Urteil des FG Münster vom 11.07.2002

FG Münster (Kapitalvermögen, Einspruch, Einkünfte, Kaufpreis, Akte, Aufwand, Markt, Grundstück, Lieferung, Sicherheitsleistung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 14 K 3740/02 E
11.07.2002
Finanzgericht Münster
14. Senat
Urteil
14 K 3740/02 E
Der Einkommensteuerbescheid vom 09.10.2000 in der Fassung der Ein-
spruchsentscheidung vom 17.01.2001 wird nach Maßgabe der Urteils-
gründe geändert.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Finanzamt auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung
vor-
läufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheits-
leistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der
Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben
Höhe leisten.
Tatbestand:
Strittig ist bei der Einkommensteuer (ESt)-Veranlagung 1994, ob Zahlungen an die Kläger
(Kl.) Zinszahlungen sind oder Kaufpreisteile.
Der Kl. ist heute nur noch verpachtender Landwirt. Bereits 1957 gestatteten die Kl. dem
(XXX), auf ihren Grundstücken auszubeuten. Am 29.05.1972 haben sie dem XXX rd. 15 ha
für 1.930.000 DM verkauft. Von diesem Betrag waren 500.000 DM sofort zu zahlen, der
Restkaufpreis in 20 gleichen Jahresraten zu je 71.500 DM (§ 6 des Vertrages, Bl. 36, 14 K
6205/98 E). Nach § 7 des Vertrages konnten die Kl. statt der jeweiligen Kaufpreisrate die
Lieferung von 1.589 Tonnen ..... verlangen. Dabei ging man davon aus, dass die Tonne 45
DM kostete.
Zum 01.10.1992 zahlte das XXX die letzte Rate von 71.500 DM.
Am 16.03.1994 schlossen die Kl. mit dem XXX im Büro des Notars A. in - des Zeugen J. -
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zwei Verträge. Sie waren nach zusammen mit dem Rechtsanwalt - dem Zeugen B. -
gefahren, den sie mit der Prüfung und Durchführung der Vertragsentwürfe beauftragt hatten.
Die Vertragsentwürfe stammten von dem XXX und den Kl. In dem notariellen Vertrag (ESt-
Akte) verkauften sie eine Fläche von 56.133 qm für 2,3 Mio. DM. Sie bestätigten, darauf
schon 1.053.700 DM erhalten zu haben, so dass zur Zahlung noch 1.246.300 DM offen
stünden, die zwei Wochen nach Eingang der Mitteilung, dass eine Vormerkung
eingetragen und die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt sei, zu
zahlen seien. In der Präambel wird auf den Vertrag von 1972 Bezug genommen und
ausgeführt, man habe schon 1975 vereinbart, dass das XXX den dann 1994 verkauften
Grundbesitz erwerben könne. Im Hinblick darauf seien, so heißt es in der Präambel des
Vertrages von 1994 weiter, auch bereits Kaufpreiszahlungen vorgenommen worden.
In dem privatschriftlich geschlossenen Vertrag desselben Tages zwischen denselben
Beteiligten wird auf den Vertrag vom 29.05.1972 Bezug genommen. Es heißt dann, dass
bzgl. des Kaufpreisteils von 1.430.000 DM Raten vereinbart gewesen seien. Hinsichtlich
dieses Kaufpreisteiles sei in § 7 ein Wahlschuldverhältnis begründet gewesen, nach dem
die Verkäufer statt des Geldbetrages die Lieferung losen ..... hätten verlangen können. Sie
vereinbarten dann am 16.09.1994 Folgendes: Das XXX zahlt an die Kl. noch 753.700 DM.
Die Vertragschließenden seien sich darüber einig, dass mit Zahlung dieses Betrages die
Käuferin ihre Kaufpreisschuld vollständig getilgt habe.
Am 20.10.1995 gaben die Kl. die ESt-Erklärung 1994 ab. Am 04.12.1995 (Bl. 49 ESt-Akte)
bat das FA die Kl., die Berechnung der 753.700 DM zu erläutern. Die Kl. teilten am
14.12.1995 mit (Bl. 50, 51 ESt-Akte), nachdem der .....preis gegenüber dem ursprünglichen
Preis von 45 DM pro Tonne gestiegen sei, habe man sich geeinigt, auf den vereinbarten
Kaufpreisteil für die vollständige Tilgung einen Betrag von 753.700 DM zu zahlen, somit
seien alle Ansprüche aus dem Kaufvertrag von 1972 als erledigt anzusehen.
Eine Außenprüfung stellte sich auf den Standpunkt, dass die Zahlung der 753.700 DM in
1994 ein zusätzliches Nutzungsentgelt für die langfristige Stundung der Kaufpreisforderung
aus dem Vertrages von 1972 sei. § 7 dieses Vertrages vom 29.05.1972 stelle eine
Wertsicherungsklausel dar. Zahlungen auf Grund einer Wertsicherungsklausel seien
Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Das Finanzamt (FA) änderte den ESt-Bescheid vom 26.07.1996 (der unter Vorbehalt der
Nachprüfung stand) am 20.11.1997 und setzte bei den Einkünften der Kl. aus
Kapitalvermögen jeweils 376.850 DM hinzu. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb
erfolglos. In der Einspruchsentscheidung (EE) führte das FA im Wesentlichen aus, zu den
Einkünften aus Kapitalvermögen würden auch besondere Nutzungsentgelte auf Grund
einer Wertsicherungsklausel gehören. Um ein solches zusätzliches Nutzungsentgelt würde
es sich hier handeln. In dem privatschriftlichen Vertrag vom 16.03.1994 hätten sich die
Vertragsparteien ausdrücklich auf § 7 des Vertrages vom 29.02.1972 - dem
Wahlschuldverhältnis - bezogen. Die Behauptung, bei den 753.700 DM handele es sich um
zusätzlichen Kaufpreis für das am 16.03.1994 notariell erworbene Grundstück, sei nicht
bewiesen.
Mit der Klage bringen die Kl. vor, beide Verträge seien bei dem Notar A. in unterzeichnet
worden. Ihre Preisvorstellungen von über 3. Mio. DM hätten die der Käufer gesprengt. Er -
der Kl. - habe sich aber durchgesetzt mit seiner Forderung, 2 Mio. DM sofort auf den Tisch
zu erhalten. Aus dem als einheitlichen Vertragswerk anzusehenden zwei Verträgen seien
ihm dann 1.246.300 DM aus dem notariellen Vertrag und 753.700 DM aus dem
privatschriftlichen Vertrag, insgesamt 2 Mio. DM sofort zugeflossen. Der Gesamtkaufpreis
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sei auf zwei Verträge aufgeteilt worden, um Marktstörungen durch einen zu hohen im
notariellen Vertrag ausgewiesenen Preis zu vermeiden.
Die Kläger beantragen
den ESt-Bescheid insoweit aufzuheben, als 753.700 DM Einkünfte aus
Kapitalvermögen angesetzt worden sind.
Weiterhin beantragen die Kl., es für notwendig zu erklären, einen Bevollmächtigten
zum Verfahren hinzugezogen zu haben.
Das FA beantragt
Klageabweisung.
Es fügt seiner EE hinzu, auch die Aktennotiz des Kl. vom 14.12.1995 spreche für einen
Zusammenhang mit dem Vertrag von 1972 und nicht mit dem vom 16.03.1994.
Wie das XXX buchmäßig den Erwerb behandelt habe, könne für die steuerliche
Behandlung auf Seiten der Kl. nicht Ausschlag gebend sein, denn eine unbedingte
wechselseitige Abhängigkeit, sei mit dem Grundsatz der Individualbesteuerung
unvereinbar.
Während des Klageverfahrens 14 K 6205/98 E gegen den ESt-Bescheid vom 20.11.1997
und die EE vom 12.08.1998 erging am 09.10.2000 ein auf Grund § 53
Einkommensteuergesetz (EStG) geänderter ESt-Bescheid. Gegen diesen legten die Kl. am
06.11.2000 (Eingang beim FA) Einspruch ein, am 07.11.2000 (Eingang bei Gericht Bl. 47
FG) stellten sie außerdem einen Antrag nach § 68 FGO. Das FA erließ am 17.01.2001 die
EE über den Einspruch vom 06.11.2000. Die Kl. erklärten am 19.02.2001 (Bl. 53, 14 K
6205/98 E), sie machten auch die EE zum Gegenstand des Gerichtsverfahrens. In dieser
EE wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe:
I. Gegenstand des Verfahrens ist jetzt der ESt-Bescheid vom 09.10.2000 und die EE vom
17.01.2001 (14 K 3740/02 E). Das Verfahren 14 K 6205/98 E gegen den Bescheid vom
20.11.1997 und die EE vom 12.08.1998 ruht.
II. Die Klage ist begründet.
1.
Die Beteiligten gehen davon aus, dass die Einnahmen nicht als Veräußerungserlös von
Betriebsvermögen steuerpflichtig sind; der Senat hat keinen Anlass, dies zu bezweifeln.
2.
Die fraglichen Beträge von insgesamt 753.700 DM sind keine Einkünfte aus
Kapitalvermögen.
Der Senat ist überzeugt davon, dass sie nicht auf die Wertsicherungsklausel des Vertrages
von 1972 gezahlt worden sind, sondern von dem XXX erbracht werden mussten, um die
Fläche von 56.133 qm zu erhalten. Sie sind damit Bestandteil des Kaufpreises für die
56.133 qm.
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Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die Kl. das Grundstück nur und erst verkaufen wollten,
wenn der Vertrag von 1972 vollständig erfüllt worden ist. Diese Motivation trat aber in den
Hintergrund gegenüber dem Willen der Kl., noch 2 Mio. DM zu erlösen. Denn wenn sich
eine Restforderung aus dem Vertrag von 1972 von 753.700 DM ergeben soll und das XXX
gleichzeitig ohne Rechtsgrund 1.053.700 DM leistet, hätte das XXX eine Forderung von
300.000 DM behalten.
Der Zeuge B. hat insoweit überzeugend ausgesagt, dass der Kl. die bereits erhaltenen
Beträge (nämlich 1.053.700 DM) als endgültig vereinnahmt angesehen hat. Ihm sei es nur
darum gegangen, jetzt noch weitere 2 Mio. zu erhalten. Auch die Aussage, er habe sich
unter dem 2. März aufgeschrieben "Summe Restzahlung 2 Millionen", spricht dafür, dass er
die Vertragsentwürfe so verstanden hat, den Kl. ginge es gerade nur um diesen Betrag.
Weiterhin hat er gesagt, ihm sei klar gewesen, dass sich die Summe von 2 Mio. aus dem
Rest aus dem notariellen Vertrag und dem Betrag aus dem privatschriftlichen Vertrag
zusammensetzen solle. Auch seine Worte "offiziell war das ja Restkaufpreis" sprechen
nicht entscheidend dagegen, dass er die Kl. so verstanden hat, dass es ihnen allein um 2
Mio. ginge. Dies drückt nur aus, dass er die Aufteilung auf zwei Verträge als eine Frage von
"offiziell" und "inoffiziell" verstanden hat. Das "offiziell" stützt vielmehr die Behauptung der
Kl., das XXX habe den Kaufpreis, der sich aus 2,3 Mio. DM und 753.700 DM
zusammensetzen würde, als Markt störend in zwei Verträge aufteilen wollen.
Der Senat folgt dem Zeugen B. auch darin, dass die Kl. die Zahlung von 753.700 DM mit
einem Scheck wollten. Dies spricht ebenfalls dafür, dass sie die 753.000 DM als Teil des
Kaufpreises ansahen, nur eben nicht als besonders sicheren Teil.
Der Zeuge B. steht zwar dem Kl. nahe, er machte auf das Gericht aber einen
glaubwürdigen Eindruck.
Die Aussage des Zeugen J. bewertet der Senat dagegen so, der Zeuge habe
möglicherweise schon damals glauben wollen, die Vertragsgegenstände seien rechtlich
nicht miteinander verknüpft. Jedenfalls wollte er sich jetzt - zur Zeit seiner Aussage - nicht
dem Vorwurf aussetzen, er habe sich auf etwas Unseriöses eingelassen. Das wird bestärkt
durch seine Aussage, er hätte dringend empfohlen, beides in einem Vertrag aufzunehmen,
wenn er geglaubt hätte, die Vertragsgegenstände seien rechtlich verknüpft. Auch seine
Einlassung, er halte es für ausgeschlossen, dass Herr so etwas gemacht hätte, bewertet
der Senat so, dass er den ihm gut bekannten Herrn schützen wollte.
Der Bewertung der 753.700 DM als Kaufpreisteil steht auch nicht entgegen - folgt man der
Aussage B. -, dass nach den ersten Entwürfen der Verträge die Kl. sogar 2.040.000 DM
statt der angestrebten 2 Mio. DM erhalten hätten, nämlich 1.287.500 DM als in dem Entwurf
für den notariellen Vertrag ausgewiesenen Restkaufpreis und 752.500 DM aus dem
Entwurf für den privatschriftlichen Vertrag. Die Differenz von 40.000 DM beruht darauf, dass
die bereits erhaltenen Beträge zu dieser Zeit nur mit 1.012.500 DM angenommen worden
waren. Insgesamt hätten sich 3.052.500 DM (1.012.500 + 1.287.500 + 752.500) ergeben,
statt später 3.053.700 DM.
Auch das XXX hat die 753.700 DM als Teil des Kaufpreises angesehen. Es hat sich auf die
Vorstellung der Kl. eingelassen, dass es noch um 2 Mio. DM geht. Es hat dies als
Restsumme akzeptiert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es für den Fall des Scheiterns der
Verhandlungen ernsthaft die Rückforderung der rechtsgrundlos geleisteten Beträge
angedroht hätte.
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Zwar hat kein Zeuge bestätigt, dass Herr den Kaufpreis als "Markt störend" bezeichnet
habe, das kann seine Ursache aber auch darin haben, dass am 16.03.1994 die
Vertragsentwürfe nur noch unterzeichnet wurden.
Die Antwort der Kl. vom 14.12.1995 auf die Frage des FA, wie sich die 753.700 DM, von
deren Zufluss es offenbar durch Prüfung des XXX erfahren hatte, zusammensetzten, spricht
nicht entscheidend gegen die Annahme, es handele sich um einen Kaufpreisteil. Die
Antwort muss im Zusammenhang mit der Frage gesehen werden. Diese unterstellt einen
Vertrag zur endgültigen Tilgung des Kaufvertrages vom 29.05.1972. Es war verständlich,
dass die Kl. sich auf diese Frage einließen und die Zusammensetzung erläuterten,
andernfalls hätten sie schreiben müssen, es habe sich um einen nicht notariell
beurkundeten Teil des Kaufpreises gehandelt.
Insgesamt erscheint es so, dass vordringlich der Erhalt bzw. der Aufwand - aus Sicht des
XXX - von 2 Mio. DM war, während die Form - zwei Verträge - von Beratern bestimmt war.
Wie das FA zu Recht ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, wie das XXX den fraglichen
Betrag behandelt hat, ob als Anschaffungskosten oder als sofort abzugsfähigen Aufwand.
Aus diesem Grunde ist auch eine Beiladung des XXX nicht nötig gewesen.
Der Senat überträgt es dem FA, die Steuer auszurechnen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit
aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Es war wegen der Schwierigkeit des Falles notwendig, einen Bevollmächtigten zum
Vorverfahren hinzugezogen zu haben.