Urteil des FG Münster vom 08.05.2007
FG Münster: herstellungskosten, arztpraxis, kaufpreis, falsche beurkundung, anbau, darlehen, verkäuferin, kaufvertrag, gebäude, scheingeschäft
Finanzgericht Münster, 1 K 1705/03 E
Datum:
08.05.2007
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
1. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 1705/03 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
T a t b e s t a n d:
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Streitig ist, ob Aufwendungen für die Errichtung eines Anbaus als Herstellungskosten
oder als Erhaltungsaufwendungen zu behandeln sind und in welcher Höhe
Schuldzinsen im Zusammenhang mit dem Gebäudeerwerb steuermindernd
anzuerkennen sind.
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Die Klägerin (Klin.) erwarb mit Vertrag vom 09.07.1996 das gemischtgenutzte
Grundstück A-Straße 32 in I von Frau SI, der ehemaligen Lebensgefährtin des Herrn H.
Sie vermietete das Gebäude zu Wohnzwecken sowie zum Betrieb einer Arztpraxis an
ihren Lebensgefährten, den Arzt H. Nach dem notariellen Kaufvertrag vom 09.07.1996
betrug der Kaufpreis für das Gebäudeobjekt 200.000,00 DM. Dem Wortlaut des
Vertrages entsprechend war für die Kaufpreisbildung u.a. maßgebend, dass noch
wesentliche Baumaßnahmen am Kaufgegenstand durchzuführen und Bauanträge noch
nicht abschließend beschieden waren. Der Kaufpreis war zum 01.09.1996 zur Zahlung
fällig und von der Klin. an die Bank E in E zur teilweisen Rückführung der Darlehen, die
den vier Grundschulden im Gesamtnennbetrag von 425.000,00 DM zu Grunde lagen, zu
überweisen.
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Nach Angaben der Klin. valutierten die vier Darlehen zum 01.09.1996 mit insgesamt
346.146,01 DM. In § 2 Abs. 3 der notariellen Vertragsurkunde war weiterhin folgendes
vereinbart: "Die Käuferin verpflichtet sich hiermit, die im Grundbuch des
Kaufgegenstandes in Abtl. III unter laufender Nr. 4, 6, 7 und 8 eingetragenen vier
Buchgrundschulden im gesamten Nennbetrag von 425.000 DM mit dinglicher Wirkung
zu übernehmen. Eine persönliche Schuldhaftung durch die Käuferin scheidet aus; es
verbleibt insoweit bei den ursprünglich begründeten Schuldverhältnissen".
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Die der Verkäuferin des Grundstücks von der Bank E für das Streitjahr in Rechnung
gestellten Zinsen in Höhe von insgesamt 22.695,91 DM hat die Klägerin anteilig in
Höhe von 57,78 % = 13.113,76 DM als Werbungskosten geltend gemacht und sind in
dem angefochtenen Bescheid berücksichtigt worden. Diese Zinsen sind im Streitjahr
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vom Konto Nr. 00000000 abgeflossen, auf welches vereinbarungsgemäß Herr H die
Mieten, auch nach Kauf des Objektes durch die Klägerin, zu überweisen hatte. Dieses
Konto lautete im Streitzeitraum auf den Namen "SI".
In 1997/Anfang 1998 erstellte die Klin. einen Anbau an das Gebäude A-Straße 32 in I.
Der Anbau hat eine Wohn- und Nutzfläche von 44 qm. Im Rahmen der
Einkünfteermittlung aus Vermietung und Verpachtung (V+V) für das Streitjahr 1998
machte sie die nachträglichen Herstellungskosten in Höhe von 44.942,00 DM und
Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 40.177,00 DM im Zusammenhang mit der
Errichtung des Anbaues geltend. Im angefochtenen Einkommensteuer(ESt)-
Änderungsbescheid für das Streitjahr beurteilte das beklagte Finanzamt (FA) alle
Aufwendungen als Herstellungskosten des Anbaus und berücksichtigte bei der
Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibung für Abnutzung (AfA)
54.092,59 DM. Die entsprechende AfA von 2 % betrug 1.080,00 DM.
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Im Rahmen des hiergegen gerichteten Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte (Bekl.)
einen geänderten ESt-Bescheid vom 21.10.2002, in dem nunmehr die sofort
abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 723,11 DM sowie eine AfA von
1.541,00 DM als Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften steuerlich anerkannt
wurden.
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In dem Klageverfahren gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung vom 20.03.2003
begehrte die Klägerin ursprünglich die zusätzliche Berücksichtigung von
Erhaltungsaufwand von 32.575,16 DM. Nach der mündlichen Verhandlung vom
23.01.2007 wurde die Geltendmachung des Aufwandes für Renovierungsarbeiten an
Bädern im Dachgeschoss nicht weiterverfolgt.
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Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Kosten des Anbaus
sofortabzugsfähiger Erhaltungsaufwand darstelle, da diese Maßnahme ausschließlich
dazu gedient habe, den weiteren Praxisbetrieb in dem Objekt A-Straße 32
sicherzustellen. Bei Nichtvornahme der Baumaßnahmen hätte die Arztpraxis
geschlossen werden müssen. Die Baumaßnahme habe insoweit allein der Sicherung
von Vermietungseinkünften gedient. Eine Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten als
Voraussetzung für die Annahme von Herstellungskosten sei daher nicht gegeben. Sollte
das Gericht dieser Auffassung nicht folgen, sei zumindest im Zusammenhang mit der
Durchführung des Anbaus ein erheblich höherer Erhaltungsaufwand zu berücksichtigen,
als dies bisher in den angefochtenen Verwaltungsentscheidungen der Fall ist.
Zumindest in Höhe eines Teilbetrages von 13.030,57 DM liege sofortabzugsfähiger
Erhaltungsaufwand vor. Bei der Baurechnung der Firma D handele es sich u.a. um
durchgeführte Putzarbeiten im Altbau sowie die Erneuerung des Bodenbelages im
Altbau. Weiterhin seien alte Fenster und Türen ausgebaut worden. Ferner sei die
Dachbegrünung auf dem Anbau als selbständige Außenanlage zu behandeln, die mit
einem Abschreibungssatz von 10 % abzuschreiben sei. Insgesamt seien daher im
Zusammenhang mit dem Anbau Werbungskosten in Höhe von 15.042,36 DM zu
berücksichtigen.
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Nach dem Ergebniss eines am 13.09.2005 vor dem zuständigen Berichterstatter
durchgeführten Erörterungstermin macht die Klin. nunmehr nicht mehr nur einen
anteiligen Zinsaufwand aus den der Verkäuferin in Rechnung gestellten Zinsen geltend,
sondern begehrt den vollständigen Abzug dieser Zinsen in Höhe von 22.695,00 DM. Sie
trägt nunmehr vor, der Zinsaufwand sei ausschließlich durch die Einkünfteerzielung aus
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V+V veranlasst. Auch sei zwischen den Parteien angestrebt gewesen, dass die Klägerin
alle Verbindlichkeiten der Frau SI übernehme. Somit wäre sie auch im Streitjahr
berechtigt, die Schuldzinsen in voller Höhe als Werbungskosten geltend zu machen.
Der vereinbarte Grundstückskaufpreis habe abweichend vom notariell beurkundeten
Kaufpreis auch nicht 200.000 DM, sondern 346.146 DM betragen sollen.
Die Klin. beantragt sinngemäß,
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den Einkommensteuer (ESt)-Bescheid für 1998 zu ändern und zusätzliche
Erhaltungsaufwendungen von 24.997,58 DM, zusätzliche Zinsaufwendungen i.H.v.
9.582,21 DM und eine zusätzliche AfA auf der Bemessungsgrundlage eines
Grunstückskaufpreises von 346.146 DM steuermindernd zu berücksichtigen.
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Der Beklagtenvertreter beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er weist darauf hin, dass die Anbaukosten für einen Anbau mit einer Nutzfläche von 44
qm nach gefestigter BFH-Rechtsprechung grundsätzlich als Herstellungskosten zu
behandeln seien. Aus den übrigen vorgelegten Rechnungen zum Nachweis weitere
Erhaltungsaufwendungen könne an keiner Stelle entnommen werden, dass weiterer die
Altbausubstanz betreffende Erhaltungsaufwendungen angefallen seien. Der Vortrag zu
dem nunmehr geltend gemachten weiteren Zinsaufwand sei nicht nachvollziehbar. Der
Grundstückskaufpreis sei in dem notariellen Vertrag vom 09.07.1996 mit 200.000,00 DM
beurkundet worden und sollte zur Rückführung der Darlehen, die die Bank E der
Voreigentümerin gewährt hatte, überwiesen werden. Diese Vereinbarung sei
offensichtlich nicht eingehalten worden, denn die Darlehen valutierten am 01.01.1996
mit 346.146,00 DM und am Ende des Streitjahres 1998 noch mit 307.043,00 DM.
Anhaltspunkte für eine falsche Beurkundung seien nicht ersichtlich. Aus der dinglichen
Belastung von Grundstücken mit Hypotheken oder Grundschulden ergebe sich für sich
allein auch noch kein wirtschaftlicher Zusammenhang mit den Einkünften aus V+V.
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Im Klageverfahren reichte die Klägerseite mit Schriftsatz vom 18.01.2007 Schreiben im
Zusammenhang mit der baurechtlichen Problematik der Nutzung des Gebäudes als
Arztpraxis ein. Auf diese Anlagen wird ausdrücklich Bezug genommen.
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Der Senat hat am 23.01.2007 und 08.05.2007 mündlich verhandelt. Im Rahmen der
mündlichen Verhandlung am 08.05.2007 ist der Notar N als Zeuge vernommen worden.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Protokolle der Senatsverhandlungen
verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch die
beigezogenen Akten des 13. Senats des FG Münster (13 K 1127/05 E und 13 V 3095/03
E), sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
20
Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen in zutreffender Art und Weise in
Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten unterteilt. Auch die angesetzte AfA ist
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zutreffend. Eine Berücksichtigung von Zinsen, die der Verkäuferin des Grundstücks,
Frau SI, in Rechnung gestellt worden sind, bei der Klägerin scheidet im Streitjahr aus.
Da der Senat eine Verböserung der Einkommensteuerfestsetzung für 1998 nicht
vornehmen darf, bleibt es bei der Berücksichtigung des von Beklagtenseite als
Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angesetzten
Betrages von 13.113,76 DM. Eine Berücksichtigung zusätzlicher AfA auf einen
Grundstückskaufpreis von 346.146 DM scheitert daran, dass ein solcher Kaufpreis von
der Klägerin mit der Verkäuferin nicht vereinbart worden ist und seitens des Beklagten
die AfA für den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis zutreffend angesetzt worden ist.
Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB die Aufwendungen, die durch
den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung
eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über den ursprünglichen
Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese
Begriffsbestimmung ist auch für das Steuerrecht maßgeblich (BFH-Urteil vom
13.10.1998 IX R 80/95, BFH/NV 1999, 605). Eine solche Erweiterung liegt bei einem
Anbau vor (BFH-Beschluss vom 08.05.2001 IX B 153/00, BFH/NV 2001, 1290, vgl auch
BFH-Urteil vom 25.01.2007 III R 49/06, DStR 2007, 988 zu dem deckungsgleichen
Herstellungskostenbegriff beim InvZulG 1999), der im vorliegenden Fall gegeben ist.
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Die Aufwendungen des Anbaus verlören auch nicht dadurch ihre Eigenschaft als
Herstellungskosten, wenn erst durch diesen Anbau, wie von Klägerseite behauptet, das
Betreiben der Arztpraxis weiter ermöglicht würde. Entscheidend für die Beurteilung der
Aufwendungen als Herstellungskosten ist die Funktionsfähigkeit des Gebäudes als
Mietobjekt und nicht die Funktionsfähigkeit des Gebäudes als Arztpraxis. Folgte man
dagegen der Klägeransicht, dass es auf die Funktionsfähigkeit des Gebäudes als
Arztpraxis ankäme, so führte dies aus Sicht des Senats im vorliegenden Fall allerdings
zum gleichen Ergebnis, da sich aus den vorgelegten Unterlagen eindeutig ergibt, dass
ein Anbau für die Beibehaltung der Arztpraxis nicht zwingend erforderlich war. Es
reichte vielmehr nach Ansicht des Gewerbeaufsichtamts E, der sich der
Regierungspräsident E in seinem Widerspruchsbescheid vom 26.08.1992 anschloss,
die Entfernung der von der Verkäuferin, Frau SI, vorgenommenen Deckenverkleidung
aus. Dies hätte zu einer Raumhöhe von 2,30 m und damit zur Genehmigung des
Betriebes einer Arztpraxis geführt (vgl. S. 4 des Widerspruchsbescheides des RP E vom
26.08.1992).
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Die schon im ADV-Verfahren vor dem 13. Senat des FG Münster (13 V 3095/03 E)
vorgelegten Rechnungen sind auch nicht geeignet darzulegen, dass und in welchem
Anteil bzw. in welcher Höhe Erhaltungsaufwand an dem Gebäude außerhalb des
Bereichs des Anbaus erfolgte. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss dieses
Senats vom 09.07.2003 verwiesen, die sich der erkennende Senat zu eigen macht. Eine
Aufteilung insbesondere der Arbeiten der Fa. D mit Sitz in B/Ausland ist dem Senat
nach den vorgelegten Rechnungen mit Pauschalpreisen und den sonstigen Bau- und
Rechnungsunterlagen weiterhin nicht möglich. Auch im Klageverfahren hat die Klägerin
keine detaillierten und spezifizierten Baubeschreibungen vorlegen können. Die
Dachbegrünung der Außenanlage steht nach Ansicht des Senats mit dem Gebäude im
Zusammenhang, da dies dem Raumklima und der Isolierung desselben als
wesentlicher Bestandteil dient. Diese Begrünung ist deshalb als Herstellungskosten des
Gebäudes zu qualifizieren. Die AfA auf diese Kosten bemisst sich folglich entsprechend
der AfA für das Gebäude.
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Eine Berücksichtigung der von Klägerseite geltend gemachten zusätzlichen
Zinsaufwendungen in Höhe von weiteren 9.582,21 DM scheitert bereits an dem
fehlenden Nachweis der entsprechenden Belastung der Klägerin im Streitjahr und auch
daran, dass die Klägerin vereinbarungsgemäß nur einen Betrag von 200.000 DM der
zum 01.09.1996 valutierenden Darlehen von 346.146,01 DM übernommen hatte. Der
hierauf entfallende Anteil der Schuldzinsen in Höhe von 13.113,76 DM ist vom
Beklagten im Streitjahr bereits berücksichtigt worden.
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Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG können Schuldzinsen als Werbungskosten
berücksichtigt werden, wenn sie mit einer Einkunftsart, im vorliegenden Fall mit den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, in Zusammenhang stehen. Gemäß § 11
Abs. 2 Satz 1 EStG setzt der Abzug einen Abfluss im Kalenderjahr als
Veranlagungszeitraum voraus. Ein solcher ist im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Die
Zinszahlungen erfolgten von einem Konto, welches auf den Namen der Verkäuferin
Frau SI lautete. Eine Übertragung auf die Klägerin erfolgte bis zum Zeitraum des
Streitjahres einschließlich nicht. Da die Klägerin nach dem notariellen Kaufvertrag nur
die dingliche Schuldhaft, nicht aber auch die persönliche übernahm, ist es nicht möglich,
das entsprechende Konto, welches den Namen der Frau SI trug, der Klägerin
zuzurechnen. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass dieses Baukonto im
Streitzeitraum der Frau SI zuzurechnen ist.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin mit dem Mieter unter
dem 01.04.1996 vereinbarte, dass die Mieten auch weiterhin auf dieses Konto gezahlt
werden sollten. Diese Vereinbarung führt zwar zur Vereinnahmung der Mieten durch die
Klägerin, nicht aber auch zur Verausgabung in Höhe der von Frau SI geschuldeten
Zinsen durch die Klägerin.
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Nach § 4 Abs. 2 des notariellen Kaufvertrages war der Kaufpreis für das Grundstück
vielmehr am 01.09.1996 fällig und von der Klägerin in voller Höhe zu überweisen. Der
notarielle Kaufvertrag enthält keine Vereinbarung darüber, dass die Klägerin persönlich
die Verbindlichkeiten oder die Zinszahlungspflichten der Frau SI gegenüber der Bank E
übernehmen sollte.
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Eine solche Vereinbarung ist für den Senat auch ansonsten in Bezug auf den
Streitzeitraum nicht erkennbar.
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Damit eine solche Vereinbarung steuerlich berücksichtigungsfähig wäre, bedürfte sie
grundsätzlich einer notariellen Vereinbarung in den Jahren 1996 bis einschließlich
1998. Dies ergibt sich nach Ansicht des Senats schon aus dem Formzwang bei
Grundstücksübertragungen gemäß § 313 BGB a. F. (jetzt § 311b BGB) (vgl. nur Palandt-
Heinrichs, § 311b, Rz. 25). Eine solche Vereinbarung ist nicht vorgelegt worden. Damit
besteht die widerlegbare Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit des
Vertragsinhalts gemäss dem notariell beurkundeten Vertrag vom 09.07.1996.
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Eine hiervon abweichende steuerliche Berücksichtigung, die bei Vorliegen des
notariellen Kaufvertrages als Scheingeschäft gemäß § 41 Abs. 2 AO denkbar ist,
scheidet in Bezug auf die Höhe der übernommenen Verbindlichkeiten aus. Ein
Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien den Eintritt der erklärten
Rechtsfolgen übereinstimmend nicht wollen (vgl. nur BFH-Urteil vom 07.11.2006 IX R
4/06, BStBl II 2007, 372; vom 21.09.2004 IX R 5/03, BFH/NV 2005, 498). Ein Indiz für
das Vorliegen eines solchen Scheingeschäfts ist gegeben, wenn die Vertragsparteien
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offenkundig die notwendigen Folgerungen aus dem Vertrag bewusst nicht gezogen
haben (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 21.09.2004 IX R 5/03, BFH/NV
2005, 498 m.w.N.). Beachtet man diese höchstrichterlichen Grundsätze, so könnten im
vorliegenden Fall zwar Zweifel hinsichtlich der Entgeltlichkeit des
Grundstückskaufvertrages zwischen Frau SI und der Klägerin bestehen, da eine
Kaufpreiszahlung, wie zwischen diesen Parteien vereinbart, nicht erfolgte. Der
Kaufvertrag könnte deshalb als Scheingeschäft für eine verdeckte unentgeltliche
Grundstücksübertragung verstanden werden. Allerdings verkennt auch der Senat nicht,
dass eine Grundstücksübertragung erfolgte und zumindest in späteren Jahren Darlehen
der Frau SI von der Klägerin übernommen worden sind. Inwieweit diese Übernahme
anstelle der Zahlung der im Kaufvertrag genannten 200.000 DM treten wird, vermag der
Senat nicht zu beurteilen, ist aber für das Streitjahr mangels vorliegender Vereinbarung
auch nicht weiter aufklärungsbedürftig. Aus diesem Grunde bedurfte es einer
Vernehmung der geladenen und erschienenen Mitarbeiter der Bank nicht mehr. Der
Senat geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass diese das Grundstück entgeltlich
erworben hat.
Indizen für das Vorliegen eines Scheingeschäfts hinsichtlich der Kaufpreishöhe sind
nach Überzeugung des Senats für das Streitjahr ebenfalls nicht erkennbar. Die
Annahme eines Scheingeschäfts scheitert schon an der fehlenden Offenkundigkeit einer
abweichenden Vereinbarung zwischen den Parteien, was aufgrund der
Zeugenvernahme des Notar N – auch bei Zugrundelegung der Klägerbehauptungen –
für den Senat feststeht. Der Zeuge Notar N schilderte im Rahmen dieser Befragung
glaubhaft und glaubwürdig, dass über die vertragliche Ausgestaltung des fraglichen
Kaufvertrages intensiv im Vorfeld diskutiert worden sei. Dies ergäbe sich aus dem
umfangreichen Schriftverkehr aus seiner Handakte. Dabei sei ein Kaufpreis von
200.000 DM bei gleichzeitiger nur dinglicher Übernahme der eingetragenen
Grundschulden durch die Klägerin gefunden worden. Er betonte, dass er nach seiner
Erinnerung über die rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung informiert habe. Soweit
der Zeuge diesbezüglich eine Einschränkung machte, ist dies aufgrund des langen
Zeitablaufs verständlich. Diese Aussage entspricht dem notariellen Vertragstext und ist
nachvollziehbar. Dass die Parteien daneben, ohne dies in den Gesprächen mit dem
Notariat irgendwie kenntlich zu machen, an einer anderen Höhe des Kaufpreises neben
dem notariellen Vertrag weiter festhielten, ist nicht erkennbar und auch
unwahrscheinlich. Glaubhaft ist vielmehr die Aussage des Zeugen. Zweifel an der
Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen nicht.
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Unter Berücksichtigung dieser Zeugenaussage und des vorliegenden notariellen
Kaufvertrages vom 09.07.1996 bedurfte es einer weitergehenden Zeugenvernahme
nicht. Denn selbst wenn der Senat zugunsten der Klägerin unterstellt, dass sowohl sie
wie auch Frau SI eine weitergehende schuldrechtliche Haftung der Klägerin für
Verbindlichkeiten der Frau SI angestrebt hätten, ist eine solche Vereinbarung zwischen
Parteien mit Wirkung für das Streitjahr nicht umgesetzt worden. Aufgrund der vom
Zeugen N beschriebenen intensiven Verhandlungen im Vorfeld des
Vertragsabschlusses ist insbesondere die hierfür nötige Offenkundigkeit einer
anderslautenden Vereinbarung zwischen den Parteien nicht denkbar. Spätestens im
Augenblick des Vertragsabschlusses muss eine solche Regelung nach Überzeugung
des Senats fallen gelassen worden sein. Dies ist zwingende Folge der vorliegenden
Aufklärung durch den Notar. Beiden Parteien war deshalb klar, welche Regelungen
wirklich vereinbart worden sind. Die Kenntnis des für Frau SI anwesenden Herrn H ist
hierbei gemäß § 166 BGB analog dieser zuzurechnen.
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Aufgrund des bislang Gesagten kann es der Senat dahinstehen lassen, wie eine
spätere Umschreibung des Baukontos auf die Klägerin zu werten ist. Insoweit muss sich
der Senat auch nicht mit der Frage beschäftigen, inwieweit Vereinbarungen zwischen
der Klägerin und Frau SI, welche beide Lebensgefährtinnen des Mieters H sind bzw.
waren, sogar einem Fremdvergleich gerecht werden müßten.
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Der Senat geht aufgrund des bisher Gesagten auch davon aus, dass die AfA im
Streitjahr höchstens von dem im notariellen Kaufvertrag vom 09.07.1996 genannten
Kaufpreis als Anschaffungskosten berechnet werden kann. Da der Beklagte diesen
Betrag zutreffend berechnet und auch als AfA berücksichtigt hat, kann es der Senat
dahinstehen lassen, ob im Streitjahr eine solche AfA ggf. aufgrund einer fehlenden
tatsächlichen Aufwendung des Kaufpreises gänzlich zu unterbleiben hätte. Der
aktivierbare und damit auch als Bemessungsgrundlage für die AfA gemäß § 9 Abs. 1 Nr.
7 Satz 1 EStG berücksichtigungsfähige Anschaffungspreis setzt bekanntlich eine solche
tatsächliche Aufwendung voraus (vgl. nur HHR-Stobbe, § 6 Rz. 285 m.w.N.). Doch
selbst wenn das Gericht hier zu dem Ergebnis käme, dass eine solche tatsächliche
Aufwendung des Kaufpreises mit Relevanz für das Streitjahr nicht vorläge, hinderte das
für das Gericht geltende Verböserungsverbot (vgl. Tipke in T/K, § 100 FGO, Rz. 36)
daran, die Einkommensteuer 1998 höher festzusetzen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Gründe, gemäß § 115 Abs. 2 FGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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