Urteil des FG Münster vom 24.09.2009

FG Münster (anzeige, notar, 1995, stelle, urkunde, vertrag, gesellschafter, grundstück, form und inhalt, anzeigepflicht)

Finanzgericht Münster, 8 K 2284/06 GrE
Datum:
24.09.2009
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 2284/06 GrE
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 in der Fassung des
Grunderewerbsteuer-Änderungsbescheides vom 15.09.2009 sowie die
Einspruchsentscheidung vom 30.03.2006 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte hat die Möglichkeit, die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der
Klägerin abzuwenden, wenn diese nicht zuvor Sicherheit in derselben
Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Streitig ist, ob der vom Beklagten (Finanzamt – FA -) am 09.09.2005 erlassene
Grunderwerbsteuerbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil er erst nach Eintritt der
Festsetzungsverjährung ergangen ist.
2
Die Klägerin (Klin.) ist die T. & L. Grundstücks GmbH (im folgenden GmbH), die mit
notariell beurkundetem Vertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr. 99/2000 des Notars J., A.
gegründet worden ist. Gesellschafter der GmbH sind T. und seine Schwester L., geb. T.
3
T. war nach dem Inhalt des Gründungsvertrages der GmbH mit 15.150 EUR (= 50,5 %)
und L. mit 14.850 EUR (= 49,5 %) am Stammkapital der GmbH in Höhe von 30.000 EUR
beteiligt. Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung des im Grundbuch von A.
Blatt xxx eingetragenen Grundbesitzes F.-Straße 46. Die beiden Gesellschafter T. und
L. und K. hatten zuvor diesen im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundbesitz
als L. und T. GbR im Rahmen einer steuerlichen Mitunternehmerschaft als Besitz-GbR
(mitunternehmerische Betriebsaufspaltung) vermietet. An dieser Besitz-GbR waren
diese beiden Gesellschafter ebenfalls mit denselben Beteiligungsverhältnissen von 50,5
% und 49,5 % beteiligt. Die Besitz-GbR wurde vom FA unter der StNr. xxx/5870/0190
geführt.
4
Mit Schreiben vom 09.08.2000 bat das FA die Prozessvertreterin des hier vorliegenden
Klageverfahrens, für die Besitz-GbR (StNr. xxx/5870/0190) eine vorläufige Einkunfts-
ermittlung für das Jahr 1999 einzureichen. Die Prozessvertreterin antwortete mit
Schreiben vom 01.09.2000 wie folgt:
5
"Bezugnehmend auf die Anforderungen des FA A. vom 09.08.2000 übersenden wir
als Anlage die Bilanz zum 30.06.1999 der L. und T. GbR, F.-Straße 46.
6
Außerdem übersenden wir in Kopie die Urkundenrollen-Nr. UR 101/2000 des
Notars J., A., vom 26.02.2000 zur Kenntnisnahme und Verbleib. Gegenstand der
Urkunde ist die Sacheinbringung der Mitunternehmerschaft in die T. & L.
Grundstücks-GmbH, A..
7
Nach unserer Auffassung ergeben sich folgende steuerliche Auswirkungen:
8
1. Steuerlich sind den Gesellschaftern T. und L. aus ihrer Beteiligung 1999 jeweils
24.088 DM als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen.
9
10
2. Aufgrund der Sacheinlage am 26.02.2000 zum 30.06.1999 hat die T. & L.
Grundstücks-GmbH (StNr. xxx/5795/0862) im Jahre 1999 Einkünfte aus
Gewerbebetrieb (§ 8 Abs. 2 KStG; § 2 Abs. 1 UmwStG).
11
12
Da in dem Zeitraum 30.06. bis 31.12.1999 erhebliche Erhaltungsaufwendungen
vorgenommen wurden, ist mit einem steuerlichen Verlust zu rechnen."
13
In der notariellen Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.)
vereinbarten T. und L. als Gesellschafter der GmbH die Erhöhung des Stammkapitals
von 30.000 EUR auf 40.000 EUR, wovon T. 5.050 EUR und K. 4.950 EUR übernahmen.
14
Es wurde unter I. des Vertrages außerdem u. a. folgendes vereinbart:
15
"...
16
3. Die neuen Stammeinlagen sind nicht in bar, sondern dadurch zu leisten, dass die
Erschienenen zu 1. und 2. die steuerliche Mitunternehmerschaft der
Besitzgesellschaft an dem Grundbesitz (L. und T. GbR), der im Grundbuch von A.
Blatt xxx eingetragen ist, in die Gesellschaft einbringen. An dieser steuerlichen
Mitunternehmerschaft sind Herr T. 50,5 % und Frau L. mit 49,5 % beteiligt. Neben
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dem vorbezeichneten Grundbesitz werden alle Aktiva und Passiva der L./T. GbR,
die zu dieser steuerlichen Mitunternehmerschaft gehören, in die Gesellschaft
eingebracht gemäß der anliegenden, einen Bestandteil dieser Urkunde bildenden
Bilanz der steuerlichen Mitunternehmerschaft zum 30.06.1999, 12.00 Uhr. Soweit
sich in der Zeit vom 30.06.1999, 12.00 Uhr bis zum heutigen Tage Veränderungen
bei den Aktiva und Passiva ergeben haben sollten, werden die Aktiva und Passiva
der steuerlichen Mitunternehmerschaft nach ihrem heutigen Bestand in die
Gesellschaft eingebracht.
18
4. Die Einbringung der Aktiva und Passiva der steuerlichen Mitunternehmerschaft
erfolgt zu Buchwerten mit steuerlicher und wirtschaftlicher Wirkung vom
30.06.1999, 12.00 Uhr gemäß § 20 Umwandlungssteuergesetz.
19
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5. Die Erschienenen zu 1. und 2. übertragen hiermit mit steuerlicher und
wirtschaftlicher Wirkung zum 30.06.1999, 12.00 Uhr, sämtliche Aktiva und Passiva
der steuerlichen Mitunternehmerschaft bzgl. des Grundbesitzes A. Blatt xxx auf die
GmbH. Die GmbH nimmt die vorstehende Übertragung an. Sie wird hierbei von
den Erschienen zu 1. und 2. vertreten. Die Erschienenen zu 1. und 2. sind
gemeinschaftlich vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH. Sie sind von
den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit.
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6. Die Erschienenen zu 1. und 2. sowie die T. & L. Grundstücks-GmbH, vertreten
durch ihre gemeinschaftlich vertretungsberechtigten und von den Beschränkungen
des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer T. und L., erklärten sodann die
Auflassung des eingebrachten Grundbesitzes wie folgt:
23
24
"Wir sind darüber einig, dass das Eigentum an dem im Grundbuch von A.
Blatt xxx eingetragenen 1/3 Miteigentumsanteil an dem Grundstück der
Gemarkung A. Flur 43 Flurstück 72, Hof- und Gebäudefläche, F.-straße
46, 986 qm groß, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im
Kellergeschoss und im ersten Obergeschoss gelegenen Räumen, soweit
diese im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichnet sind, auf die T. & L.
Grundstücks-GmbH in A. übergehen soll und bewilligen und beantragen
die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch."
25
7. Die im Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Belastungen werden sowohl in
dinglicher als auch in persönlicher Hinsicht von der GmbH übernommen."
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27
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Urkunde vom 26.02.2000
verwiesen.
28
Unter dem 29.02.2000 schrieb daraufhin der Notar J. dem FA Folgendes, wobei die
Stelle im FA, zu der dieses Schreiben gelangen sollte nicht in der Anschrift angegeben
war:
29
"Firma T. & L. Grundstücks GmbH in A.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
31
In der Anlage übersende ich eine notariell beglaubigte Kopie des Protokolls vom
26.02.2000 (UR 101/00) nebst Genehmigungserklärung vom 28.02.2000 (UR
111/00) gemäß § 54 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung."
32
Die Grunderwerbsteuerstelle (GrESt-Stelle) des FA wurde über die Urkunde vom
26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) von dem Notar J. nicht gesondert informiert.
Sie erhielt auch nicht durch Weiterleitung des Schreibens des Notars J. vom 29.02.2000
innerhalb des FA Kenntnis.
33
Erstmals am 25.02.2005 wurde die GrESt-Stelle des FA vom FA für Groß- und
Konzernbetriebsprüfung (GKBp-FA A.) über die Sacheinbringung der
Mitunternehmerschaft L. und T. GbR mit ihrem 1/3 Miteigentumsanteil an dem
Grundstück F.-straße 46, A., in die T. & L. Grundstücks GmbH laut notarieller Urkunde
vom 26.02.2000 des Notars J. unterrichtet.
34
Die bei der Klin. durch die GKBp-FA A. auch für die GrESt durchgeführte
Betriebsprüfung kam hinsichtlich der GrESt im Bp-Bericht vom 24.03.2005 u. a. zu
folgenden Feststellungen:
35
"2.3 Wirtschaftliche Verhältnisse
36
Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung der zu gewerblichen Zwecken
vermieteten Miteigentumsanteile an dem vormals von der Fa. T. GmbH & Co. KG
eigengewerblich genutzten Grundstück F.-Straße 46, A., der T.-Erben T. und L.
37
2.4 Grunderwerbsteuer
38
Die Übertragung und Einbringung durch Sacheinlage der Anteile an der L. und T.
GbR (bisher Sonderbetriebsvermögen zur T. GmbH & Co. KG) mit den
Miteigentumsanteilen an dem Grundstück F.-Straße 46, A., in die GmbH unterliegt
gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der
Grunderwerbsteuer.
39
Festsetzungsverjährung ist nach Auffassung der Bp nicht eingetreten; auf das zur
Erbschaft- und Schenkungssteuer ergangene BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R
22/01 BStBl. II 2003, 502 mit Bezugnahme auf das zur Grunderwerbsteuer
ergangene BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802 wird
hingewiesen. Diese Rechtsauffassung wird von Seiten der GmbH nicht geteilt.
40
Die Grunderwerbsteuer ist wie folgt zu berechnen:
41
a. Bedarfswertermittlung
42
43
Monatsmiete netto 20.000 DM x 12 Monate x Vervielfältiger 12,5: 3 Mio. DM
44
abzgl. Wertminderung (44 Jahre x 0,5 %) 660.000 DM
45
anzusetzen: 2.340.000 DM
46
umgerechnet: 1.196.423 EUR
47
5. Bedarfsbewertung
48
49
Durch die Bp wurde bei der Bewertungsstelle des FA A. die Durchführung einer
Bedarfsbewertung veranlasst. Der Bescheid über die Bedarfsbewertung ist
Grundlagenbescheid für die Grunderwerbsteuer."
50
Nachdem sodann das FA mit bestandskräftigen Bescheid vom 04.08.2005 eine
gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 26.02.2000 für Zwecke der
Grunderwerbsteuer durchgeführt und den Grundbesitzwert in Höhe von 1.196.423 EUR
festgestellt hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 09.09.2005, auf dessen Inhalt Bezug
genommen wird, die Grunderwerbsteuer betreffend den Einbringungsvertrag vom
26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) ausgehend von einer
Bemessungsgrundlage in Höhe von 1.196.423 EUR auf 41.874 EUR gegenüber der
Klin. fest.
51
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs berief sich die Klin. darauf, dass
der Bescheid vom 09.09.2005 erst nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen
sei. Die beim FA eingegangene Ausfertigung der Urkunde habe zum Anlauf der
Festsetzungsfrist geführt. Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO)
beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Anzeige beim
beklagten FA eingereicht werde. Der eindeutige Wortlaut dieser Vorschrift verlange,
52
entgegen z. B. § 16 a S. 2 GrEStG NW (vgl. dazu BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92
BStBl. II 1995, 802) kein positives Wissen der für die Verwaltung der Grunderwerbsteuer
zuständigen Organisationseinheit des zuständigen FA.
Das BFH-Urteil vom 05.02.2003 II R 22/01 BStBl. II 2003, 502 sei nicht einschlägig, da
es zur Erbschaft- und Schenkungssteuer ergangen sei. Im Urteilsfall habe auch keine
Einreichung von notariell beurkundeten Unterlagen mit allen erforderlichen Angaben
vorgelegen. Stattdessen hätten sich die Kl. darauf berufen, das FA habe die
Schenkungen aus der Fortführung der Buchwerte bzw. aus weiteren Informationen an
die Kapitalverkehrssteuerstelle erkennen müssen.
53
Im vorliegenden Fall ergäben sich alle für die Besteuerung relevanten Informationen aus
der notariellen Urkunde, die dem FA zweimal übersandt worden sei. Dass diese
wichtige und grundlegende Urkunde nicht in die allgemeine Akte der Steuerpflichtigen
abgelegt und damit allen Dienststellen des FA bekannt gemacht worden sei, liege nicht
im Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen.
54
Der Beginn der Festsetzungsfrist sei nur solange hinaus geschoben, bis das FA von
allen für die Entstehung der Steuerschuld wesentlichen Umständen Kenntnis erlangt
habe. Die Frist beginne daher auch dann zu laufen, wenn dem FA durch Übersendung
einer beglaubigten Abschrift des Vertrages durch den beurkundenden Notar eine
Übertragung von Gesellschaftsanteilen im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG bekannt
werde. In diesem Zusammenhang berief sich die Klin. zur weiteren Begründung auf die
Gründe im Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27.05.2004
3 V 58/04, EFG 2004, 1477. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schreiben
der Klin. vom 02.06.2005 und vom 06.10.2005 verwiesen.
55
Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung – EE -
vom 30.03.2006).
56
Es meinte, der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei vor Eintritt der
Festsetzungsverjährung ergangen.
57
Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginne die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2
AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden sei. Abweichend
hiervon bestimme § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO u. a. für Fälle, in denen eine Anzeige zu
erstatten sei, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginne, in
dem die Anzeige eingereicht werde, spätestens jedoch mit Ablauf des Dritten auf die
Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres.
58
Die Anzeigepflicht nach § 18 Abs. 5 GrEStG werde nur durch Übermittlung der Anzeige
an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA erfüllt (BFH-Urteil vom 21.06.1995
II R 11/92 BStBl. II 1995, 802; BFH-Urteil vom 01.12.2004 II R 10/02 BFH/NV 2005,
1365).
59
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG i. V. m. § 13 Nr. 1 GrEStG seien sowohl die Klin.
als Anteilserwerberin als auch die Gesellschafter als bisherige Inhaber der Anteile und
damit als am Erwerbsvorgang beteiligte Steuerschuldner zur Anzeige des Vertrages
vom 26.02.2000 bei der Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA verpflichtet
gewesen. Diese Pflicht habe unabhängig davon bestanden, dass derselbe Vorgang
auch nach § 18 GrEStG durch den Notar anzuzeigen gewesen sei (BFH-Urteile vom
60
30.10.1996 II R 69/94 BStBl. II 1997, 85 und vom 04.03.1999 II R 79/97 BFH/NV 1999,
1301). Die Klin. und die Gesellschafter seien der Anzeigepflicht nicht nachgekommen,
denn sie hätten selbst keine Anzeige erstattet.
Die Anzeigepflichtverletzung der am Erwerbsvorgang Beteiligten sei im Streitfall auch
nicht durch eine wirksame Anzeige eines anderen zur Anzeige Verpflichteten, hier des
beurkundenden Notars, mit der Folge ausgeglichen worden, dass die
Festsetzung/Feststellungsfrist nicht gehemmt worden sei (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom
21.06.1995 a. a. O.). Denn auch der den Vertrag vom 26.02.2000 beurkundende Notar
sei seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Anzeige gemäß § 18 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2
Satz 2 GrEStG nicht nachgekommen. Gemäß § 18 Abs. 5 GrEStG seien Anzeigen an
das für die Besteuerung zuständige FA zu richten. Die Anzeigepflicht werde nur durch
Übermittlung der Anzeige an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen FA erfüllt.
Dieser Verpflichtung sei der Notar nicht nachgekommen, weil er den Vertrag lediglich
bei der Körperschaftsteuerstelle des FA eingereicht habe.
61
Die Festsetzungsfrist habe somit am 01.01.2004 begonnen und am 31.12.2007 geendet.
Der Grunderwerbsteuerbescheid sei im Jahr 2005 und somit vor Ablauf der
Festsetzungsfrist erlassen worden.
62
Der von den Gesellschaftern abgeschlossene notarielle Übertragungs- und
Einbringungsvertrag sei ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang im
Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Die Steuer für einen solchen Vorgang bemesse sich
nach dem Grundbesitzwert im Sinne von § 138 Abs. 2 oder 3 Bewertungsgesetz. Der
Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der
Grunderwerbsteuer sei Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) der hinsichtlich der
Höhe der Wertfeststellung für den Grunderwerbsteuerbescheid bindend sei (§ 182 Abs.
1 AO). Das FA habe die Grunderwerbsteuer danach zutreffend festgesetzt.
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Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klin. die Aufhebung des
angefochtenen Bescheides begehrt.
64
Sie meint, unstreitig sei durch die im Jahre 2000 erfolgte Einbringung der
Mitunternehmerschaften mit den Miteigentumsanteilen an dem Grundstück F.-Straße 46,
A., ein Sachverhalt verwirklicht worden, der der Grunderwerbsteuer unterliege.
65
Jedoch sei dieser Sachverhalt dem FA bereits im Jahre 2000 bekannt gemacht worden,
und zwar mehrfach: Zum einen habe der die Einbringung beurkundende Notar eine
Abschrift der Einbringungsurkunde (UR 101/2000 J.) mit Schriftsatz vom 29.02.2000 und
zum anderen habe die Prozessvertreterin im vorliegenden Klageverfahren als
Vertreterin der Klin. mit Schriftsatz vom 01.09.2000 nochmals die besagte Urkunde in
vollem Umfang übersandt.
66
Der Urkunde seien ohne weiteres sämtliche Angaben zu entnehmen, die gemäß § 20
GrEStG Inhalt einer Anzeige nach § 19 GrEStG sein sollen. Da gemäß § 19 GrEStG die
Anzeige formlos abgegeben werden könne, habe somit eine wirksame Anzeige über
den Rechtsvorgang vorgelegen. Selbst wenn die Angaben unvollständig gewesen
wären, hätte eine wirksame Anzeige vorgelegen, denn nur eine Anzeige, die derart
lückenhaft sei, dass es praktisch auf eine Nichtabgabe der Anzeige hinauslaufe, sei
unwirksam (BFH-Beschluss vom 23.08.2004 IV S 7/04 BFH/NV 2005, 9).
67
Das FA habe unter Hinweis auf die BFH-Rechtsprechung in den Urteilen vom
21.06.1995 II R 11/92 BStBl. II 1995, 802 und vom 01.12.2004 II R 10/02 BFH/NV 2005,
1365 erklärt, eine rechtswirksame Anzeige hätte an die Grunderwerbsteuerstelle des
zuständigen FA gerichtet werden müssen. Eine gesetzliche Pflicht, die nach § 19
GrEStG gebotene Anzeige einer bestimmten Stelle im FA zuzuleiten, bestehe nicht.
§ 19 Abs. 4 GrEStG bestimme lediglich, dass die Anzeige an das für die Besteuerung
zuständige FA zu richten sei. Der Bekl. sei für die Besteuerung zuständig. Dies sei auch
nicht bestritten. Da die Urkunde die Übertragung der Gesellschaftsanteile einer
Personengesellschaft, deren einziges Vermögen in dem betreffenden Grundstück
bestanden habe, auf eine Kapitalgesellschaft zum Gegenstand gehabt habe, habe es
sich offensichtlich um einen grunderwerbsteuerlich relevanten Vorgang gehandelt. Das
Schreiben der Prozessvertreterin der Klin. vom 01.09.2000 an das FA sei daher eine
Anzeige im Sinne von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gewesen. Die Anzeige habe gemäß
§ 19 Abs. 5 Satz 2 GrEStG formlos abgegeben werden können. Die Anzeige habe auch
den gemäß § 20 GrEStG erforderlichen Inhalt gehabt. Aus ihr habe sich der
Grundstücksübergang und die daran beteiligten Personen ergeben. Um welches
Grundstück es sich tatsächlich gehandelt habe, sei dem FA bekannt gewesen, da es
bereits vorher einen Aufgabegewinn errechnet gehabt habe, der sich aus den Erträgen
dieses Grundstücks hergeleitet habe.
68
Aufgrund dieser Bestimmbarkeit sei der Anzeigeninhalt hinreichend konkret gewesen.
Anzeigen im Sinne des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO dürften gewisse
Unvollständigkeiten aufweisen. Die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sei auch
dann erfüllt, wenn die Steueranzeige teilweise unvollständig oder unrichtig sei, solange
sie nicht derart lückenhaft sei, dass dies praktisch auf die Nichtabgabe der Anzeige
hinauslaufe (BFH-Beschluss vom 23.08.2004 IV S 7/04 BFH/NV 2005, 9). Entscheidend
sei, dass die Anzeige es dem FA ermögliche, die Verwirklichung eines
grunderwerbsteuerlichen Tatbestandes zu prüfen (BFH-Beschluss vom 20.01.2005 II B
52/04 BStBl. II 2005, 492). Die vorliegende Anzeige habe es dem FA ermöglicht, ein
ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren einzuleiten und die nicht ausdrücklich
angegeben Einzelheiten – verfahrensökonomisch – den bezeichneten Akten zu
entnehmen.
69
Da vorliegend der grunderwerbsteuerliche Vorgang dem zuständigen FA
ordnungsgemäß angezeigt worden sei, müsse nicht auf die tatsächliche
Kenntniserlangung des FA und eine finanzamtsinterne Wissenszurechnung abgestellt
werden. Daher würde sich eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zur
Kenntniserlangung und Wissenszurechnung erübrigen.
70
Die Frage, welche Voraussetzungen eine Anzeige nach den §§ 19, 20 GrEStG erfüllen
müsse, um gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO den Lauf der Festsetzungsfrist in Gang
zu setzen, sei Gegenstand des beim BFH anhängigen Verfahrens II R 9/08 zum Urteil
des Finanzgerichts Hamburg vom 18.07.2007 3 K 70/07, EFG 2007, 1978.
71
Aus dem vom FA zitierten BFH-Urteil vom 21.06.1995 II R 11/92, BStBl. II 1995, 802,
dem ein anderer Sachverhalt zugrunde liege, weil dort die Vertragskopie an die
Kapitalverkehrssteuerstelle des FA übersandt worden sei, könne gefolgert werden, dass
dann, wenn die Anzeige an eine bestimmte Stelle des FA gerichtet sei, nur diese Stelle
das Wissen gegen sich gelten lassen müsse. Im vorliegenden Fall sei die Anzeige aber
allgemein an "Das Finanzamt" gerichtet gewesen. Da dieses FA auch für die
Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständig gewesen sei, sei damit der
72
Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG Genüge getan. Es falle dann nämlich in den
Verantwortungsbereich des FA, das Wissen der zuständigen Stelle zuzuleiten
(Tipke/Kruse, AO-Kommentar, § 170 Rdn. 25 a). Der vorliegende Fall unterscheide sich
auch vom Sachverhalt, der dem Urteil des BFH vom 01.12.2004 II R 10/92 BFH/NV
2005, 1365 zugrunde gelegen habe. Dort nämlich habe der Notar den vorliegenden
Vertrag lediglich "der Kapitalverkehrssteuerstelle des FA F" eingereicht, und die
Beteiligten hätten nichts angezeigt.
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf in dem vom FA zitierten Urteil
vom 15.08.2006 3 K 3341/04 EFG 2006, 1778 sei es nach ihrer Ansicht fraglich, ob aus
der Anzeige hervorgehen müsse, ob ein grunderwerbsteuerlicher Vorgang mitgeteilt
werden solle, denn nach den allgemeinen Ermittlungsgrundsätzen sei die
Finanzbehörde "an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht
gebunden (§ 88 AO). Das FA habe vielmehr "alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch
die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen."
73
Im Beschluss vom 20.01.2005 II B 52/04 BStBl. II 2005, 492 habe der BFH im
Zusammenhang mit einer Entscheidung zu § 16 Abs. 5 GrEStG ausgeführt, dass es
gegen das Übermaßverbot verstoße, die Rechtsfolgen bei innerhalb der Anzeigefrist
lediglich unvollständigen Bezeichnungen der Grundstücke eintreten zu lassen. Es
reiche regelmäßig aus, wenn die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von
Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson ermöglichen würde. Sei dies geschehen, so
könne sich der Steuerpflichtige aufgrund der Ermittlungsmöglichkeiten der
Finanzbehörden der Besteuerung nicht mehr entziehen.
74
Die Klin. beantragt,
75
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005, geändert durch den GrESt-
Änderungsbescheid vom 15.09.2009 sowie die EE vom 30.03.2006 aufzuheben.
76
Das FA beantragt,
77
die Klage abzuweisen.
78
Zur Begründung bezieht es sich auf den Inhalt der EE vom 30.03.2006.
79
Ergänzend trägt es vor, der von der Klin. angeführte BFH-Beschluss vom 23.08.2004 IV
S 7/04 BFH/NV 2005, 9 sei zur Aussetzung der Vollziehung ergangen. Im
Hauptsacheverfahren habe der BFH mit Urteil vom 07.04.2005 IV R 39/04 BFH/NV
2005, 1229 entschieden, dass die Festsetzungsfrist des § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit
Ablauf des Jahres beginne, in dem die Steuer- bzw. Feststellungserklärung abgegeben
werde, und zwar auch dann, wenn die abgegebene Erklärung teilweise unvollständig
oder unrichtig sei. Etwas anderes gelte nur dann, wenn die Erklärung derart lückenhaft
sei, dass dies praktisch auf das Nichteinreichen der Erklärung hinauslaufe.
80
Im vorliegenden Fall habe die Klin. überhaupt keine Anzeige und damit keine Steuer-
bzw. Feststellungserklärung eingereicht. Auch der Notar habe der
Grunderwerbsteuerstelle des FA von der Grundstücksübertragung keine Anzeige
erstattet. Vom Notar sei der Vertrag lediglich bei der Körperschaftsteuerstelle des FA
eingereicht worden. Diese Vertragseinreichung bei der Körperschaftsteuerstelle könne
nicht als formlose Anzeige gemäß § 19 Abs. 5 GrEStG im Sinne des Urteils des
81
Finanzgerichts Hamburg angesehen werden, denn anders als im Sachverhalt des
Urteils des Finanzgerichts Hamburg vom 18.07.2007 3 K 70/07 EFG 2007, 1878 sei hier
kein formloses Schreiben als Anzeige beim FA eingereicht worden. Zudem würden hier
die Angabe der Einheitswert-Aktenzeichen sowie die weiteren für § 20 Abs. 2 GrEStG
relevanten Einzelheiten, insbesondere die Grundstücksgröße und die Art der
Grundstücksbebauung fehlen. Schon aus diesen Gründen sei das Urteil des
Finanzgerichts Hamburg hier nicht einschlägig.
Gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 29.04.2005 III 358/02 sei beim BFH
unter II R 32/05 Revision eingelegt worden.
82
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten
Grunderwerbsteuerakte sowie auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten
Schriftsätze nebst Anlagen (Schriftsätze der Klin. vom 02.05.2006, 18.07.2006,
18.10.2006, 25.01.2007, 01.07.2009 und 18.08.2009; Schriftsätze des FA vom
28.08.2006, 22.12.2006, 20.02.2007, 05.05.2009, 17.06.2009 und vom 23.07.2009)
Bezug genommen.
83
Im Hinblick auf den BFH-Beschluss vom 27.05.2009 II R 64/08 BFH/NV 2009, 1540 hat
das FA am 15.09.2009 einen GrESt-Änderungsbescheid erlassen, in dem es die
festgesetzte Grunderwerbsteuer der Höhe nach gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO für
vorläufig erklärt hat.
84
Der Berichterstatter hat die Klin. unter Bezugnahme auf das Urteil des Finanzgerichts
Baden Württemberg, Außensenate Stuttgart, vom 17.03.2004 5 K 59/01 EFG 2004, 867
darauf hingewiesen, es könne sein, dass der Senat auf der Grundlage des bisher
vorliegenden Sachverhaltes zum Ergebnis komme, der Notar J. habe wegen der
Nichterstattung der erforderlichen Anzeige im Sinne des § 18 GrEStG eine leichtfertige
(fremdnützige) Steuerverkürzung begangen. Er hat in diesem Schreiben der Klin.
Gelegenheit gegeben, ggfl. den Notar nach Entschuldigungsgründen zu fragen und
diese vorzutragen, warum trotz des Fehlverhaltens des Notars J. ein leichtfertiges
Verhalten des Notars J., das für die Steuerverkürzung ursächlich gewesen sei, nicht
gegeben sei.
85
In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessvertreter der Klin., Herr Steuerberater M.,
mitgeteilt, er habe mit dem Notar J. gesprochen, nachdem er diesem das Schreiben des
Gerichts vom 16.09.2009 zugeschickt gehabt habe. Dieser habe ihm gegenüber erklärt,
er sei davon ausgegangen, dass in dem vorliegenden Fall, wie es bei ihm üblich sei,
eine entsprechende Veräußerungsanzeige auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck
über diesen grunderwerbsteuerrechtlichen Rechtsvorgang an das FA gesandt worden
sei. J. habe aber in seiner Akte keine Durchschrift dieser Veräußerungsanzeige
feststellen können. Er habe damals allerdings auch nicht überprüft, ob diese
Veräußerungsanzeige tatsächlich an das FA abgesandt worden sei. Herr J. habe ihm
gesagt, er sei davon ausgegangen, dass wie auch in den anderen Fällen, die bei ihm
angestellte Frau C. diese Veräußerungsanzeige ausgefüllt und selbständig abgesandt
habe. Herr J. habe ihm gesagt, dass Frau C. hiermit immer beauftragt worden sei und
sich darin bestens auskenne. Herr H. habe ihm gesagt, dass er mit der Erfüllung der
Aufgaben durch Frau C. diesbezüglich sehr zufrieden gewesen sei.
86
Dieses Vorbringen der Klin. hinsichtlich der Entschuldigungsgründe des Notars J. für
die Nichtabgabe der Anzeige auf dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck ist vom
87
Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden.
Der Senat hat in diesem Verfahren am 24.09.2009 mündlich verhandelt. Auf die
Niederschrift hierüber wird verwiesen.
88
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
89
Die Klage ist begründet.
90
Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 und dementsprechend auch der
Grunderwerbsteueränderungsbescheid vom 15.09.2009, mit dem das FA im Hinblick auf
den BFH-Beschluss vom 27.05.2009 II R 64/08 BFH/NV 2009, 1540 die festgesetzte
Grunderwerbsteuer gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO für vorläufig erklärt hat, sind
rechtswidrig, weil der Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 erst nach Ablauf der
Festsetzungsfrist ergangen ist. Sie waren deshalb ebenso wie die EE vom 30.03.2006
aufzuheben.
91
Zwar ist hier die EE vom 30.03.2006 nicht bereits deshalb etwa rechtswidrig, weil ihr ein
anderer grunderwerbsteuerrechtlicher Lebenssachverhalt zugrunde gelegt worden ist
als dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 und deshalb die dem FA
eingeräumte Überprüfungsberechtigung und damit seine Entscheidungsbefugnis durch
den angefochtenen Verwaltungsakt begrenzt ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19.01.1994 II
R 32/90 BFH/NV 1994, 758 und vom 28.07.1993 II R 50/90 BFH/NV 1993, 712 und
BFH-Beschluss vom 15.05.2009 II B 16/09 juris-Rechtsprechungsdokumentation).
92
Das FA hat zunächst in dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 09.09.2005 unter
Hinweis auf Tz. 2.4 des Bp-Berichtes vom 24.03.2005 die Auffassung vertreten, dass in
dem notariellen Einbringungs- und Übertragungsvertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr.
101/2000 des Notars J.) ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG
grunderwerbsteuerrechtlicher Rechtsvorgang zu sehen sei. In der EE vom 30.03.2006
ist das FA demgegenüber von einem gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang ausgegangen.
93
Das FA hat dabei aber sowohl dem GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 als auch der EE
vom 30.03.2006 denselben grunderwerbsteuerrechtlichen Lebenssachverhalt zugrunde
gelegt, und zwar den, der sich aus der Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des
Notars J.) ergab. Das FA hat sich dabei lediglich auf unterschiedliche – rechtlich
relevante – Ausschnitte desselben Lebenssachverhaltes gestützt und ist hiervon
ausgehend lediglich zu einer anderen Begründung der aus demselben
Lebenssachverhalt sich ergebenden GrESt-Pflicht gelangt, zum Einen in dem GrESt-
Bescheid vom 09.09.2005 wegen einer aufgrund der Anteilsübertragung sich
ergebenden Anwachsung bei der Klin. (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) und zum Anderen in
der EE vom 30.03.2006 wegen des Anspruchs auf Übertragung aller Anteile an der
Grundbesitz GbR durch die beiden Anteilsberechtigten auf die Klin. (§ 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG).
94
Der GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 ist rechtswidrig, weil er erst nach Ablauf der
Festsetzungsfrist ergangen ist.
95
Entgegen der Auffassung des FA war hier nicht der Beginn der Festsetzungsfrist gemäß
§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO gehemmt. Die vierjährige gesetzliche Festsetzungsfrist
96
gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO war im vorliegenden Fall auch nicht wegen einer
leichtfertigen Steuerverkürzung des den Erwerbsvorgang beurkundenden Notars J.
gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 und 3 AO auf 5 Jahre verlängert. Sie lief hier deshalb am
31.12.2004 und somit vor Ergehen des angefochtenen GrESt-Bescheides vom
09.09.2005 ab.
Gemäß § 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 AO) mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Abweichend
hiervon bestimmt § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO u. a. für Fälle, in denen eine Anzeige zu
erstatten ist, dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in
dem die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die
Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres.
97
Das FA vertritt in der EE vom 30.03.2006 und im Klageverfahren die Auffassung, dass in
dem notariellen Vertrag vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000 des Notars J.) ein gemäß § 1
Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtiger Rechtsvorgang liege. Das FA meint
dementsprechend, dass sowohl die Klin. nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG i. V. m. §
13 Nr. 1 GrEStG als Anteilserwerberin als auch die beiden Gesellschafter T. und L. als
bisherige Inhaber der Anteile an der Grundbesitz GbR und damit als am
Erwerbsvorgang beteiligte Steuerschuldner zur Anzeige des Vertrages vom 26.02.2000
bei der GrESt-Stelle des zuständigen FA verpflichtet gewesen seien.
98
Eine derartige Anzeigepflicht der Klin. gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG bestand
jedoch nicht, weil der vom FA besteuerte Rechtsvorgang im Vertrag vom 26.02.2000
nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und nicht – wie vom FA angenommen – gemäß § 1 Abs. 3
Nr. 1 GrEStG steuerpflichtig ist.
99
Für einen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang
hatte die Klin. aber keine eigene Anzeigepflicht gemäß § 19 GrEStG. Insoweit ist nur der
beurkundende Notar gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG zur
Anzeige des in dem Vertrag vom 26.02.2000 liegenden grunderwerbsteuerpflichtigen
Rechtsvorganges beim zuständigen FA verpflichtet gewesen.
100
Eine Anzeigepflicht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GrEStG in der im Jahr 2000
maßgeblichen Fassung besteht für schuldrechtliche Geschäfte, die auf die Vereinigung
aller Anteile einer Gesellschaft gerichtet sind, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein
Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG). Der Rechtsvorgang des hinsichtlich des im
Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundstücks unterliegt jedoch nicht gemäß §
1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Das FA vertritt die Auffassung, dass die
Klin. mit dem Vertrag vom 26.02.2000 mit den bisherigen beiden Gesellschaftern der
Grundbesitz-GbR (T. und L.) im vorliegenden Fall ein Rechtsgeschäft getätigt hat, das
für die Klin. den Anspruch auf Übertragung aller Anteile der Grundbesitz-GbR begründet
hat, wobei nach Auffassung des FA durch die Übertragung der GbR-Anteile durch T.
und L. auf die Klin. alle Anteile der Grundbesitz-GbR in der Hand der Klin. allein
vereinigt werden würden.
101
Das FA verkennt, dass bei dem hier vorliegenden Rechtsvorgang die
Grunderwerbsteuerpflicht sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, nicht aber aus § 1 Abs. 3 Nr.
1 GrEStG ergibt. Im vorliegenden Fall ist zwar durch die unter I. 3. des Vertrages vom
26.02.2000 vertraglich geregelte Einbringung gemäß § 20 Umwandlungssteuergesetz
der steuerlichen Mitunternehmeranteile an der Besitz-GbR durch die T. und L. als
102
Gesellschafter der Besitz-GbR in die Klin. für die Klin. ein Anspruch auf Übertragung der
Mitunternehmeranteile der Grundbesitz-GbR entstanden. Durch die nachfolgende
Übertragung aller GbR-Anteile durch T. und L. auf die Klin. konnten aber nicht alle
Anteile der Grundbesitz-GbR in der Hand der Klin. im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG
allein vereinigt werden.
Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG stellen die Vereinigung aller Anteile an einer
grundstücksbesitzenden Gesellschaft in einer Hand sowie die Weiterübertragung aller
Anteile grunderwerbsteuerrechtlich dem Erwerb der der Gesellschaft gehörenden
Grundstücke durch den Anteilserwerber gleich. Das Gesetz fingiert mit diesen
Ersatztatbeständen – zivilrechtlich nicht vorhandene – (grundstücksbezogene)
Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle
Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine
dem (Voll-)Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem
Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG zielen
deshalb – wie diejenigen des § 1 Abs. 1 GrEStG – auf eine in dem Innehaben aller
Gesellschaftsanteile liegende Änderung der Rechtszuständigkeit in Bezug auf ein
Grundstück ab.
103
Beim Erwerb aller Anteile einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch
eine einzige Person gehen die Anteile jedoch mit der Übertragung auf den
Anteilserwerber nicht auf diesen über, sondern unter; es kommt also nicht (mehr) zu
einem Innehaben aller Anteile in einer Hand, die nach der Gesetzesintention eine
besteuerungswürdige Änderung in der Rechtszuständigkeit des Grundstücks bewirken
könnte. Ein obligatorisches Geschäft, welches niemals zum für besteuerungswürdig
gehaltenen Ergebnis ("alle Anteile in einer Hand") führen kann, unterliegt aber nicht der
Grunderwerbsteuer. § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist deshalb im Wege teleologischer
Reduktion einschränkend auszulegen und auf den Erwerb aller Anteile an einer
grundstücksbesitzenden Personengesellschaft durch eine einzige Person nicht
anwendbar (vgl. zum vorstehenden BFH-Urteil vom 13.09.1995 II R 80/92 BStBl. II 1995,
903 zur erforderlichen teleologischen Reduktion des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG). Eine
entsprechende teleologische Reduktion gilt nach Auffassung des Senats auch bei der
Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG (vgl. auch BFH-Urteil vom 05.11.2002 II R
86/00 BFH/NV 2003, 344).
104
Im vorliegenden Fall ergibt sich die Grunderwerbsteuerpflicht aus der in I. 3. des
Vertrages vom 26.02.2000 geregelten Einbringung. Die Klin. erhält aufgrund dieser
Regelung im Rahmen der bei der Klin. gleichzeitig beabsichtigten Erhöhung der
Stammeinlage gegenüber T. und L. als Gesellschafter der Grundbesitz-GbR gemäß § 1
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einen Anspruch u. a. auf die Übereignung des im Grundbuch von A.
Bl. xxx eingetragenen Grundbesitzes. Die Erfüllung dieses Anspruches ist sodann in I.
6. der vertraglichen Regelung durch Auflassung des eingebrachten Grundbesitzes
geregelt worden. Derartige Einbringungsverträge sind Rechtsgeschäfte im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Derjenige Gesellschafter, der sich gegen Kapitalerhöhung zu
Sacheinlagen (hier die Übertragung von Aktiva (einschließlich Grundstück) und
Passiva) verpflichtet – hier die Gesellschafter der Grundbesitz-GbR T. und L. -, erwirbt
als Gegenleistung einen Anspruch auf neue (zusätzliche) Stammkapitalanteile der
GmbH (vgl. Fischer in Boruttau, GrESt-Kommentar, 16. Aufl., § 1 Rdn. 375, 377 m. w.
N.).
105
Im Übrigen wäre hier außerdem wegen der im Vertrag vom 26.02.2000 enthaltenen
106
Auflassung hinsichtlich der der Grundbesitz-GbR gehörenden Grundstücke, wenn man
in dem Vertrag vom 26.02.2000 nicht ein anderes Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr.
1 GrEStG sehen würde, das den Anspruch auf Übereignung auch des streitigen
Grundstücks begründen würde, jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1
Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu bejahen.
Da hinsichtlich der Grunderwerbsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bzw. § 1
Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, die bei dem hier vorliegenden Vertrag vom 26.02.2000 gegeben
ist, für die Klin. keine Anzeigepflicht gemäß § 19 GrEStG besteht, kann hier nicht der
Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO gehemmt gewesen sein.
107
Vielmehr hätte hier der beurkundende Notar J. gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStG
und § 18 Abs. 2 Satz 2 GrEStG dem zuständigen FA schriftlich eine Anzeige auf dem
amtlich vorgeschriebenen Vordruck erstatten müssen. Der Notar J. hat diese
Verpflichtung unstreitig nicht erfüllt, weil er jedenfalls nicht auf einem amtlich
vorgeschriebenen Vordruck gegenüber dem FA eine Anzeige erstattet hat. Die
Nichterfüllung der Verpflichtung durch einen Dritten (hier dem Notar J.) schiebt aber
nicht den Beginn der Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO für die Klin.
hinaus. Ist der Steuerpflichtige selbst nicht zur Anzeige verpflichtet, kann die
Nichtanzeige durch den Notar keine Anlaufhemmung zulasten des Steuerpflichtigen
bewirken (BFH-Urteil vom 26.02.2007 II R 50/06 BFH/NV 2007, 1535 m. w. N.).
108
Der GrESt-Bescheid vom 09.09.2005 ist auch nicht deshalb noch innerhalb der
Festsetzungsfrist ergangen, weil die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2, 3 AO
wegen einer leichtfertigen (fremdnützigen) Steuerverkürzung durch den Notar J. nicht
nach vier Jahren nach dem Ablauf des Kalenderjahres 2000, in dem hier der
Steueranspruch entstanden ist, sondern erst nach fünf Jahren und damit erst am
31.12.2005 abgelaufen ist.
109
Zwar hat hier der Notar J. durch die Nichterstattung der erforderlichen Anzeige gemäß §
18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 GrEStG den objektiven Tatbestand einer
(fremdnützigen) Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 und 4 AO verwirklicht. Dieses
Fehlverhalten ist dem Notar J. jedoch nicht als subjektives Verschulden in der Form der
Leichtfertigkeit im Sinne des § 378 AO vorzuwerfen. Von einem Vorsatz kann hier
ebenfalls nicht ausgegangen werden.
110
Der Notar J. hätte hier die Anzeige gem. § 18 Abs. 3 GrEStG innerhalb von zwei
Wochen nach der Beurkundung erstatten müssen. Eine derartige Anzeige auf einem
amtlich vorgeschriebenen Vordruck hat der Notar J. unstreitig nicht erstattet. Er hat
lediglich mit einem allgemein an das FA gerichteten Schreiben vom 29.02.2000 zum
Betreff "Firma T. & L. Grundstücks GmbH in A." dem FA geschrieben, dass er in der
Anlage eine notariell beglaubigte Kopie des Protokolls vom 26.02.2000 (UR-Nr. 110/00)
nebst Genehmigungserklärung vom 28.02.2000 (UR-Nr. 1011/00) gemäß § 54
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) übersende.
111
Da er in diesem Schreiben in keiner Weise darauf hingewiesen hat, dass dieses
Schreiben u. a. dazu dienen sollte, beim FA eine Prüfung dahingehend zu veranlassen,
ob im Hinblick auf die übersandte Vertragsurkunde vom 26.02.2000 UR-Nr. 101/00 des
Notars J. von einem grunderwerbsteuerpflichtigen Rechtsvorgang auszugehen ist, und
weil außerdem in diesem Schreiben ausdrücklich auf § 54 EStDV hingewiesen worden
ist, konnte das FA dieses Schreiben vom Empfängerhorizont zu Recht nur dahingehend
112
auslegen, dass es für die Körperschaftsteuerstelle des FA bestimmt war. Dorthin ist das
Schreiben auch gelangt. Die GrESt-Stelle ist über dieses Schreiben weder vom Notar H.
noch finanzamtsintern unterrichtet worden. Angesichts dieser Adressierung, d. h. wegen
des fehlenden Hinweises in dem Schreiben, dass dieses für die GrESt-Stelle bestimmt
ist, braucht auf die an Form und Inhalt einer solchen Anzeige nach § 18 Abs. 1 und § 20
GrEStG zu stellenden Anforderungen nicht weiter eingegangen zu werden. Die
Adressierung steht auch der Annahme entgegen, das FA habe auf andere Weise als
durch eine Anzeige ausreichende Kenntnis von dem Erwerbsvorgang erlangt.
Die in den §§ 18 und 19 GrEStG vorgeschriebenen Anzeigen sollen es der zuständigen
Finanzbehörde (Abs. 5 bzw. Abs. 4 Satz 1 der Vorschriften) ermöglichen,
grunderwerbsteuerrechtlich relevante Erwerbsvorgänge zu ermitteln. Diese Möglichkeit
setzt positive Kenntnis von dem Rechtsvorgang voraus. Dies wiederum bedeutet, dass
die Kenntnis grundsätzlich bei der für die Verwaltung der GrESt zuständigen
Organisationseinheit der zuständigen Finanzbehörde vorhanden sein muss. Insofern hat
sich an der Rechtslage gegenüber derjenigen, der dem Urteil des BFH vom 21.06.1995
II R 11/92 BStBl. II 1995, 802, das noch zu § 16 a des Nordrhein-westfälischen GrEStG
vom 12.07.1970 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW 1970, 612) ergangen
ist, nichts geändert (BFH-Urteil vom 01.12.2004 II R 10/02 BFH/NV 2005, 1365 a. E.
sowie Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, Kommentar, 3. Aufl., § 18 Rdn. 17; Viskorf in
Boruttau, GrEStG, Kommentar, 16. Aufl. § 18 Rdn 32, 33). Eine Information, die lediglich
potenziell die Möglichkeit für ein GrESt-Festsetzungsverfahren eröffnet, konkret aber
nicht dazu führen kann, da sie lediglich einer anderen Stelle der zuständigen
Finanzbehörde vorliegt, die deren grunderwerbsteuerrechtliche Relevanz aber nicht
erkennt, ist kein positives Wissen in diesem Sinne (vgl. BFH-Urteil vom 21.06.1995, a. a.
O.).
113
Der gegenteiligen Ansicht des FG Mecklenburg-Vorpommern im Beschluss vom
24.05.2004 3 V 58/04 EFG 2004, 1477 kann nicht gefolgt werden. Der Verweis des
Gerichts auf die Rechtsprechung zu § 173 Abs. 1 AO überzeugt nicht. Auch bei der
Frage, ob eine Tatsache dem FA nachträglich bekannt geworden ist, kommt es nach
gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Wissensstand der zur
Bearbeitung des Steuerfalles berufenen Dienststelle an, wobei unter "Dienststelle" die
jeweilige Organisationseinheit in der zuständigen Behörde gemeint ist (vgl. zum
vorstehenden BFH-Urteil vom 11.06.2008 II R 55/06 BFH/NV 2008, 1876 m. w. N. und
BFH-Urteil vom 26.02.2009 II R 4/08 Juris-Rechtsprechungsdokumentation).
114
Der Notar J. hat wegen der nicht erstatteten Anzeige gemäß § 18 Abs. 1 GrEStG die
Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis
gelassen. Dadurch sind Steuern verkürzt worden, weil deshalb die GrESt nicht
rechtzeitig festgesetzt worden ist (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 AO).
115
Der Klin. selbst ist insoweit wegen der nicht vorhandenen Anzeigepflicht keine
leichtfertige Steuerverkürzung anzulasten.
116
Zwar ist im vorliegenden Fall die Klin. und nicht der Notar J. Schuldner der GrESt (§ 13
GrEStG). Dies schadet einer Täterschaft des Notars J. aber nicht, da das Gesetz – auch
in § 378 AO – ebenfalls "fremdnützige" Steuerhinterziehung ahndet: Täter einer
Steuerhinterziehung muss nicht notwendigerweise der Steuerpflichtige oder
Steuerschuldner sein; jeder Dritte, der die tatbestandlichen Voraussetzungen der
Vorschrift erfüllt, verwirklicht dieses Delikt (BFH-Urteil vom 28.04.1998 IX R 49/96
117
BStBl. II 1998, 458). Dieser Umstand folgt aus dem Wortlaut des § 370 AO, der auch
denjenigen erfasst, der "für einen anderen" nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
Auch ein Notar, der ein von ihm beurkundetes Grundstücksgeschäft nicht nach § 18
GrEStG dem FA anzeigt, kann daher anders als bei der Anlaufhemmung nach § 170
Abs. 2 AO eine leichtfertige Steuerverkürzung (oder vorsätzliche Steuerhinterziehung)
begehen mit der Folge, dass die Verjährungsfrist sich nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO von
regelmäßig vier auf fünf bzw. zehn Jahre verlängert (vgl. FG Bremen, Urteil vom
19.01.1993, II 163/90 K EFG 1993, 540; FG Baden Württemberg, Urteil vom 17.03.2004
5 K 59/01 EFG 2004, 867 m. w. N.).
118
Das Fehlverhalten des Notars J. ist diesem jedoch nicht als subjektives Verschulden in
Form der Leichtfertigkeit im Sinne des § 378 AO vorzuwerfen. Leichtfertigkeit liegt vor,
wenn dem Täter ein erhöhter Grad von Fahrlässigkeit zur Last fällt, der etwa der groben
Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die
persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.1987 I R 58/86
BStBl. II 1988, 215).
119
Es kann hier davon ausgegangen werden, dass der Notar J. um seine Pflicht gemäß
§ 18 GrEStG zur Erstattung von grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgängen auf dem
amtlich vorgeschriebenen Vordruck wusste. Eine für ihn bestehende Pflicht zur Abgabe
einer Anzeige gemäß § 18 GrEStG wegen des von ihm beurkundeten Rechtsgeschäfts
in der Urkunde vom 26.02.2000 (UR-Nr. 101/2000) hat der Notar J. auch dadurch
bestätigt, dass er gegenüber dem Prozessvertreter der Klin., dem Steuerberater M., auf
dessen Nachfrage ausgeführt hat, er (Notar J.) sei davon ausgegangen, dass seine
Angestellte C. diese Verpflichtung erfüllt habe. Dies ergibt sich aus den vom
Steuerberater M. in der mündlichen Verhandlung angegebenen Gründen, die der Notar
J. diesem gegenüber für sein Fehlverhalten genannt hat.
120
Bei der Nichterstattung der erforderlichen Anzeige handelt es sich um gravierende
Pflichtverletzung. Diese Bewertung ergibt sich aus der überragenden Bedeutung der
Anzeigepflicht für die Gleichmäßigkeit und Effektivität der Grunderwerbsbesteuerung
(vgl. dazu auch FG Bremen, Urteil vom 19.01.1993, II R 163/90 K, EFG 1993, 540). Die
Prüfung, dass hier eine Anzeigepflicht hinsichtlich eines grunderwerbsteuerlichen
Vorganges vorliegt, war für den Notar J. auch einfach, weil er in der Urkunde vom
26.02.2000 eindeutig bereits deshalb einen grunderwerbsteuerlichen Rechtsvorgang
hinsichtlich des von den Gesellschaftern T. und L der Grundbesitz-GbR in die Klin.
eingebrachten Grundbesitzes beurkundet hat, weil er unter I. 6. des Vertrages
hinsichtlich des im Grundbuch von A. Blatt xxx zugunsten der beiden Gesellschafter der
Grundbesitz-GbR eingetragenen Grundbesitzes eine Auflassung beurkundet hat.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unterliegt die sich auf inländische Grundstücke
beziehende Auflassung der GrESt, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das
den Anspruch auf Übereignung begründet. Ob sich aus dem Vertrag vom 26.02.2000 für
die Klin. darüber hinaus ein gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
grunderwerbsteuerpflichtiger Anspruch auf Übereignung des zugunsten von T. und L. im
Grundbuch von A. Blatt xxx eingetragenen Grundbesitzes ergibt (vgl. oben), kann dabei
dahin stehen. Im Übrigen ist es ohnehin nicht Aufgabe des Notars, derartige
Überlegungen hinsichtlich der Vorschrift anzustellen, wonach der Erwerbsvorgang evtl.
grunderwerbsteuerpflichtig ist. Entscheidend ist, dass er einen Rechtsvorgang
beurkundet hat, der ein Grundstück im Geltungsbereich des GrEStG betrifft (§ 18 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 GrEStG).
121
Im vorliegenden Fall ist auch der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem
Fehlverhalten des Notars J. und der eingetretenen Steuerverkürzung gegeben. Danach
muss der Taterfolg gerade auf der Sorgfaltspflichtverletzung beruhen, sich also als
Realisierung der in ihr angelegten Gefahr darstellen. Der Ursachenzusammenhang
bzw. Rechtswidrigkeitszusammenhang ist deshalb nur dann festgestellt, wenn die
hypothetische Frage danach, was geschehen wäre, wenn sich der Täter eines
fahrlässigen Erfolgsdelikts in der konkreten Situation pflichtgemäß verhalten hätte, zu
der Antwort führt, dass der Eintritt des Taterfolges dann vermieden worden wäre. Für die
Begehungsform des Unterlassens nach § 370 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist dabei
erforderlich – aber auch ausreichend -, dass der Täter die Finanzbehörde pflichtwidrig
über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und dadurch den
Steueranspruch konkret gefährdet hat. Nur wenn die rechtzeitige und zutreffende
Steuerfestsetzung aus anderen Gründen unterbleibt, obwohl sie der Finanzbehörde
rechtlich und tatsächlich ohne weiteres möglich gewesen wäre, hat der Steuerpflichtige
den Steueranspruch nicht konkret gefährdet (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom
17.03.2004, 5 K 59/01 EFG 2004, 867 m. w. N.).
122
In diesem Sinne wäre der Rechtswidrigkeitszusammenhang bzw.
Ursachenzusammenhang dann unterbrochen, wenn die GrESt-Stelle des FA hier
aufgrund der ihr vorliegenden Informationen ohne weiteres rechtzeitig und zutreffend die
GrESt hätte festsetzen können. Dies ist hier aber aufgrund der dem FA eingereichten
Schreiben des Notars J. vom 29.02.2000 nicht der Fall (vgl. oben). Entgegen der
Auffassung der Klin. war ein Zusammenhang mit einer möglichen
grunderwerbsteuerlichen Auswirkung für das FA auch nicht aufgrund des Schreibens
der Prozessvertreterin vom 01.09.2000 erkennbar. Zwar hat die Prozessvertreterin der
Klin. mit diesem Schreiben eine Vertragsausfertigung an das FA geschickt. Aus dem
Schreiben ist jedoch ersichtlich, dass die Einreichung nicht zu den Steuerakten der Klin.
(StNr. xxx/5795/0862), sondern zu den Steuerakten der anderen Vertragspartei – der
Grundbesitz GbR (StNr. xxx/5870/0190) - erfolgt ist. Hiermit sowie mit der Bilanzvorlage
zum 30.06.1999 (Rumpfwirtschaftsjahr) wurde eine Nachfrage der damals für die
Personengesellschaften zuständigen Sachbearbeiterin für Vorauszahlungszwecke
beantwortet. Die nach dem GrEStG auferlegten Anzeigepflichten sollen es der
Finanzbehörde aber gerade ermöglichen, grunderwerbsteuerrechtlich relevante
Erwerbsvorgänge möglichst einfach und ohne großen Verwaltungsaufwand zu ermitteln.
123
Das Schreiben des Notars J. vom 29.02.2000 und das Schreiben der Prozessvertreterin
der Klin. vom 01.09.2000 ist der GrESt-Stelle nicht bekannt geworden. Es kommt dabei
auch nicht darauf an, ob diese Schreiben der GrESt-Stelle hätten bekannt werden
können, wenn sich die Körperschaftsteuerstelle nach evtl. für sie bestehenden
Weisungen verhalten hätte, und das Schreiben des Notars J. vom 29.02.2000 der
GrESt-Stelle zur Kenntnis gegeben hätte. Denn die Tatsachen, die evtl. den
Kausalverlauf unterbrochen hätten, haben für den hier vorliegenden tatsächlichen
Kausalverlauf keine Bedeutung.
124
Der Notar J. hat hier jedoch hinsichtlich der Nichtabgabe der Anzeige gemäß §§ 18, 20
GrEStG hinsichtlich des von ihm am 26.02.2000 beurkundeten Rechtsvorgangs nicht
leichtfertig im Sinne des § 378 AO gehandelt.
125
Er konnte sich darauf verlassen, dass die bei ihm angestellte und damit betraute Frau C.
selbständig die erforderliche Anzeige gemäß §§ 18, 20 GrEStG ausfüllte und für die
126
Absendung an die GrESt-Stelle sorgte.
Nach den Angaben des Notars J. war Frau C. vom Notar J. mit dieser Aufgabe schon
sehr lange Zeit betraut gewesen. Weiter hat er gegenüber dem Steuerberater M. (von
der Prozessvertreterin der Klin.) angegeben, dass er mit der Erfüllung dieser Aufgabe
durch Frau C. sehr zufrieden gewesen sei. Der Senat hat keine Veranlassung, an
diesen Angaben des Steuerberaters M., die dieser in der mündlichen Verhandlung
gemacht hat, zu zweifeln. Auch vom Vertreter des FA sind diese Angaben in der
mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden. Ausgehend von diesen Angaben kann
ein leichtfertiges Handeln des Notars J. nicht festgestellt werden. Der Notar J. war, da es
sich bei Frau C. um eine eingearbeitete und erprobte Kraft handelt, von deren
Kompetenz sich der Notar über einen längeren Zeitraum überzeugt hatte, nicht
verpflichtet, lückenlos zu überprüfen, ob diese tatsächlich die erforderlichen Anzeigen
nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck dem zuständigen FA übermittelt hatte. Etwas
anderes wäre dann der Fall, wenn es sich bei Frau C. nicht um eine eingearbeitete und
erprobte Kraft, sondern nur um eine als Vertreterin tätige Mitarbeiterin gehandelt hätte
(vgl. dazu FG Bremen, Urteil vom 19.01.1993 II 163/90 K EFG 1993, 540).
127
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
128
Die Entscheidungen hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit und der
Abwendungsbefugnis ergeben sich aus § 151 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
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