Urteil des FG Münster vom 03.09.2010

FG Münster (aufteilung, richtlinie, verhältnis, unterhalt, ewg, verhältnis zu, anteil, höhe, teil, vorsteuerabzug)

Finanzgericht Münster, 15 K 3175/06 U
Datum:
03.09.2010
Gericht:
Finanzgericht Münster
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 3175/06 U
Sachgebiet:
Finanz- und Abgabenrecht
Tenor:
Der Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 12.04.2006 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 wird dahingehend geändert,
dass die Umsatzsteuer auf DM 179.140,22 (= EUR 91.592,94)
festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist im Rahmen der Umsatzsteuer(USt)-Festsetzungen für 1996 und 1997, ob der Beklagte die
nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern nach dem sog. Umsatzschlüssel auf die steuerfreien und die
steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin aufteilen durfte.
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Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres während des Klageverfahrens am 01.08.2006
verstorbenen Ehegatten IC. IC war - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - in den Streitjahren
Organträger einer umsatzsteuerlichen Organschaft, der als Organgesellschaften die Q GmbH, die N
GmbH, die V GmbH und die T GmbH angehörten. Die Mitglieder dieses Organkreises betrieben in
den Jahren 1996 und 1997 mehrere Spielhallen, in denen sowohl Geldspielgeräte mit
Gewinnmöglichkeit als auch Unterhaltungsspielgeräte aufgestellt waren.
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In seinen am 04.09.1998 und am 16.11.1998 eingereichten USt-Erklärungen für die Streitjahre
erfasste IC sowohl die Umsätze mit den Geldspielgeräten als auch die Umsätze mit den
Unterhaltungsspielgeräten als steuerpflichtige Leistungen. Nachdem der Beklagte am 13.09.2001
geringfügig geänderte USt-Bescheide für die Jahre 1996 und 1997 erlassen hatte, legte IC mit
Schreiben vom 10.10.2001 Einspruch gegen diese Bescheide ein. Zur Begründung verwies er auf
den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30.11.2000 (V B 187/00, BFH/NV 2001, 657),
wonach es ernstlich zweifelhaft sei, ob Geldspielautomatenumsätze gemeinschaftsrechtlich
besteuert werden dürften. Dieser Einspruch wurde von den Beteiligten im Hinblick auf ausstehende
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BFH zu der Steuerpflicht von
Umsätzen mit Geldspielgeräten einvernehmlich ruhend gestellt.
4
Am 17.02.2005 entschied der EuGH zur Steuerpflicht von Geldspielgeräten, dass es mit Art. 13 Teil
B Buchst. F der Richtlinie 77/388/EWG (Sechste Umsatzsteuerrichtlinie, ABl. 1977 L 145/1)
unvereinbar sei, die Veranstaltung oder den Betrieb von Glücksspielen oder Glücksspielgeräten aller
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Art in zugelassenen öffentlichen Spielbanken steuerfrei zu stellen, während diese Steuerbefreiung
für die Ausübung derselben Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber
seien, nicht gelte (EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005, C-453/02 u.a., Linneweber u.a, Slg. 2005, I-
1131). Das Folgeurteil des BFH in dieser Sache erging am 12.05.2005 (BFH-Urteil vom 12. Mai
2005 V R 7/02, BFHE 210, 164, BStBl. II 2005, 617).
Mit Schreiben vom 27.07.2005 stellte IC den Antrag, die USt-Festsetzungen für die Streitjahre nach
Maßgabe der geänderten Rechtsprechung zu ändern und die USt für 1996 um DM 169.113,52 und
für 1997 um DM 154.215,69 herabzusetzen. Zu der im vorliegenden Verfahren streitigen Aufteilung
der nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern führte IC aus: Die nach § 15 Abs. 4 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) notwendige Aufteilung der Vorsteuern sei, soweit wie möglich, nach
dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung erfolgt. Nur bei Vorsteuerbeträgen, für die kein
wirtschaftlich nachvollziehbarer Aufteilungsmaßstab gefunden worden sei, habe er - IC - auf den
Umsatzschlüssel zurückgegriffen. Aus den zur Begründung des Antrags eingereichten
Berechnungen ergab sich dabei, dass Vorsteuern aus Lieferungen und Leistungen, die mit der
Anmietung und dem Unterhalt der betrieblich genutzten Räumlichkeiten in Zusammenhang standen
(Miete, Gas, Strom, Wasser, Reinigung, Beiträge, Werbung, Reparaturen) nach dem Verhältnis der
für die Erzielung der jeweiligen Umsätze beanspruchten Standflächen aufgeteilt wurden und die
übrigen Vorsteuern nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze zu den Gesamtumsätzen des
Unternehmens.
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Der Beklagte führte aufgrund dieses Änderungsantrags ab dem 02.11.2005 eine USt-Sonderprüfung
bei IC durch. In dem Bericht über die USt-Sonderprüfung vom 27.02.2006, dem bereits die geänderte
Rechtsprechung des EuGH zur Steuerfreiheit von Umsätzen mit Geldspielgeräten zu Grunde lag,
vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern des
Unternehmens ausschließlich nach dem sog. Umsatzschlüssel aufzuteilen seien. Die von IC
beantragte Aufteilung der mit der Anmietung und dem Unterhalt der betrieblich genutzten
Räumlichkeiten in Zusammenhang stehenden Vorsteuern nach dem Verhältnis der tatsächlichen
Nutzflächen werde den räumlichen Gegebenheiten und den wirtschaftlichen Verhältnissen von
Spielhallen nicht gerecht.
7
Bei der Anwendung des Umsatzschlüssels sei zudem zu berücksichtigen, dass der Anteil der
steuerpflichtigen Umsätze an den Gesamtumsätzen geringer sei als von IC angenommen. IC habe
bei der Ermittlung der Gesamtumsätze die USt zu Unrecht auch aus den steuerfreien Umsätzen
heraus gerechnet und dadurch einen zu hohen Anteil steuerpflichtiger Umsätze zu Grunde gelegt.
8
Im Einzelnen ergaben sich nach den Feststellungen der Prüferin in den Streitjahren folgende
Abweichungen von den Berechnungen des IC:
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Streitjahr Aufzuteilende
Vorsteuern in
DM
Steuerpflichtige
Umsätze in DM
(netto)
Gesamtumsätze
in DM (netto)*
Nach § 15
Abs. 4
UStG
abziehbare
Vorsteuern
in DM
Zum Vergleich:
Abziehbare
Vorsteuern nach
dem von IC
ermittelten
Aufteilungsschlüssel
(in DM)
1996
100.278,51
2.192.692,67
3.981.773,37
55.153,17
(55%)
69.137,12 (69%)
1997
84.248,09
1.943.642,84
3.604.487,84
45.493,95
(54%)
58.379,65 (69%)
10
* Nach Hinzurechnung der von IC aus den steuerfreien Umsätzen herausgerechneten USt.
11
Am 12.04.2006 erließ der Beklagte auf Grundlage der Prüfungsfeststellungen geänderte USt-
Bescheide für die Jahre 1996 und 1997 und half dadurch den Einsprüchen vom 10.10.2001 zum
größten Teil ab. Umstritten blieb zwischen den Beteiligten nur noch die Aufteilung der mit der
Anmietung und dem Unterhalt der betrieblich genutzten Räumlichkeiten in Zusammenhang
stehenden Vorsteuern. Insoweit wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom
27.06.2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Aufteilung der Vorsteuern
nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze sei sachgerecht und daher den Steuerbescheiden
weiterhin zu Grunde zu legen. Dies gelte auch für die Vorsteuern aus der Anmietung der betrieblich
genutzten Räumlichkeiten. Zwar sei bei Gebäuden die Vorsteuer in der Regel nach dem Verhältnis
der tatsächlichen Nutzungsflächen aufzuteilen, doch liege ein solcher Regelfall hier nicht vor. Bei
Spielhallen bestehe ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Flächenanteil, der auf die
Geldspielgeräte entfalle, und ihrem in den Ausgangsumsätzen zum Ausdruck kommenden
wirtschaftlichen Gewicht. Der Flächenschlüssel könne daher bei Spielhallen nicht als sachgerechter
Aufteilungsmaßstab anerkannt werden.
12
Daraufhin hat IC am 25.07.2006 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung führt die Klägerin,
die das Klageverfahren als Gesamtrechtsnachfolgerin von IC fortführt, unter Wiederholung und
Vertiefung des Vorbringens im Verwaltungsverfahren aus, dass die Aufteilung der Vorsteuern aus
der Anmietung der Räumlichkeiten nach dem Verhältnis der für die Aufstellung der Geldspiel- und
der Unterhaltungsspielgeräte jeweils erforderlichen Flächen eine Aufteilung nach
Kostenzurechnungsgesichtspunkten darstelle und daher den Vorgaben des Gesetzes und der
Umsatzsteuerrichtlinien entspreche. Der Beklagte müsse die von ihr - der Klägerin - vorgenommene
Aufteilung daher nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG der Besteuerung zu Grunde legen.
13
Die Klägerin beantragt,
14
die USt unter Änderung der USt-Bescheide vom 12.04.2006 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 für 1996 auf DM 168.846,63 und für 1997 auf DM
112.181,74 festzusetzen,
15
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
16
Der Beklagte beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf
den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
20
Entscheidungsgründe
21
Die Klage ist überwiegend unbegründet. Die USt-Bescheide 1996 und 1997 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27.06.2006 sind nur insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin
in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), als der Anteil der
aufgrund des Umsatzschlüssels abziehbaren Vorsteuern im USt-Bescheid 1996 nicht wie von Art. 19
Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (heute Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG) gefordert
auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet wurde.
22
1. Der Beklagte hat die nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern zu Recht nach dem sog.
Umsatzschlüssel auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin aufgeteilt.
23
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung kann der
Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für
Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen
ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist
gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG die Steuer für die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die
der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet. Verwendet der Unternehmer
einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen
Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur
Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1
UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom
Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.
24
Im Streitfall erzielte die Klägerin sowohl steuerpflichtige Umsätze (u.a. mit Unterhaltungsspielgeräten
und Gastronomie) als auch steuerfreie Umsätze mit Geldspielgeräten. Soweit die Klägerin
Leistungen für ihr Unternehmen bezogen hat, die ausschließlich den steuerfreien oder den
steuerpflichtigen Umsätzen zuzurechnen sind, besteht zwischen den Beteiligten über die Zuordnung
der Vorsteuern dem Grunde und der Höhe nach Einvernehmen.
25
Die verbleibenden, nicht direkt den steuerpflichtigen oder den steuerfreien Umsätzen zurechenbaren
Vorsteuern sind gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG aufzuteilen.
26
Dabei ist es nach § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG grundsätzlich Sache des Unternehmers, den nicht
abziehbaren Teil der aufzuteilenden Vorsteuern im Wege einer sachgerechten Schätzung zu
ermitteln. Nur wenn die Aufteilung durch den Steuerpflichtigen nicht sachgerecht ist, darf das
Finanzamt die Vorsteuern anderweitig - sachgerecht - aufteilen (BFH-Urteil vom 12. März 1998, V R
50/97, BStBl. II 1998, 525; BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 2005, V B 200/04, BFH/NV 2005, 1641 und
vom 27. November 2008, XI B 60/08, BFH/NV 2009, 431).
27
Nach welchen Kriterien zu bestimmen ist, ob eine Schätzung "sachgerecht" im Sinne des § 15 Abs.
4 Satz 2 UStG ist, kann dem UStG nicht unmittelbar entnommen werden. Aus § 15 Abs. 4 Satz 1
UStG ergibt sich lediglich das Erfordernis einer "wirtschaftlichen Zurechnung" von
Vorsteuerbeträgen zu den mit der bezogenen Leistung ausgeführten Umsätzen.
28
Der BFH greift daher zur Auslegung von § 15 Abs. 4 UStG auf die gemeinschaftsrecht-lichen
Vorgaben für die Aufteilung von Vorsteuern zurück (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01,
BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833, unter II. 1. a). Maßgeblich sind insoweit die Art. 17 und 19 der in
den Streitjahren geltenden Richtlinie 77/388/EWG (heute Art. 173 bis Art. 175 der Richtlinie
2006/112/EG). Diese sehen als Regelaufteilungsmaßstab für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen
in Fällen gemischter (d.h. zum Vorsteuerabzug berechtigender und nicht berechtigender)
Verwendungen einen sog Umsatzschlüssel vor (vgl. Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und Art. 19; hierzu
BFH-Urteil vom 1. Juli 2004, V R 32/00, BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022, unter II. 3. A). Danach
ist der Teil der aufzuteilenden Vorsteuern abzugsfähig, der dem Anteil der steuerpflichtigen Umsätze
an den Gesamtumsätzen des Unternehmens entspricht. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15
Abs. 4 UStG können deshalb nur solche Aufteilungsverfahren als "sachgerecht" anerkannt werden,
die - objektiv nachprüfbar - mindestens in gleicher Weise wie der Umsatzschlüssel geeignet sind, die
beiden "Nutzungsteile" eines gemischt verwendeten Gegenstandes bzw. einer gemischt
verwendeten sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen
Umsätzen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 2001, V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl. II
2002, 833). Dies setzt einen inneren Zusammenhang zwischen den bezogenen Eingangsleistungen
und dem Aufteilungskriterium voraus (das Senatsurteil vom 16.02.2010 15 K 5246/06 U, EFG 2010,
988; siehe auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.04.2008 16 K 335/07, DStRE 2009, 874, dort
zu der Aufteilung der Vorsteuern nach der Anzahl der vorgehaltenen Geldspiel- bzw.
Unterhaltungsspielgeräte).
29
Ausgehend von diesen Grundsätzen war der Beklagte nach Auffassung des Senats berechtigt, den
Anteil der nicht abziehbaren Vorsteuern aus der Anmietung und dem Unterhalt der betrieblichen
Räumlichkeiten an Stelle der Klägerin zu schätzen und hierzu auf den als sachgerechte
Schätzungsmethode anerkannten Umsatzschlüssel (vgl. BFH-Urteile vom 17. August 2001, V R
1/01, BStBl. II 2002, 833 und vom 18. November 2004, V R 16/03, BStBl. II 2005, 503)
zurückzugreifen.
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Die Aufteilung der Vorsteuern durch die Klägerin stand der Schätzungsbefugnis des Beklagten im
Streitfall nicht entgegen, da dem Flächenschlüssel, auf dem diese Aufteilung beruht, der notwendige
innere Zusammenhang zwischen den bezogenen Eingangsleistungen und dem gewählten
Aufteilungskriterium (Verhältnis der für die Geldspiel- bzw. die Unterhaltungsspielgeräte jeweils
benötigten Standflächen) fehlt. Es ist für den Senat im Streitfall nicht erkennbar, dass die Höhe der
Aufwendungen für die Anmietung und den Unterhalt der betrieblichen Räumlichkeiten überwiegend
von dem als Aufteilungsmaßstab gewählten Verhältnis der für die Geldspiel- bzw. die
Unterhaltungsspielgeräte jeweils vorgehaltenen Standflächen abhängt. Das gilt insbesondere für
Aufwendungen, die der Klägerin durch die Anmietung und den Unterhalt von nicht unmittelbar dem
Spielbetrieb dienenden Flächen entstanden sind. Zu nennen sind hier etwa die der Verwaltung des
Unternehmens dienenden Räumlichkeiten (Büros, Besprechungszimmer, Aktenräume), vor allem
jedoch die verhältnismäßig großen und im Unterhalt aufwendigen sanitären Anlagen und
Gastronomiebereiche. Die Höhe der durch die Anmietung und den Unterhalt dieser Räume bzw.
Bereiche entstehenden Aufwendungen hängt nicht von dem Verhältnis der für die Geldspiel- und die
Unterhaltungsspielgeräte jeweils benötigten Standflächen ab. Von Bedeutung ist insoweit eher, von
wie vielen Personen und in welcher Frequenz diese Bereiche aufgesucht werden, da hiervon die
notwendige Größe der Räume bzw. Bereiche und die Höhe der verbrauchsabhängigen Kosten
(Wasser, Strom, Reinigung) abhängt. Dass ein Zusammenhang zwischen dem Verhältnis der von
den Geldspiel- und Unterhaltungsspielgeräten jeweils beanspruchten Flächen und der Anzahl der
Nutzer des Gastronomiebereichs bzw. der sanitären Anlagen besteht, hat die Klägerin nicht dargetan
und ist für den Senat auch sonst nicht ersichtlich.
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Selbst für die unmittelbar dem Spielbetrieb dienenden Flächen führt eine Zurechnung der
entstehenden Aufwendungen nach dem Flächenschlüssel nicht zu sachgerechten Ergebnissen.
Evident ist dies etwa bei den Stromkosten. Diese werden ersichtlich nicht nach
Kostenzurechnungsgesichtpunkten aufgeteilt, wenn einem Billardtisch aufgrund seiner Größe ein
erheblich größerer Anteil an den Kosten zugerechnet wird als einem ohne Unterbrechung Strom
verbrauchenden Geldspielgerät. Aber auch eine Zurechnung der anteilig auf die Freiflächen
zwischen den Geräten entfallenden Aufwendungen ist mit dem Flächenschlüssel kaum möglich. So
ist es wenig plausibel, wenn etwa der zur Benutzung einer Dartscheibe erforderliche Raum
rechnerisch fast ausschließlich anderen Geräten zugerechnet wird, weil die Dartscheibe praktisch
keine Standfläche benötigt. Ähnlich ist die Situation bei vielen Geldspielgeräten, die an der Wand
hängen, und daher ebenfalls mit nur geringen Standflächen auskommen.
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Bestärkt sieht sich der Senat in seiner Rechtsauffassung durch den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 04.02.2009 (1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1; HFR 2009, 708,
siehe hierzu bereits das Senatsurteil vom 16.02.2010 15 K 5246/06 U, EFG 2010, 988). Nach dieser
Entscheidung ist die Verwendung des Stückzahlmaßstabes für die Besteuerung von
Geldspielautomaten in § 4 Abs. 1 des Hamburgischen Spielgerätesteuergesetzes in der Fassung
vom 07.12.1994 wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes) verfassungswidrig. Begründet wurde die Verfassungswidrigkeit der an die Stückzahl
anknüpfenden Besteuerung mit der erheblichen Schwankungsbreite der Einspielergebnisse der
besteuerten Automaten. Die festgestellten Schwankungsbreiten in den Einspielergebnissen der
Automaten seien so gravierend, dass es an jeder Korrelation zwischen dem - bloßen - Aufstellen von
Automaten und dem Einspielergebnis fehle (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Februar 2009 1 BvL 8/05,
BVerfGE 123, 1; HFR 2009, 708, unter Ziffer II 2 a). Übertragen auf den Streitfall folgt aus den
Ausführungen des BVerfG, dass ein an die Standflächen der eingesetzten Geräte und damit
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mittelbar an deren Anzahl anknüpfender Aufteilungsmaßstab wegen der großen Schwankungsbreite
der Einspielergebnisse der verschiedenen Geräte strukturell nicht geeignet ist, den notwendigen
Bezug zwischen den auf jedes Gerät (bzw. jeden Gerätetyp) entfallenden Anteil der Aufwendungen
für die Anmietung und den Unterhalt der Räumlichkeiten und den mit diesem Gerät (bzw. Gerätetyp)
ausgeführten Umsätzen herzustellen.
Bei dieser Sachlage kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf Abschnitt 208 der
Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) der Finanzverwaltung berufen. Selbst wenn den UStR zu entnehmen
wäre, dass die Aufteilung der nicht direkt zurechenbaren Vorsteuern im vorliegenden Fall nach dem
Verhältnis des Flächenbedarfs der Geldspielgeräte zu dem der Unterhaltungsspielgeräte
vorzunehmen sei, geht der Hinweis auf die Richtlinien im vorliegenden Verfahren ins Leere, weil der
Senat, der eine solche Aufteilung aus den dargelegten Gründen nicht für sachgerecht hält, an
norminterpretierende Verwaltungsanweisungen nicht gebunden ist (vgl. BFH-Beschluss vom
04.12.2008, XI B 250/07, BFH/NV 2009, 394). Sollte die Klägerin unter Hinweis auf die UStR eine
Billigkeitsregelung anstreben, vermag dies der vorliegenden Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu
verhelfen. Billigkeitsgesichtspunkte können im vorliegenden Verfahren, das allein die
Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzungsbescheide betrifft, nicht geltend gemacht werden, zumal der
Beklagte bisher nicht über eine eventuell begehrte Billigkeitsmaßnahme entschieden hat, sodass es
insoweit auch an einem finanzgerichtlichen Vorverfahren fehlt (BFH-Urteil vom 21.09.2000 IV R
54/99, BStBl. II 2001, 178; BFH-Beschluss vom 18.12.2007 XI B 179/06, BFH/NV 2008, 564).
34
Da die Klägerin keinen sachgerechten Aufteilungsmaßstab gewählt oder benannt hat, verbleibt es
bei der durch den Beklagten vorgenommenen Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der
steuerpflichtigen Umsätze zu den Gesamtumsätzen des Unternehmens. Die von dem
Niedersächsischen Finanzgericht geäußerten Bedenken gegen die Anwendung des
Umsatzschlüssels auf Spielhallenbetriebe (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 4. Mai 2010 16 K
329/07, StE 2010, 454), greifen bei dieser Sachlage - wie letztlich auch das Niedersächsische
Finanzgericht festgestellt hat - nicht durch. Andernfalls käme man zu dem gemeinschaftsrechtlich
kaum vertretbaren Ergebnis, dass der durch die MwStSystRL (bzw. die Richtlinie 77/388/EWG)
vorgegebene Regelaufteilungsmaßstab nach nationalem Recht als nicht sachgerecht angesehen
werden kann (so auch Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 15 Rz. 392).
35
36
2. Der Höhe nach war der abziehbare Teilbetrag der aufzuteilenden Vorsteuern für das Jahr 1996
um DM 1.002,78 zu Gunsten der Klägerin zu berichtigen, da der Beklagte bei der Ermittlung des
Umsatzschlüssels gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zur Rundung des ermittelten Prozentsatzes
der abziehbaren Vorsteuern außer Acht gelassen hat.
37
Nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (heute Art. 174 Abs. 1 und Art. 175 Abs. 1 der
Richtlinie 2006/112/EG) ergibt sich im Fall einer Anwendung des Umsatzschlüssels der Teil der
abziehbaren Vorsteuern aus einem Bruch, der im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der
zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze abzüglich der Mehrwertsteuer und im Nenner den je
Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug
berechtigenden Umsätze abzüglich der Mehrwertsteuer enthält. Dieser Bruch wird auf Jahresbasis in
Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet. Nach Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie
77/388/EWG (heute: Art. 174 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG) können Besonderheiten für
Umsätze aus der Lieferung von Investitionsgütern sowie für Hilfsumsätze aus Grundstücks-, Finanz-
und bestimmten Bankgeschäften gelten, die aber im Streitfall erkennbar nicht einschlägig sind.
38
Im Streitfall beträgt das Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze abzüglich USt zu den
Gesamtumsätzen abzüglich USt im Jahr 1996 55,1/100 (DM 2.192.692,67/ DM 3.981.773,37) und im
Jahr 1997 53,9/100 (DM 1.943.642,84/DM 3.604.487,84). Unter Berücksichtigung der nach Art. 19
Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG (heute Art. 175 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG) gebotenen
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Aufrundung sind 1996 somit 56 % statt bislang 55 % der aufzuteilenden Vorsteuern in Höhe von DM
100.278,51 und 1997 - wie von dem Beklagten ermittelt - 54 % der aufzuteilenden Vorsteuern in
Höhe von DM 84.248,09 als abzugsfähig anzuerkennen.
Im Übrigen sind die Berechnungen des Beklagten zur Ermittlung der Umsatzschlüssel für die
Streitjahre nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde die von der Klägerin bei der Berechnung der
Umsatzschlüssel aus den steuerfreien Umsätzen herausgerechnete (fiktive) USt zu Recht wieder
hinzugerechnet. Nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (heute Art. 174 Abs. 1 der Richtlinie
2006/112/EG) sind die steuerpflichtigen Umsätze und die Gesamtumsätze zwar abzüglich der
Mehrwertsteuer in Verhältnis zu setzten, doch kann sich die Vorgabe, die Mehrwertsteuer aus den
Umsätzen herauszurechnen, naturgemäß nur auf die steuerpflichtigen Umsätze beziehen, da nur bei
diesen Umsätzen eine Mehrwertsteuer angefallen ist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
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4. Die Zulassung der Revision folgt aus § 115 Abs. 2 FGO.
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