Urteil des FG Münster vom 25.01.2005

FG Münster: einkünfte, erlass, drucksache, einkommensgrenze, wohnung, zeichnung, steuererklärung, behörde, glaubhaftmachung, rechtsirrtum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 10 K 1947/04 EZ
25.01.2005
Finanzgericht Münster
10. Senat
Urteil
10 K 1947/04 EZ
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Streitig ist, ob der Beklagte die Eigenheimzulage rückwirkend aufheben durfte, weil ihm
nachträglich bekannt geworden ist, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte in den nach § 5
Eigenheimzulagegesetz (EigZulG) maßgebenden Jahren insgesamt die Einkunftsgrenze
überschritten hat.
Der Kläger stellte am 15.09.1999 einen Bauantrag für den Ausbau einer neuen Wohnung
im Stall seines Hofes. Nach Baubeginn im Mai 2000 nutzte er die fertig gestellte Wohnung
ab November 2001 mit seiner Ehefrau und seinen 3 Kindern. Die Herstellungskosten
inklusive Anschaffungskosten für den Grund und Boden betrugen 630.703 DM.
Im am 21.12.2001 beim Beklagten eingegangenen Antrag auf Eigenheimzulage ab dem
Jahr 2001 erklärte der Kläger unter der "Einkunftsgrenze" in Zeile 73, dass der
Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres, für das erstmalig dieser Antrag gestellt wird,
zusammen mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte des vorausgegangenen Jahres
voraussichtlich 500.000 DM nicht übersteigen werde.
Am 18.02.2002 erließ der Beklagte einen Bescheid über Eigenheimzulage ab 2001 über
jeweils 4.857,27 Euro (9.500 DM). Auf Grund der am 08.07.2002 eingereichten
Steuererklärung für 2001 erging am 29.07.2002 der Einkommensteuerbescheid 2001.
Durch ein am 12.07.2002 erstelltes ARS Trouble Ticket erfuhr der Sachbearbeiter des
Beklagten, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte für 2000 insgesamt 247.615 DM und für
2001 insgesamt 239.084 DM, zusammen also 486.699 DM betragen habe. Des weiteren
sei auf den vorliegenden Fall die Einkommensgrenze nach altem Recht mit 480.000 DM
anzuwenden, da der Bauantrag am 15.09.1999 gestellt worden sei. Daraufhin hob der
Beklagte mit Bescheid vom 01.08.2002 die Festsetzung der Eigenheimzulage nach § 11
Abs. 4 EigZulG ab 2001 rückwirkend auf.
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Nach erfolglosem Vorverfahren (Einspruch 04.09.2002, Einspruchsentscheidung
02.04.2004, Klageeingang 14.04.2004) trägt der Kläger mit Klage vor, dass eine
rückwirkende Aufhebung des Bescheides über die Eigenheimzulage ab 2001 nach § 11
Abs. 4 EigZulG nicht zulässig sei, da nicht nachträglich bekannt geworden sei, dass der
Gesamtbetrag der Einkünfte den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten habe. Denn
schon im Antrag auf Eigenheimzulage sei erklärt worden, dass der Gesamtbetrag der
Einkünfte voraussichtlich 500.000 DM nicht übersteigen werde. Damit sei dem Beklagten
bereits bei Erlass des Bescheides am 10.02.2002 die Überschreitung des Grenzbetrages
von 480.000 DM bekannt gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über Eigenheimzulage ab 2001 vom 01.08.2002 und die
Einspruchsentscheidung vom 02.04.2004 aufzuheben soweit die Jahre
2001 und 2002 betroffen sind,
hilfsweise im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, dass § 11 Abs. 4 EigZulG anwendbar sei, da sich erst durch den Erlass des
Einkommensteuerbescheides für 2001 am 29.07.2002 und damit nach Erlass des
Eigenheimzulagebescheides vom 18.02.2002 ein Überschreiten der maßgeblichen
Einkommensgrenze von 480.000 DM herausgestellt habe. Insoweit verweist er auf die
Rechtsausführung des Finanzgerichts Saarland im Beschluss vom 26.07.2001, Az. I V
178/01.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf die gewechselten
Schriftsätze und auf die Einspruchsentscheidung vom 02.04.2004 Bezug genommen.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Da der Kläger auf Grund des Bauantrages vom 15.09.1999 mit der Herstellung der
Wohnung vor dem 31.12.1999 begonnen hat, ist nach § 19 Abs. 3 EigZulG der § 5 Satz 1 –
3 in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.1999 (BGBl. I S. 2671) noch nicht anzuwenden.
Vielmehr gilt die Einkunftsgrenze des § 5 in der Fassung des EigZulG vom 26.03.1997
weiter, so dass bei zusammenveranlagten Anspruchsberechtigten die Einkommensgrenze
für das Erstjahr der Eigenheimzulage und das vorausgegangene Jahr bei 480.000 DM
liegt. Diesen Betrag hat der Kläger mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte für 2000 und
2001 von 486.699 DM überschritten.
Der Beklagte durfte den Bescheid über die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 2001 vom
18.02.2002 nach § 11 Abs. 4 EigZulG ändern, da ihm nachträglich bekannt geworden ist,
dass der Gesamtbetrag der Einkünfte in den nach § 5 EigZulG maßgebenden Jahren
insgesamt die Einkunftsgrenze von 480.000 DM überschreitet. Nachträglich bekannt
werden Tatsachen i.S. des § 11 Abs. 4 EigZulG, wenn sie im Zeitpunkt der abschließenden
Zeichnung des Eingabewertbogens für die maschinelle Bearbeitung des
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Eigenheimzulagesbescheides dem zuständigen Sachbearbeiter noch nicht bekannt waren
(BFH-Urteil vom 07.07.2005 IX R 66/04). Für § 11 Abs. 4 EigZulG ist – anders als in § 11
Abs. 5 EigZulG – unerheblich, aus welchen Gründen der Gesamtbetrag der Einkünfte
fehlerhaft war. Allein entscheidend ist das nachträgliche Erkennen des objektiv richtigen
Gesamtbetrags der Einkünfte (BFH-Urteil vom 04.11.2004 III R 73/03, BStBl II 2005, 290).
Vorliegend hat der Beklagte erst aufgrund der am 08.07.2002 eingereichten
Steuererklärung bzw. durch Erlass des Einkommensteuerbescheides für 2001 am
29.07.2002 – also nach Erlass des Eigenheimzulagebescheides – erfahren, dass die
Einkunftsgrenze von 480.000 DM überschritten ist.
Zu Unrecht beruft der Kläger sich für seine Rechtsauffassung auf das Urteil des
Finanzgerichts Düsseldorf vom 11.11.2004 14 K 4058/02 EZ, EFG 2005, 1256, gegen
welches die Revision unter dem Az. IX R 17/05 beim BFH anhängig ist.
Im dortigen Fall hatte das Gericht ein nachträgliches Bekannt werden i.S.d. § 11 Abs. 4
EigZulG verneint, weil der Behörde bereits im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung
des Antrages über die Bewilligung der Eigenheimzulage sämtliche für die Ermittlung der
Gesamtbeträge der Einkünfte relevanten Umstände bekannt waren und sie sich gleichwohl
mit einer fehlerhaften Wahrscheinlichkeitsprüfung begnügte (vgl. auch BFH-Urteil vom
4.11.2003 III R 73/03, BStBl. II 2005, 290, II. 3. c). Vorliegend kannte der Beklagte gerade
nicht die für die Ermittlung der Gesamtbeträge der Einkünfte relevanten Umstände, da der
Kläger lediglich im Antrag angegeben hatte, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte des
Jahres, für das erstmals dieser Antrag gestellt wird, zusammen mit dem Gesamtbetrag der
Einkünfte des vorausgegangenen Jahres voraussichtlich 500.000 DM nicht übersteigen
werde. Unterlagen zur Glaubhaftmachung bzw. Nachprüfung dieser Angaben hatte er
seinem Antrag nicht beigefügt.
Nach Auffassung des Senats kann auch offen bleiben, ob der zuständige Sachbearbeiter
beim Beklagten bei Erlass des Festsetzungsbescheides vom 18.02.2002 rechtsfehlerhaft
davon ausging, dass die Einkunftsgrenze bei 500.000 DM liege. Denn selbst wenn der
Sachbearbeiter einem entsprechenden Rechtsirrtum unterlegen wäre, ergäbe sich nach
den o.g. Grundsätzen eine Aufhebungs- bzw. Änderungsbefugnis nach § 11 Abs. 4
EigZulG, da der für eine abschließende Entscheidung erhebliche Sachverhalt im Februar
2002 noch nicht bekannt war. Wird die Eigenheimzulage im Interesse des
Anspruchsberechtigten kurzfristig ohne intensive Sach- und Rechtsprüfung gewährt, so ist
dies im Hinblick auf die Anwendung des § 11 Abs. 4 EigZulG aufgrund seiner Konzeption
als eigenständige, erweiterte Korrekturnorm zumindest so lange unschädlich, wie eine
abschließende Entscheidung, auch bei weiterer Ermittlung, ohnehin noch nicht getroffen
werden könnte. Soweit nämlich die Finanzbehörde noch davon ausgehen darf, dass die
Festsetzung im Hinblick auf die erst zu einem späteren Zeitpunkt verwirklichten oder
bekannt werdenden Einkünfte noch geändert werden kann, kann von ihr nicht verlangt
werden, dass sie zu diesem Termin bereits eine äußerst sorgfältige Rechtsprüfung
vornimmt (FG Köln vom 06.07.2005 11 K 5302/04, EFG 2005, 1522).
Diese Auslegung steht auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Gesetzgebers,
wonach der Gesamtbetrag der Einkünfte verfahrensrechtlich selbständig, d. h. unabhängig
von der Durchführung und den Ergebnissen einer Einkommensteuerveranlagung zu
ermitteln ist. Obwohl nach den Regelungen des Regierungsentwurfes zu § 5 Abs. 2
EigZulG dem Einkommensteuerbescheid für die Höhe des Gesamtbetrages der Einkünfte
eine mittelbare Feststellungswirkung zukommen sollte, sollte das Finanzamt die
Eigenheimzulage festsetzen können, bevor der Einkommensteuerbescheid vorliegt. Der
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Anspruchsberechtigte sollte in diesem Fall glaubhaft machen, dass er die Einkunftsgrenze
im maßgeblichen Jahr nicht überschreitet. Die Sätze 2 und 3 des Entwurfes enthielten
spezielle Änderungsvorschriften für die Fälle, in den bei der Festsetzung der
Eigenheimzulage von einem unzutreffenden Gesamtbetrag der Einkünfte ausgegangen
worden ist (BR-Drucksache 498/95, S. 33 ff). Von dieser verfahrensrechtlichen
Verknüpfung der Einkommensteuerfestsetzung mit der Eigenheimzulage ist der
Gesetzgeber auf Grund der Beschlussempfehlung und des Berichtes des 7.
Finanzausschusses vom 26.10.1995 (BT-Drucksache 13/2784, S. 77) abgewichen und hat
den Entwurf des § 5 Abs. 2 EigZulG verworfen, damit der für die Einkunftsgrenze
maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte verfahrensrechtlich unabhängig von der
Einkommensteuerveranlagung ermittelt werden kann. Gleichwohl sollte, wie sich aus der
Begründung zu § 11 Abs. 4 EigZulG ergibt, das Finanzamt - wie auch bisher vorgesehen -
die Eigenheimzulage festsetzen können, bevor die genaue Höhe der Einkünfte feststeht.
Der Anspruchsberechtigte muss insoweit darlegen und glaubhaft machen, dass er die
Einkunftsgrenze in den maßgeblichen Jahren nicht überschreitet. Durch die Neufassung
des § 11 Abs. 4 EigZulG sollte als Ersatz für den bisherigen § 5 Abs. 2 EigZulG eine
Änderungsmöglichkeit für die Fälle geschaffen werden, in denen bei Festsetzung der
Eigenheimzulage von einem unzutreffenden Gesamtbetrag der Einkünfte ausgegangen
worden ist (BT-Drucksache 13/2784, S. 81). Genau dieser Fall liegt hier vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Revisonszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Rechtssache hat
grundsätzliche Bedeutung.