Urteil des FG Münster vom 28.02.2008

FG Münster: erlass, insolvenz, einkünfte, nachforderung, kapitalvermögen, nachlass, reduktion, einziehung, verkehrswert, eigentumswohnung

Finanzgericht Münster, 3 K 3877/07 Erb
Datum:
28.02.2008
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 3877/07 Erb
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
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Die Parteien streiten über den Erlass einer Erbschaftsteuer (ErbSt)-Nachforderung.
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Die Kläger (Kl.) sind Brüder und beerbten ihren am 06.08.1996 verstorbenen Vater
neben ihrer Schwester zu je 1/3. Zum Nachlass gehörten auch Anteile am
Betriebsvermögen (BV) einer GmbH & Co. KG, die ihre Produkte überwiegend der
Bergbauindustrie zulieferte. Der für ErbSt-Zwecke anzusetzende Wert des BV belief
sich auf gut 3 Mio. DM. Außerdem gehörten zum Nachlass Grundbesitz im Inland, auf J
und in der T im Wert von ca. 740.000 DM sowie Bankguthaben von gut 1,3 Mio. DM. Der
Ehefrau des Erblassers stand ein Ausgleichsanspruch i.H.v. rd. 1 Mio. DM zu.
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Die ErbSt setzte der Beklagte (Bekl.) zunächst unter Berücksichtigung der
Steuervergünstigung gem. § 13 a Abs. 5 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) für das im
Nachlass enthaltene BV durch ErbSt-Bescheide vom 09.07.1997 fest. Zu den
Einzelheiten wird auf die Steuerbescheide (Bl. 103 ff der ErbSt-Akte) Bezug genommen.
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Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhielten die Kl. das BV zu je ½ Anteil,
während ihre Schwester ¼ des Bankguthabens sowie die Eigentumswohnung in der
Schweiz erhielt. ¾ des Bankguthabens gingen an die Mutter der Kl. zur Erfüllung ihrer
Ausgleichsforderung. Hinsichtlich der weiteren Vermögensgegenstände (Wohnung auf
J, Immobilie A-Str. 17 in I, Steuerschulden) blieb die Erbengemeinschaft ungeteilt.
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Im März 2001 wurde über das Vermögen der GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren
eröffnet. Im Rahmen der Insolvenz erfolgte im Mai 2001 die Veräußerung des BV an
einen Investor.
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Da die Veräußerung des BV innerhalb der fünfjährigen Behaltensfrist des § 13 Abs. 5
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ErbStG erfolgte, erließ der Bekl. am 28.12.2001 Änderungsbescheide, in denen er die
ErbSt ohne Berücksichtigung der Vergünstigungen des § 13 a ErbStG festsetzte. Dies
führte für den Kl. zu 1) zu einer Nachzahlung i.H.v. 62.372,50 Euro und für den Kl. zu 2)
i.H.v. 61.910,80 Euro. Die Nachzahlungsbeträge wurden am 26.07.2002 entrichtet.
Gegen die Änderungsbescheide wandten sich die Kl. mit Einsprüchen vom 25.01.2002.
Während des Einspruchsverfahrens wurde die ErbSt durch Änderungsbescheide vom
01.09.2004 niedriger festgesetzt. Es kam in der Folge zu einer Steuererstattung i.H.v.
17.807 Euro für den Kl. zu 1) und i.H.v. 17.797 Euro für den Kl. zu 2).
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Die Einsprüche wurden durch Einspruchsentscheidung (EE) vom 12.06.2006 als
unbegründet zurückgewiesen. Die ErbSt-Festsetzungen sind danach bestandskräftig.
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Mit Anträgen vom 09.10.2006 begehrten die Kl., die aus dem Wegfall der
Steuervergünstigungen des § 13 a ErbStG resultierende ErbSt-Nachforderung i.H.v.
jeweils gut 44.000 Euro zu erlassen. Die Erhebung der Steuer sei sowohl sachlich als
auch persönlich unbillig. So habe der BFH in der Entscheidung vom 16.02.2005 (II R
39/03, BFH/NV 2005, 1449) zwar eine teleologische Reduktion des § 13 a Abs. 5
ErbStG abgelehnt, da das Veranlagungsverfahren nicht mit der Prüfung belastet werden
solle, ob nicht auch im Fall einer Insolvenz diese gewollt herbeigeführt wurde oder ob es
sich um eine erzwungene Maßnahme gehandelt habe. Auch habe die Finanzverwaltung
nicht weiter prüfen sollen, ob nicht vor der Insolvenz dem BV Vermögensgegenstände
entzogen worden seien. Diese Aspekte seien aber jedenfalls im Rahmen der
Erlasswürdigung zu prüfen und im vorliegenden Fall auch entscheidungserheblich. So
sei zunächst daraufhin zu weisen, dass der Fünfjahreszeitraum der Behaltensfrist hier
so gut wie abgelaufen gewesen sei; es hätten lediglich 2,5 Monate gefehlt. Auch sei
durch die Insolvenz den Beteiligten die Entscheidungsmöglichkeit vollständig aus der
Hand genommen worden. Seit Fortführung des Unternehmens durch die Kl. seien
branchenbedingt Verluste i.H.v. annähernd 4 Mio. Euro entstanden. Durch erheblich
Einlagen der Kl. in das BV wie durch weitere finanzielle Unterstützung seitens ihrer
Mutter und ihrer Schwester hätten sie versucht, die Insolvenz abzuwenden. Schließlich
sei darauf hinzuweisen, dass durch die Übertragung auf einen Investor die Arbeitsplätze
hätten erhalten werden können. Zudem sei der Erlass auch aus persönlichen
Billigkeitsgründen gerechtfertigt. Die Kl. hätten bis auf eine Eigentumswohnung auf J
ausschließlich das BV geerbt und durch die eingetretene Insolvenz ihr gesamtes
Vermögen verloren. Noch vorhandene Eigentumswohnungen seien komplett mit einem
Nießbrauch zu Gunsten ihrer Mutter belastet. Das elterliche Einfamilienhaus, dessen
Eigentümer der Kl. zu 1) sei, sei als überschuldet anzusehen. Auch spreche die
Einkommenssituation der Kl. für einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen. So
habe der Kl. zu 1) im Jahr 2002 einen
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Verlust aus Gewerbebetrieb i.H.v. 2.000 Euro erzielt. Seine Einkünfte aus
Kapitalvermögen hätten unterhalb des Freibetrages gelegen, die Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit 104.000 Euro betragen. Der Kl. zu 2) habe Einkünfte aus
Gewerbebetrieb i.H.v. 7.000 Euro, Einkünfte aus Kapitalvermögen ebenfalls i.H.v. 7.000
Euro und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 9.000 Euro bezogen. Zu den
weiteren Einzelheiten wird auf den Antrag vom 09.10.2006 in der Steuerakte Bezug
genommen.
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Die Anträge lehnte der Bekl. durch Bescheide vom 08.11.2006 ab. Die festgesetzte
ErbSt sei weder aus sachlichen noch aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen.
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Eine Billigkeitsmaßnahme aus sachlichen Gründen sei nur in solchen Fällen
gerechtfertigt, die der Gesetzgeber bei Schaffung des Gesetzes nicht vorausgesehen
habe und deren Härten er nicht in Kauf genommen hätte. In § 13 a ErbStG habe der
Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nach objektiven Kriterien
geregelt und dabei die Berücksichtigung der individuellen Situation bewusst
ausgeschlossen. Eine Berücksichtigung der individuellen Situation könne daher aus
sachlichen Gründen nur in ganz extremen Ausnahmefällen erfolgen. Dass die
Behaltensfrist lediglich um 2,5 Monate unterschritten sei, stelle keinen derartigen
Ausnahmefall dar. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass die Kl. neben dem BV auch
weiteres – lastenfreies – Vermögen erworben hätten. Durch den Erbfall seien den Erben
insgesamt Mittel zugeflossen, aus denen auch die auf das BV entfallende ErbSt in
vollem Umfang zu tilgen gewesen sei. Dabei könne der Staat nicht das Risiko der
unternehmerischen Entscheidung tragen, dass neben dem BV übergegangenes
Nachlassvermögen zur Abwehr der Insolvenz eingesetzt werde. Ebenso wenig könne
die Tatsache, dass das BV unter neuer Leitung fortgeführt werde, einen Erlass aus
sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigen.
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Die Voraussetzungen eines persönlichen Billigkeitserlasses seien ebenfalls nicht
gegeben. Es fehle an der Erlassbedürftigkeit. Die Kl. hätten sich im Jahr der Zahlung der
Steuer die Mittel dazu im Darlehenswege im Familienkreis beschafft. Das sei ihnen
zuzumuten gewesen. Auch angesichts der von den Kl. im Jahr 2002 erzielten Einkünfte
sei eine Erstattung des bereits erfüllten Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis
nicht gerechtfertigt.
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Mit ihren Einsprüchen vom 20.11.2006 verwiesen die Kl. nochmals darauf, dass sie zur
Abwendung der Insolvenz alle verfügbaren Mittel – auch aus dem übrigen Nachlass – in
das BV investiert hätten. Noch vorhandenes Grundvermögen sei mit einem Nießbrauch
zugunsten ihrer Mutter belastet.
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Den Einspruch wies der Bekl. durch Einspruchsentscheidungen (EEen) vom 19.06.2007
als unbegründet zurück. Zu den Einzelheiten wird auf die EEen in den Steuerakten
Bezug genommen.
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Mit ihrer Klage vom 18.07.2007 verfolgen die Kl. ihr Begehren auf Erlass der
Erbschaftsteuerschulden weiter. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr
Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren.
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Die Kl. beantragen sinngemäß,
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den Bekl. zu verpflichten, auf den Antrag der Kl. vom 09. Okt. 2006
die ErbSt aus den Bescheiden vom 01.09.2004 in der Fassung der
EE vom 12.06.2006 zu erlassen.
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Der Bekl. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf seine EEen.
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Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Bekl. ist nicht verpflichtet, entsprechend dem Antrag der Kl. die ErbSt gem.
Bescheiden vom 01.09.2004 idF der EE vom 12.06.2006 zu erlassen.
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Der Erlass einer Steuerforderung gem. § 227 AO ist eine Ermessensentscheidung der
Finanzbehörde, die im gerichtlichen Verfahren gem. § 102 Finanzgerichtsordnung
(FGO) lediglich dahingehend überprüft werden kann, ob die Finanzbehörde die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer
dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebraucht gemacht hat. Die
von den Kl. begehrte Entscheidung, den Erlass der ErbSt-Nachforderung
auszusprechen, kann das Gericht selbst nur dann treffen, wenn der
Ermessensspielraum des Bekl. dahingehend eingeschränkt war, dass sich die
Entscheidung, den Erlass auszusprechen, als einzig richtige Ermessensentscheidung
darstellt.
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Vorliegend hat aber der Bekl. sein Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt, insbesondere
war er nicht aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null dazu verpflichtet, den von
den Kl. beantragten Erlass auszusprechen.
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Gemäß § 227 AO kann die Finanzbehörde Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis
ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles
unbillig wäre. Bereits entrichtete Beträge können unter diesen Voraussetzungen auch
wieder erstattet werden. In Betracht kommt der Erlass sowohl aus sachlichen als auch
aus persönlichen Billigkeitsgründen.
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Sachliche Billigkeitsgründe sind dann gegeben, wenn nach dem erklärten oder
mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass er die im
Billigkeitswege zu entscheidende Frage – hätte er sie geregelt – im Sinne der
beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme – hier des Erlasses – entschieden hätte (vgl.
Tipke/Kruse § 227 AO Rdz. 40 m.w.N. zur Rechtsprechung). Die Einziehung des
Anspruches aus dem Steuerschuldverhältnis ist dann aus sachlichen Gründen unbillig,
wenn die Einziehung dem der gesetzlichen Regelung zugrunde liegenden Zweck
widersprechen würde (vgl. Tipke/Kruse § 227 Rdz. 42 m.w.N. zur Rechtsprechung).
Dabei dient § 227 AO nicht dazu, die einem gesetzlichen Steuertatbestand
innewohnende Wertung generell zu durchbrechen oder zu korrigieren.
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Übertragen auf den Streitfall bedeut dies, dass der Verlust des BV bzw. der Beteiligung
an der KG durch Insolvenz innerhalb der Behaltensfrist des § 13 a Abs. 5 ErbStG nicht
zu einer Unbilligkeit der Erhebung der Nachsteuer aus sachlichen Gründen führt.
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Denn mit Urteilen vom 16.02.2005 (II R 39/03, BFH/NV 2005, 1449) und vom
21.03.2007 (II R 19/06, BFH/NV 2007, 1321) hat der BFH sowohl zu der Regelung des §
13 Abs. 2 a Satz 3 ErbStG a.F. als auch zu § 13 a Abs. 5 ErbStG entschieden, dass der
darin geregelte Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen
Gründen das begünstigt erworbene BV veräußert oder der Betrieb aufgegeben wurde.
Eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestandes komme insoweit
nicht in Betracht. Die mit dem Innehaben von BV verbundenen Risiken und Belastungen
schlügen sich im Verkehrswert nieder. Durch die – auch hier im Streitfall anzuwendende
– Bewertungsmethode sei regelmäßig bei der Erbschaftsbesteuerung der Verkehrswert
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des BV nicht berücksichtigt. Deshalb bestehe kein Anlass, wegen der bereits im
niedrigeren Wertansatz berücksichtigten Risiken und Belastungen trotz Aufgabe des
Gewerbebetriebs zusätzlich die Vergünstigungen des § 13 a Abs. 5 ErbStG weiter zu
gewähren. Ist danach die Nachversteuerung auch im Falle der Insolvenz vom
Gesetzeszweck bzw. dem Willen des Gesetzgebers gedeckt, so steht dies dem im
Streitfall auf den Verlust der Beteiligung an der GmbH & Co. KG durch Insolvenz
gestützten Erlassbegehren entgegen.
Vor dem Hintergrund dieser BFH-Rechtsprechung, der sich der Senat auch für den
vorliegenden Fall anschließt, ist es auch nicht ermessensfehlerhaft, dass der Bekl. die
von den Kl. behauptete Schuldlosigkeit an der Insolvenz sowie den erheblichen Einsatz
von weiterem Vermögen zur Abwendung dieser Insolvenz nicht als ausreichende
Gründe angesehen hat, den Erlass zu gewähren.
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Nach Auffassung des BFH (a.a.O.) kommt eine teleologische Reduktion des § 13 a Abs.
5 ErbStG nicht deswegen in Frage, weil die Betriebsaufgabe erzwungen bzw.
unverschuldet war. Er hat dies vor allen Dingen damit begründet, dass
unternehmerische Entscheidungen im Rahmen des ErbSt-Veranlagungsverfahrens
nicht überprüft werden könnten und sollten. Entgegen der Auffassung der Kl. sind diese
Grundsätze auch im Rahmen der Entscheidung über den Erlass zu berücksichtigen. Bei
der Prüfung der Frage, ob ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen in Betracht
kommt, kann die Rechtsvorschrift, auf der die Steuerforderung basiert, nicht anders
ausgelegt werden als im Festsetzungsverfahren selbst. Der Erlass dient nicht dazu, die
vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Zielsetzungen auszuhöhlen. Erst wenn
sich feststellen lässt, dass die wortgetreue Anwendung der Vorschrift über den
gesetzgeberischen Willen hinausgeht, kann eine Korrektur im Erlasswege geboten sein.
Vorliegend decken sich jedoch die von den Kl. gerügten Folgen der Nachversteuerung
gem. § 13 a Abs. 5 ErbStG mit dem gesetzgeberischen Willen. Ein Erlass aus
sachlichen Billigkeitsgründen kommt deshalb nicht in Betracht.
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Das gilt auch für die Frage, ob nicht die Tatsache, dass die Kl. erhebliche Mittel in die
Erhaltung des Betriebes investiert haben, ein Erlass rechtfertigt. Es handelt sich zum
einen um unternehmerische Entscheidungen, die im Rahmen der Nachversteuerung
des § 13 a Abs. 5 ErbStG nicht überprüft werden sollen. Würde man diese Überprüfung
in das Erlassverfahren verlagern, käme es zu einer von § 227 AO nicht gedeckten,
generellen Druchbrechung bzw. Korrektur der § 13 a Abs. 5 ErbStG zugrunde liegenden
Wertungen. Außerdem handelt es sich um soweit in typischer Weise risikobehaftete
unternehmerische Entscheidungen, deren Folgen nicht der Allgemeinheit angelastet
werden könnten. Auf die Ausführungen des Finanzgerichts Nürnberg (Urteil vom
30.03.2006, IV 205/2005, SttRE 2006, 1283) wird auch für den vorliegenden Fall
hingewiesen.
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Schließlich hat der Bekl. auch einen Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen
ermessensfehlerfrei abgelehnt.
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Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche und
persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichtet oder ernstlich gefährden würde.
Die wirtschaftliche Existenz ist gefährdet, wenn ohne Billigkeitsmaßnahme der
notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden
kann. Der Steuerpflichtige ist grundsätzlich gehalten, zur Zahlung seiner Steuerschuld
alle verfügbaren Mittel einzusetzen und auch seine Vermögenssubstanz anzugreifen.
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Dies gilt allerdings nicht in den Fällen, in denen die Verwertung der
Vermögenssubstanz den Ruin des Steuerpflichtigen bedeuten würde (vgl. BFH-
Beschluss vom 16.12.1992 I B 94/92, BFH/NV 1994, 597 m.w.N.).
In einer derartig prekären Situation haben sich die Kl. ausweislich ihrer Angaben zu
ihren Einkünften und ihrem Vermögen, die durch die Steuerfestsetzungen der Jahre
2002 und 2004 bestätigt werden, nicht befunden. Die ErbSt-Zahlung konnte durch eine
Kreditaufnahme bei der Mutter der Kl. erbracht werden. Diese Kreditaufnahme war nicht
unzumutbar. Im Übrigen standen dem Kl. zu 1.) im Jahre 2002 ein Arbeitslohn von rund
100.000 Euro als wesentliche Einkünfte zur Verfügung. In den Folgejahren wurden die
absinkenden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit durch wachsende Einkünfte aus
gewerblicher Tätigkeit kompensiert. Dass die Zahlung der ErbSt-Nachforderung zum
finanziellen Ruin des Kl. zu 1) führen würde, ist sowohl nach eigenem Vortrag des Kl.
als auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.
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Das gilt auch für den Kl. zu 2). Zwar verfügte er nicht über Einkünfte in der Höhe des Kl.
zu 1). Jedoch weisen die erklärten Einnahmen aus Kapitalvermögen auf einen nicht
unwesentlichen, über die ErbSt-Nachforderung hinausgehenden Kapitalstamm hin,
dessen Einsatz zur Begleichung der Steuerschuld des Kl. zu 2). verlangt werden konnte.
Das gilt um so mehr, als dass das Kapitalvermögen nicht die einzige Einkunftsquelle
des Kl. zu 2). bildete.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
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Die Revisionzulassung erfolgt zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
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