Urteil des FG Münster vom 17.03.2009

FG Münster: kapitalgesellschaft, gleichbehandlung, einzelunternehmer, streichung, einspruch, vergleich, einkünfte, steuerfestsetzung, wettbewerbsneutralität, personengesellschaft

Finanzgericht Münster, 9 K 2905/08 K
Datum:
17.03.2009
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 2905/08 K
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Streitig ist, ob das in § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) angeordnete
Abzugsverbot für Zinsen auf Steuernachzahlungen verfassungsgemäß ist.
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Die Klägerin, eine GmbH, betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Angelsportartikeln.
Im Jahr 2006 fand bei ihr eine Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2000 bis
2004 statt, in deren Verlauf der Prüfer mehrere steuererhöhende Feststellungen traf.
Diese Sachverhalte sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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Am 11. Oktober 2006 erließ der Beklagte (das Finanzamt – FA –) für die Jahre 1999 bis
2004 geänderte Körperschaftsteuer-(KSt-)Bescheide, die jeweils zu
Steuernachzahlungen führten. Bereits der Betriebsprüfer hatte die sich ergebenden
Nachzahlungszinsen (§ 233a der Abgabenordnung – AO 1977 –) zur
Körperschaftsteuer im Wege wirtschaftlicher Zurechnung auf diejenigen
Veranlagungszeiträume verteilt, in die der Zinslauf fiel, und den handelsrechtlichen
Gewinn entsprechend gemindert. Im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden
Einkommens wurden die Nachzahlungszinsen auf der Grundlage des § 10 Nr. 2 KStG
hingegen nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Im Einzelnen stellen sich die
Steuerfestsetzungen und die Nachzahlungszinsen für die Streitjahre 2002 bis 2004 wie
folgt dar:
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Jahr Steuerfestsetzung nicht abziehbare Nachzahlungszinsen
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2002 141.084 € 2.468 €
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2003 270.776 € 5.286 €
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2004 369.566 € 8.031 €
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Ihren Einspruch begründete die Klägerin damit, dass der Nichtabzug von
Nachzahlungszinsen bei gleichzeitiger Steuerpflicht von Erstattungszinsen eine
Ungleichbehandlung darstelle, die nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt und
daher verfassungswidrig sei. Dies müsse jedenfalls bei einer Kapitalgesellschaft gelten,
die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht über eine außerbetriebliche
Sphäre verfüge. Das zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung bei der
Einkommensteuer herangezogene Argument, private Schuldzinsen seien generell nicht
abziehbar, könne daher auf Kapitalgesellschaften nicht übertragen werden.
Insbesondere verwies die Klägerin darauf, dass sie Zinsaufwendungen unzweifelhaft
als Betriebsausgaben hätte abziehen können, sofern sie die Steuernachzahlungen
bereits innerhalb der Karenzfrist des § 233a AO 1977 geleistet und zu diesem Zweck
Bankdarlehen aufgenommen hätte. Einem Einkommensteuersubjekt wäre dies
hingegen nicht möglich gewesen, was die unterschiedliche Ausgangslage zwischen
natürlichen Personen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits verdeutliche.
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Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA am 2. Januar 2007 einen geänderten
KSt-Bescheid für 2004, mit dem es die Steuer wegen eines Verlustrücktrags aus 2005
auf 348.596 € herabsetzte. Ferner übersandte das FA der Klägerin am 5. Januar 2007
"Bescheide" für die Jahre 2002 bis 2004, in denen es die Steuerfestsetzung jedoch
unverändert ließ. Mit weiterem Änderungsbescheid für 2004 vom 17. Januar 2008 ließ
es den Verlustrücktrag außer Ansatz und erhöhte die Steuer wieder auf den Betrag, der
bereits im Bescheid vom 11. Oktober 2006 festgesetzt worden war (369.566 €).
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Am 3. Juli 2008 wies das FA den Einspruch zurück. Zur Begründung führte es aus, nach
der Vorstellung des Gesetzgebers sollten Nebenleistungen zu Personensteuern ebenso
vom Abzug ausgeschlossen sein wie die Personensteuern selbst.
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Im Klageverfahren wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Vorbringen aus dem
Einspruchsverfahren.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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die Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2008 aufzuheben und unter Änderung der
Körperschaftsteuerbescheide für 2002 und 2003 vom 11. Oktober 2006 / 5. Januar
2007 sowie des Körperschaftsteuerbescheids für 2004 vom 17. Januar 2008 die
Steuern in der Weise festzusetzen, dass Nachzahlungszinsen in Höhe von 2.468 €
(2002), 5.286 € (2003) sowie 8.031 € (2004) einkommensmindernd berücksichtigt
werden,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig (§ 100
Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
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1. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass der unterbliebene Abzug der
Nachzahlungszinsen in den angefochtenen Bescheiden den einfachgesetzlichen
Regelungen entspricht. Bei Nachzahlungszinsen (§ 233a AO 1977) handelt es sich um
steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO 1977). Steuerliche Nebenleistungen, die
auf Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern entfallen, sind durch § 10
Nr. 2 Halbsatz 2 KStG den nichtabziehbaren Aufwendungen zugeordnet worden.
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2. Das in § 10 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG angeordnete Abzugsverbot ist nicht
verfassungswidrig. Daher kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht
(BVerfG) auf der Grundlage des Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht in
Betracht.
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a) Die Rechtsentwicklung der Behandlung derartiger Nebenleistungen stellt sich wie
folgt dar: Während für Personensteuern seit dem KStG 1920 durchgängig ein
Abzugsverbot im KStG normiert war (vgl. Hollatz in Herrmann/Heuer/Raupach – HHR –,
Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10 KStG Anm. 2,
Stand September 2006), enthielt das Gesetz zunächst keine ausdrückliche Regelung für
steuerliche Nebenleistungen zu derartigen Personensteuern. Der Bundesfinanzhof
(BFH) hatte hierzu anfänglich die Auffassung vertreten, Zinsen seien wegen ihres engen
Zusammenhangs mit der Steuerhauptschuld ebenfalls als nichtabziehbare
Personensteuern anzusehen (BFH-Urteil vom 23. Mai 1984 I R 204/80, BFHE 141, 258,
BStBl II 1984, 672, betr. Aussetzungszinsen). Diese Auffassung hat er mit dem Urteil
vom 23. November 1988 I R 180/85 (BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 116, betr.
Stundungszinsen) – zwar nicht formell, wohl aber der Sache nach – aufgegeben und
ausgeführt, eine entsprechende Anwendung des für Personensteuern geltenden
Abzugsverbots auf steuerliche Nebenleistungen hätte im Gesetz ausdrücklich
angeordnet werden müssen.
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Bereits kurz vor dem Ergehen der zuletzt genannten Entscheidung hatte der
Gesetzgeber mit dem Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl. I 1988, 1093) §
10 Nr. 2 KStG um einen Halbsatz 2 ergänzt und darin eine ausdrückliche Erweiterung
des Abzugsverbots auf steuerliche Nebenleistungen angeordnet. Hiervon
ausgenommen waren allerdings Nachzahlungs-, Stundungs- und Aussetzungszinsen
(§§ 233a, 234, 237 AO 1977). Im Ergebnis betraf das Abzugsverbot damit allein
Hinterziehungszinsen (§ 235 AO 1977) sowie solche steuerlichen Nebenleistungen, die
keine Zinsen sind. Gemäß § 54 Abs. 8 KStG 1990 war dieses Abzugsverbot auch für
Veranlagungszeiträume vor 1990 anzuwenden. In Bezug auf Hinterziehungszinsen hat
der BFH das Abzugsverbot sowohl materiell-rechtlich als auch hinsichtlich der
Rückwirkung als verfassungsgemäß angesehen (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1994 I R
7/94, BFHE 176, 552, BStBl II 1995, 477).
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Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999,
402) hat der Gesetzgeber dann die noch heute geltende Rechtslage geschaffen, indem
er die für Nachzahlungs-, Stundungs- und Aussetzungszinsen geltende
Ausnahmeregelung mit Wirkung ab 1999 gestrichen hat. Seither unterliegen sämtliche
steuerlichen Nebenleistungen zu Personensteuern einem Abzugsverbot.
Rechtsprechung hierzu liegt – soweit ersichtlich – noch nicht vor.
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b) Die Gesetzeslage im Einkommensteuerrecht hat sich parallel hierzu entwickelt. § 12
Nr. 3 EStG sah zunächst nur ein Abzugsverbot für Personensteuern vor. Mit dem
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Steuerreformgesetz 1990 wurde das Abzugsverbot auf steuerliche Nebenleistungen
erweitert. Nachzahlungs-, Stundungs- und Aussetzungszinsen blieben jedoch auch hier
ausgenommen; sie waren gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG 1990 als Sonderausgaben
abziehbar. Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 hat dann sowohl die
Ausnahmeregelung in § 12 Nr. 3 EStG als auch den Sonderausgabentatbestand des §
10 Abs. 1 Nr. 5 EStG aufgehoben, so dass auch im Einkommensteuerrecht seit 1999
sämtliche steuerlichen Nebenleistungen zu Personensteuern nicht abziehbar sind. Der
BFH hält dies in ständiger Rechtsprechung für verfassungsgemäß (BFH-Urteil vom 2.
September 2008 VIII R 2/07, DB 2009, 149; zur Streichung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG
auch BFH-Urteil vom 15. November 2006 XI R 73/03, BFHE 216, 61, BStBl II 2007,
387).
c) Nach Auffassung des Senats verletzt das für Nachzahlungszinsen geltende
Abzugsverbot des § 10 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG, insbesondere nicht die daraus abgeleiteten Gebote, die Steuern nach Maßgabe
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und aufgrund folgerichtig
ausgestalteter Steuergesetze zu erheben.
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aa) Geht man mit dem BFH davon aus, dass eine Kapitalgesellschaft keine
außerbetriebliche Sphäre hat (BFH-Beschluss vom 20. November 2007 I R 54/05,
BFH/NV 2008, 617, mit zahlreichen weiteren Nachweisen), würde das Abzugsverbot
des § 10 Nr. 2 KStG das sog. objektive Nettoprinzip berühren. Dieses Prinzip hat zum
Inhalt, dass Aufwendungen, die durch die Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte
veranlasst sind, steuerlich grundsätzlich abziehbar sein müssen. Hingegen berührt das
parallele Abzugsverbot in § 12 Nr. 3 EStG das objektive Nettoprinzip nicht, weil die
private Einkommensteuer einer natürlichen Person traditionell auch insoweit nicht als
durch die Einkunftserzielung veranlasst angesehen wird, als die Steuer auf betriebliche
Einkünfte entfällt.
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Auch in seiner neueren Rechtsprechung hat das BVerfG offen gelassen, ob das
objektive Nettoprinzip als solches Verfassungsrang hat. Jedenfalls darf der Gesetzgeber
dieses Prinzip beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen und sich dabei
generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Die
Ausgestaltung seiner Belastungsentscheidungen muss allerdings dem – aus Art. 3
Abs. 1 GG abzuleitenden – Gebot hinreichender Folgerichtigkeit genügen (vgl. BVerfG-
Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, NJW 2009, 48, unter C.I.3.a, mit
weiteren Nachweisen).
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bb) In Anwendung dieser Grundsätze kann sich der Gesetzgeber selbst dann, wenn
§ 10 Nr. 2 KStG das objektive Nettoprinzip berühren würde, auf hinreichende Gründe
berufen, die das Abzugsverbot rechtfertigen.
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(1) Zum einen sind bereits Personensteuern als solche – insbesondere die eigene KSt
der Kapitalgesellschaft – vom Abzug ausgeschlossen. Dieses Abzugsverbot würde das
objektive Nettoprinzip in weit stärkerem Maße berühren als das für – betragsmäßig im
Vergleich zu den Steuern eher geringfügige – steuerliche Nebenleistungen geltende
Abzugsverbot. Gleichwohl gehört es seit dem KStG 1920 zum Kernbestand der
gesetzlichen Regelungen; seine Verfassungsmäßigkeit steht nach Auffassung des
Senats außer Frage und wird auch in der Literatur nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.
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Auch der BFH hat das für die Körperschaftsteuer als solche geltende Abzugsverbot
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bisher nicht beanstandet, obwohl die Körperschaftsteuer handelsrechtlich zu den
Betriebsausgaben gehört. Dies zeigt, dass auch der BFH den einfachgesetzlichen
Grundsatz des Fehlens einer außerbetrieblichen Sphäre bei Kapitalgesellschaften
allein noch nicht als ausreichend ansieht, um entsprechende Abzugsverbote als
gleichheitswidrig – insbesondere als gegen das objektive Nettoprinzip und das Gebot
der Folgerichtigkeit verstoßend – zu qualifizieren.
Allerdings macht die Klägerin geltend, Erstattungen von Personensteuern unterlägen
nicht der KSt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 20. November 2007 I R 54/05, BFH/NV
2008, 617, unter II.b), während Erstattungszinsen das zu versteuernde Einkommen
erhöhen würden. Der Senat kann offen lassen, ob er Letzterem – insbesondere im
Hinblick auf das Gebot der Folgerichtigkeit – ebenfalls zuneigen könnte (kritisch z.B.
HHR/Hollatz, § 10 KStG Anm. 90, Stand September 2006). Denn diese Frage könnte im
Streitfall nicht geklärt werden, weil die Klägerin in den Streitjahren keine
Erstattungszinsen erhalten hat.
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Dass auch der BFH dazu neigt, das Abzugsverbot für steuerliche Nebenleistungen in
verfassungsrechtlicher Hinsicht ebenso zu beurteilen wie das Abzugsverbot für die
Steuern als solche, zeigt die Formulierung im Urteil vom 23. November 1988 I R 180/85
(BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 116, unter II.5.), eine entsprechende Anwendung des für
Personensteuern geltenden Abzugsverbots auf steuerliche Nebenleistungen hätte im
Gesetz ausdrücklich angeordnet werden müssen. Diese Äußerung wäre nicht denkbar
gewesen, wenn der BFH eine entsprechende gesetzliche Regelung von vornherein für
verfassungswidrig gehalten hätte.
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(2) Zur Begründung der Streichung der für u.a. Nachzahlungszinsen geltenden
Ausnahme in § 10 Nr. 2 KStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 hat
sich der Gesetzgeber vor allem auf die Parallelen zu den gleichzeitig vorgenommenen
einkommensteuerlichen Änderungen berufen (vgl. BT-Drucks. 14/23, 191).
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Diese Begründung ist hinreichend tragfähig. Dies gilt vor allem dann, wenn man
bedenkt, dass die Regelungen in § 12 Nr. 3 EStG einerseits und § 10 Nr. 2 KStG (bzw.
dessen Normvorläufern) andererseits seit 1920 stets deckungsgleich ausgestaltet und
jeweils parallel zueinander geändert worden sind. Insofern entspricht die
Gleichbehandlung von Einkommensteuer- und Körperschaftsteuersubjekten einer
langjährigen – in die Anfangszeit moderner Steuergesetzgebung zurückreichenden –
Gesetzgebungstradition. Der Senat hält daher zumindest eine "generalisierende
Regelung" im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG zu den zulässigen
Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips für gegeben.
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Aber auch inhaltlich kann sich der Gesetzgeber für die von ihm gewünschte
Gleichbehandlung jedenfalls auf den Gedanken der Wettbewerbsneutralität stützen.
Denn der Steuerpflichtige ist grundsätzlich frei, eine unternehmerische Betätigung durch
eine Kapitalgesellschaft oder aber als Einzelunternehmer bzw. Personengesellschafter
durchzuführen. Bei Einzelunternehmern bzw. den Gesellschaftern einer
Personengesellschaft wird die Ertragsteuer als Einkommensteuer vom
Einzelunternehmer (Gesellschafter) erhoben; das in § 12 Nr. 3 EStG angeordnete
Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen ist hier anwendbar und höchstrichterlich als
verfassungsgemäß bestätigt worden. Bei Kapitalgesellschaften und ihren
Gesellschaftern wird die Ertragsteuer auf das Ergebnis der wirtschaftlichen Betätigung
der Gesellschaft auf zwei Ebenen erhoben ("Teil- bzw. Halbeinkünfteverfahren"): Ein
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Teil der Ertragsteuer fällt als Körperschaftsteuer bei der Kapitalgesellschaft selbst an,
die einem im Vergleich zu den Spitzensätzen der Einkommensteuer deutlich reduzierten
Körperschaftsteuersatz unterliegt (15%; in den Streitjahren 2002 bis 2004 noch 25%
bzw. 26,5%). Der andere Teil der Ertragsteuer wird als Einkommensteuer von den
Gesellschaftern erhoben, wenn diese Gewinnausschüttungen erhalten oder ihren Anteil
mit Gewinn veräußern; dabei werden zum Ausgleich der teilweisen Körperschaftsteuer-
Vorbelastung 40% (in den Streitjahren 2002 bis 2004 noch 50%) der
Bemessungsgrundlage einkommensteuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 40 EStG). Würde nun das
Abzugsverbot für steuerliche Nebenleistungen im Körperschaftsteuerrecht nicht gelten,
wären Steuerpflichtige, die sich über die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
wirtschaftlich betätigen, besser gestellt als Personenunternehmer. Denn während die
Letztgenannten Nachzahlungszinsen auf Einkommensteuern, die auf betrieblichen
Einkünften beruhen, in vollem Umfang aus bereits versteuertem Einkommen erbringen –
und daher letztlich dem Betrieb entnehmen – müssen, könnte die Kapitalgesellschaft
Nachzahlungszinsen ohne Steuerbelastung leisten; ihre Liquidität bliebe geschont. Die
vom Gesetzgeber in diesem Punkt ausdrücklich gewollte Gleichbehandlung von
Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften stellt sich damit als hinreichend
tragfähiger Rechtfertigungsgrund dar.
Soweit die Klägerin vorträgt, sie hätte im Falle der Finanzierung einer "pünktlichen" KSt-
Zahlung die anfallenden Bankzinsen als Betriebsausgaben abziehen können, beruft sie
sich auf einen fiktiven Sachverhalt. Der Besteuerung ist indes nur der jeweils tatsächlich
verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen.
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Es mag sein, dass auch für einen Betriebsausgabenabzug der Nachzahlungszinsen
gute Gründe sprechen würden. Der erkennende Senat ist jedoch der Auffassung, dass
der Gesetzgeber mit dem Abzugsverbot die ihm von Verfassungs wegen gesetzten
Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit noch nicht überschritten hat, da er die von ihm
getroffene Regelung auf hinreichend tragfähige – wenngleich nicht zwingende –
Erwägungen stützen kann.
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3. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beruht auf § 90 Abs. 2 FGO, die
Kostenentscheidung auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO) zugelassen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der
Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots von Nachzahlungszinsen im
Körperschaftsteuerrecht liegt noch nicht vor. Insbesondere hat der BFH diese
Rechtsfrage in seinem Beschluss vom 6. November 2007 I B 88/07 (BFH/NV 2008, 577)
wegen unzureichender Begründung der dort eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde
nicht behandeln können. Wegen der vom BFH vertretenen Auffassung, eine
Kapitalgesellschaft habe keine außerbetriebliche Sphäre, kann die zur Parallelregelung
des § 12 Nr. 3 EStG vorliegende Rechtsprechung auch nicht unbesehen auf das
Körperschaftsteuerrecht übertragen werden.
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