Urteil des FG Münster vom 04.02.2008

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Finanzgericht Münster, 11 K 801/07 AO
Datum:
04.02.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 801/07 AO
Tenor:
Der Rückforderungsbescheid vom 11.08.2006 sowie der
Abrechnungsbescheid vom 14.09.2006, beide in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 06.02.2007, werden aufgehoben. Es wird
festgestellt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung der USt
2004 einschließlich Zinsen i.H.v. insgesamt 1.115,46 € zusteht.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der
Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
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Streitig ist, wer Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO ist, wenn das Finanzamt
Steuererstattungen weisungswidrig nicht auf das ihr benannte Konto, sondern auf ein
anderes Konto des Steuerpflichtigen überweist.
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Aus der USt-Festsetzung 2004 ergab sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin in Höhe
von 1.115,46 € (inkl. 11,00 € Zinsen), welchen der Beklagte am 23.06.2006 auf das
Konto 350 bei der Sparkasse W zur Auszahlung brachte, obwohl der Steuerberater der
Klägerin bereits mit Schreiben vom 22.07.2005 mitgeteilt hatte, dass zukünftige
Steuererstattungen auf das Konto 218 bei der Deutschen Bank erfolgen sollen.
Inhaberin des zuletzt genannten Kontos ist Frau H, Inhaberin des Kontos 350 ist die
Klägerin.
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Die Klägerin rügte die Überweisung auf das Konto 350 mit Schreiben vom 27.06.2006
und bat um erneute Erstattung auf das Konto 218. Der Beklagte lehnte dies mit
Bescheid vom 05.07.2006 ab unter Hinweis darauf, dass das Geld in den
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Verfügungsbereich der Klägerin gelangt sei und deshalb schuldbefreiend geleistet sei.
Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein, woraufhin der Beklagte seine Auffassung,
dass die Erstattung Tilgungswirkung gehabt habe, fallen ließ.
Stattdessen forderte der Beklagte mit "Rückforderungsbescheid gemäß § 218 Abs. 1
i.V.m. § 37 Abs. 2 AO" vom 11.08.2006 (Bl. 3) den fehlerhaft überwiesenen Betrag von
der Klägerin zurück und stellte mit Abrechnungsbescheid vom 14.09.2006 (Bl. 8) fest,
dass der USt-Erstattungsanspruch der Klägerin durch Aufrechnung mit dem
Rückforderungsanspruch des Beklagten erloschen sei.
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Sowohl gegen den Rückforderungsbescheid als auch gegen den Abrechnungsbescheid
hat die Klägerin Einspruch erhoben mit dem Einwand, der Beklagte müsse sich
hinsichtlich der Rückforderung an die Sparkasse W halten.
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Der Beklagte wies die Einsprüche mit gemeinsamer Einspruchsentscheidung vom
06.02.2007 als unbegründet zurück. Die Inanspruchnahme der Bank sei nicht möglich,
wenn diese die Zahlung als Vertreterin oder als Zahlstelle des Kunden
entgegengenommen habe. Hiervon sei im Streitfall auszugehen, da im Zeitpunkt der
Überweisung ein Girokontenvertrag zwischen der Klägerin und der Sparkasse W
bestanden habe.
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Nach Klageerhebung trägt die Klägerin erstmals vor, dass das Konto 350 im Zeitpunkt
der Überweisung bereits gekündigt gewesen sei. Zum Nachweis verweist sie auf ein
Schreiben der Sparkasse W vom 15.10.2004 mit der Bezugszeile "Kreditkündigung" (Bl.
26). Hierin heißt es u.a. wie folgt: "Auf Grund der somit eingetretenen wesentlichen
Verschlechterung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse sehen wir uns gezwungen, die
Ihnen eingeräumten Kredite wie folgt mit sofortiger Wirkung zu kündigen: ....Konto 350
Inanspruchnahme -39.355,15 € ...". Nach der Kündigung habe sie – die Klägerin –
keinerlei Kontoauszüge mehr erhalten.
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Auf Nachfrage der Berichterstatterin, ob das Kündigungsschreiben vom 15.10.2004 nur
den Kreditvertrag oder auch den Girovertrag für das Konto 350 erfasse, antwortete die
Sparkasse W mit Schreiben vom 05.07.2007 (Bl. 38), dass die Kündigung das Konto
selbst umfasst habe, dieses aus dem normalen Kontoführungssystem herausgenommen
und nur als Verrechnungskonto für eingehende Zahlungen und zu leistende Kosten
weitergeführt worden sei. Für Konten, die in das spezielle EDV-Programm für
notleidende Forderungen eingestellt worden seien, würden keine Kontoauszüge mehr
erstellt. Stattdessen würden sog. Forderungsaufstellungen gefertigt, die alle Umsätze
erkennen lassen. So sei auch mit dem Konto 350 verfahren. Die Forderungsaufstellung
für den Zeitraum 16.10.2004 bis 05.07.2007 wurde zur Gerichtsakte gereicht (Bl. 39 –
42).
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Der Beklagte erließ daraufhin am 02.08.2007 einen Rückforderungsbescheid gegen die
Sparkasse W, gegen den die Sparkasse W Einspruch eingelegt hat mit der Begründung,
das Konto 350 existiere bis zum heutigen Tage und stehe für eingehende Zahlungen
zur Verfügung. Eingehende Zahlungen würden der Klägerin gutgeschrieben, wobei die
Sparkasse nicht als Leistungsempfängerin, sondern als Zahlstelle fungiere. Über den
Einspruch der Sparkasse W ist noch nicht entschieden.
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Die Klägerin hält daran fest, dass nicht sie, sondern die Sparkasse W
Leistungsempfängerin i.S.d. § 37 Abs. 2 AO sei.
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Sie beantragt,
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den Rückforderungsbescheid vom 11.08.2006 sowie den Abrechnungsbescheid
vom 14.09.2006, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.02.2007,
aufzuheben und festzustellen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung des
Umsatzsteuerguthabens 2004 inklusive Zinsen in Höhe von insgesamt 1.115,46 €
zusteht.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf das Urteil des BGH vom 05.12.2006 XI ZR 21/06, wonach eine Bank
nicht Leistungsempfängerin, sondern lediglich Zahlstelle sei, wenn sie eingehende
Überweisungsbeträge auf einem gekündigten Konto gutschreibe.
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Außerdem würden Zweifel daran bestehen, ob die Kündigung auch den Girovertrag für
das Konto 350 umfasst habe, da die Sparkasse W in deren Einspruchsverfahren
behauptet habe, das Konto existiere auch weiterhin.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die
Steuerakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Sowohl der Rückforderungsbescheid als auch der Abrechnungsbescheid sind
rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten. Denn dem Beklagten steht
hinsichtlich der am 23.06.2006 auf dem Konto 350 gutgeschriebenen 1.115,46 € kein
Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin zu, den er mit deren Anspruch auf
Erstattung der USt 2004 nebst Zinsen hätte aufrechnen können.
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Ist eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat
derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO
gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder
zurückgezahlten Betrags. Schuldner des Rückforderungsanspruchs ist derjenige, zu
dessen Gunsten erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückverlangt wird. Dies
ist in der Regel derjenige, demgegenüber das Finanzamt seine --vermeintliche oder
tatsächlich bestehende-- abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will. Ein Dritter ist
folglich, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung, dann nicht
Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 AO, wenn er lediglich als Zahlstelle,
unmittelbarer Vertreter oder Bote für den Erstattungsberechtigten aufgetreten bzw. von
diesem benannt worden ist oder das Finanzamt aufgrund einer Zahlungsanweisung des
Erstattungsberechtigten an ihn eine Steuererstattung ausgezahlt hat. Denn in einem
solchen Fall will das Finanzamt erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zu dessen
Gunsten leisten, sondern es erbringt seine Leistung mit dem Willen, eine Forderung
gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen (BFH-Urteil vom 22. August
1980 VI R 102/77, BFHE 131, 371, BStBl II 1981, 44).
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Ob bei Überweisungen die die Überweisung empfangende Bank oder Sparkasse
Leistungsempfängerin ist, hängt folglich davon ab, ob diese annehmen kann, sie werde
von dem Finanzamt lediglich als Zahlstelle eines Steuerpflichtigen in Anspruch
genommen. Bestand für das Konto, auf das die Überweisung erfolgt ist, bei
Zahlungseingang ein wirksamer Girovertrag, hat das Kreditinstitut den
Überweisungsbetrag lediglich als Vertreter des Kontoinhabers entgegen genommen
und ist selbst nicht Leistungsempfänger. Hat der bei einer Überweisung als
Zahlungsempfänger benannte Steuerpflichtige dagegen bei dem Kreditinstitut niemals
ein Konto unterhalten, ist eindeutig die Bank selbst Leistungsempfängerin.
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Im Streitfall liegt eine Fallkonstellation vor, in der das Konto gekündigt, aber noch nicht
endgültig abgewickelt war. Das Kündigungsschreiben der Sparkasse W vom
15.10.2004 mit der Überschrift "Kreditkündigung" und dem Text "...die Ihnen
eingeräumten Kredite wie folgt mit sofortiger Wirkung zu kündigen..." würde zwar den
Schluss zulassen, dass allein der Kontokorrentkredit – und nicht der Girovertrag -
gekündigt werden sollte, jedoch hat die Sparkasse W mit Schreiben vom 05.07.2007
ausdrücklich klargestellt, dass die Kündigung auch das Konto selbst umfasst habe.
Dass der Girovertrag gekündigt worden ist, wird zudem daran deutlich, dass die
Sparkasse W das Konto aus dem normalen Kontoführungssystem herausgenommen, in
das spezielle EDV-Programm für notleidende Forderungen eingestellt und nur als
Verrechnungskonto fortgeführt hat. Kontoauszüge wurden nicht mehr erstellt. Dass die
Sparkasse W in deren Einspruchsverfahren nunmehr behauptet, das Konto existiere
immer noch, steht ihrer Aussage vom 05.07.2007 nicht entgegen. Denn es ist zu
unterscheiden zwischen der Kündigung des Kontos und dessen tatsächlicher
Auflösung. Ist das Konto noch nicht aufgelöst, weil es noch nicht endgültig abgerechnet
ist, ändert das nichts daran, dass das Konto gekündigt ist und die Bank mangels
bestehenden Girovertrags nicht mehr verpflichtet ist, Überweisungen für den
Kontoinhaber entgegenzunehmen.
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Ob ein Kreditinstitut Zahlstelle bzw. Leistungsempfänger ist, wenn sie für einen früheren
Kontoinhaber eingehende Zahlungen entgegennimmt und auf einem gekündigten, sich
noch im Soll befindlichen Konto gutschreibt, wird vom BGH und BFH unterschiedlich
beurteilt.
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Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 05.12.2006 – XI ZR 21/06, BGHZ 170,
121, NJW 2007, 914 m.w.N.) kann das Kreditinstitut auch nach Erlöschen des
Girovertrags als Zahlstelle des Begünstigten fungieren. Mit dem Erlöschen des
Girovertrages verliere das laufende Konto zwar seine Eigenschaft als
Zahlungsverkehrskonto und die kontoführende Bank sei danach grundsätzlich nicht
mehr verpflichtet, nachträglich eingehende Beträge auf dem Konto zu verbuchen. Die
Bank sei jedoch auch bei einem erloschenen Girovertrag in dessen Nachwirkung noch
befugt, im Interesse ihres früheren Kunden eingehende Zahlungen weiterhin für ihn
entgegenzunehmen, müsse sie dann aber auf dem bisherigen Konto entsprechend
§ 676f Satz 1 BGB verbuchen bzw. nach § 667 BGB herausgeben. In dem o.g. vom
BGH entschiedenen Fall war das Girokonto des Überweisungsempfängers bereits zwei
Jahre vor Eingang der Überweisung wegen eines Insolvenzeröffnungsantrags
gekündigt, aber intern weitergeführt worden. Die Bank schrieb den Überweisungsbetrag
zunächst unter Verrechnung mit dem Debet auf dem Konto gut, unterrichtete alsbald den
Insolvenzverwalter von dem Zahlungseingang und gab den Überweisungsbetrag
zeitnah an diesen heraus. Nach Auffassung des BGH steht es außer Zweifel, dass die
Bank bei der Entgegennahme des streitigen Überweisungsbetrags und dessen
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Verbuchung auf dem intern weitergeführten Konto für den früheren Kontoinhaber
gehandelt habe und die Überweisung nicht etwa als Zahlung an sich angesehen habe.
Ihr Vorgehen sei als bloße Zahlstellentätigkeit zu werten mit der Folge, dass der
Überweisende gegen sie keinen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB habe.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist eine Bank dagegen nach Kündigung des Kontos
nicht mehr als bloße Zahlstelle anzusehen, und zwar auch dann nicht, wenn das
gekündigte Konto noch nicht gelöscht wurde, weil es noch nicht endgültig abgerechnet
worden ist (BFH, Beschluss vom 06.06.2003 – VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532;
bestätigt durch Beschluss vom 28.01.2004 – VII B 139/03, BFH/NV 2004, 762). Der BFH
nimmt den Umstand, dass die Bank auch nach Kündigung des Girovertrages auf Grund
dessen rechtlicher Nachwirkungen berechtigt ist, noch eingehende
Überweisungsbeträge für ihren ehemaligen Kunden entgegenzunehmen und mit
dessen diesbezüglichen Herausgabeanspruch gegen ihre eigene, aufgrund des
unausgeglichenen Solls bestehende Forderung aufzurechnen, zwar zur Kenntnis. Die
Bank sei bei einem derartigen Verhalten jedoch nicht als bloße Zahlstelle anzusehen.
Denn die in diesem Falle gegenüber dem Steuerpflichtigen bewirkte Leistung --die
Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Bank --sei ebenso wenig wie bei
Weiterleitung von Zahlungen auf ein niemals eröffnetes Konto dem Finanzamt
zuzurechnen, sondern eine solche der Bank, welche die in diesem Zusammenhang
maßgebliche Zweckbestimmung treffe und nicht auf Grund ihrer diesbezüglichen
Verpflichtung zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zwischen Finanzamt und ihrem
Kunden aus einem mit diesem noch bestehenden Girovertrag, sondern aus eigenem
Entschluss das ihr als Leistungsempfängerin vom Finanzamt Zugewandte dazu
verwende, es ihrem ehemaligen Kunden in der Weise zugute kommen zu lassen, dass
sie durch Aufrechnung eigene Forderungen realisiere. Der zwischen der Bank und dem
Finanzamt entstandene Rückforderungsanspruch bleibe hiervon unberührt (vgl. BFH,
Beschluss vom 06.06.2003 – VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532 m.w.N.).
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Der Senat hat sich der Rechtsprechung des BFH bereits mehrfach angeschlossen und
folgt ihr auch weiterhin. Bezogen auf den Streitfall bedeutet das, dass hinsichtlich der
am 23.06.2006 auf dem Konto 350 gutgeschriebenen 1.115,46 € nicht die Klägerin,
sondern die Sparkasse W Leistungsempfängerin ist.
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Dass die Rechtsprechung des BFH durch die Einführung des Überweisungsgesetzes
zum 01.01.2002 überholt wäre, vermochte der Senat nicht festzustellen, zumal die §§
676a ff BGB keine ausdrücklichen Vorschriften dazu enthalten, wie Fehlüberweisungen
rückabzuwickeln sind. Etwaige bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche
richten sich zivilrechtlich vielmehr nach § 812 BGB. Diese Vorschrift findet nach der
ständigen Rechtsprechung des BFH auf den öffentlich-rechtlichen
Rückforderungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO jedoch keine unmittelbare Anwendung, da
dieser Anspruch Ausdruck eines übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips
ist, dass derjenige, der vom Staat auf Kosten der Allgemeinheit etwas erhalten hat,
grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene zurückzuzahlen (vgl. BFH, Beschluss vom
19.09.1997 – V B 39/97, BFH/NV 1998, 280 m.w.N.). Dass der BGH in seinem Urteil
vom 05.12.2006 – XI ZR 21/06 entschieden hat, dass ein Kreditinstitut bei Gutschrift auf
einem gekündigten Konto nicht Leistungsempfänger i.S.d. § 812 BGB sei, schließt
wegen der Wesensverschiedenheit von Ansprüchen nach § 812 BGB und § 37 Abs. 2
AO mithin auch nicht aus, dass das Kreditinstitut trotzdem Leistungsempfänger i.S.d. §
37 Abs. 2 AO sein könnte.
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Maßgebliches Kriterium für die rechtliche Würdigung, wer Leistungsempfänger ist, ist für
den Senat der Umstand, ob die Bank zur Gutschrift der Überweisung verpflichtet oder
hierzu lediglich berechtigt ist. Denn während ihr in ersterem Fall kein Spielraum
verbleibt, ob sie den eingehenden Zahlbetrag dem Kontoinhaber zuordnen möchte, hat
sie bei einem gekündigten Girovertrag die Wahl, ob sie den Überweisungsbetrag an den
Überweisenden zurückgibt oder ihn auf dem früheren Konto gutschreibt bzw. an den
früheren Kontoinhaber herausgibt. Entscheidet sind das Kreditinstitut für die Gutschrift
auf dem früheren Konto, wird ihre Entscheidung dann, wenn sich das Konto im Soll
befindet, typischerweise davon beeinflusst sein, dass sie sich an der Gutschrift selbst
befriedigen will, d.h. sie handelt primär nicht im Interesse des früheren Kontoinhabers,
sondern im eigenen Interesse. Handelt das Kreditinstituts aufgrund eines eigenen
Willensentschlusses im eigenen Interesse, dann ist es jedoch nicht mehr bloße
Zahlstelle, sondern Leistungsempfänger.
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Der Senat verkennt nicht, dass eine unterschiedliche Beurteilung des
Leistungsempfängers nach § 812 BGB und § 37 Abs. 2 AO für das Kreditinstitut
rechtliche Unsicherheit bedeutet, da ein an sich identisches Verhalten zu
unterschiedlichen Rechtsfolgen führen kann, je nachdem wer der Überweisende bzw.
was Rechtsgrund der Überweisung ist. Während das Kreditinstitut aufgrund des Urteils
des BGH vom 5.12.2006 – XI ZR 21/06 in dem Großteil aller Fälle nicht befürchten
muss, nach § 812 BGB in Anspruch genommen zu werden, wenn es eingehende
Zahlungen auf ein bereits gekündigtes Konto gutschreibt, läuft es dann, wenn es sich
bei dem eingehenden Zahlbetrag ausnahmsweise um eine Steuererstattung des
Finanzamts handelt, Gefahr, diesen Betrag trotz Gutschrifts auf dem gekündigten Konto
nach § 37 Abs. 2 AO persönlich herausgegeben zu müssen. Die Unsicherheit, welche
Rechtsfolgen sein Handeln – die Gutschrift - haben könnte, wird noch dadurch verstärkt,
dass es für das Kreditinstitut nicht erkennbar ist, ob es sich bei der Überweisung auf das
gekündigte Konto um eine Fehlüberweisung handelt oder nicht. Denn es ist ebenso gut
denkbar, dass die Zahlung des Finanzamts auf ausdrückliche Anweisung des
Steuerpflichtigen erfolgt, weil dieser bewusst und gewollt das Soll auf seinem früheren
Konto tilgen will, und in einem derartigen Fall wäre das Kreditinstitut keinem
Rückforderungsanspruch des Finanzamts ausgesetzt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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Im Hinblick auf die mit der Fortführung der BFH-Rechtsprechung für die Kreditinstitute
entstehende Rechtsunsicherheit und praktischen Schwierigkeiten lässt der Senat die
Revision nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FGO zu.
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