Urteil des FG Münster vom 28.12.2000
FG Münster (Anpassung, Anerkennung, Versorgung, Gegenleistung, Nachrücken, Genehmigung, Ausnahme, Rechtsnatur, Lebenshaltungskosten, Sozialversicherung)
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 7 K 7481/99 E
28.12.2000
Finanzgericht Münster
7. Senat
Gerichtsbescheid
7 K 7481/99 E
Der Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 09.04.1999 und die
Einspruchsentscheidung vom 29.11.1999 werden abgeändert. Die
Einkommensteuer 1997 wird auf 35.770 DM herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
Streitig ist die Bedeutung der Nichtbeachtung einer Wertsicherungsklausel für die
Abzugsfähigkeit von Versorgungsleistungen nach Übergabe eines Betriebes als dauernde
Last.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die im Streitjahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer
(ESt) veranlagt wurden. Der Kl. erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Betrieb des
Lesezirkels im Streitjahr i. H. v. 101.164 DM, den er am 15.01.1974 von seiner Mutter
übernommen hatte.
In dem privatschriftlichen Übertragungsvertrag vom 15.01.1974 übertrug die Mutter des Kl.,
Frau H , mit Wirkung vom 01.01.1974 den -Lesezirkel auf ihren Sohn. Da der Betrieb
bereits seit dem 01.01.1968 an den Kl. verpachtet gewesen war, bestand der Betrieb im
wesentlichen aus der Kundschaft sowie dem Firmennamen.
Als Gegenleistung für die Übertragung wurde unter Ziff. 3 vereinbart, daß der Kl. seiner
Mutter eine monatliche Rente i. H. v. 300 DM zahlt. Wörtlich heißt es weiter:
"Diese Rente wird den jeweiligen Lebenshaltungskosten in der Weise angepaßt, daß
sie im gleichen Umfang steigt wie die Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung. Die
Rente steht H und ihrem Ehemann als Gesamtberechtigten zu, so daß sie im Fall des
Todes eines Ehegatten an den anderen Ehegatten weiter zu leisten ist. Die Parteien
behalten sich alle Rechte aus § 323 ZPO vor."
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 15.01.1974 Bezug genommen (ESt-
Akte, Vorgänge 1997).
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Die vom Kl. an die Mutter gezahlte Rente wurde seit 1974 als dauernde Last bei den
jeweiligen Veranlagungen der Vorjahre berücksichtigt. Die Steuerakten des Jahres der
erstmaligen Anerkennung und bis zum Jahr 1984 sind nicht mehr vorhanden. Nach
Angaben des Kl. betrug der Gewinn im Jahr 1973 25.178 DM und 1974, dem Jahr der
Übergabe, 35.712 DM.
Die Kl. machten in ihrer Steuererklärung 1997 wegen der Zahlung an die Mutter des Kl.
eine dauernde Last i. H. v. 3.600 DM geltend. Die Zahlung der monatlichen Rente wurde
von der Mutter des Kl. bestätigt.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte mit Bescheid vom 09.04.1999 die
Berücksichtigung der dauernden Last ab. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne
Erfolg. Auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 29.11.1999 wird Bezug genommen.
Mit der dagegen erhobenen Klage tragen die Kl. vor, bei der ursprünglichen Wertermittlung
für das übertragene Vermögen und für den kapitalisierten Wert der Rente sei die
Wertsicherungsklausel nicht berücksichtigt worden.
Das FA verkenne, daß es sich bei der Anpassung nicht um einen automatischen Vorgang
handele, sondern daß die Anpassung jeweils durch den Berechtigten geltend gemacht
werden müsse. Es sei üblich, daß auch zwischen Fremden derartige Anpassungen nicht
vorgenommen werden. Der Vertrag werde seit 23 Jahren in dieser Weise durchgeführt.
Wenn eine Leistung dem Grund nach als Versorgungsrente zu beurteilen sei, mit der Folge
der Anerkennung der Abzugsfähigkeit von Versorgungsleistungen als dauernde Last,
könne die bloße Nichtanpassung an die Sozialversicherungsrenten nicht die
Abzugsfähigkeit entfallen lassen.
Im übrigen sei zweifelhaft, ob die Wertsicherungsklausel überhaupt wirksam sei, denn eine
Genehmigung durch die Landeszentralbank sei nicht erfolgt und ein entsprechender
Vorbehalt sei im Vertrag für den Fall der Nichtgenehmigung unterblieben. Es sei auch
zweifelhaft, ob die Klausel, wie sie im Streitfall formuliert sei, genehmigungsfähig gewesen
wäre, da lediglich eine Steigerung vorgesehen sei, nicht aber eine Minderung bei
entsprechendem Sinken der Renten der gesetzlichen Sozialversicherung.
Schließlich führen die Kl. aus, die Handhabung sei sowohl bei einer im Jahre 1983 als
auch bei einer 1986 durchgeführten Betriebsprüfung ohne Beanstandung geblieben. Daß
insoweit kein Prüfungsbedarf mehr bestanden habe, ergebe sich auch daraus, daß das FA
selbst nicht mehr über die Steuerakten des Jahres der Betriebsübergabe verfüge.
Die Kl. beantragen,
die Zahlung der Kl. an die Mutter des Kl. in Höhe von 3.600 DM als dauernde Last zu
berücksichtigen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen und für den Fall der Stattgabe der Klage,
die Revision zuzulassen.
Es trägt vor:
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Auch im Streitfall gelte das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Das FA sei an falsche
Rechtsauffassungen bei früheren Veranlagungen nicht gebunden. Eine dauernde Last sei
im Streitfall nicht anzuerkennen.
Grundsätzlich müsse auch bei der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im
Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge die ständige Rechtsprechung des BFH
beachtet werden, daß bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen die gegenseitigen
Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart und die Vereinbarungen ernsthaft
gewollt und tatsächlich durchgeführt werden. Darauf könne auch bei dem vorliegenden
Übertragungsvertrag nicht verzichtet werden, da sonst die Grenze zur reinen privaten
Veranlassung verschwimme. Dies gelte insbesondere bei der Erfüllung der Hauptpflichten,
zu denen die Zahlung einer Schuld in der vereinbarten Höhe zu den vertraglich
vereinbarten Fälligkeitszeitpunkten gehöre (Hinweis auf BFH-Urteil vom 31.08.1994 X R
79/92, BFH/NV 1995, 382 m. w. N.). Zur vereinbarten Höhe einer Geldschuld gehöre auch
der Erhöhungsbetrag aufgrund einer automatischen Wertsicherungsklausel, um die es sich
im Streitfall handele. Der Erhöhungsbetrag sei nicht lediglich eine gesonderte
Nebenleistung, sondern Teil der unteilbaren Hauptleistung. Entgegen der Auffassung der
Kl. handele es sich nicht um eine Anpassungsoption, sondern um einen
Anpassungsautomatismus, wie sich aus dem Wortlaut des Vertrages ergebe ("wird ...
angepaßt").
Eine Wertsicherungsklausel habe die Funktion, den inneren Wert des Anspruchs gegen ein
allgemeines Währungsrisiko zu sichern. Daneben ergebe sich eine individuelle
Abänderbarkeit aus der Rechtsnatur und dem Zweck des Übergabevertrages als
Versorgungsvertrag, den steigenden Versorgungsbedarf beim Übergeber gegen die
sinkende Ertragskraft des übergebenden Vermögens beim Übernehmer abzuwägen und
bei dauerhaften Änderungen auszugleichen. Die Verminderung des Versorgungsbedarfs
beim Übergeber sei nicht zu berücksichtigen, da der Typ dieses Übergabevertrages nicht
darauf abstelle, ob der Übergeber auf die Versorgungsleistungen tatsächlich angewiesen
sei (Hinweis auf BFH-Urteil vom 23.01.1992 XI R 6/87, BStBl II 1992, 526).
Sollte die Klausel bei dem Beteiligten nur in Vergessenheit geraten sein, so würden
vertragstreue Partner zumindest in dem Moment, in dem sie sich wieder daran erinnerten,
die nach der Klausel inzwischen fälligen Erhöhungsbeträge nachzahlen. Dies sei im
Streitfall nicht erfolgt. Es sei daher zu vermuten, daß die Beteiligten aus vertragsfremden
Motiven auf die Änderung verzichtet hätten. Unterbleibe die Anpassung der Zahlung
endgültig, fehle es von diesem Moment an der tatsächlichen Durchführung der vertraglich
vereinbarten Regelungen; eine steuerliche Berücksichtigung des Vertrages insgesamt
mangels tatsächlicher Durchführung sei dann nicht mehr möglich (Hinweis auf den
Beschluß des FG Münster vom 18.01.1999 11 V 8435/98 - NV-). Die fehlende
Durchführung mangels Einhaltung der Wertsicherungsklausel führe dazu, daß der bisher
anerkannte und durchgeführte Versorgungsvertrag in einen steuerlich unbeachtlichen
Unterhaltsvertrag umschlage. Das steuerliche Privileg des Versorgungsvertrags als
Sonderform der Unterhaltsleistung gehe verloren, wenn nicht sämtliche Voraussetzungen,
die die Privilegierung begründeten, genau erfüllt würden.
Bei der Anpassung der Rente nach § 323 ZPO müsse der Steuerpflichtige demgegenüber
die wesentliche Änderung der maßgeblichen individuellen Verhältnisse detailliert,
glaubhaft und nachprüfbar darlegen. Außerdem müsse er erläutern, zu welchem Zeitpunkt
die erstmalige Anwendung des § 323 ZPO erfolge und in welcher Weise die
Änderungsvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden sei und wie die
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Abänderungsbeträge berechnet worden seien. Eine entsprechende Darlegung, daß
zeitgleich mit Überschreiten des für die Wertsicherungsklausel maßgebenden Index auch
eine gegenläufige der tatsächlichen Verhältnisse in der gleichen Höhe stattgefunden habe,
die gem. § 323 ZPO eine Herabsetzung der Zahlung rechtfertigen würde, hätten die Kl.
nicht dargelegt. Bei Umsetzung der Wertsicherungsklausel hätte die Rente für die Mutter
des Kl. in jedem Jahr ab dem 01.07.1975, mit Ausnahme des Jahres 1978, entsprechend
dem Anstieg der Sozialversicherungsrenten erhöht werden müssen. Für das Streitjahr 1997
hätte sich eine Rente von insgesamt 9.114 DM ergeben (753,79 DM x 6 + 765,21 DM x 6).
Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gem. § 90 a Finanzgerichtsordung
(FGO) durch Gerichtsbescheid.
Die Klage ist begründet.
Die unveränderte Zahlung der monatlichen Rente i. H. v. 300 DM ohne Umsetzung der
Wertsicherungsklausel lt. Übergabevertrag vom 15.01.1974 führt nicht zur steuerlichen
Nichtanerkennung der gesamten Zahlung als dauernde Last. Es handelt sich bei dem
Zahlbetrag nach wie vor um Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der
Übertragung existenzsichernden Vermögens, die als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1
a EStG in vollem Umfang steuerlich abzugsfähig sind, da sich nach Würdigung der
Gesamtumstände ergibt, daß der Vertrag im übrigen weiterhin durchgeführt worden ist.
1.) Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen
beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften im Zusammenhang
stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG).
a ) Der BFH hat im Anschluß an den Beschluß des Großen Senats des BFH vom
15.07.1991 GrS 1/90, BStBl. II 1992, 78 in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die
im Zusammenhang mit im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbarten
Versorgungsleistungen gegen Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Regelfall
abänderbar und deshalb als dauernde Last in vollem Umfang abziehbar sind, wenn es sich
um eine dem zivilrechtlichen Typus des Versorgungsvertrags-/Altenteilsvertrags
vergleichbare Vereinbarung handelt. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf § 323 ZPO ist
insoweit entbehrlich (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.1992 X R 141/88, BStBl. II 1992, 499, Urteil
vom 27.08.1997 X R 54/94, BStBl II 1997, 813). Entscheidend ist, daß die
Versorgungsleistungen aus dem Ertrag des übertragenen Vermögens geleistet werden
können. Eine Anpassung muß nicht nur wegen veränderter Bedürfnisse des Übergebers,
sondern auch bei veränderter Ertragslage möglich sein (BFH-Urteil vom 16.03.1999 X R
87/95, BFH/NV 2000, 12). Der Erwerb von Vermögen erfolgt dann bei Übernahme gegen
die Zusage von Versorgungsleistungen unentgeltlich, die Versorgungsleistungen stellen
weder Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten dar (BFH in BStBl. II 1992, 78 unter
C II. 1. d).
b) Beim Vermögensübergabevertrag handelt es sich um eine Vereinbarung, in der in der
Regel Eltern ihr Vermögen, insbesondere ihren Hof, Betrieb oder auch privaten
Grundbesitz mit Rücksicht auf die künftige Erbfolge auf einen oder mehrere Abkömmlinge
übertragen und dabei für sich einen ausreichenden Lebensunterhalt und ggfls.
Ausgleichszahlungen für weitere Abkömmlinge ausbedingen. Die steuerliche Besonderheit
des Übergabevertrages wird darin gesehen, daß er der folgenden Generation unter
Vorwegnahme des Erbfalls das Nachrücken in eine die Existenz wenigstens teilweise
begründende Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig die Versorgung des
Übergebers aus dem übernommenen Vermögen zumindest zu einem Teil sichert. Dies
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rechtfertigt den vollen Abzug der Versorgungsleistungen als dauernde Last beim
Übernehmer des existenzsichernden Vermögens und den steuerlichen Ansatz als
wiederkehrende Bezüge beim Übergeber (BFH in BStBl II 1997, 813 m.w.N.). Steuerlich zu
berücksichtigende Versorgungsleistungen sind solche Aufwendungen, die zum
Kernbestand des bürgerlich-rechtlichen Altenteils-/Leibgedingevertrages zählen und die
Zweckbestimmung haben, den Empfänger zu versorgen (BFH in BStBl II 1992, 499, BFH-
Urteil vom 25.08.1999 X R 38/95, BStBl II 2000, 21). Dazu gehören grundsätzlich
Zuwendungen zur Existenzsicherung wie Wohnen und Ernährung (vgl. BFH-Urteil vom
25.08.1999 X R 94/98, BFH/NV 2000, 418) aber auch regelmäßige Rentenzahlungen.
2.) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist auch ein Übergabevertrag steuerlich nur
anzuerkennen, wenn die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart
sind.
1. Diese Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses
oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden; rückwirkende
Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.1992
X R 31/91, BFH/NV 1993, 18). Der rechtliche Mindestbestand der den Vertragstypus
prägenden Rechtsfolgen muß klar festgelegt sein und die geschuldeten Leistungen
müssen vereinbarungsgemäß erbracht werden. Wesentlicher Inhalt des Übergabevertrages
ist der Umfang des übergebenen Vermögens, die Höhe der Versorgungsleistungen und die
Art und Weise der Zahlung (BFH in BFH/NV 1995, 382). Eine Schwankung der Höhe nach
muß aber, soll sie steuerrechtlich anerkannt werden, in der Regel durch nachweisbare
Umstände veranlaßt sein, die nach Maßgabe des Vertragstextes oder nach der
Rechtsnatur des Vertrages rechtserheblich sind (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.1992 X R
165/90, BStBl. II 1992, 1020). Unregelmäßigkeiten bei der Zahlung für sich allein hindern
die Anerkennung einer dauernden Last allerdings nicht in jedem Fall.
2. Nach den allgemeinen Grundsätzen für die Anerkennung von Verträgen mit Angehörigen
müssen daher auch beim Übergabevertrag gegen Versorgungsleistungen die
Vertragspartner ihren Vertragspflichten nachkommen und die Leistungen wie vereinbart
erbracht werden. Diese Grundsätze sind jedoch unter Berücksichtigung der
Besonderheiten der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen anzuwenden. So
ist der sog. Fremdvergleich kaum möglich, weil diese Verträge in der Regel nur von
Angehörigen abgeschlossen werden (BFH in BStBl II 1992, 499, ausführlich BFH -Urteil
vom 17.6.1998 X R 104/94, BFHE 186, 280). Zwar ist die Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen grundsätzlich auch zwischen Fremden möglich, es handelt sich
dabei aber nur um die Ausnahme von der Regel, daß zwischen Fremden üblicherweise
entgeltliche Anschaffungsgeschäfte getätigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.1997 IX R
11/94, BStBl II 1998, 718). Das FA verkennt bei der undifferenzierten Anwendung der
allgemeinen Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Anerkennung von Verträgen
zwischen nahen Angehörigen und damit auch des sog. Fremdvergleichs die
Besonderheiten des Übergabevertrages gegen Versorgungsleistungen. Die zivil- und
steuerliche Sonderstellung knüpft gerade daran an, daß der folgenden Generation das
Nachrücken in eine die Existenz sichernde Wirtschaftseinheit ermöglicht und gleichzeitig
die Versorgung des Übergebers aus dem übernommenen Vermögen gesichert werden soll
(vgl. BFH in BStBl. II 1992, 499 m.w.N.). Es handelt sich somit der Natur nach vornehmlich
um Verträge zwischen Angehörigen. Dies entspricht auch der zivilrechtlichen Regelung,
wonach gerade familiäre Bindungen für ein Altenteil sprechen (Pecher in Münchner
Kommentar, Anm. 9 zu Art. 96 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch -EGBGB-;
zum in Nordrhein-Westfalen geltenden Altenteilsrecht: vgl. BFH-Urteil vom 26.1.1994 X R
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141/90, BFH/NV 1994, 845). Es fehlt somit an einem Maßstab für einen Fremdvergleich.
Die Vertragsparteien müssen sich bei der konkreten Durchführung unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände in den wesentlichen Punkten an die
Vereinbarungen gehalten haben. Ebenso wie bei den allgemeinen Grundsätzen zur
steuerlichen Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen führt
nicht jede Abweichung vom Üblichen oder Vereinbarten notwendigerweise zur Versagung
der steuerlichen Anerkennung (vgl. BFH-Beschluß zur Vorlage an den Großen Senat vom
10.11.1999 X R 46/97, BStBl. II 2000, 188 unter II.). Außerdem ist bei der Auslegung der
tatsächlichen Vereinbarung zu berücksichtigen, daß diese regelmäßig durch rechtlich
unerfahrene Laien angewendet werden.
1. Der BFH hat nach neuerer Rechtsprechung allgemein für Verträge zwischen nahen
Angehörigen herausgestellt, daß verhältnismäßig geringfügige Abweichungen bei der
Durchführung der Verträge oder Formverstöße steuerlich unschädlich sein können, wenn
die Hauptpflichten der Vertragsparteien, wie z.B. das Überlassen einer bestimmten
Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichtenden Miete, klar und eindeutig
vereinbart worden sind und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden.
Außerdem muß feststehen, daß der Vertrag nicht nur zum Schein abgeschlossen wurde
und es sich nicht um eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung handelt. Für die steuerliche
Beurteilung ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles in Hinblick auf eine
mögliche unter § 12 EStG fallende Veranlassung vorzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom
15.02.1998 IX R 30/96, BStBl. II 1998, 349, ferner BFH-Urteil vom 13.07.1999 VIII R 29/97,
BFH/NV 2000, 176).
Aus dem Umstand, daß die Vermögensübergeber über einen längeren Zeitraum hinweg
von ihrem Recht, eine Anpassung der Rente zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht
haben, läßt sich daher bei Anwendung der vorstehenden Grundstücke nicht folgern, der
Übergabevertrag sei nicht wie vereinbart durchgeführt worden (vgl. BFH in BFH/NV 1993,
18), wenn der Charakter als Versorgungsvertrag im übrigen nicht berührt wird. Der Senat
sieht daher auch die Nichtbeachtung der Wertsicherungsklausel grundsätzlich nicht als
schädlich an. Der Auffassung des 11. Senats des FG Münster lt. Aussetzungsbeschluß
vom 18.01.1999 zu Az. 11 V 8435/98 und dem Urteil des 15. Senats des FG Münster vom
24.10. 2000 15 K 4934/00 (-nv- Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt - als Anlage
beigefügt -) vermag der Senat nicht zu folgen.
1. Bei der Wertsicherungsklausel handelt es sich um keine vertragliche Regelung, die so
bedeutsam ist, daß deren Nichtanwendung oder Unwirksamkeit die steuerliche
Nichtanerkennung des gesamten Vertrages zur Folge hätte. Die
Hauptleistungsverpflichtung, die Versorgung des Empfängers, kann grundsätzlich auch
ohne Anwendung der Wertsicherungsklausel erfüllt werden, solange der Ausgangsbetrag
tatsächlich gezahlt wird. Die Gegenleistung, die Übertragung existenzsichernden
Vermögens, bleibt ohnehin unberührt. Damit ist der Mindestbestand bürgerlich-rechtlicher
Rechtsfolgen, der eine Qualifikation als Versorgungsvertrag erlaubt (BFH in BFH/NV 1995,
382), durch die Nichtanwendung einer Wertsicherungsklausel regelmäßig nicht
beeinträchtigt, wenn weiterhin die Versorgungsleistungen aus dem übertragenen
Vermögen erbracht werden. Dabei kann grundsätzlich nicht danach unterschieden werden,
ob die Wertsicherung nach dem Wortlaut des Vertrages automatisch eintritt oder ob die
Anpassung gemäß der Indexklausel geltend gemacht werden muß. Die Differenzierung ist
für den rechtlichen Laien allgemein nicht ohne weiteres verständlich. Der Senat hält es
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deshalb für kein geeignetes Kriterium, wenn die Anerkennung des gesamten
Versorgungsvertrages allein an dieser Formalierung der Wertsicherungsklausel scheitert
(s. auch unten zu 2.e).
e) Die Wertsicherungsklausel soll zwar den inneren Wert der Rente erhalten und ist
deshalb von Bedeutung für die Höhe der Geldleistungsverpflichtung. Die Nichtbeachtung
der Anpassungsmöglichkeit bei Überschreiten der Indexveränderung für die
Lebenshaltungskosten läßt jedoch ohne Vorliegen weiterer Umstände für sich allein keinen
Rückschluß darauf zu, daß die Vertragsbeteiligten ihren Vertragspflichten insgesamt nicht
nachkommen wollten und der Vertrag über die Versorgung aus dem übergebenen
ertragbringenden Vermögen insgesamt nicht durchgeführt worden ist. Auch bei
Nichtdurchführung der Wertsicherungsklausel ist die Höhe der geschuldeten Geldrente
eindeutig geregelt, da sie, auch wenn die Änderung automatisch eintreten soll, einer
konkreten Umsetzung bedarf. Ein Umschlagen des ursprünglichen Versorgungsvertrages
in eine steuerlich unbeachtliche Unterhaltsrente kann selbst dann nicht angenommen
werden, wenn sich die Rente, wie im Streitfall, mehr als verdoppelt hätte. Denn bei der
vorzunehmenden Gesamtbetrachtung darf nach Auffassung des Gerichts die sonstige, im
zu entscheidenden Fall unstreitige Durchführung des Vertrages im übrigen nicht
unberücksichtigt bleiben.
Nach Auffassung des Senats kommt es daher nicht entscheidend darauf an, ob die nicht
angewendete Wertsicherungsklausel tatsächlich eine automatische Indizierung enthält
oder ob der Berechtigte lediglich eine Erhöhung verlangen kann, wenn nach den
Umständen ein Rechtsbindungswille vorhanden ist. Wirtschaftlich macht es keinen
wesentlichen Unterschied zur automatischen Anpassung, wenn der Berechtigte von sich
aus im Laufe der Jahre auf ein Vielfaches der Rente verzichtet. Es bedarf daher keiner
näheren Darlegung mehr, daß Wertsicherungsklauseln wegen § 3 WährG, wonach
Wertsicherungsklauseln für Geldschulden nur mit Genehmigung der Deutschen
Bundesbank zugelassen waren, vom Bundesgerichtshof (BGH) im Zweifel als
genehmigungsfreie Leistungsvorbehalte ausgelegt worden sind (vgl. BGH-Urteil vom
30.10.1974 XIII ZR 69/73, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ
63, 132, Neue Juristische Wochenschrift 1975, 1108). Bei Leistungsvorbehalten handelt es
sich um Klauseln, die bestimmen, daß bei der Veränderung einer Bezugsgröße wie z.B.
des Lebenshaltungskostenindex, eine Anpassung erfolgen soll (nicht: muß), ohne daß
jedoch das Ausmaß der Veränderung bereits bindend festgelegt wird (vgl. allgemein von
Maydell, Münchner Kommentar, 3. Aufl. 1994, § 244 BGB Tz. 21 ff m.w.N.).
3) Im Streitfall ist im Übergabevertrag vom 15.1.1974 der Betrieb der Mutter auf den Kl.
übertragen worden. Die vereinbarten Leistungen der Klin. stellen sich als
Versorgungsleistungen für die Mutter im Sinne eines Altenteils dar, das je nach den
Bedürfnissen der Mutter bzw. der Ertragslage des übernommenen Geschäfts abänderbar
war und deshalb beim Kläger als dauernde Last abzugsfähig ist. Es handelt sich auch um
existenzsicherndes Vermögen, wie der Senat bereits der Tatsache entnimmt, daß im Jahr
vor der Übergabe in 1973 ein Gewinn von ca. 25.000 DM erzielt worden war, der bis zum
Streitjahr auf ca. 100.000 DM gestiegen ist. Es handelt sich ferner offensichtlich nicht um
eine entgeltliche Übertragung, auch wenn die vereinbarte lebenslange Rente von 300 DM
als Gegenleistung bezeichnet wird. Dem entspricht, daß die Beteiligten mehr als 20 Jahre
von der Unentgeltlichkeit ausgegangen sind. Das FA hat weiter nicht in Zweifel gezogen
hat, daß die Aufwendungen tatsächlich erbracht wurden. Davon geht auch der Senat aus,
denn die Kl. haben eine entsprechende Bestätigung der Mutter des Kl. vorgelegt. Bei
Anwendung der oben unter 1. und 2. dargestellten Grundsätze ist die Nichtbeachtung der
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Wertsicherungsklausel im Streitfall unschädlich. Anhaltspunkte dafür, daß der Hauptzweck
des Vertrages nicht mehr verfolgt wird oder der Rechtsbindungswille überhaupt fehlt, hat
der Senat nicht feststellen können.
1. Die Altenteilsleistungen erweisen sich daher insgesamt als dauernde Last, die in
voller Höhe abzugsfähig sind. Das zu versteuernde Einkommen ist daher um 3.600 DM zu
mindern. Die ESt wird daher wie folgt neu festgesetzt: zu versteuerndes Einkommen bisher:
142.795 DM
Minderung lt. Antrag: 3.600 DM
zu versteuerndes Einkommen lt. FG: 139.195 DM
ESt neu: 35.770 DM
Dabei geht der Senat davon aus, daß es sich bei der Erwähnung des Betrages von
139.995 DM in der Klagebegründung vom 28.02.2000 um einen Schreib- oder
Rechenfehler handelt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.