Urteil des FG Münster vom 12.11.2010

FG Münster (kläger, neue anlage, stadt, abwasserbeseitigung, stand der technik, einbau, anlage, betriebskosten, die post, höhe)

Finanzgericht Münster, 4 K 1393/08 E
Datum:
12.11.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1393/08 E
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
1
Streitig ist noch die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für eine Kleinkläranlage,
die zu einem privat genutzten Einfamilienhaus gehört.
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Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer
zusammenveranlagt. Der im Juli 1940 geborene Kläger bezog seit Mitte des Jahres
2005 Versorgungsbezüge aus einem früheren Dienstverhältnis als xxxx. Die Klägerin
erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als xxxx.
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Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks.
Das Grundstück liegt in I-Stadt in der dünnbesiedelten Gemarkung B. Es ist wegen
schwerer topografischer Erreichbarkeit nicht an das kommunale Abwassernetz
angeschlossen. Die Beseitigung des häuslichen Abwassers erfolgt daher privat. Bis
Mitte des Jahres 2006 leiteten die Kläger ihr Abwasser durch eine Dreikammer-
Klärgrube ab. Aufgrund eines - bestandskräftigen - Bescheids des Kreises T-Stadt vom
11.05.2006 wurden die Kläger verpflichtet, die bisherige Grube durch den Einbau einer
biologischen Kleinkläranlage zu ersetzen. Die Anschaffungskosten betrugen EUR
9.168,68. Die Stadt I-Stadt zahlte einen Zuschuss von EUR 1.500.
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In ihrer Einkommensteuererklärung für 2006 machten die Kläger als außergewöhnliche
Belastungen i.S. des § 33 Einkommensteuergesetzes (EStG) zunächst nur
Krankheitskosten geltend. Im Nachgang erklärten sie die vorgenannten Kosten für den
Einbau der Kleinkläranlage als "außergewöhnliche Belastungen oder
Sonderausgaben".
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Im Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 19.11.2007 anerkannte der Beklagte als
außergewöhnliche Belastungen lediglich Krankheitskosten in Höhe von EUR 1.242, die
nach Abzug der gesetzlichen zumutbaren Belastung allerdings steuerlich
unberücksichtigt blieben. Die Kosten für den Einbau der Kleinkläranlage erkannte der
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Beklagte nicht als außergewöhnliche Belastungen an, sondern qualifizierte sie als
Anschaffungskosten der Immobilie. Eine anteilige steuerliche Berücksichtigung erfolgte
im Streitjahr 2006 bei den Werbungskosten der Ehefrau (AfA für das häusliche
Arbeitszimmer).
Den Einspruch, der von den Klägern nicht begründet wurde, wies der Beklagte durch
Bescheid vom 11.03.2008 zurück.
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Mit der am 15.04.2008 erhobenen Klage begehrten die Kläger zunächst sowohl die
Berücksichtigung eines Altersentlastungsbetrages bei den Einkünften des Klägers als
auch den Abzug der Kosten für den Einbau der Kleinkläranlage nebst pauschaler
Betriebskosten in Höhe von EUR 8.368,68 als außergewöhnliche Belastungen oder als
Sonderausgaben. In der mündlichen Verhandlung beschränkten die Kläger ihren Antrag
auf die steuerliche Anerkennung der Kosten für Einbau und Betrieb der Kleinkläranlage.
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Zur Begründung ihrer Klage tragen sie im Wesentlichen vor, die Kosten für den Einbau
der Anlage seien außergewöhnlich, da sie nur den wenigen Anwohnern der Gemarkung
B auferlegt worden seien. Sie seien aufgrund der Lage der Grundstücke nicht an das
öffentliche Abwassernetz der Kommune angeschlossen. Ihnen, den Klägern, sei ein
politisches Sonderopfer auferlegt worden, da eine private Kleinkläranlage erworben und
unterhalten werden müsste. Den Großteil der deutschen Bevölkerung treffe lediglich die
Pflicht, die Kosten der Abwasserbeseitigung pauschal durch die Erhebung von
öffentlichen Gebühren zu begleichen. Die sie - die Kläger - treffenden Kosten für den
Erwerb und den Betrieb der Kleinkläranlage seien im Jahr ca. EUR 2.500 höher als die
durchschnittlichen Kosten der Abwasserbeseitigung.
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Ein Gegenwert für die Kosten liege nicht vor. Bereits durch die alte Dreikammer-
Klärgrube seien ausreichende Abwasserwerte erreicht worden. Es sei keine
Verbesserung eingetreten. Die Anschaffung der neuen Anlage sei oktroyiert worden.
Durch die neue Anlage sei sogar eine Wertminderung des Grundstücks eingetreten, da
ein potenzieller Erwerber aufgrund erhöhter Wartungs- und Unterhaltungskosten der
Kläranlage nicht bereit sei, den Verkehrswert zu zahlen.
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Zudem sei die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht von der Kommune auf sie -
die Kläger - verfassungswidrig. Die Abwasserentsorgung gehöre zu den originären
Leistungspflichten der Kommune, die sie nicht auf Dritte und auch nicht auf die Bürger
übertragen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Schriftsätze der Kläger vom
15.04.2008, 29.07.2008, 15.09.2009, 02.12.2009, 08.04.2010, 07.11.2010 und
11.11.2010.
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Die Kläger beantragen,
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den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 19.11.2007 und die
Einspruchsentscheidung vom 11.03.2008 dahingehend abzuändern, dass
Anschaffungs- und Betriebskosten für die Kläranlage in Höhe von EUR 8.368
steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt
werden, hilfsweise als Sonderausgaben in Abzug gebracht werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt er an: Die Kosten der Kleinkläranlage seien nicht als
außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Zum einen hätten die Kläger einen
Gegenwert erhalten. Der Einbau der Anlage habe zu einer Wertverbesserung des
Objekts am Markt geführt. Entscheidend sei, dass das mit einer Kleinkläranlage
versehene - insoweit erschlossene - Objekt einen höheren Wert habe als ein
unerschlossenes Objekt. Zum anderen seien die Kosten auch nicht außergewöhnlich
i.S. des § 33 EStG. Von der gesetzlichen Verpflichtung zur Errichtung seien nicht nur die
Kläger, sondern alle Grundstücksnutzungsberechtigten erfasst, deren Immobilien im
Außenbereich von im Zusammenhang bebauter Ortsteile lägen. Von insgesamt 4.600
Grundstücken in I-Stadt seien zur Abwasserbeseitigung 44 mit einer Kleinkläranlage
versehen. Deutschlandweit verfügten nach Angaben des Dachverbands der
Abwasserverbände ca. 1 Mio. Grundstücke nicht über eine öffentliche
Abwasserbeseitigungsanlage.
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Kosten des Grundstücksnutzungsberechtigten für die Abwasserbeseitigungsanlage
sowie die eigentliche Abwasserbeseitigung und die Nebenkosten seien typische Kosten
der privaten Lebensführung. Im Übrigen sei die Erfüllung von bestehenden
Umweltbestimmungen nicht außergewöhnlich. Schließlich seien auch die übrigen
Anwohner des Ortes mit entsprechenden Verpflichtungen belastet worden.
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Ein Sonderausgabenabzug für die Aufwendungen komme ebenfalls nicht in Betracht.
Es fehle an einem insoweit einschlägigen gesetzlichen Tatbestand.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom
29.05.2008, 10.09.2008, 28.10.2009, 22.12.2009, 26.03.2010 sowie 29.04.2010
verwiesen.
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Der Senat hat in dieser Sache am 12.11.2010 mündlich verhandelt. Insofern wird Bezug
genommen auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tag.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Zwar endete die
einmonatige Klagefrist (§ 47 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nach Maßgabe der
gesetzlichen Bekanntgabefiktion bei der Übermittlung von Verwaltungsakten durch die
Post (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO -) grundsätzlich am 14.04.2008, da
die Einspruchsentscheidung am 11.03.2008 zur Post gegeben wurde. Allerdings haben
die Kläger angeführt, die Einspruchsentscheidung erst später - d.h. außerhalb der
gesetzlichen Drei-Tages-Frist - erhalten zu haben und hierzu erläutert, dass die
Postzustellung in der Gemarkung B zum Teil sehr unregelmäßig erfolge. Der Beklagte
hat dies im Wesentlichen bestätigt, so dass der Senat davon ausgeht, dass der
Bescheid erst außerhalb der Drei-Tages-Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO tatsächlich
zugegangen ist und die Klageerhebung am 15.04.2008 fristgemäß erfolgte.
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2. Die Klage ist allerdings unbegründet.
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Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Anschaffungskosten für die Kleinkläranlage
und die Betriebskosten als außergewöhnliche Belastungen oder als Sonderausgaben
zu berücksichtigen. Der Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 19.11.2007 und die
hierauf ergangene Einspruchsentscheidung vom 11.03.2008 sind rechtmäßig und
verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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a. Die Aufwendungen für den Einbau der Kleinkläranlage in Höhe von EUR 7.668,68
(EUR 9.168,68 ./. Zuschuss der Stadt I-Stadt über EUR 1.500) sind ebenso wenig wie
die von den Klägern in der mündlichen Verhandlung pauschal mit EUR 700
angegebenen Betriebskosten als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
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Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der
überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse,
gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche
Belastung), wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§
33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig,
wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht
entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
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Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
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aa. Zwar sind den Klägern die Kosten zwangsläufig entstanden.
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Die Kläger waren zur eigenen Abwasserbeseitigung verpflichtet. Diese Verpflichtung
ergibt sich aus § 53 Abs. 1c Satz 1, Abs. 4 und Abs. 7 des Wassergesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (LWG). Hiernach ist es grundsätzlich Aufgabe der Kommune, die
Grundstücke abwassertechnisch zu erschließen und die auf ihrem Gebiet anfallenden
Abwässer zu beseitigen. Diese Verpflichtung geht allerdings auf den
Grundstücksnutzungsberechtigten über, wenn die Kommune von der Pflicht zur
Abwasserbeseitigung für Grundstücke außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile
freigestellt wird, sofern die kommunale Abwasserbeseitigung wegen eines
unverhältnismäßig hohen Aufwands oder technischer Schwierigkeiten nicht angezeigt
ist (§ 53 Abs. 4 LWG). In diesem Fall ist der Grundstücksnutzungsberechtigte
verpflichtet, eine Abwasserbehandlungsanlage zu errichten, die den allgemein
anerkannten Regeln der Technik entspricht.
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Im Streitfall war die Stadt I-Stadt von der Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung im
Bereich der Gemarkung B befreit (vgl. hierzu www.I-Stadt.de). Die Pflicht zur
Abwasserbeseitigung auf ihrem Grundstück traf die Kläger (§ 53 Abs. 4 und 7 LWG). Die
damit einhergehende Verpflichtung, die Abwasserentsorgung nach den "allgemein
anerkannten Regeln der Technik" durchzuführen und hierfür eine biologische
Kleinkläranlage anstelle der bisherigen Dreikammer-Klärgrube in Betrieb zu nehmen,
wurde durch den bestandskräftigen Verwaltungsakt der Unteren Wasserbehörde des
Kreises T-Stadt konkretisiert. Jener Bescheid, der von den Klägern trotz Aufforderung
des Gerichts nicht vorgelegt wurde, dessen Existenz und Inhalt zwischen den
Beteiligten aber unstreitig ist, hat für die steuerrechtliche Beurteilung
Tatbestandswirkung.
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bb. Die Kläger waren allerdings nicht in Höhe der Anschaffungskosten der
Kleinkläranlage (abzüglich des Zuschusses) wirtschaftlich belastet.
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§ 33 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine außergewöhnliche "Belastung"
zu tragen hat. Eine solche liegt nicht vor, wenn er Gegenstände anschafft, die für ihn
einen Gegenwert zu den aufgewandten Kosten haben. In diesem Fall handelt es sich
um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die den Steuerpflichtigen nicht
"belastet". Nur soweit Werte aus seinem Vermögen oder seinem laufenden Einkommen
endgültig abfließen, liegt bei ihm - anders als bei einer reinen Vermögensumschichtung
- eine Belastung vor (BFH-Urteil vom 25.01.2007 III R 7/06, BFH/NV 2007, 1081
m.w.N.). Ein Gegenwert in vorgenanntem Sinne ist gegeben, wenn der Gegenstand
nicht nur für den Steuerpflichtigen, sondern auch für andere Personen von Wert sein
kann und damit eine gewisse Marktfähigkeit besitzt (vgl. Heger in Blümich, EStG, § 33
Rdnr. 58). Handelt es sich dagegen um verlorenen Aufwand, liegt kein anzurechnender
Gegenwert vor. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die streitigen Aufwendungen
auf einem unabwendbaren Ereignis beruhen, so dass nicht von einer
Vermögensumschichtung, sondern von einer Wiederherstellung des früheren Zustands
auszugehen ist (Heger in Blümich, EStG, § 33 Rdnr. 61).
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Eine Kleinkläranlage, die - wie im Streitfall - dem gesetzlich geforderten Stand der
Technik entspricht, ist marktfähig, hat also einen Gegenwert. Insofern bedarf es keiner
Feststellungen, ob und wenn ja in welcher Höhe der Wert des Grundstücks der Kläger
durch den Einbau der Kleinkläranlage gestiegen ist. Der Senat ist davon überzeugt,
dass sich ein potenzieller Erwerber des Grundstücks die Existenz der neuen Kläranlage
etwas kosten ließe. Diese entsprach den allgemein anerkannten Regeln der Technik
und berechtigte zur häuslichen Abwasserbeseitigung. Ein potenzieller Erwerber des
Grundstücks könnte und würde diese Anlage daher für sich selbst nutzen. Er hätte auch
ein Interesse daran, dass die private Abwasserbeseitigung den gesetzlichen
Anforderungen entspräche. Andernfalls könnte die - grundstücksbezogene -
wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung des häuslichen Abwassers in die öffentlichen
Gewässer (§§ 7, 7a des Wasserhaushaltsgesetzes - WHG -) widerrufen werden (§ 52
Abs. 2 LWG i.V.m. §§ 4, 5 WHG). Dies hätte zur Folge, dass das Grundstück
abwassertechnisch als unerschlossen gelten würde und die Einleitung des häuslichen
Abwassers als Ordnungswidrigkeit geahndet werden könnte (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 WHG).
Wäre das Grundstück der Kläger nicht mit einer biologischen Kleinkläranlage
ausgestattet, wäre ein potenzieller Erwerber selbst verpflichtet, auf eigene Kosten eine
den aktuellen technischen Anforderungen entsprechende Anlage in Betrieb zu nehmen.
Bei der Ermittlung eines (potenziellen) Verkaufspreises wäre dies ein wertbildender
Faktor.
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Der Erwerb der Kleinkläranlage stellt keinen verlorenen Aufwand dar. Die Verpflichtung
zum Einbau der Anlage beruhte nicht auf einem unabwendbaren Ereignis, durch das
lediglich der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wurde (so z.B. durch Reparatur
von Sturmschäden), sondern auf einer durch Verwaltungsakt konkretisierten
gesetzlichen Verpflichtung, die private Abwasserbeseitigung auf Grundlage der
allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführen. Dass die Kläger diese
Verpflichtung selbst für sinnlos erachten, ist für die steuerrechtliche Beurteilung der
Kosten unbeachtlich. Maßgeblich ist ausschließlich der Umstand, dass durch den
Einbau der Kleinkläranlage ein Zustand geschaffen wurde, der den wasserrechtlichen
Vorschriften entspricht und daher gegenüber dem ursprünglichen Zustand ein "Mehr"
bedeutet. Unerheblich ist zudem, dass die neue Anlage - wie von den Klägern
behauptet - höhere Betriebskosten verursacht als die vorherige Dreikammer-Klärgrube.
Das Vorliegen eines Gegenwerts wird nicht durch etwaige Folgeaufwendungen in
Frage gestellt, sondern orientiert sich nur an der Marktfähigkeit der Investition selbst.
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cc. Darüber hinaus - hierauf weist der Senat nur ergänzend hin - sind die Einbau- und
Betriebskosten der Kleinkläranlage auch nicht "außergewöhnlich".
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Die Außergewöhnlichkeit setzt voraus, dass es sich um Aufwendungen handelt, die in
den besonderen Verhältnissen des einzelnen Steuerpflichtigen oder einer kleinen
Minderheit von Steuerpflichtigen begründet sind (BFH-Urteil vom 22.08.1980 VI R
196/77, BStBl II 1981, 25). Soweit die Kläger darauf abstellen, dass sie im Vergleich zu
Steuerpflichtigen, deren Grundstücke an das kommunale Abwassernetz angeschlossen
sind, zu einer zahlenmäßig verschwindend geringen Gruppe "privater
Abwasserbeseitiger" gehören, kann dies die Außergewöhnlichkeit nicht begründen.
Zwar sind nach öffentlichen Angaben der Stadt I-Stadt (www.I-Stadt.de) die Grundstücke
von 99 % der dort lebenden Bevölkerung an das öffentliche Abwassernetz
angeschlossen. Allerdings genügt allein die Zugehörigkeit zu einer kleinen Minderheit
von Steuerpflichtigen, die bestimmte Aufwendungen zu tragen haben, nicht, um diese
Aufwendungen als außergewöhnlich zu qualifizieren. Hinzu kommen muss, dass das
die Aufwendungen auslösende Ereignis "außergewöhnlich" ist (vgl. Loschelder in
Schmidt, EStG, 29. Aufl., § 33 Rdnr. 15 m.w.N.). Handelt es sich dagegen um typische
Vorgänge der Lebensführung, sind die hiermit im Zusammenhang stehenden
Aufwendungen durch das steuerfrei gestellte Existenzminimum abgedeckt und eben
nicht außergewöhnlich i.S. des § 33 EStG. Im Streitfall sind die Kosten der Kläger -
soweit nicht ein geringfügig beruflicher Anteil in Betracht zu ziehen ist (häusliches
Arbeitszimmer) - durch das private Bedürfnis des Wohnens veranlasst. Die freie
Auswahlentscheidung, ein Grundstück außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile
zu erwerben, nimmt den Kosten, die die abwassertechnische Erschließung durch den
Betrieb einer biologischen Kleinkläranlage sicherstellen, die Außergewöhnlichkeit (vgl.
insoweit auch Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 15.02.2000 VI 121/99, EFG 2000,
628, rkr. - zur Frage der Abzugsfähigkeit von Sielbaukosten als außergewöhnliche
Belastungen). Betroffen sind sowohl die Anschaffungskosten der Anlage selbst als auch
die von den Klägern hervorgehobenen hohen Betriebskosten und weiteren Gebühren.
Zudem ist im Streitfall im Rahmen der Prüfung des Merkmals der Außergewöhnlichkeit
kompensierend zu berücksichtigen, dass mit der Genehmigung des Betriebs einer
privaten Kleinkläranlage zugleich der - kostenpflichtige - Anschluss- und
Benutzungszwang an das kommunale Abwassernetz entfiel.
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Der Senat muss sich im vorliegenden Verfahren auch nicht mit der Frage
auseinandersetzen, ob die Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht von der
Kommune auf die Kläger gemäß § 53 Abs. 4 LWG verfassungsgemäß ist. Entscheidend
für die steuerrechtliche Beurteilung der streitigen Kosten ist allein, dass die behördliche
Verpflichtung der Kläger zur Umstellung der häuslichen Abwasserbeseitigung von einer
Dreikammer-Klärgrube auf eine biologische Kleinkläranlage - unstreitig - bestandskräftig
ist und daher Tatbestandswirkung entfaltet.
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b. Die Kosten können auch nicht als Sonderausgaben anerkannt werden. Es fehlt an
einem gesetzlichen Tatbestand i.S. der §§ 10 ff. EStG, der einen Abzug der Kosten
zuließe.
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c. Der Beklagte hat die Aufwendungen zu Recht als Anschaffungskosten der Immobilie
qualifiziert und eine Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage lediglich in dem
Umfang zugelassen, in dem die Immobilie im Streitjahr zur Erzielung von
steuerpflichtigen Einnahmen eingesetzt wurde. Daher waren die Kosten - wie vom
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Beklagten vorgenommen - nur im Wege der AfA bei einer zwanzigjährigen Laufzeit bei
den Werbungskosten der Klägerin bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit
(häusliches Arbeitszimmer) anteilig zu berücksichtigen. Ein ebenfalls anteiliger (5,35 %
Anteil Fläche Arbeitszimmer) Abzug von pauschalen Betriebskosten konnte bei den
Werbungskosten ohne substantiierte Darlegung des Kostengrundes und der
Kostenhöhe nicht erfolgen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4. Revisionszulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.
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