Pensionspferdehaltung fällt bei summarischer Prüfung nicht unter § 24
UStG. Es fehlt schon am Vortrag der Astin., die insoweit die Darlegungs- und
Feststellungslast trägt, in welchem Verhältnis ihre Pensionstierbestände zu ihren
landwirtschaftlichen Flächen stehen (§ 24 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. § 51 BewG).
Nach Auffassung des erkennenden Senats gehören
Pensionspferdehaltungsleistungen an "Nichtlandwirte" aber dem Grunde nach
auch dann nicht zu den Leistungen, für die gemäß § 24 UStG in seiner
gemeinschaftsrechtlichen Auslegung eine Pauschalbesteuerung zugelassen ist,
wenn die Pensionspferdehaltung auf eigener Futtergrundlage erfolgt (anderer
Ansicht: Herden, INF 2005, 463, Rüttinger, USt in der Land- und Forstwirtschaft,
Abschn. C Anm. 123/1 ff). § 24 UStG beruht auf Artikel 25 der 6. EG-Richtlinie.
Diese Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des EuGH (siehe Urteil vom
26.05.2005 Rs. C – 43/04, - Stadt Sundern -, UR 2005, 397) dahin auszulegen,
dass die Pauschalierung nur für die in Artikel 25 Abs. 2, Anhang A und B 6. EG-
Richtlinie genannten Leistungen gilt. Die Anwendung der Pauschalierung hängt
nicht davon ab, ob der Unternehmer die formale Eigenschaft als
landwirtschaftlicher Erzeuger hat, sondern von der Art der Geschäfte, die dieser
tätigt. Leistungen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich auch
nicht auf normalerweise in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendete
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Mittel beziehen, sind von der Pauschalierung nicht erfasst (EuGH a.a.O.). Gemäß
Artikel 25 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. mit Anhang A 6. EG-Richtlinie gelten als
landwirtschaftliche Leistungen u.a. "Tierzucht und Tierhaltung i.V.m. der
Bodenbewirtschaftung". Aus dem Eingangssatz in Anhang A der 6. EG-Richtlinie
ergibt sich, dass die im folgenden aufgeführten Tätigkeiten "der
landwirtschaftlichen Erzeugung" dienen müssen. Auch Artikel 25 Abs. 2, 2.
Teilstrich 6. EG-Richtlinie verweist auf die in Anhang A genannten
"Erzeugertätigkeiten". Viehzucht und Haltung im Sinne der soeben genannten
Regelungen wird daher nur dann landwirtschaftlich betrieben, wenn diese
Tätigkeiten der Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten dienen (z.B. Milch,
Jungvieh, Wolle, Fleisch). Das ist bei der "Bestallung" von Tieren, die lediglich
Freizeitzwecken dienen, nicht der Fall.
2. Die Pensionspferdehaltungsleistungen der Astin. stellen auch keine
"landwirtschaftlichen Dienstleistungen" im Sinne von Artikel 25 Abs. 2 5. Teilstrich
6. EG-Richtlinie dar. Gemäß Anhang B der 6. EG-Richtlinie, auf den Artikel 25 Abs.
2 5. Teilstrich 6. EG-Richtlinie verweist, gelten nur solche Dienstleistungen als
landwirtschaftlich, die "normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion
beitragen". Die Leistungen "Hüten, Zucht und Mästen von Vieh" sind somit nur
dann landwirtschaftliche Dienstleistungen, wenn das gehütete, gezüchtete oder
gemästete Vieh zur landwirtschaftlichen Produktion beiträgt, wenn z.B. ein Landwirt
Pensionstierhaltung für die Milchkühe oder die Holzrückepferde eines anderen
Land- oder Forstwirts betreibt.
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3. Die Pensionspferdehaltungsleistungen stellen auch keinen landwirtschaftlichen
Nebenbetrieb im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG dar. Nach Aktenlage ist schon
unklar, ob die Astin. überhaupt einen landwirtschaftlichen Hauptbetrieb betreibt.
Zwar hat die Astin. vorgetragen, sie betreibe auf eigenen Flächen eine
Pferdezucht. Ob diese Pferdezucht unter die Vieheinheitengrenzen gemäß § 24
Abs. 2 Nr. 2 UStG fällt, ist bislang ungeklärt. Diese Frage kann der Senat jedoch
dahinstehen lassen, denn die Pferdepensionshaltungsleistungen stehen nach dem
eigenen Vortrag der Astin. nicht in einem Unterordnungsverhältnis zum
Hauptbetrieb. Die Astin. betreibt nach ihrem eigenen Vortrag nämlich eine
"umfangreiche" Pferdepensionshaltung. Ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb im
Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG muss in einem gewissen
Unterordnungsverhältnis zum Hauptbetrieb stehen und dazu dienen, Erzeugnisse
des Hauptbetriebs zu veredeln oder die Verwertung zu fördern und es muss eine
planmäßige Verbindung zwischen Haupt- und Nebenbetrieb bestehen. Haupt- und
Nebenbetrieb bilden einen einheitlichen Betrieb, dessen Einordnung nach
Gewerblichkeit oder Land- und Forstwirtschaft danach erfolgt, welche Betätigung
dem Unternehmen insgesamt das Gepräge gibt (Hartmann/Metzenmacher, UStG E
§ 24 Abs. 2 RdNr. 55 m.w.N.). Der Senat geht bei summarischer Prüfung davon
aus, dass der Pensionspferdehaltungsbetrieb dem Unternehmen der Astin. das
Gepräge gibt und nicht die Pferdezucht der Astin. Die Pensionspferdehaltung kann
auch nicht als bloße Förderung des Absatzes oder der Veredelung von
landwirtschaftlichen Produkten (Gras, Hafer, Heu) angesehen werden. Umgekehrt
fördert nach Auffassung des Senats die Futterproduktion die
Pferdepensionsleistungen der Astin.
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4. Die Leistungen der Pensionspferdehaltung an "Nichtlandwirte" stellt bei
richtlinienkonformer Auslegung auch kein "Halten von Vieh" im Sinne von § 12
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Abs. 2 Nr. 3 UStG dar. Die Leistungen der Astin. unterliegen daher nicht dem
ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz. Die soeben genannte Vorschrift beruht
auf Artikel 12 Abs. 3 Buchst. a) Unterabsatz 3 6. EG-Richtlinie. Danach erlaubt die
6. EG-Richtlinie einen ermäßigten Steuersatz nur bei denjenigen Leistungen, die
den in Anhang H der 6. EG-Richtlinie entsprechenden Kategorien entsprechen.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des BFH sind die Bestimmungen,
die Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz darstellen, eng auszulegen.
Sondervorschriften sind nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres
Zieles erforderlich ist (EuGH a.a.O.; BFH in BStBl. II 2004, 757 m.w.N.). Anhang H
Ziffer 10 nennt "... Dienstleistungen, die in der Regel für den Einsatz in der
landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt sind...". Die 6. EG-Richtlinie stellt daher
ausschließlich auf die Zweckbestimmung der Leistung beim Leistungsempfänger
ab. Soweit Leistungen für landwirtschaftliche Erzeugung bestimmt sind, können die
Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz regeln. Auf die Art und Weise, wie der
leistende Unternehmer seine Leistung erbringt, kommt es somit nicht an. Daher ist
es unerheblich, ob die Pferdepensionshaltungsleistungen auf eigener
Futtergrundlage oder mit zugekauftem Futter erbracht werden. Auch ist es
unerheblich, ob und in welchem Umfang die Pensionspferde von ihren
Eigentümern geritten oder sonstwie – etwa für Zuchtzwecke – genutzt werden.
Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn Pferde eines Land- oder Fortwirtes, der
die Pferde für seine Land- oder Forstwirtschaft nutzt, oder wenn Zuchtpferde eines
Gestüts "bestallt" werden (BFH in BStBl. II 2004, 757.) Diese Fallgestaltung liegt im
Streitfall aber nicht vor.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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