Urteil des FG Münster vom 14.10.2008
FG Münster: nachzahlung von beiträgen, verfassungskonforme auslegung, doppelbesteuerung, lebensversicherung, unechte rückwirkung, altersrente, anteil, einkünfte, drucksache, unterliegen
Finanzgericht Münster, 14 K 3990/06 E
Datum:
14.10.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 3990/06 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Renteneinkünfte
der Kläger gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG)
in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen
Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterbezügen (Alterseinkünftegesetz
- AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (Bundesgesetzblatt (BGBl.) I 2004, 1427).
2
Der am 13. Januar 1926 geborene Kläger und die am 7. September 1934 geborene
Klägerin wurden für 2005 (Streitjahr) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
3
Der Kläger leistete für den Zeitraum 1. April 1940 bis zum 31. Dezember 1986 und die
Klägerin für den Zeitraum 1. Juni 1949 bis zum 30. April 1992 Beiträge an die
gesetzliche Rentenversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigungen
der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15. und 22. Mai 2006 verwiesen.
4
Die Klägerin ließ sich nach ihrer Heirat im Jahr 1959 die für sie entrichteten Beiträge
von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auszahlen.
5
Zum 1. Januar 1968 schloss der Kläger mit der O********** Lebensversicherung AG eine
(befreiende) Lebensversicherung ab. Die Versicherungssumme wurde zum 1. Januar
1991 fällig (Dokument Nr. xxx). Er erhöhte nachträglich zweimal den
Versicherungsschutz. Die in den Nachträgen vereinbarten Vertragsdauern liefen vom 1.
Januar 1972 bis zum 1. Januar 1991 (Versicherungsschein Nr.: yyy) bzw. vom 1. Juli
1971 bis zum 1. Juli 1991 (Versicherungsschein Nr.: zzz).
6
Der Arbeitgeber des Klägers leistete Zuschusszahlungen zu dieser
Lebensversicherung, die er ab dem 1. Januar 1979 auf Antrag des Klägers einstellte.
7
Neben den Leistungen an die befreiende Lebensversicherung entrichtete der Kläger -
wie bisher - Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. Insgesamt wurden für den
Kläger Beiträge in Höhe von 337,71 Reichsmark (Jahre 1940 bis 1947) und 97.296 DM
(Jahre 1948 bis 1986) geleistet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der
Deutschen Rentenversicherung Bund vom 22. Mai 2006 verwiesen.
8
Die O********** Lebensversicherung AG zahlte dem Kläger bei Fälligkeit der
Lebensversicherung im Jahr 1991 eine einmalige steuerfreie Versicherungsleistung.
9
In dem Zeitraum von 1988 bis 1992 wurden für die Klägerin Beiträge in Höhe von
insgesamt 20.692,90 DM an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet. In dieser
Summe sind zwei freiwillige nachträgliche Zahlungen der Klägerin enthalten, die die
Klägerin in den Jahren 1990 und 1992 für den Zeitraum 1. Juni 1949 bis zum 30.
September 1959 in Höhe von 7.700 DM (1990) bzw. 9.189 DM (1992) geleistet hat.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung
Bund vom 15. Mai 2006 verwiesen.
10
Im Streitjahr bezogen die Kläger unter anderem jeweils eine Altersrente aus der
gesetzlichen Rentenversicherung, der Kläger ab dem 1. Februar 1989 und die Klägerin
ab dem 1. Oktober 1999.
11
Die Kläger vereinnahmten in den Jahren 1999 bis 2005 Rentenzahlungen der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt 243.738 DM (Kläger) bzw.
79.203 DM (Klägerin). In den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre wurden
hiervon Beträge in Höhe von insgesamt 77.833 DM (Kläger) bzw. 24.585 DM (Klägerin)
als steuerpflichtige Einnahmen bei den sonstigen Einkünften der Kläger zugrunde
gelegt. Die Differenzen in Höhe von 165.565 DM (Kläger) bzw. 54.618 DM (Klägerin)
blieben steuerfrei.
12
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger die
Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung, nämlich insgesamt 18.287
EUR (Kläger) und 7.120 EUR (Klägerin), als Einnahmen bei den sonstigen Einkünften.
13
Am 8. Mai 2006 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid, der
erklärungsgemäß erging. Darin legte er die Hälfte der erklärten Rentenzahlungen als
steuerpflichtige Einnahmen bei den sonstigen Einkünften der Kläger zugrunde.
14
Während der Einspruchsfrist stellten die Kläger den Antrag, den
Einkommensteuerbescheid nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a der
Abgabenordnung (AO) dahingehend zu ändern, dass ihre Renten nur mit unterhalb von
50 v.H. liegenden Ertragsanteilen versteuert werden. Zur Begründung verwiesen sie auf
die Bescheinigungen der Deutschen Rentenversicherung vom 15. und 22. Mai 2006.
15
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Mai 2006 ab.
16
Die hiergegen eingelegten Einsprüche waren erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 5.
September 2006).
17
Hiernach haben die Kläger Klage erhoben.
18
Sie tragen vor: Ihre Altersrenten seien nicht zur Hälfte, sondern nur in Höhe von
niedrigeren Ertragsanteilen steuerpflichtig. Die Altersrente des Klägers beruhe auf
Beitragszahlungen, an denen sich sein Arbeitgeber nicht beteiligt habe. Der Kläger
habe die gesamten Beiträge aus eigenem, bereits versteuertem Einkommen geleistet.
Für seine Altersversorgung habe er viele Jahre Beiträge entrichtet, die oberhalb der
Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gelegen hätten. Er habe sowohl
Beiträge für eine befreiende Lebensversicherung bei der O********** Lebensversicherung
AG als auch Beiträge zur Aufstockung der Altersvorsorge an die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte erbracht. An den für ihn seit der
Währungsreform im Jahr 1948 entrichteten Beiträgen an die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von insgesamt 97.296 DM habe
sich einer seiner Arbeitgeber lediglich mit einem Betrag in Höhe von 435,50 DM
beteiligt. Dies entspreche einem Anteil von 0,5 v. H. statt des ansonsten üblichen
Arbeitgeberanteils von 50 v. H. Die Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung
Bund vom 22. Mai 2006 berücksichtige nicht, dass die Summe der Beiträge an die
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und der Beiträge für die befreiende
Lebensversicherung zumindest in den Jahren 1967 bis 1980 die jährlichen
Höchstbeiträge der gesetzlichen Rentenversicherung überstiegen hätten. Dieser
Zeitraum von 14 Jahren überschreite den Mindestzeitraum von zehn Jahren, der nach
dem Gesetz für eine Besteuerung der Alterseinkünfte mit den geringeren Ertragsanteilen
erforderlich sei.
19
Zudem seien Teile der Altersrente der Klägerin im Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr nicht in Höhe von 50 v.H., sondern mit einem geringeren Ertragsanteil zu
besteuern. Soweit ihre im Streitjahr vereinnahmte Altersrente auf den in den Jahren
1990 und 1992 nachgezahlten Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung
beruhe, sei sie mit dem Ertragsanteil zu versteuern. Die freiwilligen Nachzahlungen in
den Jahren 1990 und 1992 habe die Klägerin in vollem Umfang aus eigenem
versteuertem Einkommen aufgebracht.
20
Im Übrigen liege eine Doppelbesteuerung darin, dass der Beklagte die Erträge aus den
Investitionen, die sie - die Kläger - mit bereits versteuerten Alterseinkünften getätigt
hätten, beispielsweise die Mieteinnahmen von erworbenen und vermieteten Immobilien,
wiederum als einkommensteuerpflichtige Einkünfte angesetzt habe.
21
Die Kläger beantragen,
22
den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2005 dergestalt zu ändern, dass für
die Rente des Klägers ein Ertragsanteil in Höhe von 20 v.H. und für die Rente der
Klägerin ein Ertragsanteil in Höhe von 18 v.H. angesetzt wird.
23
Der Beklagte beantragt,
24
die Klage abzuweisen.
25
Er führt aus: Die von den Klägern im Streitjahr vereinnahmten Rentenzahlungen der
gesetzlichen Rentenversicherung seien in dem Einkommensteuerbescheid vom 8. Mai
2006 zu Recht zur Hälfte als steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG erfasst worden. Grundsätzlich seien aufgrund
der Änderungen durch das AltEinkG im Streitjahr die Altersrenten zur Hälfte
steuerpflichtig, deren Bezugsbeginn vor dem Streitjahr gelegen habe. Zwar räume das
26
Gesetz zur Vermeidung unangemessener Steuernachteile den Steuerpflichtigen die
Möglichkeit ein, Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung auf Antrag
lediglich mit den in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG normierten
Ertragsanteilen zu versteuern (sogenannte Öffnungsklausel). Die Voraussetzungen
dieser Öffnungsklausel seien im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Die Kläger hätten nicht
nachgewiesen, dass sie jeweils mindestens zehn Jahre Beiträge an die gesetzliche
Rentenversicherung gezahlt hätten, die die Höchstbeiträge zur gesetzlichen
Rentenversicherung überschritten hätten. Ausweislich der Bescheinigungen der
Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15. und 22. Mai 2006 habe die Klägerin
keine und der Kläger lediglich sechs Jahre Beiträge an die Rentenversicherung
geleistet, die oberhalb des Höchstbetrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gelegen
hätten.
Entscheidungsgründe
27
Die Klage ist nicht begründet.
28
Der Beklagte hat zu Recht den Antrag der Kläger abgelehnt, den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 8. Mai 2006 gemäß § 172 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 Buchstabe a AO zu ändern.
29
Nach dieser Vorschrift darf ein Einkommensteuerbescheid, soweit er - wie hier - nicht
vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, nur geändert werden,
soweit der Steuerpflichtige zustimmt oder seinem Antrag der Sache nach entsprochen
wird; dies gilt zugunsten des Steuerpflichtigen nur, soweit er vor Ablauf der
Einspruchsfrist zugestimmt oder den Antrag gestellt hat.
30
Letzteres ist hier zwar der Fall. Der Beklagte kann dem Änderungsantrag der Kläger der
Sache nach aber nicht entsprechen, weil er in dem Einkommensteuerbescheid vom 8.
Mai 2006 deren Renteneinkünfte in rechtmäßiger Weise erfasst hat.
31
Die Renteneinkünfte der Kläger sind sonstige Einkünfte im Sinne der §§ 22 Nr. 1 Satz 1,
22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG.
32
Gemäß § 22 Nr. 1 EStG sind sonstige Einkünfte Einkünfte aus wiederkehrenden
Bezügen, soweit sie - wie hier - nicht zu den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten
Einkunftsarten gehören. Zu den in dieser Vorschrift bezeichneten Einkünften gehören
auch Leibrenten, die aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erbracht werden,
soweit sie jeweils der Besteuerung unterliegen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a
Doppelbuchstabe aa EStG).
33
Die Kläger haben im Streitjahr jeweils eine als Leibrente ausgestaltete Altersrente der
gesetzlichen Rentenversicherung bezogen.
34
Der Beklagte hat den der Besteuerung zugrunde zu legenden Anteil der
Renteneinnahmen nach Maßgabe des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe
aa EStG zutreffend in Höhe von 9.144 EUR für den Kläger und in Höhe von 3.560 EUR
für die Klägerin ermittelt.
35
Bemessungsgrundlage für den der Besteuerung unterliegenden Anteil ist der
Jahrsbetrag der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 2
36
EStG). Der der Besteuerung unterliegende Anteil ist nach dem Jahr des Rentenbeginns
und dem in diesem Jahr maßgebenden Vomhundertsatz aus der im Gesetz normierten
Tabelle zu entnehmen. Diese sieht bei einem Rentenbeginn bis zum Jahr 2005 einen
Besteuerungsanteil von 50 v. H. vor. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem
Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist
der steuerfreie Teil der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz
4 EStG).
Danach betragen im Streitfall der Jahresbetrag der Rente des Klägers, die seit dem 1.
Februar 1989 gezahlt wird, 18.287 EUR und der Jahresbetrag der Rente der Klägerin,
die seit dem 1. Oktober 1999 gezahlt wird, 7.120 EUR. Die der Besteuerung zugrunde
zu legenden Anteile der Renten sowie die steuerfreien Anteile der Renten belaufen sich
auf jeweils 9.143,50 EUR (Kläger) und 3.560 EUR (Klägerin).
37
Die von den Klägern begehrte niedrigere Besteuerung der Renteneinkünfte lässt sich
aus dem Gesetz nicht herleiten. Insbesondere liegen die Voraussetzungen der
sogenannten Öffnungsklausel gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe
bb Satz 2 EStG nicht vor.
38
Nach dieser Vorschrift unterliegen auf Antrag auch Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1
Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG der Besteuerung mit dem Ertragsanteil,
soweit die Leibrenten auf bis zum 31. Dezember 2004 geleisteten Beiträgen beruhen,
welche oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung
gezahlt wurden (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2 Halbsatz 1
EStG). Der Steuerpflichtige muss jedoch nachweisen, dass der Betrag des
Höchstbeitrags mindestens zehn Jahre überschritten wurde (§ 22 Nr. 1 Satz 3
Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2 Halbsatz 2 EStG).
39
Der Kläger hat einen Nachweis dazu, dass der Betrag des Höchstbeitrags zur
gesetzlichen Rentenversicherung mindestens zehn Jahre überschritten worden ist, nicht
erbracht. Ausweislich der Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom
22. Mai 2006 wurde der Betrag der Höchstbeiträge lediglich sechs Jahre (1967, 1968,
1971, 1972, 1978 und 1979) überschritten.
40
Entgegen der Auffassung des Klägers sind bei der Beurteilung der Besteuerung der hier
in Rede stehenden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung die von ihm
gezahlten Beiträge an die befreiende Lebensversicherung bei der O**********
Lebensversicherung AG nicht einzubeziehen. Die Besteuerung der Altersrente der
gesetzlichen Rentenversicherung beruht nicht auf den an die O**********
Lebensversicherung AG geleisteten Beiträgen. Vielmehr hat der Kläger aufgrund dieser
Beiträge von der O********** Lebensversicherung AG vertragsgemäß im Jahr 1991 eine
einmalige Versicherungsleistung erhalten. Da diese Einnahme für ihn steuerfrei war, ist
insoweit eine Doppelbesteuerung ausgeschlossen.
41
Ebenso hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie mindestens zehn Jahre Beiträge
an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet hat, die die Höchstbeiträge
überstiegen haben. Aus der die Klägerin betreffenden Bescheinigung der Deutschen
Rentenversicherung Bund vom 15. Mai 2006 ergibt sich, dass die jährlichen
Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in keinem Jahr überschritten
waren.
42
Auch die freiwilligen Nachzahlungen von Beiträgen in den Jahren 1990 und 1992 für
den Zeitraum 1. Juni 1949 bis zum 30. September 1959 führen zu keinem anderen
Ergebnis.
43
Bei der Prüfung, ob nachgezahlte Beiträge die jährlichen Höchstbeiträge zur
gesetzlichen Rentenversicherung überschreiten, ist nach Auffassung des Senats der
Zeitraum maßgeblich, in dem die Zahlungen erfolgen und nicht der Zeitraum, für den die
Nachzahlungen erbracht werden. Die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung
(sogenanntes In-Prinzip: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 30. Januar
2008, Bundesteuerblatt (BStBl.) I 2008, 390 Rdnr. 137; andere Auffassung: z. B.
Risthaus in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und
Körperschaftsteuer, § 22 EStG Anm. 315).
44
Zwar regelt die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2
EStG, die aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 28. April
2004 (Bundestags-Drucksache 15/2986) in das AltEinkG aufgenommen wurde, die
Frage, welche Zeiträume bei der Nachzahlung von Beiträgen maßgeblich sind, nicht
ausdrücklich. Auch die Begründung des Finanzausschusses vom 29. April 2004
(Bundestags-Drucksache 15/3004) enthält hierzu keine Aussage. Der Sinn und Zweck
der Öffnungsklausel gebietet jedoch die Geltung des sogenannten In-Prinzips.
45
Der Gesetzgeber wollte mit der Einfügung der sogenannten Öffnungsklausel der
Befürchtung einer drohenden doppelten Besteuerung auch in außergewöhnlichen
Fällen begegnen (Bundestags-Drucksache 15/3004, S. 20).
46
Hiernach soll die sogenannte Öffnungsklausel eine Doppelbesteuerung vermeiden, die
dadurch entsteht, dass ein Steuerpflichtiger eine Altersrente als Einnahme bei den
sonstigen Einkünften versteuern muss, obwohl er die allein vom ihm getragenen
Beiträge, aufgrund derer er die Rente erhält, gerade wegen deren Höhe nicht bzw. nur
eingeschränkt als Sonderausgaben abziehen durfte. Nach dem in § 11 Abs. 2 Satz 1
EStG normierten Abflussprinzip kommt es für die Höhe des Sonderausgabenabzuges
auf die in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum erbrachten tatsächlichen Zahlungen
an. Dies gilt auch für die Nachzahlung von Beiträgen für bereits abgelaufene Jahre.
47
Hängt aber die Frage einer möglichen Doppelbesteuerung - unter anderem -
maßgeblich von der Höhe der abzugsfähigen Sonderausgaben und der in jedem Jahr
erbrachten Beitragszahlungen ab, ist es sachgerecht und geboten, für die Beantwortung
der Frage, ob der Betrag des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung mehr
als zehn Jahre überschritten worden ist, ebenfalls auf das Jahr der Zahlung der Beiträge
abzustellen.
48
Hiernach waren im Streitfall für den Abzug der Nachzahlungen der Klägerin an die
gesetzliche Rentenversicherung in den Jahren 1990 und 1992 als Sonderausgaben die
gesetzlichen Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen dieser Veranlagungszeiträume
maßgeblich und nicht die Höchstbeträge der Jahre, für die die Nachzahlungen erfolgten
(1949 bis 1959).
49
Auch der Verweis der Kläger auf eine Doppelbesteuerung ihrer Renteneinkünfte
rechtfertigt keine Erstreckung der sogenannten Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG auf den Streitfall. Weder eine
verfassungskonforme Auslegung noch eine analoge Anwendung der sogenannten
50
Öffnungsklausel kommen in Betracht.
Für eine analoge Anwendung der sogenannten Öffnungsklausel auf den Streitfall fehlt
es bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Die sogenannte Öffnungsklausel wurde
- wie dargelegt - in das Gesetz eingefügt, um den im Gesetzgebungsverfahren
geäußerten Bedenken bezüglich einer möglichen Doppelbesteuerung Rechnung zu
tragen.
51
Eine verfassungskonforme Auslegung der Norm scheitert, weil der Senat nicht
feststellen kann, dass die Rechte der Kläger infolge der Nichtanwendung der
sogenannten Öffnungsklausel und damit der Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG durch eine doppelte Besteuerung der
Renteneinkünfte verletzt sind.
52
Wann eine Doppelbesteuerung vorliegt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner
Entscheidung vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, Amtliche Sammlung der Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE) 105, 73) nicht definiert. Jedoch besteht -
soweit ersichtlich - Einigkeit, dass eine Doppelbesteuerung dann vermieden wird, wenn
die Summe der nicht steuerbaren Teile der Bruttorente die Summe der aus versteuertem
Einkommen geleisteten Beiträge erreicht (vgl. Abschlussbericht der
Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von
Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen vom 11. März 2003, S. 13 -
nachfolgend: Abschlussbericht, Bundestags-Drucksache 15/2150, S. 23; vgl. z. B. auch
Stellungsnahme des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) vom 28.
Januar 2004, S. 14, Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur
Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Vor § 22 EStG Anm. J 04-6).
53
Der Senat teilt diese Auffassung. Hiernach ist eine Doppelbesteuerung der
Renteneinkünfte der Kläger nicht erkennbar.
54
Der Kläger hat Beitragszahlungen zur Rentenversicherung für den Zeitraum 1. April
1940 bis zum 31. März 1947 in Höhe von 337,71 Reichsmark und für den Zeitraum 1.
Januar 1948 bis zum 31. Dezember 1986 in Höhe von 97.296 DM erbracht. Bei einer zu
Gunsten des Klägers unterstellten Annahme, dass der Wert einer Reichsmark dem Wert
einer Deutschen Mark entspricht, errechnet sich eine Summe von 97.633,71 DM. Darin
enthalten sind auch für einige Zeiträume gezahlte Arbeitgeberanteile. Ausweislich der
vorliegenden Einkommensteuerbescheide sind der Besteuerung in den Jahren 1999 bis
2005 Renteneinnahmen in Höhe von insgesamt 243.738 DM zugrunde gelegt worden.
Die Summe der in den Jahren 1999 bis 2005 steuerpflichtigen Ertragsanteile beläuft
sich auf insgesamt 77.833 DM. Steuerfrei geblieben sind demnach insgesamt 165.565
DM. Diese Beträge sind noch um die von dem Kläger in den Jahren 1989 bis 1998
vereinnahmten und anteilig versteuerten Zahlungen der gesetzlichen
Rentenversicherung zu erhöhen. Jedoch kann der Senat bereits ohne Berücksichtigung
der Rentenzahlungen in diesen Jahren feststellen, dass die Renteneinkünfte des
Klägers nicht doppelt besteuert werden. Die Summe der von dem Kläger in den
Veranlagungszeiträumen 1999 bis einschließlich 2005 bezogenen steuerfreien Teile
der Rente übersteigt die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge,
und zwar selbst dann, wenn das Gericht zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass er
sämtliche Beiträge aus versteuertem Einkommen erbracht hat.
55
Entsprechendes gilt für die Beurteilung der Renteneinkünfte der Klägerin.
56
Die Klägerin hat insgesamt Beitragszahlungen zur Rentenversicherung in Höhe von
20.692,90 DM
1988 bis zum 30. April 1992 gezahlten Arbeitgeberanteile. Ausweislich der
vorliegenden Einkommensteuerbescheide sind der Besteuerung in den Jahren 1999 bis
2005 Renteneinnahmen in Höhe von insgesamt 79.203 DM zugrunde gelegt worden.
Die Summe der bis 2005 steuerpflichtigen Ertragsanteile beläuft sich auf insgesamt
24.585 DM. Steuerfrei geblieben sind demnach insgesamt 54.618 DM. Damit übersteigt
die Summe der von der Klägerin bis einschließlich 2005 bezogenen steuerfreien Teile
der Rente die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Beiträge, und zwar
selbst dann, wenn das Gericht zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass sie sämtliche
Beiträge aus versteuertem Einkommen erbracht hat.
57
Angesichts dessen bedarf es einer Anwendung der sogenannten Öffnungsklausel des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb Satz 2 EStG nicht, obwohl bei
isolierter Betrachtung der Anzahl der Jahre, für die die Klägerin freiwillig
Nachzahlungen geleistet hat, die nach dem Wortlaut der Vorschrift erforderliche Anzahl
von mindestens zehn Jahren erreicht wäre. Die Klägerin hat in den Jahren 1990 (8.822
DM) und 1992 (9.578,40 DM) freiwillig Beträge nachgezahlt, die die in den Jahren 1949
bis 1958 geltenden Höchstbeiträge für die Rentenversicherung (vgl. Anlage zum
Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 30. Januar 2008, BStBl. I 2008, 390)
übersteigen. Demnach kann die rechtliche Beurteilung der freiwilligen Nachzahlung der
Klägerin für das Jahr 1959 dahinstehen. Die Nachzahlung, die nur für neun Monate des
Jahres erfolgte, war niedriger als der ungekürzte Höchstbetrag zur gesetzlichen
Rentenversicherung im Jahr 1959 (vgl. zu dieser Problematik: Risthaus in
Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, §
22 EStG Anm. 317; Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 30. Januar 2008, BStBl. I
2008, 390 Rdnr. 135).
58
Im Übrigen führt die Besteuerung der Erträge der von den Klägern getätigten
Investitionen, die sie (teilweise) mit ihren versteuerten Renteneinkünften finanziert
haben, zu keiner Doppelbesteuerung. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung dieser
Erträge ist nicht der Bezug der Altersrenten, sondern deren Verwendung, soweit sie die
Voraussetzungen anderer Einkunftserzielungstatbestände, beispielsweise der §§ 20, 21
EStG, erfüllt.
59
Bei der Berechnung der erbrachten Beiträge ist kein Inflationsausgleich durchzuführen.
Die Anknüpfung an die Nominalwerte und damit die Erfassung inflationsbedingter
Differenzen zwischen Auszahlungen und früheren Beitragsleistungen unterliegt nach
Auffassung des Senates keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch: Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer,
Vor § 22 EStG Anm. J 04-2 mit weiteren Nachweisen; Bundesverfassungsgericht
(BVerfG), Beschluss vom 19. Dezember 1978 1 BvR 335/76, 1 BvR 427/76, 1 BvR
811/76, BVerfGE 50, 57; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 5. Juni 2002 X R 1/00,
Sammlung der nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH (BFH/NV) 2002, 1438,
BFH, Beschluss vom 27. Juni 1996 VIII B 102/95, BFH/NV 1996, 921).
60
Der hiernach im Streitfall zutreffenden Anwendung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a
Doppelbuchstabe aa EStG steht schließlich keine Verletzung des Grundsatzes des
Vertrauensschutzes entgegen.
61
Eine Verletzung des aus dem Gebot der Rechtssicherheit folgenden
Vertrauensgrundsatzes kommt - unter anderem - in Betracht, wenn der Bürger darauf
vertrauen darf, dass seine Rechtsposition nicht nachträglich durch Vorschriften entwertet
wird, die auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft
einwirken (sogenannte unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung;
vgl. z. B. Grzeszick in Maunz/Dürig, Grundgesetz (GG), Kommentar, Art. 20 VII Rdnr.
69ff., Leiholz/Rinck, GG, Kommentar, Art. 20 Rdnr. 1531ff.; BFH, Beschluss vom 16.
Dezember 2003 IX R 46/02, BStBl. II 2004, 284; siehe auch z. B. BVerfG, Urteil vom 19.
Dezember 1961 2 BvR 2/60, BVerfGE 13, 279, 283).
62
Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz fordert jedoch nicht, dem Bürger jede
Enttäuschung zu ersparen. Vielmehr sind das Ausmaß des Vertrauensschadens und
das gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander
abzuwägen (BVerfG, Beschlüsse vom 11. Oktober 1962 1 BvL 22/57, BVerfGE 14, 288,
299 f.; vom 16. Oktober 1968 1 BvL 7/62, BVerfGE 24, 220, 230f.). Änderungen eines in
der Vergangenheit begründeten und noch bestehenden Rechtsverhältnisses für die
Zukunft sind danach zulässig, wenn die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens
für die Allgemeinheit das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden
Rechtslage überwiegt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9. Juni 1975 1 BvR 2261, 2268/73,
BVerfGE 40, 65, 75f.; vom 23. Juni 1993 1 BvR 133/89, BVerfGE 89, 48, 66; vom 25. Mai
1993 1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384, 406) oder wenn das schutzwürdige
Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen nicht
überwiegt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2001 1 BvL 4/96, BVerfGE 103, 392, 403
mit weiteren Nachweisen).
63
Die hiernach gebotene Interessenabwägung lässt eine verfassungswidrige Verletzung
des Vertrauensgrundsatzes nicht erkennen. Vielmehr muss das Vertrauen der Kläger
auf die Fortgeltung der Ertragsanteilsbesteuerung hinter das Allgemeininteresse an der
Schaffung einer den Vorgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
6. März 2002 (2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, 618) entsprechenden Neuregelung der
Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und von Bezügen aus
dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen zurücktreten.
64
Dies folgt bereits daraus, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber in
seiner Entscheidung vom 6. März 2002 (2 BvL 17/99, BStBl. II 2002, 618) aufgegeben
hat, mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen, in der
die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die
Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so
aufeinander abgestimmt sind, dass eine doppelte Besteuerung "in jedem Fall" - d.h.
auch in Bezug auf etwaige Übergangsregelungen - vermieden wird (so auch: Kulosa in
Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer,
Vor § 22 EStG Anm. J 04-3, Hey DRV 2004, 1ff.; andere Auffassung: Abschlussbericht
S.13). Eine (generelle) Fortgeltung der Ertragsanteilsbesteuerung für Steuerpflichtige,
die bereits vor dem 1. Januar 2005 Renten bezogen haben, hat das
Bundesverfassungsgericht demgegenüber nicht angemahnt. Damit räumt es der Pflicht
zur Beseitigung der als gleichheitswidrig erkannten unterschiedlichen Besteuerung der
Beamtenpensionen gem. § 19 EStG und der Renten aus der gesetzlichen
Rentenversicherung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG Vorrang ein gegenüber
dem Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der bestehenden Rechtslage.
65
Aus dem Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 EStG alte Fassung lässt sich kein besonderer,
66
die Allgemeininteressen überwiegender Vertrauensschutz herleiten. Die Formulierung
"für die gesamte Dauer des Rentenbezuges" lässt nicht erkennen, dass der
Gesetzgeber allen Personen, deren Rentenbezugsrecht im zeitlichen Geltungsbereich
der Altregelung begonnen hat, garantieren wollte, dass die Ertragsanteilsbesteuerung in
der festgeschriebenen Höhe bis zum Ende des Rentenbezuges unverändert fortgilt.
Dementsprechend begründen auch die bereits in der Vergangenheit vorgenommenen
Neufestsetzungen der Ertragsanteile keinen Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 1987 1 BvR 573/86, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung 1988, 649 zur Neufestsetzung der Ertragsanteile für Leibrenten
durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz vom 27. Dezember 1981 (BGBl. I 1982, 1523);
Vorinstanz: Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. August 1986 5 K 253/85).
Aus den dargelegten Gründen sieht sich der Senat trotz der mit Blick auf das Problem
der Doppelbesteuerung bestehenden Zweifel an der Vereinbarkeit der gesetzlichen
Regelungen mit Art. 3 GG (vgl. hierzu z. B. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach,
Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Vor § 22 EStG Anm. J 04-8,
Hey DRV 2004, 2ff; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14. September 2007, 8 V
49/06, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 137; Hessisches Finanzgericht
Beschluss vom 31. Januar 2007, 1 V 3571/06, juris; FG Baden-Württemberg Urteil vom
20. Mai 2008, 1 K 43/08, juris, Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: VIII R 23/08, vgl.
auch FG Schleswig-Holstein Urteil vom 23. April 2007, 3 K 148/05, EFG 2007, 1077,
Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: X R 15/07; FG Münster Beschluss vom 28.
Dezember 2007 12 V 726/07 E, StE 2008, 276; FG München Beschluss vom 8. Mai
2007, 9 V 181/07, juris, Brall/Bruno-Latocha/Lohmann, DRV 2004, 409ff.) gehindert, das
Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob
die Regelungen des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchstabe aa EStG und des §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchstabe bb EStG mit dem Grundgesetz vereinbar
sind.
67
Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes
ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht dann zulässig und geboten, wenn
ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für
verfassungswidrig hält. Neben der Überzeugung des Gerichts von der
Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Norm ist mithin erforderlich, dass die
Entscheidung des Streitfalles von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm
abhängig ist. Der Verfassungsverstoß muss also gerade die Beteiligten des
Ausgangsverfahrens betreffen (vgl. z. B.: BVerfG, Beschlüsse vom 24. Januar 1984, 1
BvL 7/82, BVerfGE 66, 100, 105ff.; vom 18. Juli 1984, 1 BvL 3/81, BVerfGE 67, 239, 244,
Pieroth in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 9. Auflage, 2007, Art. 100 Rdnr. 12,
andere Auffassung: Müller-Terpitz in Bleibtreu/Klein, Grundgesetz, Kommentar, Art. 100
Rdnr. 21; Sieckmann in Mangoldt/Klein, Grundgesetz, Kommentar, Art. 100 Rdnr. 33).
Hieran fehlt es – wie dargelegt – im Streitfall. Die Renteneinkünfte der Kläger
unterliegen keiner Doppelbesteuerung.
68
Aus diesem Grunde würden die Kläger von einer durch das Bundesverfassungsgericht
angeordneten "Nachbesserung" bzw. Neuregelung der möglicherweise wegen eines
Verstoßes gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verfassungswidrigen Norm des
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG nicht profitieren. Denn gleich wie die gesetzliche
Nachbesserung/Neuregelung ausgestaltet sein mag, sie wird – hiervon ist der Senat
überzeugt – sich nicht auf die Fälle erstrecken, in denen es nachweislich nicht zu einer
Doppelbesteuerung kommt bzw. eine solche nicht feststellbar ist.
69
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
70
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat.
71